Ausgangspunkt dieser Studie war die Problematisierung der entlang zahlreicher Beispiele aus der sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis herausgearbeiteten Gleichsetzung von Islamfeindlichkeit, verstanden als feindliche Einstellungen gegenüber der Religion des Islams, und Muslim*innenfeindlichkeit, verstanden als feindliche Einstellungen gegenüber Menschen muslimischen Glaubens (vgl. Kap. 3). In Ermangelung umfangreicher und tiefergehender Studien zur Differenzierung der Adressat*innen feindlicher Einstellungen verfolgt diese Studie das Ziel, die potentielle Notwendigkeit einer Unterscheidung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit empirisch zu untersuchen. Theoretisch schließt das Vorhaben dabei an soziologische und sozialpsychologische Überlegungen zu Intergruppenkonflikten und Vorurteilsreduzierungsstrategien an. Ein derartiger Ansatz offenbart die Diskrepanz zwischen Vorurteilen gegenüber einer Religion als solcher und gegenüber einer sozialen Gruppe, die sich entlang dieser Religion konstituieren kann (vgl. Kap. 2). Darüber hinaus wurden weitere Argumentationen zur Differenzierung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit expliziert. So haben Menschen etwa ein Recht auf Religionsfreiheit, die Religion selbst ist jedoch nicht geschützt vor (legitimer) Kritik (vgl. Abschn. 3.4). Hinzukommt das grundlegende Interesse empirischer Sozialforschung, einen Gegenstand oder ein soziales Problem möglichst adäquat zu erfassen und mit validen Messinstrumenten zu arbeiten, welches eine differenzierte Betrachtung legitimiert, wenn nicht gar erforderlich macht.

Diese Arbeit leistet einen Beitrag zu der Frage, inwiefern die hier formulierte Trennschärfe nicht nur eine aus der Theorie ableitbare Forderung und ein wissenschaftlich-methodologischer Anspruch ist, sondern Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit sich auch empirisch als unterschiedliche Phänomene darstellen. Neben Ansätzen zur Datenreduktion (Hauptkomponentenanalyse) sowie strukturprüfenden Verfahren (konfirmatorische Faktorenanalyse) mit dem Ziel der Dimensionalisierung wurden zusätzlich weitere Indikatoren für eine Differenzierung herangezogen: voneinander abweichende Prädiktoren von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit (Regressionsanalysen), ein unterschiedliches Ausmaß der feindlichen Einstellungen gegenüber dem Islam und Muslim*innen im Vergleich (Mittelwertvergleich) sowie divergierende Assoziationen zu Islam und Muslim*innen und ihr Einfluss auf feindliche Einstellungen (Frequenz-/Valenzanalyse, Regressionsanalysen) (vgl. Kap. 4).

Alle drei Auswertungsschritte liefern wichtige Erkenntnisse zur Differenzierung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit (vgl. Kap. 57, siehe insbesondere Zwischenfazits in den Abschnitte 5.3, 6.5 und 7.4), welche zusammengesetzt ein umfassendes Bild von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit als zwei zu differenzierende, wenn auch nicht vollständig voneinander unabhängige Phänomene ergeben. Dass zwischen beiden Dimensionen ein Zusammenhang besteht, ist wenig verwunderlich, wo doch die Religion des Islams maßgeblich zu Bildung der Kategorie Muslim*innen herangezogen wird. Anders gesagt:

„Of course, a distinction can be made between a people and an idea. But when the people in question are identified – both by themselves and by their enemy – by that very idea, the distinction starts to lose its difference.“ (Klug 2012: 676).

Dass zwei Dinge eng miteinander verbunden sind, bedeutet jedoch keineswegs, dass sie identisch sind. Kap. 2 hat deutlich gemacht, dass die Gruppenzugehörigkeit aufgrund der Religionszugehörigkeit nur eins von vielen Identitätsangeboten ist und (zugeschriebenes) Muslimisch-Sein daher mit zahlreichen anderen Kategorisierungen überlappt. Weder in der Eigen- noch in der Fremdwahrnehmung muss diejenige Identität, die sich auf den Islam bezieht, die einzige oder dominierende sein. Weil also Muslim*innen facettenreiche Menschen mit unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeiten sind, die sich mitnichten alle auf den Islam beziehen, wundert es ebenso wenig, dass Islamfeindlichkeit und Muslim*innenfeindlichkeit keine identischen Phänomene sind. Die vorliegenden Daten zeigen eindeutig, dass mit Blick auf die Adressat*innen der Abwertung von einem (mindestens) zweidimensionalen Konstrukt ausgegangen werden muss. Ein zweidimensionales Modell bildet die Daten besser ab als ein eindimensionales.

Zudem werden in dieser Studie abweichende Muster für die untersuchten Prädiktoren offengelegt (vgl. Kap. 5). Sowohl für Islamfeindlichkeit als auch für Muslim*innenfeindlichkeit zeigt sich, dass Kontakte zu Muslim*innen mit reduzierten und eine religionskritische Haltung mit verstärkten Vorurteilen einhergehen; die Richtung der Zusammenhänge ist folglich identisch. Trotz dieser (erwarteten) Parallelen, zeigen sich dennoch auch Unterschiede: Im Fall der Islamfeindlichkeit stellt die allgemeine Religionskritik einen wichtigeren Prädiktor dar als Kontakt zu Muslim*innen. Für Muslim*innenfeindlichkeit hingegen sind beide Prädiktoren – Kontakt zu Muslim*innen und allgemeine Religionskritik – ähnlich relevant. Ein Vergleich dieser Modelle macht deutlich, dass Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit sich nicht in der gleichen Weise über die gleichen Prädiktoren beschreiben lassen, somit nicht identisch sind. Unterstützt wird dieser Eindruck zudem durch die Erkenntnisse im Zusammenhang mit Verhaltensintentionen gegenüber Muslim*innen. Muslim*innenfeindlichkeit erklärt mehr Varianz der Verhaltensintentionen gegenüber Muslim*innen bzw. hängt stärker mit diesen zusammen, als Islamfeindlichkeit dies tut. Auch die Variable Geschlecht kristallisiert sich überraschenderweise als wichtiger Prädiktor im Zusammenhang mit der Differenzierung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit heraus, denn das Geschlecht der Befragten spielt für islamfeindliche Einstellungen überhaupt keine Rolle, wohingegen der Zusammenhang zwischen Geschlecht und muslim*innenfeindlichen Einstellungen durchweg hochsignifikant ist. Frauen weisen demnach ein signifikant geringeres Maß an Muslim*innenfeindlichkeit auf als Männer. Mögliche Erklärungsansätze, etwa die Rolle patriarchaler Strukturen in Religionen im Allgemeinen und im Islam im Speziellen, sowie die Qualität von Kontakten zu Muslim*innen sollten unbedingt Gegenstand zukünftiger Forschung sein.

Ein weiterer zentraler Befund betrifft das variierende Ausmaß der Feindlichkeit (vgl. Kap. 6). Die vorliegende Studie kann als Pionierarbeit im Zusammenhang mit dem direkten Vergleich feindlicher Einstellungen gegenüber dem Islam und gegenüber Muslim*innen angesehen werden. Das innovative Design im Sinne eines faktoriellen Surveys gewährleistet erstmals eine gleiche Stärke in der Formulierung der Items, welche die Voraussetzung für einen direkten Vergleich bildet. Die Ergebnisse sind überraschend eindeutig: Muslim*innenfeindliche Einstellungen sind mitnichten auf demselben Niveau angesiedelt wie islamfeindliche Einstellungen. Die Befragten bewerten den Islam als Religion signifikant negativer, als sie Muslim*innen bewerten. Dies trifft auf den Großteil der untersuchten Items sowie auf die neu generierten Indizes (Islamfeindlichkeit/Muslim*innenfeindlichkeit) zu.

Darüber hinaus unterstreichen die unterschiedlichen Assoziationen mit dem Islam bzw. mit Muslim*innen einmal mehr, dass trotz einiger thematischer Überlappungen eine Vermischung von Islam und Muslim*innen auf manifester Ebene im Rahmen quantitativer Forschung fatal sein kann und präzise Analysen unmöglich macht (vgl. Kap. 7). Die Befragten assoziieren mit Muslim*innen deutlich positivere Eigenschaften als mit dem Islam, rufen persönliche Erfahrungen und Kontakte ab und evozieren neben religionsbezogenen verstärkt auch migrations- und integrationsbezogene Aspekte. Für den Islam hingegen dominieren Frames aus den Bereichen Religion(spraxis) und Bedrohung / Konflikt, die noch dazu nicht selten auf eine Verortung außerhalb Deutschlands hinweisen. Derart unterschiedliche Deutungsrahmen sprechen sowohl gegen die Austauschbarkeit bzw. den synonymen Charakter der Begriffe Islam und Muslim*innen als auch gegen die Behandlung von Islam und Muslim*innen als untrennbare Stimuli, die in Items oder Definitionen – so scheint es – zwangsläufig in Gesellschaft des je anderen Begriffs gelistet werden müssen.

Das alles sind interessante Erkenntnisse, die eindrücklich zeigen, dass zwischen Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit unterschieden werden muss. Eine unreflektierte Vermengung beider Dimensionen würde im Rahmen wissenschaftlicher Forschung dazu führen, dass die produzierten Ergebnisse mit Blick auf die Konzeptionalisierung und Erfassung des Phänomens immer auch Unschärfen enthielten. Dies kann wiederum ein unzureichendes Verständnis von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit zur Folge haben und damit beispielsweise abgeleitete Maßnahmen für die Prävention von feindlichen Einstellungen hervorbringen, die nicht so passgenau und effektiv sind, wie sie bei präziserer Erfassung sein könnten. Welchen Beitrag leisten die Ergebnisse also nun für das theoretische Verständnis, die empirische Erforschung sowie die Prävention von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit in der Praxis?

Die vorliegende Studie offenbart, erstens, die Notwendigkeit einer konzeptionellen Nachjustierung im Zusammenhang mit Islam-/Muslim*innenfeindlichkeit. Allzu häufig wird Islam-/Muslim*innenfeindlichkeit konzeptionell gefasst als feindliche Einstellungen gegenüber dem Islam und gegenüber Muslim*innen. Stellvertretend sei hier die vielfach rezipierte Definition von Islamophobia als “indiscriminate negative attitudes or emotions directed at Islam or Muslims.” von Bleich (2011) genannt. Empirisch wird eine solche Gleichsetzung von feindlichen Einstellungen gegenüber der Religion des Islams und feindlichen Einstellungen gegenüber Muslim*innen jedoch nicht gestützt. Stattdessen könnte Islamfeindlichkeit definiert werden als negative Einstellungen oder Emotionen gegenüber der Religion des Islams und Muslim*innenfeindlichkeit als negative Einstellungen oder Emotionen gegenüber Menschen mit tatsächlichem oder zugeschriebenem muslimischen Glauben. Alles spricht für ein (mindestens) zweidimensionales Verständnis von Islam-/Muslim*innenfeindlichkeit: Eine zweifaktorielle Lösung im Zusammenhang mit der PCA und der CFA, unterschiedliche Einflussstärken der untersuchten Prädiktoren, signifikant stärkere Vorurteile gegenüber dem Islam als gegenüber Muslim*innen sowie die Identifikation abweichender Assoziationen mit dem Islam und mit Muslim*innen lassen zusammengenommen eine ineinander verwobene und nicht zu trennende Definition von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit wenig adäquat erscheinen. Um das Phänomen konzeptionell in all seinen Dimensionen fassen zu können, ist mit Blick auf die Adressat*innen der Feindlichkeit folglich eine Parzellierung in Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit notwendig.

Theoretisch wurde in dieser Arbeit eine Idee von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit als Säulen des antimuslimischen Rassismus entworfen (vgl. Abschn. 3.2). Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit sind in diesem Sinne zwar auf der Einstellungseben verortet, werden jedoch beide als zentrale Elemente eines gesellschaftlichen Verhältnisses begriffen. Islam- und muslim*innenfeindliche Einstellungen werden nicht losgelöst von strukturellem Rassismus gedacht. Dieser theoretische Ansatz ließ sich nicht vollumfänglich testen, stattdessen diente er lediglich als Denkmodell. Dass Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit empirisch nachweisbar voneinander verschieden sind, aber dennoch miteinander korrelieren, plausibilisiert dieses Denkmodell. Es ermöglicht zum einen, feindliche Einstellungen nicht unabhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen und Diskursen zu denken, zum anderen bietet es Platz für zwei eigenständige, wenn auch zusammenhängende Säulen, die sich als (feindliche) Einstellungen gegenüber dem Islam als Religion und (feindliche) Einstellungen gegenüber Menschen mit tatsächlichem oder zugeschriebenem muslimischen Glauben charakterisieren lassen, sowie darüber hinausgehende Säulen, die es in Zukunft weiter zu spezifizieren gilt.

Neben einem Fokus auf Adressat*innen kann es weitere sinnvolle Untergliederungen im Zusammenhang mit Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit geben. In der Literatur finden sich immer wieder inhaltliche Versuche der Dimensionalisierung, etwa wenn Verschwörungsideologien (vgl. Uenal et al. 2021), unterstellte Segregationsneigungen (vgl. Leibold & Kühnel 2006) oder Einstellungen zu Moscheen/zum Moscheebau als separate Dimensionen betrachtet werden. Auch die Ergebnisse dieser Arbeit legen nahe, dass es neben der Unterscheidung nach Adressat*innen weitere Differenzierungsmöglichkeiten gibt, die kongruent zu den Adressat*innen verlaufen. Auffällig ist hier insbesondere, dass im Zusammenhang mit dem Islam vor allem jene Items geläufig sind, die auf ‚liberale‘ Werte abzielen, und dass der Islam direkter Bewertungsgegenstand in diesen Items ist (etwa: Der Islam ist frauenfeindlich.). In der Praxis geläufige Items im Zusammenhang mit Muslim*innen hingegen stellen eher selten auf die direkte Bewertung von Muslim*innen ab, sondern beziehen die subjektive Positionierung der Befragten bzw. ihre Beziehung zu Muslim*innen mit ein (etwa: Durch Musliminnen und Muslime fühle ich mich manchmal wie eine Fremde/ein Fremder im eigenen Land.). Dieser Verschiebung auf manifester Ebene von einer direkten Gegenstandsbewertung hin zur Integration einer persönlichen Beziehungsebene, die in der vorliegenden Untersuchung große Überschneidungen mit den formulierten Adressat*innen der Feindlichkeit aufweist, wurde bisher in der Forschung wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht und daher als zukünftig zu bearbeitende Forschungslücke identifiziert.

An dieser Stelle wird, zweitens, der Beitrag dieser Arbeit zur Erfassung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit unter methodologischen Gesichtspunkten deutlich. Nach wie vor scheint die Reflexion der in der Vorurteilsforschung verwendeten Items wenig Raum in quantitativen Studien einzunehmen. Die vorliegende Studie verdeutlicht jedoch, dass die Auswahl geeigneter Items alles andere als trivial ist. Basierend auf ihren Ergebnissen sollte in Zukunft eine Adäquanz von manifester und latenter Ebene angestrebt werden. Konkret bedeutet dies, dass islambezogene Items Islamfeindlichkeit und muslim*innenbezogene Items Muslim*innenfeindlichkeit messen sollten, islam- und muslim*innenbezogene Items also nicht ohne weiteres in einen Topf geworfen werden können. Die in den Items formulierten Adressat*innen sind alles andere als austauschbar, wie nicht zuletzt die signifikant voneinander verschiedenen Mittelwerte der einzelnen Items in Kap. 6 gezeigt haben. Die im vorherigen Absatz beschriebenen Erkenntnisse zu alternativen Dimensionalisierungen, gewissermaßen ein Nebenschauplatz dieser Arbeit, sollten ebenfalls in zukünftiger Forschung mehr Berücksichtigung finden. Lassen sich weitere Muster offenlegen? Wie kommt es, dass islam- und muslim*innenbezogene Items auch inhaltlich und mit Blick auf die Bewertungsdimension (Gegenstand vs. persönliche Haltung) so stark voneinander abweichen? Was bedeutet dies für die Messung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit? Diese und ähnliche Fragen bieten viel Potential für zukünftige Forschung im Phänomenbereich, machen jedoch gleichzeitig die aktuell unzureichende Reflexion der Operationalisierung des Konzepts deutlich.

In der Vergangenheit gab es verschiedene Versuche der Entwicklung geeigneter Skalen zur Erfassung von Islam-/Muslim*innenfeindlichkeit (Islamophobia) (vgl. u. a. Aschauer 2016; Brockett et al. 2009; Kunst et al. 2013; Lee et al. 2009; Lee et al. 2013; Uenal et al. 2021). In Zukunft sollte bei der Entwicklung von Skalen bzw. allgemeiner bei der Erfassung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit gründlich reflektiert werden, was genau gemessen werden soll. Gegen wen oder was richten sich die feindlichen Einstellungen? Beziehen sie sich auf den Islam als Religion oder auf Menschen, in diesem Fall Muslim*innen bzw. als solche Markierte, oder auf beides? Auch letzteres kann ein Ergebnis sein, allerdings können Erkenntnisse dieser Schärfe nur generiert werden, wenn zuvor entsprechend trennscharfe Messinstrumente entwickelt wurden. Uenal et al. (2021) haben hierzu eine vielversprechende Skala entwickelt, die Anti-Muslim Prejudice und Anti-Islam Sentiment als separate Dimensionen enthält und damit unterschiedliche Adressat*innen von Abwertung berücksichtigt. Skalen oder Operationalisierungen, die diese Unterscheidung nicht vornehmen, sind vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Arbeit nicht geeignet, um die Prävalenz von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit zu untersuchen. Kap. 6 konnte die Abhängigkeit der Ergebnisse vom Wording der Items eindrücklich belegen. Kap. 7 konnte darüber hinaus Hinweise auf mögliche Gründe für diese Niveauunterschiede geben. Es ist wenig verwunderlich, dass derart divergierende Frames zu unterschiedlichen Bewertungen der Items führen. So wundert es nicht, dass die Befragten beispielsweise die Bedrohungslage durch den Islam vollkommen anders einschätzen, wenn sie primär Krieg, Terror, Moscheen, strenge Religiosität und den Nahen Osten assoziieren, als durch Muslim*innen, für die deutlich positivere und persönlichere Frames aktiviert werden und für die auch andere Kategorien salient werden, Religion(szugehörigkeit) also eine wichtige, aber längst nicht die einzige Konnotation darstellt. Die empirisch nachgewiesene Mehrdimensionalität des Phänomens in Hinblick auf die Adressat*innen von Abwertungen sollte sich folglich nicht nur auf konzeptioneller, sondern auch auf manifester Ebene, das heißt im Rahmen der Operationalisierung, wiederfinden.

Aus der empirisch nachgewiesenen Mehrdimensionalität des Phänomens resultiert mit Blick auf Implikationen für die Praxis, drittens, eine Notwendigkeit zur Reflexion dieser Mehrdimensionalität auch außerhalb des wissenschaftlichen Systems, etwa in Zusammenhängen der politischen Bildungsarbeit, in der medialen Darstellung von Islam und Muslim*innen oder wenn es um die Prävention und Bearbeitung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit in der pädagogischen Praxis geht. Die vorliegenden Erkenntnisse können beispielsweise für die sozialpädagogische Praxis relevant sein, da durch eine Sensibilisierung für diese Thematik unter Praktiker*innen differenzierter herausgearbeitet werden kann, gegen wen oder was sich die feindlichen Einstellungen potentieller Klient*innen eigentlich richten, und entsprechend darauf zugeschnittene Präventions- und Interventionsangebote entwickelt werden können (vgl. Diekmann 2021).

Einerseits sind islam- und muslim*innenfeindliche Einstellungen offenkundig nicht identisch. In der einschlägigen Forschung gut belegte Präventionsstrategien, wie beispielsweise Kontakte zu Muslim*innen (vgl. 2.3.1), scheinen unterschiedlich auf Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit zu wirken (vgl. ebd. 2017, 2020b). Auch zeigt sich, dass das Wissen über die Lebensrealitäten von Muslim*innen mit einer Reduzierung von Muslim*innenfeindlichkeit einhergeht, wohingegen das eher abstrakte Allgemeinwissen über die Glaubenslehren des Islams statistisch nicht mit den untersuchten muslim*innenfeindlichen Einstellungen zusammenhängt (vgl. Janzen et al. 2019: 26). Andererseits hängen Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit empirisch zusammen und weisen ähnliche Prädiktoren sowie assoziative Überlappungen auf. Eine negative mediale Darstellung des Islams (vgl. Abschn. 2.5.2) oder ein Absprechen seiner Zugehörigkeit zu Deutschland (vgl. Abschn. 1.2) erscheint vor diesem Hintergrund noch problematischer als ohnehin schon. Es ist durchaus möglich, dass sich negative Bilder und Diskurse ebenso wie Exklusionspraktiken im Zusammenhang mit dem Islam auch negativ auf Muslim*innen auswirken und feindliche Einstellungen ihnen gegenüber verstärkt werden. Auch in diesem Bereich werden Potentiale für zukünftige Forschung sichtbar, die jedoch ein Verständnis von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit als zwei zu differenzierende, wenn auch korrelierende Dimensionen erforderlich machen.

Die nachgewiesenen Unterschiede bei gleichzeitigen Überschneidungen können als wichtiger Hinweis auf die Notwendigkeit der parallelen Betrachtung und Bearbeitung beider Dimensionen gewertet werden. Ansätze in der politischen Bildung oder der pädagogischen Praxis, die sich lediglich auf die Reduzierung von Vorurteilen gegenüber entweder der Religion des Islams oder Menschen muslimischen Glaubens fokussieren, bearbeiten das Phänomen immer nur partiell. Denkbar wäre beispielsweise eine Verbindung von Maßnahmen, die auf unterschiedliche Wissensbestände und Heterogenitäten in Bezug auf den Islam einerseits und Muslim*innen anderseits abzielen, und Maßnahmen, die eine Auseinandersetzung mit multiplen Gruppenzugehörigkeiten und daraus resultierenden vielfältigen Identitäten, wie es bereits in Argumentationstrainings gegen rechte Parolen für Jugendliche praktiziert wird (vgl. Wolrab 2016: 378), anregen. Insbesondere im Fall der Muslim*innenfeindlichkeit kann die interpersonale Ebene eine wichtige Rolle spielen. Gelegenheitsstrukturen für Kontakte können Bekanntschaften fördern, das gegenseitige Interesse wecken und helfen, Gemeinsamkeiten zu finden, um die Salienz der Kategorie Religionszugehörigkeit abzumildern und über etwaige Querverbindungen die Dynamik von Kategorisierungen und damit die Flexibilität von Gruppengrenzen aufzuzeigen. Darüber hinaus begreift das vorgestellte Denkmodell dieser Arbeit Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit als Säulen des antimuslimischen Rassismus, der wiederum ein soziales Verhältnis beschreibt. Ein solches Modell bietet die Chance, Einstellungen zu kontextualisieren und eine strukturelle Ebene bei der Präventionsarbeit mitzudenken, also beispielsweise Machtasymmetrien zu reflektieren. Präventionsmaßnahmen wie der Präventionszirkel von Kaddor et al. (2020) berücksichtigen dies in Teilen bereits:

„Beide Perspektiven bleiben isoliert voneinander beschränkt, weil sie das Wirken gesellschaftlicher Strukturen auf das Denken des Individuums und andersherum, die Verankerung des Denkens des Individuums innerhalb gesellschaftlicher Strukturen, jeweils nur in Ansätzen abbilden.“ (Kaddor et al. 2020: 3).

Eines der fünf in diesem Zusammenhang entwickelten Module bezieht sich beispielsweise auf das Wissen über die Vielfalt im Islam, ein anderes auf muslimisches Leben in Deutschland, ein weiteres auf die Reflexion von Othering-Prozessen. Die Autorinnen betonen, dass die fünf Module für eine pädagogische präventive und effektive Arbeit als ganzheitliches Konzept verstanden werden müssen (vgl. ebd.: 2). Eine umfangreiche, wissenschaftlich begleitete Evaluation etwaiger Präventionsmaßnahmen wäre ein weiterer wichtiger Baustein zukünftiger Forschung im Phänomenbereich.

Der Beitrag dieser Arbeit unter theoretischen, methodologischen und präventionspraktischen Gesichtspunkten ist nun deutlich geworden. Die Anerkennung einer notwendigen Differenzierung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit bringt, wie zuvor expliziert, Präzisierungen des theoretischen Verständnisses und darauf basierend Nachjustierungen bei der wissenschaftlichen Erfassung des Phänomens mit sich. Darüber hinaus lassen sich handlungspraktische Forderungen für weitere Bereiche ableiten, etwa für die Präventionsarbeit oder die politische Bildung. Bezugnehmend auf Abschn. 1.5 sei an dieser Stelle allerdings noch einmal explizit hervorgehoben, dass die Ergebnisse einer notwendigen Differenzierung keineswegs auf eine vollständige Unabhängigkeit von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit verweisen. Im Gegenteil: Die Ergebnisse deuten – ganz im Sinne des Denkmodells von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit als zwei Säulen des antimuslimischen Rassismus – auf einen starken Zusammenhang zwischen islam- und muslim*innenfeindlichen Einstellungen hin. Eine voneinander unabhängige oder einseitige Betrachtung des Phänomens greift zu kurz. Die Ergebnisse stellen keine Legitimation für Exklusionspraktiken oder –narrative dar, wie sie exemplarisch an Sätzen wie „Muslim*innen gehören zu Deutschland, der Islam nicht.“ abgelesen werden können (vgl. Abschn. 1.2). Wenn überhaupt, sind sie das Resultat entsprechender Praktiken und Narrative. In einem gesellschaftlichen und politischen Klima, das geprägt ist von gegen Muslim*innen und/oder den Islam gerichteter Hetze, Ausgrenzung, Hasskriminalität, Diskriminierung und Feindlichkeit, ist es umso wichtiger, Zusammenhänge und Verflechtungen zu erkennen, zu benennen und adäquat zu bearbeiten. Hierzu ist ein differenzierter Blick auf die unterschiedlichen Komponenten im Phänomenbereich unabdingbar. Die Ergebnisse dieser Studie sollen für die Mehrdimensionalität des Phänomens sensibilisieren und dazu beitragen, das Phänomen auch wissenschaftlich besser zu erfassen. Die Zerlegung in seine Einzelteile kann helfen, einzelne Komponenten des Phänomens und ihr Verhältnis zueinander besser zu verstehen.

Abschließend sei auf Limitationen dieser Arbeit und sich daraus ergebende Forschungsdesiderate hingewiesen. Eine Einschränkung ist sicherlich in der verzerrten Stichprobe zu sehen. Die Befragten sind überdurchschnittlich hoch gebildet, Frauen sind überrepräsentiert, ebenso wie junge Menschen und Menschen christlichen Glaubens. Zudem leben die meisten Befragten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo sich Gelegenheitsstrukturen im Zusammenhang mit Kontaktsituationen mit Islam und Muslim*innen vermutlich anders gestalten als etwa in weiten Teilen Ostdeutschlands. Durch verschiedene Strategien wurde versucht, diese Verzerrungen möglichst gering zu halten. So erfolgte beispielsweise die Zuordnung zu einer Fragebogenversion randomisiert – ein übliches Vorgehen in experimentellen Designs, das es ermöglicht, unbeobachtete Heterogenität zu neutralisieren. Weiterhin wurde im Rahmen der Regressionsanalysen mit Kontrollvariablen gearbeitet, das heißt, Effekte von Geschlecht, Alter, Bildung und eigener Religiosität wurden herausgerechnet. Da der Fokus der Untersuchung auf einem Vergleich von Experimental- und Kontrollgruppe lag und es zudem um Zusammenhangsanalysen und nicht um die tatsächliche Verbreitung bestimmter Einstellungen in der Bevölkerung ging, schmälert die verzerrte Stichprobe die Aussagekraft der Ergebnisse insgesamt nur in einem vertretbaren Rahmen. Insbesondere mit Blick auf die Deutungsrahmen hätten sich jedoch in Zufallsstichproben möglicherweise abweichende Themenfelder gefunden. Aus diesem Grund wäre eine breiter angelegte, auf einer Zufallsstichprobe basierende Studie ein nächster wichtiger Schritt, um die Ergebnisse verallgemeinerbar für die Gesamtbevölkerung machen zu können. Idealerweise wäre diese Stichprobe nicht nur zufällig, sondern auch deutlich größer als die vorliegende, um im Zusammenhang mit der CFA umfangreichere Analysen durchführen zu können – etwa die Hinzunahme weiterer Dimensionen, auch mit Blick auf das Denkmodell von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit als Säulen des antimuslimischen Rassismus.

Die Codierung der Antworten in Kap. 7 war nicht immer trivial, da Ein-Wort-Antworten oftmals wenig Kontext erkennen ließen, was insbesondere eine valenzanalytische Auswertung schwierig bis unmöglich machte. Diese Einschränkung ist eine Konsequenz des eher quantitativen Vorgehens, das mit einer Vielzahl von Schlagwörtern, statt mit eher qualitativ ausgerichteten umfangreichen Interviews arbeitet. Andere Codierer*innen hätten möglicherweise andere Codierungen vorgenommen – bestimmte Codes enger oder weiter gefasst und bestimmte Antworten anders oder tiefergehender interpretiert. Am Ende ist der dritte Analyseschritt einer, der Impulse für mögliche Erklärungsansätze für die Ergebnisse aus den Kapiteln 5 und 6 liefern und helfen soll, unterschiedliche Bewertungen von Muslim*innen und des Islams besser verstehen zu können. Auch hier wird das, was auf den ersten Blick wie eine Schwäche wirken mag, relativiert durch das Ziel der Studie: den direkten Vergleich zwischen Assoziationen zum Islam und zu Muslim*innen. Zentral für die Identifizierung von Themenfeldern ist also vor allem ein identisches Vorgehen für die unterschiedlichen Fragebogenversionen, welches hier gegeben ist.

Selbstverständlich sind dieser Studie weiterhin ressourcenbedingte Grenzen gesetzt. Oftmals gängige Faktoren zur (sozialpsychologischen) Erklärung von Vorurteilen wie Social Dominance Orientation oder die Integrated Threat Theory konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht bearbeitet werden. Die Untersuchung unterschiedlicher Prädiktoren von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit bietet jedoch spannende Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsvorhaben. Auch die Rolle der Medien spielt in dieser Arbeit nur eine kleine Rolle, da umfangreiche Medienanalysen über das Ziel und die Möglichkeiten der Arbeit hinausgegangen wären. Komparative Studien zur medialen Darstellung des Islams und von Muslim*innen wären jedoch ein wichtiger nächster Schritt, um die hier belegten unterschiedlichen Bewertungen besser verstehen und einordnen zu können. Entsprechende Analysen lassen sich auf zahlreiche weitere Felder ausdehnen, etwa – um nur einige Beispiele zu nennen – mit Blick auf Bilder von Muslim*innen und dem Islam in politischen Debatten (vgl. hierzu auch Abschn. 1.2; Schlerka 2021), die Repräsentation von Muslim*innen und dem Islam im Rahmen von Moscheeführungen oder ihre Darstellung in Schulbüchern und anderen Lehrmaterialien. Darüber hinaus ergeben sich aus dieser Arbeit spannende Anschlussfragen etwa mit Blick auf die generelle Trennung von Einstellungen gegenüber Religionen und Einstellungen gegenüber Menschen(gruppen), die entlang dieser Religion konstruiert werden. Gründe für eine differenzierte Betrachtung liefert diese Arbeit sowohl theoretisch als auch empirisch zuhauf. Bisher liegen jedoch keine Daten vor, die beispielsweise Einstellungen gegenüber Christ*innen und dem Christentum oder Jüd*innen und dem Judentum in den Blick nehmen. Lassen sich ähnliche Ergebnisse auch für andere Religionszugehörigkeiten oder auch über Religionen hinaus replizieren? Das Forschungsfeld ließe sich auf verschiedene Bereiche ausdehnen, in denen Einstellungen zu Menschen(gruppen) von Einstellungen zu nicht-personalen Entitäten wie Organisationen oder Ideologien getrennt werden können.

Insgesamt ist deutlich geworden, dass die vorliegende Studie einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis und zur adäquateren Erfassung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit leisten und damit die eingangs identifizierte Forschungslücke verkleinern konnte. Gleichzeitig ergeben sich viele Anschlussfragen sowie enorme Potentiale für das theoretische Verständnis von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit bzw. antimuslimischem Rassismus, für die zukünftige Entwicklung von Skalen in der empirischen Sozialforschung und für die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zur differenzierten Bearbeitung und Prävention des Phänomens in der pädagogischen Praxis und der politischen Bildungsarbeit. Nur wenn wir die Adressat*innen von Abwertungen differenziert betrachten, können wir das Phänomen in seiner Breite erforschen und bearbeiten. Nur durch Entflechtungen sind wir überhaupt in der Lage, Zusammenhänge zwischen einzelnen Dimensionen zu untersuchen und Verflechtungen zu erforschen und zu benennen. Die bisherige synonyme Verwendung der Begriffe Islamfeindlichkeit und Muslim*innenfeindlichkeit verschleiert die Vielschichtigkeit des Phänomens und macht voneinander abweichende Adressat*innen sowie ein unterschiedliches Ausmaß feindlicher Einstellungen unsichtbar. Einer solchen Unschärfe gilt es in Zukunft mit trennscharfen Konzepten, validen Messinstrumenten und passgenauen Präventionsmaßnahmen entgegenzuwirken.