„Ich akzeptiere zwar jeden Menschen, wie er ist, aber die Religion der Muslime ist in meinen Augen zurückgeblieben“ [B]Footnote 1

Eine so explizite Differenzierung zwischen Menschen und ihrer Religion, wie sie ein*e Befragte*r hier äußert, findet sich eher selten in den Daten. Aus diesem Grund bietet sich ein direkter Vergleich an: An was denken die Befragten, wenn sie den Begriff Islam lesen? An was denken sie, wenn es um Muslim*innen geht? Welche Frames werden jeweils aktiviert? Welche Assoziationen werden geweckt? Die Analyse der Deutungsrahmen der Befragten soll helfen, verknüpfte Bedeutungen mit den Begriffen Islam und Muslim*innen zu verstehen. Divergierende Deutungsrahmen können als Indikator für eine notwendige Differenzierung verstanden werden. Kap. 6 hat gezeigt, dass ein Austauschen der Begriffe in den Items nicht folgenlos bleibt: Der Islam wird negativer bewertet als Muslim*innen. Der explorative Schritt der Identifikation von assoziativen Themenbereichen kann nun Hinweise darauf geben, warum die Bewertungen von islam- und muslim*innenbezogenen Items so unterschiedlich ausfallen.

In der Literatur finden sich Studien zu Assoziationen mit Islam und Muslim*innen. Der Islam wird beispielsweise stärker mit negativen Begriffen wie fanatic, terror oder radical als mit positiven Begriffen wie devout, peaceful oder dedicated assoziiert (vgl. PEW Research Center 2007). In einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2007 wurden die Befragten gebeten, aufzuschreiben, was sie auf Basis der Informationen aus Massenmedien und durch Gespräche mit anderen Menschen mit Arab-Muslims verbinden (auch wenn eine Zustimmung zu diesen Assoziationen hier nicht vorausgesetzt wurde). Am häufigsten wurden daraufhin Begriffe wie terrorism, violent oder destructive, aber auch eine tiefe Religiosität genannt. In deutlich geringerem Umfang finden sich auch Antworten aus dem Themenbereich Frauen / Geschlecht sowie den Charakter und das Aussehen von Muslim*innen betreffende Antworten (vgl. Park et al. 2007). Auch Gottschalk & Greenberg (2008) identifizieren Gewalt und Unterdrückung als zentrale Kategorien im Zusammenhang mit der offenen Frage nach Namen, Plätzen, Events, Ideen, Praktiken und Objekten, die mit dem Islam oder Muslim*innen assoziiert werden. Gleichzeitig werden der Islam und Muslim*innen mit Blick auf die genannten Plätze von den befragten US-Amerikaner*innen ausschließlich im Mittleren Osten verortet (vgl. Gottschalk & Greenberg 2008: 3).

Welche Assoziationen dominieren unter den Befragten in der vorliegenden Studie, die nicht in den USA, sondern in Deutschland angesiedelt ist? Und wie unterscheiden sich die Antworten in Abhängigkeit der Wortwahl? Fragebogenversion A bezieht sich auch im Rahmen der offenen Frage auf den Islam, in Fragebogenversion B wird nach Muslim*innen gefragt und Fragebogenversion C enthält zwei separate Fragen zu Assoziationen mit dem Islam einerseits und mit Muslim*innen andererseits. Eine frequenz- und – wo möglich (vgl. Abschn. 4.4.3) – valenzanalytische Annäherung an das Material soll Aufschluss geben über dominierende zugrundeliegende Assoziationen und Deutungsrahmen der Begriffe Islam und Muslim*innen. Handelt es sich um gleiche bzw. ähnliche Konnotationen? Gibt es Überlappungen? Wo liegen Unterschiede?

Um das herauszufinden, wurden die TeilnehmendenFootnote 2 gebeten, aufzuschreiben, was ihnen spontan zum Islam [Variante A/C] bzw. zu Musliminnen und Muslimen [Variante B/C] einfällt. Die Befragten wurden aufgefordert, mindestens fünf Aspekte oder Namen als Schlagwörter oder in ganzen Sätzen aufzuschreiben. Diese Frage war eine Pflichtfrage, das heißt, sie ließ sich nicht überspringen. Um zur nächsten Frage zu gelangen, musste etwas in das Textfeld eingetragen werden. In einigen Fällen wurde eine Antwort auf die Frage dennoch umgangen. Eine Person schrieb „Ich möchte das nicht ausfüllen“ [A], eine andere tippte ein Leerzeichen [A], außerdem taucht jeweils einmal „?“ [B], „k. A.“ [B] und „weiß ich nicht“ [B] auf. Eine Person in Variante C antwortete außerdem sowohl für das Textfeld zum Islam als auch für das Textfeld zu Muslim*innen „k. A.“ In sechs von 497 Fällen lag folglich keine codierbare Antwort vor. Alle anderen Teilnehmer*innen nannten mindestens einen, in den allermeisten Fällen jedoch deutlich mehr Aspekte, die sie mit dem Islam oder Muslim*innen assoziieren. Um Priming-Effekte zu vermeiden, wurde diese Frage relativ weit vorne im Fragebogen platziert und eine Rückkehr zu ebendieser Frage zu einem späteren Zeitpunkt war nicht möglich (vgl. Abschn. 4.1.1). Hintergrund dieser offenen Frage war der Wunsch, eine Idee von Inhalten und Personen zu bekommen, die mit dem Islam bzw. mit Muslim*innen verknüpft werden. Frames, die aktiviert werden, speisen sich aus Erfahrungen mit der Welt (vgl. Wehling 2017: 28). So können etwa persönliche Erfahrungen und Interaktionen die Vorstellungen vom Islam und von Muslim*innen prägen. Auch die sprachliche Einbettung der beiden Begriffe in den Medien sorgt möglicherweise dafür, dass bestimmte Wörter besonders schnell mit dem Islam oder mit Muslim*innen assoziiert werden, weil sie häufig zusammen auftreten (Kookkurrenz).Footnote 3

7.1 Freie Assoziationen: ein erster (visueller) Eindruck mittels Wordclouds

Für einen ersten Überblick wurde zunächst je eine Wordcloud zu den Begriffen Islam und Muslim*innen erstellt, wobei die Wörter in den Wordclouds umso größer dargestellt sind, je häufiger sie genannt wurden.Footnote 4 Hierzu wurden Rechtschreibfehler und Schreibweisen (zum Beispiel Hadsch / Haj) angepasst und Genus, Numerus und Kasus harmonisiert; außerdem wurde bei konjugierten Verben der Infinitiv angenommen. Darüber hinaus wurden Nennungen mit derselben Bedeutung (zum Beispiel Gastfreundschaft, Gastfreundlichkeit, gastfreundlich) sowie Nomen und Adjektive (zum Beispiel Toleranz und tolerant) vereinheitlicht, damit sie in der Wordcloud unter derselben Bezeichnung geführt werden. Außerdem wurde einheitlich geschlechtergerecht gegendert (zum Beispiel Christ*innen, Sunnit*innen).

Da es auch nach diesen Anpassungen 738 (Islam) bzw. 815 (Muslim*innen) verschiedene Nennungen gibt, wurden im Interesse einer übersichtlichen Wordcloud nur diejenigen Begriffe berücksichtigt, die mindestens fünfmal angegeben wurden. Da jeder Begriff pro Person nur einmal für die Generierung der Wordcloud aufgenommen wurde, bedeutet dies, dass nur Begriffe, die von mindestens fünf Personen genannt wurden, Berücksichtigung finden. Die Komplexität der Antworten kann in einer Wordcloud kaum wiedergegeben werden, beispielsweise da einige Respondent*innen nicht nur einzelne Schlagwörter, sondern bisweilen ganze Absätze aufgeschrieben haben. Ganze Sätze konnten nicht vollständig berücksichtigt werden; stattdessen wurden ihnen nur die Schlagwörter entnommen (insbesondere Nomen, Verben und Adjektive). Das kann zu erheblichen Verzerrungen führen, etwa bei Sätzen, die im späteren Verlauf (vgl. Abschn. 7.2) der Kategorie Counter-Discourse zugeordnet wurden. Eine Aussage lautete beispielsweise „werden oft falsch verurteilt aufgrund des Islamismus“ [A], eine andere „falsche Vorurteile (beispielsweise dass der Islam oft mit Islamismus verwechselt oder gleichgesetzt wird)“ [A]. Das Schlagwort Islamismus erfasst nicht annähernd die komplexen Aussagen der Befragten, die durchaus reflektieren und differenzieren, dass es Islamismus gibt, diesen jedoch klar abgrenzen vom Islam und konstatieren, dass Islamismus die Grundlage für Vorurteile gegenüber dem Islam bilden kann. Ähnliches passiert bei der Arbeit mit Schlagwörtern, wenn die Befragten schreiben „keine Gleichstellung von Mann und Frau“. Für die Wordcloud wurden Bewertungen zunächst unberücksichtigt gelassen. Vielmehr geht es darum, einen ersten Überblick darüber zu bekommen, welche Assoziationen, das heißt Begriffe und letztendlich auch Themenkomplexe, im Umfeld der Begriffe Islam bzw. Muslim*innen in welcher Häufigkeit auftauchen – inwiefern diese eventuell negiert oder relativiert werden, folgt in einem nächsten Schritt.

Neben Wörtern, die seltener als fünfmal genannt wurden, wurden zusätzlich diejenigen Begriffe in der Wordcloud nicht berücksichtigt, die sowohl für den Islam als auch für Muslim*innen unter den zwölf häufigsten Nennungen vorzufinden waren. Dieses Vorgehen akzentuiert die Unterschiede in Bezug auf die Assoziationen mit beiden Begriffen. Acht der zwölf am häufigsten genannten Begriffe sind bei Islam und Muslim*innen identisch und wurden eliminiert:

  • Beten (Islam: 46 Nennungen / Muslim*innen: 48 Nennungen)Footnote 5

  • Frauen (34 / 39)

  • Kopftuch (95 / 133)

  • Koran (105 / 33)

  • Moschee (105 / 37)

  • Ramadan (63 / 37)

  • Religion (110 / 59)

  • Schweinefleisch (32 / 26)

Fast alle Begriffe beziehen sich auf Religion, religiöse Praxen oder Objekte. Auch hier sind bereits Unterschiede zwischen Islam und Muslim*innen zu erkennen. Beispielsweise wird der Begriff Religion etwa doppelt so häufig in Verbindung mit dem Islam genannt. Auch die Begriffe Moschee, Koran und Ramadan wurden doppelt bzw. dreimal so häufig mit dem Islam assoziiert. Lediglich das Kopftuch ist stärker im Zusammenhang mit Muslim*innen vertreten als mit dem Islam. Auch der Begriff Frauen taucht häufig in den offenen Nennungen auf, wobei der Kontext hier durchaus variieren kann und sich hinter diesem Begriff „verschleierte Frauen“ [A/C-M], „Unterdrückung der Frau[en]“ [A/B/C-I/C-M] oder auch „schön (geschminkte) Frauen“ [A] verbergen. (Das weibliche) Geschlecht und geschlechtsspezifische Unterschiede scheinen eine starke Assoziation für die Befragten sowohl im Zusammenhang mit dem Islam als auch mit Muslim*innen darzustellen. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass es eine Schnittmenge an Assoziationen gibt, die im Umfeld beider Begriffe auftauchen (hier bezogen auf die zwölf häufigsten Nennungen) und dass diese größtenteils religiöse Praktiken oder Objekte beschreiben und demnach einen starken direkten Bezug zu Religion aufweisen.

Ähnlich verhält es sich bei näherer Betrachtung mit den häufigsten Nennungen zum Islam. Abbildung 7.1 zeigt die Wordcloud mit den Nennungen zum Islam. Viele der Begriffe entstammen dem Themenkomplex Glaubenslehre und religiöse Praxis. Die Wörter Mohammed, Allah, Glaube, Mekka, Weltreligion und Zuckerfest stechen hier besonders ins Auge. Auch eher negativ konnotierte Begriffe wie Terror, Krieg, Unterdrückung oder Scharia sind in der Wordcloud recht deutlich zu erkennen. Besonders interessant ist zudem der Begriff Christentum. Er taucht zwölfmal in den Antworten auf und liefert einen Hinweis darauf, dass die Befragten durchaus Bezüge zum Christentum herstellen und Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen beiden Religionen identifizieren. In Bezug auf eine nationalstaatliche Verortung fällt auf, dass das Wort Deutschland nur siebenmal, das Wort Türkei jedoch 28-mal vorkommt. Unter den Befragten scheint es eine starke gedankliche Verbindung zwischen dem Islam und der Türkei und somit eine Verortung außerhalb Deutschlands zu geben.

Abbildung 7.1
figure 1

(eigene Darstellung auf www.wortwolken.com)

Wordcloud mit Nennungen zum Islam

Ein etwas anderes Muster ergibt sich für die Assoziationen mit Muslim*innen, dargestellt als Wordcloud in Abbildung 7.2. Hier dominieren vor allem die Begriffe Menschen, freundlich, religiös, Familie, Islam, Männer und gastfreundlich, die in deutlich geringerem Maße religiöse Bezüge aufweisen als die zentralen Begriffe im Zusammenhang mit dem Islam. Insgesamt finden sich mehr (positive) Adjektive wie (gast)freundlich, offen, höflich oder nett. Auch der Begriff unterschiedlich (Unterschiede, unterscheiden) wird überraschend häufig genannt (19 Nennungen). Hinter diesem Begriff verbirgt sich, ähnlich wie im zuvor aufgeführten Beispiel des Begriffs Frauen, eine Vielzahl unterschiedlicher Antworten. Sowohl die Aussage „keine einheitliche Gruppe, viele unterschiedliche Menschen mit ebenso unterschiedlichen Erfahrungen und Verhaltensweisen“ [C-M] als auch „unterschiedliche Ausübung der Religion“ [C-M] sowie „Viele sind ganz normale Leute, die in Deutschland Geborenen unterscheiden sich meistens nicht von ‚Biodeutschen‘“ [C-M] enthalten den Begriff unterschiedlich bzw. unterscheiden, zielen jedoch sowohl auf die Heterogenität der Gruppe der Muslim*innen als auch auf die Diversität der Ausübungspraxis sowie auf Vergleiche zwischen Gruppen, hier Muslim*innen und ‚Biodeutschen‘,Footnote 6 ab. Die Dimension Geschlecht scheint ähnlich wie beim Islam ebenfalls relevant zu sein, jedoch mit dem Unterschied, dass im Kontext von Muslim*innen nicht nur Frauen, sondern auch Männer häufig benannt werden. Mitunter werden direkte Gegensätze aufgemacht („Männer meist gesellig, Frauen sehr traditionell“ [B]), in vielen Fällen bezieht sich jedoch die Assoziation auf die Gleichstellung von Männern und Frauen („Ungleichheit zwischen Frau und Mann“ [C-M], „Männer dominant“ [C-M] oder „Männer haben mehr zu sagen“ [B]).

Abbildung 7.2
figure 2

(eigene Darstellung auf www.wortwolken.com)

Wordcloud mit Nennungen zu Muslim*innen

Die Wordclouds konnten einen ersten Eindruck der Schlagwörter in Bezug auf ihre Häufigkeit geben. Überlappungen scheint es insbesondere im Bereich der religiösen Praxis zu geben, ausgedrückt über die Begriffe beten, Kopftuch, Koran, Moschee, Ramadan, Religion und Schweinefleisch, wie auch in der Dimension Geschlecht. Die Assoziationen zum Islam scheinen nach ersten Auszählungen einzelner Wörter im Bereich Religion verortet zu sein und darüber hinaus dem Themenfeld Bedrohung / Konflikt zu entstammen. Für Muslim*innen finden sich neben religiösen Aspekten auch Begriffe, die im Zusammenhang mit Gemeinschaft und Geselligkeit stehen, wie etwa gastfreundlich oder Familie.

7.2 Freie Assoziationen: frequenz- und valenzanalytische Auswertung der einzelnen Kategorien

Um nun detailliertere Aussagen über die Art und den Tenor der Assoziationen treffen zu können, folgt in einem zweiten Schritt die Codierung aller Antworten auf die bereits in Abschn. 7.1 betrachtete offene Frage „Bitte schreiben Sie nun einmal kurz auf, was Ihnen spontan zum Islam [A/C-I] [zu Musliminnen und Muslimen [B/C-M]] einfällt. Das können einzelne Schlagwörter, Namen oder auch ganze Sätze sein. Bitte nennen Sie mindestens 5 Aspekte bzw. Namen.“ In diesem Schritt geht es nun nicht mehr um die Auszählung einzelner Wörter, sondern um ihren inhaltlichen Zusammenhang. Mithilfe des Programms Atlas.ti wurden die Antworten der Befragten codiert und ausgewertet.Footnote 7 Im Fokus stand dabei die Frage nach der Häufigkeit bestimmter Inhalte und Themen.

Die Codierung bzw. KategorienbildungFootnote 8 erfolgte sowohl deduktiv (Ableitungen und Vorannahmen, basierend auf theoretischen Überlegungen und vorliegenden Forschungsergebnissen) als auch induktiv (Generierung aus dem Material heraus). Qualitative Studien konnten in der Vergangenheit einige zentrale Themenfelder im Kontext des Islamdiskurses ausmachen. Halm (2013) entwickelte vier Kategorien zur Klassifizierung der Themenfelder im offiziellen (Protokolle Bundestag) und inoffiziellen (Berichte in Der Spiegel und Westdeutsche Allgemeine Zeitung) Islamdiskurs: Exklusion (exclusion), Islam als Bedrohung (Islam as a threat), Inkompatibilität des Islams und des Westens (incompatibility of Islam and the West) und einen gegenläufigen Diskurs (counter-discourse). Kaddor et al. (2018) sprechen von acht Topoi des Islamdiskurses (Geschlecht, Gewalt, Unzivilisiertheit, Glaubenslehre und religiöse Praxis, Zuschreibungen und Zugehörigkeiten, Segregation, Benachteiligung, Politik) bzw. vier Narrativen: Unterdrückung (mit starken Bezügen zu den Themenbereichen Geschlecht und Gewalt), Bedrohung von Identität (Unzivilisiertheit und Politik), Islamismus (Gewalt und Glaubenslehre und religiöse Praxis) und Parallelgesellschaft (Segregation sowie Zuschreibungen und Zugehörigkeiten). Kategorien bzw. Themenkomplexe, die aus ähnlichen offenen Fragen im US-amerikanischen Kontext abgeleitet wurden, sind etwa Terrorismus/Gewalt, tiefe Religiosität, Frauen/Geschlecht, Charakterzüge und Aussehen (vgl. Park et al. 2007) oder Gewalt, Unterdrückung und Orte/Plätze (vgl. Gottschalk & Greenberg 2008).

Diese Kategorien dienten mit einigen Modifikationen als Basis für die Analysen. Darüber hinaus wurden weitere Kategorien aus dem Material heraus generiert. Nicht alle Assoziationen ließen sich den zuvor gelisteten Kategorien zuordnen, sodass zur Abbildung aller Nennungen neue Codes angelegt wurden. Das gilt beispielsweise für die Kategorie Aussehen & Bekleidung, die lediglich in einer der zitierten Studien eine (eher untergeordnete) Rolle zu spielen scheint, in dem vorliegenden Material jedoch durchaus bei einer Reihe von Teilnehmer*innen auftaucht. Eine Befragte lieferte für ihren Fokus auf die Beschreibung von Äußerlichkeiten folgende Erklärung:

„Ich kenne leider überhaupt keine Muslime persönlich, wie mir eben aufgefallen ist […], daher kann ich mich hier lediglich auf Äußerlichkeiten beschränken – Muslime, die eben kein Kopftuch oder sonstwie [sic!] religiös erkennbares Zeichen tragen, würde ich ja gar nicht als solche erkennen.“ [C-M]

Äußerlichkeiten werden als leicht zugängliches Wissen über den Islam und Muslim*innen wahrgenommen, welches auch abgerufen werden kann, wenn keine tiefergehenden Kontakte zu Muslim*innen bestehen. Um Schlagwörter, die sich auf konkrete optische Merkmale (zum Beispiel Bart, schwarze Haare) oder Kleidung (zum Beispiel schwarze lange Gewänder) beziehen, berücksichtigen zu können, wurde daher eine entsprechende Kategorie hinzugefügt. Insgesamt ergaben sich so 26 Kategorien, in die sich alle genannten Assoziationen einordnen lassen. Die Kategorien sind unterschiedlich breit gefasst: So enthält etwa Bedrohung & Konflikt eine Vielzahl an Begriffen, die sich auf Ängste, Bedrohungsgefühle, Gewalt, Krieg, Terrorismus oder Extremismus beziehen, wohingegen Kopftuch/Verschleierung eher eng gefasst ist und zu einem Großteil aus der Nennung Kopftuch/Kopftücher besteht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass einige Codes sehr viel häufiger vergeben wurden als andere. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht weiter problematisch, da die Codierung einerseits zumindest teilweise aus der Literatur abgeleitet wurde und es andererseits zwar um Häufigkeiten geht, jedoch nicht in erster Linie um einen Vergleich absoluter Zahlen zwischen den einzelnen Codes, sondern primär um den Vergleich zwischen Deutungsrahmen zu Islam und Muslim*innen innerhalb einer Kategorie. Dennoch werden die absoluten Zahlen auch zwischen den einzelnen Codes nicht gänzlich ausgeblendet, sondern stattdessen unter Berücksichtigung der Breite der Kategorie diskutiert.

Tabelle 7.1 zeigt die absoluten und prozentualen Häufigkeiten der einzelnen Codes für Assoziationen mit dem Islam einerseits und Assoziationen mit Muslim*innen andererseits. Da sich die Zahlen auf Fallebene bewegen, sich also auf Antworten einzelner Personen beziehen, sind die Werte in Tabelle 7.1 wie folgt zu interpretieren: 33,43 Prozent der Befragten, die nach Assoziationen mit dem Islam gefragt wurden (Varianten A und C), nennen mindestens einen Aspekt aus dem Bereich Bedrohung & Konflikt. Im direkten Vergleich zeigt sich: Im Zusammenhang mit der Frage nach Muslim*innen liegt dieser Wert lediglich bei 11,39 Prozent (Varianten B und C). Den höchsten Prozentsatz über alle 26 Codes hinweg erreicht Glaubenslehre & religiöse Praxis im Zusammenhang mit dem Islam (82,67 Prozent). Insgesamt gibt es in dieser Kategorie auch mit Abstand die meisten absoluten Nennungen (444).

Tabelle 7.1 Absolute und prozentuale Häufigkeiten der einzelnen Codes/Kategorien im Vergleich (eigene Darstellung)

Im direkten Vergleich zeigt sich nun, dass einige Kategorien stärker im Zusammenhang mit dem Islam vertreten sind, andere werden stärker mit Muslim*innen assoziiert und wieder andere weisen ein ähnlich starkes Vorkommen für beide Begriffe auf. So tauchen beispielsweise die Codes Bedrohung & Konflikt und (Welt-)Religion häufiger im Zusammenhang mit dem Islam auf, wohingegen sich im Zusammenhang mit Muslim*innen häufiger Begriffe aus den Kategorien Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit oder Kopftuch/Verschleierung finden. Die Codes Geschlecht und Vielfalt & Differenzierung sind in etwa gleich stark für beide Begriffe vertreten. Von den 17 Codes, die insgesamt (Islam und Muslim*innen zusammen) mehr als 40 Nennungen aufweisen, sind fünf stärker mit dem Islam assoziiert, acht tauchen häufiger im Zusammenhang mit Muslim*innen auf und die verbleibenden vier sind für die Fragen nach Islam und Muslim*innen in etwa gleich präsent.

Im Folgenden werden die 26 Kategorien näher erläutert und mit Blick auf die Frage nach der Differenzierung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit (vgl. Kap. 5) sowie die Erkenntnisse bezüglich der signifikant negativeren Bewertung des Islams verglichen mit Muslim*innen (vgl. Kap. 6) analysiert. Anhand beispielhafter Nennungen wird veranschaulicht, welche Assoziationen sich hinter dem jeweiligen Themenkomplex verbergen. Die einzelnen Kategorien lassen sich in vier Bereiche einteilen:

  1. 1.

    Relevante KategorienFootnote 9, die stärker mit dem Islam als mit Muslim*innen assoziiert werden (Primäre Kategorien Schwerpunkt Islam).

  2. 2.

    Relevante Kategorien, die stärker mit Muslim*innen als mit dem Islam assoziiert werden (Primäre Kategorien Schwerpunkt Muslim*innen).

  3. 3.

    Relevante Kategorien, die in etwa gleich häufigFootnote 10 im Zusammenhang mit dem Islam und Muslim*innen auftauchen (Primäre Kategorien Schwerpunkt Islam und Muslim*innen).

  4. 4.

    Irrelevante Kategorien mit weniger als 40 Nennungen insgesamt, die aufgrund ihres marginalen Auftretens als weniger bedeutsam eingestuft werden und kurz erwähnt, aber nicht weiter interpretiert werden (Sekundäre Kategorien).

Ziel dieser Analyse ist es, im Rahmen eines eher explorativen Vorgehens zu verstehen, was auf kognitiver Ebene, ausgedrückt über Assoziationen, bei den Befragten passiert, wenn sie die Begriffe Islam bzw. Muslim*innen lesen. Auch wenn die Befragten gebeten wurden, aufzuschreiben, was ihnen „spontan“ zum Islam bzw. zu Muslim*innen einfällt, so muss dennoch berücksichtigt werden, dass die Befragten nicht zwingend alles aufschreiben, was ihnen spontan in den Sinn kommt, beispielsweise aus Gründen der sozialen Erwünschtheit oder weil die Befragten nicht ihrem ersten Impuls folgend alles aufschreiben, was ihnen einfällt, sondern länger über diese Frage nachdenken, reflektieren, filtern, sortieren, zusammenfassen und so weiter. Dennoch bieten die Antworten aufgrund des experimentellen Designs der Studie eine gute Möglichkeit, Schlagwörter zum Islam mit Schlagwörtern zu Muslim*innen zu vergleichen. Sie sollen helfen, Licht in die ‚Blackbox‘ zu bringen, das heißt, Aufschluss darüber geben, wieso Items mit Islambezug anders bewertet werden als Items mit dem Wording Musliminnen und Muslime und möglicherweise sogar Anhaltspunkte für die negativere Bewertung des Islams verglichen mit Muslim*innen geben.

7.2.1 Primäre Kategorien: Schwerpunkt Islam

Im Folgenden werden zunächst jene fünf Kategorien beschrieben und analysiert, die besonders dominant im Zusammenhang mit der Frage nach Assoziationen zum Islam sind:

  • Glaubenslehre & religiöse Praxis

  • (Welt-)Religion

  • Bedrohung & Konflikt

  • Internationaler Bezug

  • Kunst, Kultur & Ernährung

G laubenslehre & religiöse P raxis

Der Code Glaubenslehre & religiöse Praxis bezieht sich auf religiöse Praktiken, Objekte und Symbole. Dazu zählen auch wahrgenommene Regelungen und Vorschriften, wie etwa die häufigen Nennungen „kein Schweinefleisch“ [A/B/C-I/C-M] oder „keinen Alkohol“ [A/B/C-I/C-M]. Dieser Code beinhaltet in großer Anzahl Antworten wie „Ramadan“, „Fasten“, „Moschee“, „Mekka“, „Beten“, „Mohammed“ [alle A/B/C-I/C-M], „5 Säulen“ [A/B/C-I] oder „Pilgern“/„Pilgerfahrt“ [A/C-I/C-M], aber auch Adjektive wie „gläubig“ oder „religiös“ [beide A/B/C-I/C-M]. In einzelnen Fällen verbinden sich religionsbezogene Inhalte mit persönlichen Erfahrungen und Kontakten („‘Man soll Alkohol und Schweinefleisch VERMEIDEN, aber verboten ist es nicht‘, das erklärte mir vor einiger Zeit ein syrischer Freund“ [C-I]). Diese Kategorie enthält in absoluten Zahlen sowohl für den Islam als auch für Muslim*innen die häufigsten Nennungen (444), was den ersten Eindrücken der Assoziationen durch die Wordclouds entspricht. Im direkten Vergleich ist nun erkennbar, dass die Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis für den Islam deutlich ausgeprägter ist: 272 Personen nennen mindestens ein Schlagwort aus diesem Themenbereich in Bezug auf den Islam, in Bezug auf Muslim*innen sind es nur 172. Forschung zur separaten Betrachtung von Personen und Praktiken/Werten/Ideen konnte in der Vergangenheit bereits zeigen, dass bei einer Bewertung durchaus ein Unterschied zwischen Muslim*innen als Personen und (in diesem Fall konträren) Werten/Praktiken/Ideen vorgenommen wurde (vgl. van der Noll et al. 2018).

Insgesamt ist es wenig überraschend, dass die Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis unter den Befragten die am stärksten ausgeprägte ist, da es sich hier um eine recht breit angelegte Kategorie handelt, die eine Vielzahl religiöser Symbole und Praktiken enthalten kann. Es gibt jedoch weitere Gründe, die eine Dominanz dieses Codes erklären können. Zum einen sind Begriffe wie etwa Koran oder Moschee zentrale Elemente im Zusammenhang mit dem Islamdiskurs in Deutschland (vgl. Saif 2019). Im Zuge des zunehmenden Sichtbarwerdens und Thematisierens von Islam und Muslim*innen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten sind/waren verschiedene Praktiken und Symbole immer wieder Gegenstand politischer und medialer Debatten. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen finden sich beispielsweise Zeitungsartikel zum Speiseplan in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Hier geht es zumeist um Alternativen zum Schweinefleisch, die im Kontext „religiöse[r] Verbote und moderne[r] Ernährungsstandards“ diskutiert werden.Footnote 11 Ein Zusammenhang zwischen Islam bzw. muslimischen Kindern und dem Verzicht von Schweinefleisch wird durch diese Debatten immer wieder hergestellt und dadurch möglicherweise in der Wahrnehmung der Befragten verfestigt. Weitere Beispiele sind Diskussionen um die Gesundheit und die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit von muslimischen, fastenden Kindern während des RamadansFootnote 12 oder verschiedene Moscheebauprojekte.

Zum anderen mag diese Kategorie unter quantitativen Aspekten besonders hervorstechen, da viele der Begriffe zum Allgemeinwissen rund um den Islam gehören. Möglicherweise wurde hier ein eher abstraktes und leicht abrufbares Wissen wiedergegeben, ohne dabei konkrete Vorstellungen der Praktiken, Symbole oder Orte zu haben. Dieser Ansatz könnte etwa die überraschend häufige Nennung 5 Säulen erklären. Forschung zu Wissensbeständen von Jugendlichen rund um den Islam und Muslim*innen deutet darauf hin, dass das Wissen um die Glaubenslehren des Islams ausgeprägter ist als das Wissen um die tatsächliche Lebensrealität von Muslim*innen in Deutschland und dass ersteres eher als Allgemeinwissen eingestuft werden kann, wohingegen letzteres zumindest partiell mit Kontakten zu Muslim*innen zusammenhängt (vgl. Janzen et al. 2019: 26 f.).

Die Auswertung der offenen Frage legt nahe, dass dieses eher abstrakte Allgemeinwissen stärker mit dem Islam assoziiert wird als mit Muslim*innen. Das könnte zum einen passieren, wenn das Allgemeinwissen eher im Zusammenhang mit dem Islam generiert wird und weniger mit Blick auf muslimisches Leben in Deutschland. Zum anderen könnten andere, nicht auf die Religion bezogene Assoziationen im Fall der Muslim*innen mit den eindeutig religionsbezogenen Assoziationen der Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis konkurrieren, das heißt, andere Frames aktiviert werden. Im Sinne der Überlegungen zu multiplen Kategorisierungen (vgl. Abschn. 2.3.2) ist es gut vorstellbar, dass der Begriff Muslim*innen auch Assoziationen außerhalb des religiösen Spektrums weckt und damit andere Zugehörigkeiten adressiert. Die Kategorie Migration & (Nicht-) Zugehörigkeit ist ein Beispiel für nicht-religiöse Kontexte und andere Zuschreibungen, die sich im Zusammenhang mit Muslim*innen deutlich häufiger finden als im Zusammenhang mit dem Islam (vgl. Abschn. 7.2.2).

Allgemeinwissen in Form theoretischer Kenntnisse um religiöse Praktiken, Symbole oder Orte scheint unter den Befragten insgesamt weit verbreitet zu sein und sowohl mit dem Islam als auch mit Muslim*innen in Verbindung gebracht zu werden, wobei trotz der in beiden Fällen hohen absoluten Zahlen in dieser Kategorie ein deutliches Ungleichgewicht erkennbar ist, da der Code im Zusammenhang mit dem Islam noch sehr viel häufiger auftritt als im Zusammenhang mit Muslim*innen.

( W elt-) R eligion

Der Code (Welt-)Religion wurde immer dann vergeben, wenn die Befragten Begriffe wie „Religion“ [A/B/C-I/C-M], „Monotheismus“/„monotheistische Religion“ [A/B/C-I/C-M], „Weltreligion“ [A/B/C-I] oder „abrahamitische Religion“ [A/C-I] nennen. Meistens handelt es sich hierbei tatsächlich um einzelne Schlagwörter, in einigen wenigen Fällen beziehen sich die Befragten darüber hinaus auf die Anzahl der Anhänger*innen oder die Entstehungsgeschichte des Islams („Jüngste monotheistische Religion und mit fast 2 Milliarden Anhängern die zweitgrößte Weltreligion nach dem Christentum“ [A]). (Welt-)Religion ist die drittstärkste Kategorie gemessen an der Anzahl der Personen, die mindestens einen Begriff aus diesem Spektrum genannt haben. Etwa drei Viertel der Fälle sind jedoch dem Islam zuzuordnen. Die Befragten assoziieren somit Religion (Weltreligion, monotheistische Religion) deutlich häufiger mit dem Islam als mit Muslim*innen.

Das ist zunächst wenig überraschend, da der Islam im Gegensatz zu Muslim*innen eine (Welt-)Religion ist. Spannender ist hingegen der Deutungsrahmen, der in einer Vielzahl von Nennungen innerhalb dieser Kategorie aktiviert wird. Der Religionsbegriff steht oftmals nicht für sich, sondern wird spezifiziert: Weltreligion, monotheistische Religion, abrahamitische Religion. Zum einen offenbart diese Spezifikation ein Wissen, dass über die reine Tatsache, dass der Islam eine Religion ist, hinausgeht. Begriffe wie monotheistisch oder abrahamitisch lassen auf einen Deutungsrahmen schließen, der von theologischem bzw. entstehungsgeschichtlichem Wissen geprägt ist, da im ersten Fall ein Charakteristikum der Glaubenslehre (Glaube an einen einzigen Gott) betont und im zweiten Fall ein Bezug zu den Ursprüngen der Religion hergestellt wird. Abraham gilt jedoch nicht nur im Islam als Stammvater, sondern auch im Christentum und im Judentum, weshalb die Konkretisierung von Religion als abrahamitisch in gewissem Maße den Islam in die Nähe von Christentum und Judentum rückt. Einige Befragte führen diese Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen auch explizit aus („gemeinsame religiöse Wurzeln im Abraham“ [A], „Der Islam ist die jüngste der drei abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) und entsprechend eng verbunden mit dem Christentum und dem Judentum“ [A]). Auch die Zusätze monotheistisch und Welt- sind nähere Beschreibungen, die den Islam nicht isolieren, abgrenzen oder in seiner Individualität hervorheben, sondern die jeweils eine Gruppe von Religionen umfassen, zu denen immer auch Christentum und Judentum gehören. Der Monotheismus etwa ist ein weiteres verbindendes Element der drei Religionen, denn „the three religions share a mutual heritage of monotheism” (Gottschalk & Greenberg 2008: 6).

Möglicherweise wird auch an dieser Stelle Allgemeinwissen vorgebracht und Begriffe abgerufen, die nicht explizit auf gemeinsame Wurzeln verschiedener Religionen hinweisen sollen, sondern die schlichtweg auf kognitiver Ebene eng miteinander verbunden sind. Spannend ist in jedem Fall, dass ein nicht unerheblicher Teil der Befragten beim Begriff Islam einen Frame mit theologischen Wissensbeständen abruft. Dies kann als Gegenentwurf zur nun folgenden Kategorie Bedrohung & Konflikt interpretiert werden, welche in den zuvor zitierten US-amerikanischen Studien eine wichtige Rolle spielte und unter den Assoziationen sehr dominant war. Ein theologischer Deutungsrahmen, der noch dazu implizit oder explizit Verbindungen zu anderen Religionen zieht, wird den*die Befragte*n möglicherweise zu einer anderen Bewertung des Islams veranlassen als ein Frame, der primär Bilder von Krieg, Terror und Gewalt hervorruft.

In Bezug auf die Unterscheidung zwischen Islam und Muslim*innen wird im Rahmen der Kategorie (Welt-)Religion besonders deutlich, dass viele Befragte den Islam viel stärker mit theologischen Aspekten verbinden als sie dies mit Muslim*innen tun. Diese Kategorie zeigt, dass im Rahmen des hier durchgeführten Surveys die Frage nach der Religion als solcher zu einer stärkeren theologischen Verortung führt als die Frage nach ihren Anhänger*innen, für welche die Religionszugehörigkeit nur eine von vielen Zugehörigkeiten darstellt.

B edrohung & K onflikt

Bedrohung & Konflikt ist eine vergleichsweise breit angelegte Kategorie. Sie enthält Elemente wie Islam as a threat (vgl. Halm 2013), Gewalt und Islamismus (vgl. Kaddor et al. 2018) und spiegelt damit Aspekte eines Versicherheitlichungsdiskurses wider. Diese Kategorie beinhaltet Beschreibungen von Ängsten und Bedrohungsszenarien, Nennungen zu Terror, Krieg, Gewalt und Unterdrückung (Ausnahme: Unterdrückung mit explizitem Bezug zu Frauen, vgl. Code Geschlecht, Abschn. 7.2.3) sowie aus dem Spektrum Extremismus und Radikalisierung. Wie die Literatur bereits vermuten ließ (vgl. Gottschalk & Greenberg 2008; Park et al. 2007; PEW Research Center 2007), wurden Islam bzw. Muslim*innen auch in der vorliegenden Untersuchung häufig mit konflikthaften und gewalttätigen Handlungen oder Ereignissen in Verbindung gebracht und/oder eher negativ bewertet. Es finden sich Begriffe wie „IS“ [A/B/C-I/C-M], „Islamismus“ [A/B/C-I], „Salafismus“/„Salafisten“ [A/C-I], „Terror“/„Terrorismus“ [A/B/C-I], „Anschläge“ [A/C-I], „9/11“ [A], „Gewalt“ [A/C-M], „Extremismus“ [A/C-I], „Ehrenmord“ [A/C-I/C-M], „Fanatismus“ [A/B/C-I], „kriegsverherrlichend“ [C-I] oder „Todesstrafe“ [C-I]. Ähnlich der Kategorie (Welt-)Religion entfällt auch hier die Mehrheit der Antworten auf den Islam. Insgesamt evozieren Respondent*innen dreimal so häufig Schlagwörter aus dem Themenspektrum Bedrohung & Konflikt, wenn sie nach dem Islam gefragt werden, als wenn sich die Frage auf Muslim*innen bezieht. Assoziationen im Bereich Bedrohung & Konflikt scheinen demzufolge vor allem um den Islam zu kreisen und weniger um Muslim*innen.

Dieser Code bildet den zweiten großen Themenblock im Zusammenhang mit dem Islam und stellt das einzige Themenfeld neben dem thematischen Komplex Religion/Religiosität und der Kategorie Kopftuch/Verschleierung dar, welches über 100 Nennungen enthält und als dominierend bewertet werden kann. Dass der Islam stärker als Muslim*innen mit Begriffen aus dem Bereich Bedrohung & Konflikt assoziiert wird, liegt möglicherweise an einer negativeren medialen Darstellung, denn im Sprechen über den Islam bzw. über Muslim*innen konstituiert sich unser Wissen.Footnote 13 Eine korpuslinguistische Analyse kommt hier zu einem ebenso spannenden wie aufschlussreichen Ergebnis: Die Analyse von 7504 Artikeln aus den Zeitungen Die Welt, Die Welt am Sonntag, Focus, taz, Der Spiegel, Stern, Bonner Generalanzeiger, Berliner Morgenpost, Die Bunte und dem Hamburger Abendblatt aus dem Jahr 2009 zeigt, dass unter den zehn am häufigsten attributiv gebrauchten Adjektiven im Zusammenhang mit dem Islam drei Adjektive mit negativer Bedeutung zu finden sind (politisch, radikal, militant), wohingegen dies für Muslim*innen nur auf ein einziges Adjektiv (radikal) zutrifft (vgl. Kalwa 2013: 156–158):

„Vergleicht man nun die attributiv gebrauchten Adjektive vor Islam mit denen vor Muslim, so fällt auf, dass die Diskursteilnehmer eher dem Islam negative Eigenschaften zuschreiben als den Muslimen. Mit Ausnahme von radikal sind alle Adjektive wertneutral oder rufen positive Bedeutungsaspekte hervor […]. Es scheint also für die Diskursteilnehmer leichter annehmbar, dem Islam negative Eigenschaften zuzuschreiben als den Muslimen. Dies führt dazu, dass der Ausdruck Islam stärkere negative Bedeutungsaspekte evoziert als der Ausdruck Muslime. Damit wird erneut deutlich, warum die Aussage Die Muslime gehören zu Deutschland für viele Mitglieder der deutschen Gesellschaft weitaus akzeptabler erscheint als die Aussage Der Islam gehört zu Deutschland.“ (ebd.: 158).

Verschiedene Politiker*innen haben durch die Verwendung dieser Sätze in der Vergangenheit immer wieder Aushandlungsprozesse um Zugehörigkeit angestoßen oder Muslim*innen bzw. dem Islam die Zugehörigkeit zu Deutschland zu- oder absprechen wollen. Abschn. 1.2 hat bereits gezeigt, dass die Grenze der Zugehörigkeit in diesen Diskursen nicht selten genau zwischen Islam und Muslim*innen verläuft. Die Ergebnisse zur Kategorie Bedrohung & Konflikt unterstützen – ähnlich wie die Ergebnisse aus Kap. 6 – die Vermutung Kalwas, dass die Exklusion des Islams auf mehr Akzeptanz stößt als die Exklusion von Muslim*innen: Die zugrundeliegenden Assoziationen zum Islam entstammen in deutlich größerem Umfang negativ besetzten Themenfeldern wie Gewalt, Unterdrückung, Terror und Extremismus.

Weiterhin darf auch die sprachliche Nähe zwischen Islam und Islamismus nicht ignoriert werden, welche möglicherweise dazu führt, dass Begriffe wie Islamismus oder islamistisch leichter zugänglich sind und eher assoziiert werden, wenn nach dem Islam gefragt wird als wenn nach Muslim*innen gefragt wird. Es ist zudem möglich, dass Begriffe, die im Zusammenhang mit Islamismus stehen, von den Befragten auch im Zusammenhang mit dem Islam evoziert werden – zumindest eher als im Zusammenhang mit Muslim*innen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Stichprobe insgesamt überdurchschnittlich hoch gebildet ist und eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Islam auf der einen und Islamismus auf der anderen Seite bzw. eine Reflexion dieser sprachlichen Nähe durchaus anzunehmen ist.

Mit Blick auf die mediale Darstellung des Islams einerseits (vgl. Abschn. 2.5.2) und die Rolle von Kontakt und Mehrfachzugehörigkeiten für die Vorurteilsreduzierung andererseits (vgl. Abschn. 2.3) könnte die Dominanz der Kategorie Bedrohung & Konflikt im Zusammenhang mit dem Islam möglicherweise außerdem in dem Fehlen alternativer Gegendarstellungen zu den medialen Inhalten über den Islam begründet liegen. Nicht nur, dass das medial vermittelte Bild des Islams negativer zu sein scheint als jenes über Muslim*innen, hinzukommt, dass Vorstellungen von Muslim*innen aus medialen Kontexten mit dem Wissen über Muslim*innen, das in persönlichen Begegnungen generiert wird, konkurrieren. Kontakt hat das Potential, eigene Bilder von Muslim*innen zu kreieren und mitunter klischeebeladenen medialen Darstellungen – sogenannten parasozialen Kontakten (vgl. Horton & Wohl 1956) – etwas entgegenzusetzen oder diese sogar zu überlagern. Für den Islam ist dies sicherlich auch möglich, jedoch immer vermittelt über Muslim*innen. Darüber hinaus sind auch hier die multiplen Gruppenzugehörigkeiten interessant, denn in persönlichem Kontakt können Muslim*innen von Nicht-Muslim*innen entlang anderer Gruppenzugehörigkeiten durchaus als Mitglieder der Ingroup wahrgenommen werden, etwa als Lehrer*innen oder als Vegetarier*innen. Entsprechende Gemeinsamkeiten und Erfahrungen können Bedrohungsgefühle verringern und ein vielfältigeres Bild von Muslim*innen zeichnen, dass einerseits wenig gemein hat mit medialen Darstellungen von Gewalt und Terror und andererseits die Spannbreite potentieller Assoziationen enorm vergrößern dürfte.

I nternationaler B ezug

Der Code Internationaler Bezug wurde vergeben, sobald ein*e Befragte*r Bezüge zum Ausland herstellt. In den meisten Fällen geschah das über die Nennung von Nationalstaaten (zum Beispiel Türkei, Irak, Syrien, Afghanistan, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten, Bosnien, Marokko, Indonesien) oder Regionen (zum Beispiel Orient, Naher Osten, Arabien, Nordafrika), seltener auch über die Nennung ganzer Kontinente (Afrika) oder einzelner Städte (Jerusalem, Istanbul). Der Code wurde auch vergeben, wenn persönliche Erfahrungen im Ausland geschildert wurden („tolerantes Miteinander von Muslimen und Christen (in Äthiopien und Russland kennen gelernt, in Dt würde das wohl keiner so sagen)“ [A], „Da ich in den letzten Monaten in einem muslimischen Land gelebt habe: Muezzin-Rufe“ [C-I], „eigene Reisen in muslimische Länder“ [B]). Nicht in den Bereich Internationaler Bezug hingegen fällt die Assoziation Mekka, welche der Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis zugeordnet wurde, sowie Begriffe wie türkisch oder arabisch, die sich zumeist auf Staatsangehörigkeit oder Sprache beziehen und daher der Kategorie M igration & (Nicht-)Zugehörigkeit zugeordnet wurden. Dass insgesamt eine beträchtliche Anzahl der Befragten Assoziationen aus dem Bereich Internationaler Bezug aufweist, ist wenig verwunderlich, wenn berücksichtigt wird, dass etwa ARD und ZDF Themen mit Islambezug oftmals in ihren Auslandsmagazinen platzieren (vgl. Hafez & Richter 2007: 41 f.).

Auch wenn der Entstehungsort von Islam und Christentum geographisch gesehen gar nicht so weit auseinander liegt, so hat sich doch eine Vorstellung von Christentum als ‚westlicher‘ und Islam als ‚östlicher‘ Religion etabliert (vgl. Gottschalk & Greenberg 2008: 6). Das zeigt sich auch in den Antworten der Befragten, denn die am häufigsten genannten Orte fallen in die Region des Nahen Ostens. Deutlich seltener oder gar nicht werden Länder assoziiert, die in absoluten Zahlen die größte muslimische Bevölkerung aufweisen: Indonesien, Indien, Pakistan oder Bangladesch. Interessant ist jedoch nicht allein der Fokus auf den Nahen Osten, sondern vielmehr die Tatsache, dass auch für diese Kategorie drei Viertel der Nennungen im Zusammenhang mit der Frage nach Assoziationen mit dem Islam und nur ein Viertel im Zusammenhang mit Muslim*innen auftauchen. Dieses Ungleichgewicht kann als Indikator für eine verglichen mit Muslim*innen stärkere Verortung des Islams außerhalb Deutschlands gewertet werden. Viel stärker als Muslim*innen wird demzufolge der Islam in großer geographischer Distanz zu Deutschland wahrgenommen. Dies ist insbesondere interessant vor dem Hintergrund, dass die vorliegende Befragung mit „Islam und Muslim/innen in Deutschland“ betitelt war – einer Überschrift, die auf jeder Seite des Surveys deutlich sichtbar angezeigt wurde.

Was bedeutet das nun für die Wahrnehmung von Islam und Muslim*innen? Abschn. 1.2 hat bereits exemplarisch gezeigt, dass politische Debatten um Zugehörigkeit durchaus mit einer Differenzierung zwischen Islam und Muslim*innen geführt werden. Die oftmals betonte Zugehörigkeit von Muslim*innen zu Deutschland bei paralleler Negierung der Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland spiegelt sich ein Stück weit in den Assoziationen zum Islam und zu Muslim*innen wider, wenn Muslim*innen viel seltener als der Islam im Ausland verortet werden. Die starke Verortung im Nahen Osten kann als Ausdruck von Distanz zum Islam interpretiert werden, die in dieser Form bei Muslim*innen nicht gegeben zu sein scheint.

K unst, K ultur & E rnährung

Unter diesem Code finden sich Nennungen wie „Musik“ [A/B/C-I], „Gesang“ [A], „Deutschrap“ [A], „Kunst“ [A], „Dichtung“ [C-I], „Lyrik“ [A] oder „hohe Kulturen“ [C-I]. Außerdem assoziierten viele Respondent*innen verschiedene Lebensmittel, Getränke oder allgemein gutes/leckeres/anderes Essen mit dem Islam bzw. mit Muslim*innen („Tee“ [A/B/C-M], „geiles Essen, Gewürze“ [A], „Joghurtgetränk“ [A], „Essen (muslimische Supermärkte/ Restaurants)“ [B], „Döner“ [B/C-M], „Minze“ [B], „Gutes Essen (Baklava, Cigköfte, Falafel, …)“ [C-M]). Auch Assoziationen zu Hochzeitsfeiern sowie zu Shishabars wurden der Kategorie Kunst, Kultur & Ernährung zugeordnet („türkische Hochzeit“ [A], „große Hochzeiten“ [B/C-M], „opulente Hochzeitsfeiern“ [C-M], „Shisha“ [A/C-M], „Shishabar“ [C-M]).

Insgesamt sind die Antworten innerhalb dieser Kategorie sehr vielfältig, sowohl in Hinblick auf den Grad der Spezifizierung (zum Beispiel Essen vs. Falafel) als auch in Hinblick auf den konkreten kulturellen Bereich (zum Beispiel Essen vs. Musik) sowie in Hinblick auf den stereotypen Charakter der Antwort (zum Beispiel Lyrik vs. Döner). Die Kontextualisierung einer Ein-Wort-Antwort wie „Döner“ ist kaum möglich. Zudem lässt sich – anders als etwa im Fall der Kategorie Bedrohung & Konflikt – nur schwer feststellen, ob bzw. inwiefern diese Nennungen eine positive oder negative Bewertung von Islam und Muslim*innen beinhalten. Da eine Einordnung derlei knapper Antworten etwa als rassistisch ohne weiteren Kontext schwierig ist und über das Potential dieser Analyse hinausgeht, wird der „Döner“ an dieser Stelle als Nahrungsmittel gewertet und dieser Kategorie zugeordnet. Es ist jedoch unbedingt festzuhalten, dass insbesondere der Begriff Döner in der Vergangenheit durchaus in rassistischer Art und Weise verwendet wurde – man denke hier nur an den Begriff Döner-Morde zur Bezeichnung rassistisch motivierter Morde durch den Nationalsozialistischen Untergrund. Die Kategorie Kunst, Kultur & Ernährung bleibt aus diesem Grund eine eher schwammige und mit Vorsicht zu deutende Kategorie, die mitunter stark stereotype Vorstellungen des Islams bzw. von Muslim*innen beinhaltet.

Insgesamt fällt auf, dass diese Kategorie zu größeren Teilen im Zusammenhang mit dem Islam verglichen mit Muslim*innen auftritt. Damit gibt es neben dem großen thematischen Block Religion/Religiosität und der Kategorie Bedrohung & Konflikt einen weiteren, aus dem Bereich Kunst/Kultur stammenden Deutungsrahmen im Zusammenhang mit dem Islam, auch wenn diese Kategorie deutlich weniger Nennungen aufweist als die zuvor genannten.

7.2.2 Primäre Kategorien: Schwerpunkt Muslim*innen

Im Folgenden werden nun all jene Kategorien beschrieben und analysiert, die besonders dominant im Zusammenhang mit Assoziationen zu Muslim*innen sind. Dies trifft auf die folgenden acht Kategorien zu:

  • Kopftuch/Verschleierung

  • Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit

  • Sonstige positive Konnotationen

  • Counter-Discourse

  • Persönliche Erfahrungen & Kontakt

  • Gastfreundschaft & Offenheit

  • Aussehen & Bekleidung

  • Namen & Personen

K opftuch/ V erschleierung

Das Kopftuch ist ein besonders sichtbares, vielfach diskutiertes und politisiertes Symbol im Zusammenhang mit dem Islam und (insbesondere weiblichen) Muslim*innen. Es erhält daher eine gesonderte Kategorie und wird weder der Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis noch der Kategorie Aussehen & Bekleidung zugeordnet. Durch die hohe Visibilität, den symbolischen Charakter sowie anhaltende Diskussionen um das Kopftuch – zuletzt etwa im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Beamt*innen – wäre es unzureichend, das Kopftuch lediglich als (religiöses) Kleidungsstück zu bewerten und einer der beiden genannten Kategorien zuzuordnen (vgl. Schiffer 2005: 82), auch wenn eindeutige Bezüge zu beiden Kategorien nicht von der Hand zu weisen sind (vgl. Şahin 2014). Ohne eine separate Betrachtung des Kopftuchs würden die zuvor genannten Kategorien deutlich heterogener ausfallen und Assoziationen außerhalb des Kopftuchs wären schwerer zu charakterisieren. Gleichzeitig wären keine separaten Aussagen über die Häufigkeit der Assoziationen im Bereich Kopftuch und Verschleierung möglich, was in Anbetracht der anhaltenden Debatten, der Politisierung des Kopftuchs sowie der zahlreichen individuellen und gesellschaftlichen Bedeutungszuschreibungen (vgl. ebd.) als Manko angesehen werden kann. Aus diesem Grund wird die besondere Symbolhaftigkeit des Kopftuchs in der Gesellschaft auch in dieser Arbeit gesondert in Form einer eigenständigen Kategorie abgebildet.

„Kopftuch“ [A/B/C-I/C-M] ist erwartungsgemäß einer der am häufigsten genannten Begriffe im Rahmen der Frage nach Schlagwörtern zum Islam und zu Muslim*innen und bildet daher auch den Schwerpunkt dieser Kategorie. Auch (seltenere) Nennungen wie „Burka“ [A/B/C-I/C-M], „Hijab“ [A/B/C-I] oder „Verschleierung“/„verschleiert“/„verschleierte Frauen“ [A/B/C-I/C-M] fallen in diese Kategorie. In einigen Fällen geht die Assoziation über das simple Schlagwort Kopftuch hinaus („Kopftuchtragen eine bewusste Entscheidung der Frauen“ [B], „Manche Frauen tragen Kopftücher, manche nicht“ [C-M], „Kopftuch, freiwillig oder erzwungen?“ [A], „Streng gläubige Frauen tragen Kopftücher, was ich in der heutigen, modernen und emanzipierten Welt nicht ganz nachvollziehen kann“ [B]). Obwohl diese Kategorie eher eng gefasst ist, weist sie dennoch absolut betrachtet die zweitmeisten Antworten auf (252).

Die Kategorie Kopftuch/Verschleierung ist sowohl für den Islam als auch für Muslim*innen stark ausgeprägt, häufiger taucht sie jedoch im Zusammenhang mit Muslim*innen auf. Das unterscheidet sie von der Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis, die ebenfalls religiöse Symbole enthält, jedoch deutlich stärker im Zusammenhang mit dem Islam als mit Muslim*innen zu finden ist. Dies liegt möglicherweise an der engen Verknüpfung von Kopftuch und Musliminnen bzw. dem weiblichen Körper. Das Kopftuch wird häufig im Zusammenhang mit konkreten Personen(gruppen) muslimischen Glaubens diskutiert, etwa wenn es um ein Kopftuchverbot bei Lehrerinnen oder Juristinnen geht, und graphisch nahezu immer in Form einer kopftuchtragenden Frau präsentiert. Selbst wenn die mediale Darstellung der Frauen immer wieder anonym und wenig individuell wirkt, weil insbesondere bei Symbolbildern auf eine Frontalansicht und damit auf die Darstellung des Gesichts verzichtet wirdFootnote 14, zeigen diese entindividualisierten Darstellungen dennoch Menschen. Kaum ein anderes Symbol ist so eng mit Menschen, dem Körper, und damit mit Muslim*innen verbunden wie das Kopftuch. Viele der Nennungen aus der Kategorie Glaubenslehre und religiöse Praxis beziehen sich auf wahrgenommene Praktiken und Vorschriften (kein Schweinefleisch, 5 Säulen, kein Alkohol), die im Allgemeinen schwerer abzubilden sind und zur Darstellung nicht unbedingt eine Person (muslimischen Glaubens) benötigen. Dieser Erklärungsansatz wird gestützt durch die Beobachtung, dass auch die Kategorie Aussehen & Bekleidung stärker mit Muslim*innen als mit dem Islam assoziiert wird.

Dass das Kopftuch von den Befragten stärker mit Muslim*innen als mit dem Islam assoziiert wird, ist vielleicht zunächst überraschend, bei näherer Betrachtung der Verknüpfung des Kopftuchs mit (konkreten) Menschen jedoch durchaus plausibel. Eine weitere Erklärung liegt in der Zugänglichkeit des Kopftuchs im Alltag. Das Kopftuch ist auch im Alltag von Nicht-Muslim*innen durchaus präsent, es ist im öffentlichen Raum sichtbar(er geworden), der Koran oder das Freitagsgebet im direkten Vergleich hingegen eher weniger. Gleichzeitig erhöht das Kopftuch die Akzessibilität zur Kategorie Muslim*in, die Salienz der Religionszugehörigkeit könnte also in jenen Interaktionen, in denen Musliminnen ein Kopftuch tragen, erhöht sein. Auch in oberflächlichen Kontakten zu (kopftuchtragenden) MusliminnenFootnote 15 wird das Kopftuch sichtbar. So ist beispielsweise ein Kopftuch in der Schulklasse oder beim Einkaufen auf den ersten Blick zu erkennen. Das Wissen um einen potentiellen Verzicht auf Schweinefleisch oder Alkohol hingegen erfordert tendenziell einen tiefergehenden Kontakt und verhaftet daher möglicherweise eher auf einer Ebene abstrakten Wissens um die islamischen Glaubenslehren anstatt als elementarer Bestandteil vieler Muslim*innen im Alltag wahrgenommen zu werden. Das Kopftuch löst sich aus dem Bereich des eher abstrakten Allgemeinwissens zum Thema Islam und ist auch in alltäglichen Interaktionen zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen präsent, wird somit möglicherweise nicht nur als rein religiöses Symbol im Zusammenhang mit den Glaubenslehren des Islams wahrgenommen, sondern auch als Teil der Lebensrealität von Muslim*innen in Deutschland.

M igration & ( N icht -)Z ugehörigkeit

Abschn. 3.1 hat gezeigt, dass im Verlauf der letzten Jahrzehnte eine Verschmelzung der Diskurse um Islam und Migration, eine sogenannte Islamisierung der Migrations- und Integrationsdebatte, stattgefunden hat. Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich eine Vielzahl der Assoziationen im Zusammenhang mit Muslim*innen und dem Islam auf Migration und Migrant*innen bezieht – unabhängig davon, ob Muslim*innen eine Migrationsbiographie aufweisen oder nicht. Auch Kaddor et al. (2018) konnten ein Narrativ „Segregation, Zuschreibungen und Zugehörigkeiten“ identifizieren. Alle Antworten, die Islam und Muslim*innen im weitesten Sinne mit Migration in Verbindung bringen und/oder die Zugehörigkeit zu Deutschland aushandeln, fallen daher unter die Kategorie Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit.

Das sind beispielsweise Antworten zu Integration, das heißt Integrationsfähigkeit/-bereitschaft von Muslim*innen („Parallelgesellschaften Integrationsversuche sind wichtig, Bereitschaft der Muslime ebenso“ [B]), zu Sprachkompetenzen („verschiedene Sprachen: Kurdisch, Arabisch, Türkisch [C-M], „sehr laute Sprache, meist Muttersprache, kaum Kenntnisse der deutschen Sprache und der Währung“ [B]), zu Segregation oder auch Antworten, die Bezug nehmen auf Flucht/Geflüchtete („Patensystem für Geflüchtete im Studium“ [B], „Die geflüchteten Kinder in der KiTa lernen unglaublich schnell die deutsche Sprache“ [B]) oder andere Nationalitäten („türkisch“ [B/C-M]). Einige Befragte stellen (implizit oder explizit) muslimisch und deutsch gegenüber („Auf der Arbeit lassen die Männer sich nichts von deutschen Frauen sagen und ignorieren Anweisungen“ [B], „dem Islam angehörig sind häufig ausländische Mitbürger/Migranten, wenige Deutsche konvertieren zum Islam“ [A]) und übersehen oder leugnen damit die potentielle Parallelität von Muslimisch- und Deutsch-Sein, das heißt die Existenz überlappender Kategorisierungen. Oftmals wird nicht explizit von Migrant*innen oder Ausländer*innen gesprochen, jedoch wird durch Begriffe wie Herkunft suggeriert, dass Muslim*innen außerhalb Deutschlands verortet werden („Die Kinder sind offen für andere Religionen, Regeln, Traditionen, Lebensweisen. Bei den Eltern hängt das oft von deren Herkunft und oder dem privaten Umfeld ab.“ [B]).

Diese Kategorie macht mehr als alle anderen die „kategorialen Verwechslungen“ (Spielhaus 2018: 134) im Zusammenhang mit Islam/Muslim*innen und Migration deutlich, die auch in der Erfassung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit beobachtet werden konnten, als das Phänomen noch unter dem Begriff Xenophobie erfasst wurde (vgl. Abschn. 3.2). Nach wie vor schlägt sich diese Gleichsetzung in einzelnen Items („Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“, vgl. Abschn. 3.3) wie auch in der Stichprobenziehung im Zusammenhang mit Studien über muslimisches Leben in Deutschland (vgl. u. a. Pfündel et al. 2021) nieder. Die Formulierung im vorliegenden Fragebogen bezieht sich eindeutig auf den Islam bzw. auf Muslim*innen und stellt keinerlei Verbindungen zu Migrationserfahrungen her. Die hohe Anzahl der Nennungen, die sich dieser Kategorie zuordnen lassen, sprechen jedoch für die Vermischung von Migrationserfahrungen und Ethnizität (besonders deutlich am Beispiel „türkisch“) mit der Kategorie der Religionszugehörigkeit. Häufiger noch als für den Islam finden sich diese Assoziationen auf die Frage nach Muslim*innen. Muslim*innen werden also stärker als der Islam mit Assoziationen ohne Religionsbezug belegt. Stattdessen wird ein Deutungsrahmen aktiviert, der auf räumliche Mobilität und Ethnizität rekurriert.

Zwar finden sich in den familiären Biographien der meisten Muslim*innen in Deutschland Migrationserfahrungen, ob diese jedoch die Generation der Eltern bzw. (Ur-)Großeltern oder die eigene Biographie betreffen, kann ebenso unterschiedlich sein wie die Gründe für die Migration. Anders gesagt: Es kann – insbesondere für Gefühle von Zugehörigkeiten – einen Unterschied machen, ob der Großvater als Arbeitsmigrant in den 1950er Jahren nach Deutschland gekommen ist und jemand selbst in Deutschland in der dritten Generation geboren und aufgewachsen ist, Deutsch die Muttersprache und Deutschland (eine) seine(r)*ihre(r) Heimat(en) ist oder ob jemand selbst vor zwei Jahren aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland geflüchtet ist. Mit Blick auf die andauernden politischen Aushandlungsprozesse über die Zugehörigkeit des Islams bzw. von Muslim*innen zu Deutschland (vgl. Abschn. 1.2) sowie die „Islamisierung der Integrationsdebatte“ (Hierl 2012; Abschn. 3.1) ist es wenig verwunderlich, gleichzeitig jedoch nicht unproblematisch, dass auch im Rahmen dieser Befragung eine trennscharfe Betrachtungsweise nicht immer gegeben ist und implizit oder explizit immer wieder Aspekte der (Nicht-)Zugehörigkeit geäußert werden.

Auch wenn die zu beobachtende Einordnung von Muslim*innen als Migrant*innen von einer gewissen Differenzkonstruktion zeugt und Muslim*innen und der Islam als ‚zugewandert‘ betrachtet werden, so unterscheidet sich diese Kategorie dennoch maßgeblich von der im vorangegangenen Kapitel diskutierten Kategorie Internationaler Bezug. Für letztere konnte eine Verortung insbesondere des Islams außerhalb Deutschlands konstatiert werden. Die geographische Verortung im Rahmen der Kategorie Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit hingegen erfolgt überwiegend innerhalb Deutschlands, wenn auch immer wieder die Annahme zugrunde liegt, dass Muslim*innen bzw. der Islam zunächst nach Deutschland migrieren mussten. Viele Nennungen beziehen sich daher nicht auf das Ausland, sondern auf Integrationsprozesse innerhalb Deutschlands.

Während etwa die Kategorie Bedrohung & Konflikt (nahezu) ausschließlich negative Assoziationen enthält, lassen sich die Antworten im Kontext Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit nicht pauschal in positiv oder negativ einteilen. Dies zeigt sich beispielsweise an der Erwähnung von Sprachkompetenzen, die entweder gelobt oder kritisiert werden, oder an der Beurteilung der Integration („gelungene Integration“ [B], „Manche haben Schwierigkeiten mit der Integration“ [C-M]). Auf der einen Seite ist hier ein Unterschied in der Bewertung von Sprachkompetenzen oder Integration durch die Dominanzgesellschaft abzulesen, auf der anderen Seite suggerieren auch vermeintlich positiv gemeinte, lobende Aussagen eine Form der Nicht-Zugehörigkeit, denn sie unterstellen, Muslim*innen müssten sich überhaupt erst integrieren und die deutsche Sprache erlernen.Footnote 16 Deutsch-Sein wird ihnen hiermit implizit abgesprochen.

Darüber hinaus gibt es Nennungen, die im Sinne einer Bewertung zunächst als neutral betrachtet werden können, etwa die oben angeführten Beispiele „türkisch“ [B/C-M] und „Patensystem für Geflüchtete im Studium“ [B]. Allerdings beinhalten auch diese Zuschreibungen das Problem der Konstruktion von Nicht-Zugehörigkeit und sind damit letztendlich als Form von Othering-Prozessen zu deuten.

Insgesamt werden Bezüge zu Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit deutlich häufiger im Zusammenhang mit Muslim*innen (85) als mit dem Islam (56) hergestellt. Was bedeutet das für die Differenzierung von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit? Für Muslim*innen wird stärker als für den Islam ein Frame aktiviert, der Assoziationen zu Migration und Integration enthält. Damit wird trotz oder gerade anhand der zuvor thematisierten Vermischung der Kategorien Muslim*in und Migrant*in deutlich, dass es im Zusammenhang mit Muslim*innen überlappende bzw. konkurrierende Kategorisierungen gibt. Muslim*innen werden nicht ausschließlich als Anhänger*innen ihrer Religion wahrgenommen, sondern zudem als Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte inklusive entsprechender Konsequenzen wie vermeintlicher sprachlicher Defizite oder Integrationsschwierigkeiten/-erfolge, was insbesondere bei in Deutschland geborenen Muslim*innen immer wieder zu Gefühlen der Exklusion und Nicht-Zugehörigkeit führen kann.Footnote 17 Die abgerufenen Frames sind in dieser Hinsicht deutlich heterogener und komplexer als im Zusammenhang mit dem Islam. Im Rahmen dieser Kategorie wird eine Outgroup entlang eines anderen Merkmals, nämlich der zugeschriebenen Migrationserfahrung, konstruiert. Die Religionszugehörigkeit spielt bei diesen Nennungen keine oder maximal eine untergeordnete Rolle.

S onstige positive K onnotationen

Unter der Kategorie sonstige positive Konnotationen werden alle positiven Konnotationen gebündelt, die nicht bereits anderen Kategorien (beispielsweise Gastfreundschaft & Offenheit) zugeordnet wurden. Assoziationen wie höflich, nett, freundlich, hilfsbereit, respektvoll oder zuvorkommend („meistens freundlich und respektvoll“ [C-M], „zuvorkommend, freundlich, höflich“ [B]) tauchen deutlich häufiger im Zusammenhang mit Muslim*innen als mit dem Islam auf. Eine Ausnahme bildet „friedlich“/„Frieden“: Diese positive Konnotation wird häufiger auf die Frage nach Assoziationen zum Islam genannt („eigentlich eine friedliche Religion“ [A]).

Kap. 6 hat bereits gezeigt, dass die Befragten den Islam signifikant negativer bewerten als Muslim*innen. Die Erkenntnis, dass positive Attribute häufiger im Zusammenhang mit Muslim*innen als mit dem Islam genannt werden, untermauert die Befunde aus dem vorherigen Kapitel nun noch einmal. Ob die negative Bewertung der Aussagen eine direkte Folge des – verglichen mit Muslim*innen – weniger positiven Deutungsrahmens ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Interessant ist diese Beobachtung aber dennoch, da am Beispiel der Antworten dieser Kategorie erneut deutlich wird, dass es für Muslim*innen einen Frame gibt, der (positive) Konnotationen beinhaltet, die nicht oder nicht direkt im Zusammenhang mit Religion stehen und somit andere, nicht religionsbezogene Dimensionen und Kontexte berücksichtigt. Diese Kategorie beinhaltet größtenteils Charaktereigenschaften, die verdeutlichen, dass Muslim*innen als Menschen mit eben diesen vielfältigen Eigenschaften wahrgenommen werden. Einige der Nennungen lassen vermuten, dass das Wissen um diese Eigenschaften durch persönliche Kontakte zu Muslim*innen generiert wurde („z. T. sehr höflich (Service), z. T. sehr spaßig (Hobby)“ [B]).

In beiden Fällen – das heißt sowohl für den Islam als auch für Muslim*innen – können jedoch einzelne Antworten beobachtet werden, in denen Einschränkungen dieser positiven Konnotationen vorgenommen werden („meistens“, „eigentlich“, „z. T.“). Einige Befragte scheinen folglich im Zusammenhang mit positiven Konnotationen auf Pauschalisierungen zu verzichten und die positiven Attribute nur einem Teil der Gruppe zuzuschreiben bzw. über den Begriff „eigentlich“ eine potentielle Abweichung von diesem positiven Attribut zu implizieren.

C ounter-discourse

Counter-discourse meint „Reassessment of Islam (e.g., statements against discrimination based on religious affinity); appeals for dialogue with Islam; Islam as part of European culture; criticism of the discourse on Islam; demands for a more balanced view on Muslims; Muslims as victims of terror“ (Halm 2013: 462). Wann immer also ein kritisches Bild des Umgangs mit Islam und Muslim*innen gezeichnet oder (religionsbezogene) Gemeinsamkeiten thematisiert wurden, wurde dieser Code vergeben.

Erwähnt wird beispielsweise ein problematisches Gleichsetzen von Islam und Islamismus/Terrorismus („falsche Vorurteile (bspw. dass der Islam oft mit Islamismus verwechselt oder gleichgesetzt wird)“ [A], „Dass fälschlicherweise viele Menschen den Islam mit Islamismus und Terror verknüpfen“ [B]). Einerseits wird also ein Frame aktiviert, der Assoziationen aus den Bereichen Bedrohung, Konflikt und Gewalt enthält, andererseits wird diese Verbindung jedoch kritisch hinterfragt oder (zumindest für sich selbst) abgelehnt. Einige der Befragten sprechen außerdem die Heterogenität der Gruppe an („diffuser Sammelbegriff (in den Medien) für eine große, heterogene Personengruppe“ [C-M]).

Wieder andere Befragte verweisen auf Ähnlichkeiten zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen und äußern, dass diese sich mit Ausnahme der Religion bzw. religiöser Kleidung kaum voneinander unterscheiden ließen („außer Kopftuch/-bedeckung häufig nicht von Personen, die [einer] anderen Religion angehörig sind, zu unterscheiden“ [C-M], „abgesehen von der Religion unterscheiden sie sich ja nicht von anderen“ [C-M], „am Islam uninteressierte (evtl. gar dem Islam abtrünnige) Muslime stellen grundsätzlich keinen Unterschied zu Nicht-Muslimen dar“ [C-M]). Hier wird differenziert zwischen unterschiedlichen Merkmalen: Religion, Religiosität und religiöse Praktiken werden ausgeklammert, stattdessen wird implizit auf Gemeinsamkeiten auf anderen Ebenen verwiesen. Da nur die Antworten von Nicht-Muslim*innen analysiert wurden, sehen die Respondent*innen in der Religionszugehörigkeit eine Differenzlinie. Potentielle Gemeinsamkeiten in der Religion bzw. Religiosität werden in diesen Antworten ausgeblendet. Aus den Nennungen geht jedoch hervor, dass dies für die Befragten keineswegs eine unumstößliche Einteilung in Ingroup und Outgroup zur Folge hat und Muslim*innen nicht einzig und allein auf Basis ihrer Religionszugehörigkeit bewertet werden, sondern dass die Religionszugehörigkeit lediglich ein kleiner Teil der Persönlichkeit ist und es darüber hinaus viele Ähnlichkeiten gibt. Ein „solitaristisches Identitätsverständnis“ ist hier genauso wenig zu erkennen wie die Idee der „singulären Zugehörigkeit“ (Sen 2007: 44, 91). Vielmehr rekurrieren die Antworten auf jene Räume des „Sowohl-als-auch“ (Bhatti & Kimmich 2015: 17), die verstärkt Ähnlichkeiten anstelle von Differenzen in den Blick nehmen. Diese Antworten belegen, dass einige Befragte Muslim*innen als Menschen mit unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeiten und einer pluralen Identität wahrnehmen. Die Tatsache, dass Muslim*innen entlang eines Merkmals von ihnen selbst verschieden sind, bedeutet für die Befragten in der Folge nicht, dass Muslim*innen grundsätzlich und umfassend von ihnen verschieden sind. Stattdessen betonen sie die Ähnlichkeit, die sie außerhalb der Religionszugehörigkeit wahrnehmen.

Interessanterweise treten diese Äußerungen ausschließlich bei der Frage nach Muslim*innen auf, jedoch nur, wenn zuvor dieselbe Frage für den Islam beantwortet wurde, das heißt in Variante C-M. Möglicherweise wurde durch diese Konstellation die Differenzierung von Islam und Muslim*innen besonders hervorgehoben und für die Befragten besonders deutlich, dass die Zugehörigkeit zum Islam nicht äquivalent ist mit Muslim*innen, Muslim*innen also mehr sind als Anhänger*innen des Islams, auch wenn die Religionszugehörigkeit im Kontext dieser Studie sicherlich eine saliente, vielleicht sogar die dominanteste Kategorisierung ist. Eine Person – allerdings aus Version A – bringt dies auf den Punkt:

„[A]ndererseits sehe ich Religion generell eher skeptisch und daher besteht auch eine gewisse Sorge meinerseits, Muslime in erster Linie als Anhänger des Islam[s] zu sehen, obwohl dies ja nur einen Teil ihrer Persönlichkeit ausmacht“ [A]

Das Äußern von Interesse an Kontakt zu Muslim*innen bzw. an mehr Wissen über den Islam und Muslim*innen fällt ebenfalls in die Kategorie Counter-discourse („wenig Berührungspunkte Interesse an Besichtigung einer Moschee“ [A], „Interesse mit ihnen in Kontakt zu kommen“ [B]). Aussagen wie diese bewegen sich im Rahmen einer ‚Wir. vs. die‘-Vorstellung, in der es zwei klar definierte Gruppen gibt. Der Wunsch nach Kontakt und die Offenheit gegenüber der wahrgenommenen Outgroup werden jedoch als Dialoginteresse mit Islam und Muslim*innen und infolgedessen als eine Ausdrucksform eines gegenläufigen Diskurses gewertet.

Auch das Aufzeigen gemeinsamer Wurzeln („theologische Verbundenheit zum Christentum“ [C-I]) ist Teil der Kategorie Counter-discourse. Auch hier werden wieder Gemeinsamkeiten statt Unterschiede in den Vordergrund gerückt. In drei Fällen wurde außerdem auf den Nationalsozialistischen Untergrund verwiesen sowie in einem Fall auf den am Ende der Erhebungsphase stattfindenden Anschlag auf eine Moschee in Christchurch, Neuseeland [alle B/C-M]. Auch diese Assoziationen wurden im Sinne der Definition („Muslims as victims of terror“, Halm 2013: 462) in die Kategorie Counter-discourse aufgenommen.

Für Narrative im Zusammenhang mit Vorurteilen, Diskriminierung, Benachteiligung und Rassismus gibt es eine gesonderte Kategorie. Nur in den seltenen Fällen, in denen die Nennungen sich explizit auf der Ebene der Einordnung bewegen, etwa durch den Zusatz falsche Vorurteile oder Ähnliches, wurden diese Antworten ebenfalls mit dem Code Counter-discourse belegt. Prinzipiell kann jedoch die Kategorie Vorurteile, Diskriminierung & Rassismus als Teil des gegenläufigen Diskurses gewertet werden, da hier die Perspektive von Muslim*innen eingenommen wird. Auch die Kategorie Vielfalt & Differenzierung weist große Überschneidungen mit der Kategorie Counter-discourse auf. Allerdings berücksichtigt erstere jede Erwähnung von Vielfalt und jeden Ansatz von Differenzierung, beispielsweise auch die Erwähnung unterschiedlicher Auslegungspraxen oder Strömungen innerhalb des Islams. In die Kategorie Counter-discourse hingegen fallen nur diejenigen Äußerungen, die explizit “demands for a more balanced view on Muslims“ (Halm 2013: 462) enthalten.

P ersönliche E rfahrungen & K ontakt

Dieser Code wurde immer dann für Antworten vergeben, wenn die Befragten einen Bezug zu persönlichen Erfahrungen hergestellt haben, zum Beispiel in der Universität [B], in der Schule [B], in der KiTa [B], in der Nachbar*innenschaft [B/C-M], auf der Arbeit [B/C-I] oder beim Sport [B/C-M], aber auch bei eigenen Reisen und Aufenthalten in muslimisch geprägte(n) Länder(n) („Im Urlaub waren sie nicht so nett, nur sehr freundlich wenn man auch was gekauft hat“ [C-M], „Eigene Reisen in muslimische Länder“ [B], „Da ich in den letzten Monaten in einem muslimischen Land gelebt habe: Muezzin-Rufe“ [C-I]) oder wenn konkrete Kontaktsituationen beschrieben wurden („gemeinsames Essen mit Omran“ [B], „Lerngruppe“ [B]).

Kontakt spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Reduzierung von Vorurteilen (vgl. Abschn. 2.3.1). Allports Ausführungen beziehen sich immer auf Kontakte zwischen Personen(gruppen), das heißt Kontakte zwischen Menschen. Kontakte zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen sind daher auch leicht vorzustellen, mit Kontakten zum Islam als Religion hingegen ist es schon schwieriger. Wie könnte Kontakt zum Islam aussehen? Kann ein Moscheebesuch als Kontakt mit dem Islam gewertet werden? Und gibt es hier ebenfalls eine vorurteilsreduzierende Wirkung? Gemessen über den Moscheebesuch konnte gezeigt werden, dass Nicht-Muslim*innen, die in der Vergangenheit mindestens einmal eine Moschee besucht haben, geringere Vorurteile gegenüber Muslim*innen äußern als diejenigen, die nie eine Moschee besucht haben. Auf die Einstellung zum Islam hat diese Erfahrung keinen signifikanten Einfluss (vgl. Diekmann 2017: 27).

Die Kategorie Persönliche Erfahrungen & Kontakt taucht mehr als doppelt so häufig im Zusammenhang mit Muslim*innen auf als mit dem Islam. Das spricht dafür, dass mit Muslim*innen stärker als mit dem Islam Kontaktsituationen und persönliche Erfahrungen assoziiert werden. Die zuvor zitierten Beispiele der unterschiedlichen Kontexte und Bereiche, in denen Kontakte stattgefunden haben (Universität, Schule, KiTa, Nachbar*innenschaft, Arbeit, Sport etc.), sind ein weiterer Beleg dafür, dass Assoziationen mit Muslim*innen sehr viel weniger als Assoziationen mit dem Islam aus dem Bereich der Religion stammen. Auch sind sie viel weniger abstrakt, im Gegenteil, sie verweisen auf unterschiedliche Gelegenheitsstrukturen im Zusammenhang mit Kontakten zu Muslim*innen. Diese Kategorie weist zahlreiche Nennungen mit konkreten Interaktionen zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen auf, die einmal mehr ein Indikator für die vielfältigen nicht-religionsbezogenen Frames sind, die beim Begriff Muslim*innen aktiviert wurden. Die meisten dieser Erfahrungen und Kontakte beziehen sich auf den Alltag in Deutschland, was nahelegt, dass Muslim*innen mehr als der Islam ein Teil der persönlichen Lebensrealität der Befragten darstellen.

Aus den Antworten geht oftmals nicht hervor, inwiefern diese Kontakte laut Allport (1954) förderlich oder hinderlich für die Reduzierung von Vorurteilen sind, etwa ob diese freiwillig oder erzwungen, kooperierend oder kompetitiv sind oder inwiefern Statusgleichheit zwischen den Interagierenden gegeben ist. Kontakte auf der Arbeit können oftmals nicht freiwillig gewählt werden, Kontakte in der Universität eventuell schon eher, ebenso wie Statusgleichheit, die möglicherweise unter Studierenden eher gegeben ist als in Arbeitszusammenhängen außerhalb des Kollegiums, etwa im Kontakt zu Klient*innen. Differenzierte und detaillierte Aussagen sind an dieser Stelle jedoch nicht möglich. Einige der von Allport identifizierten Merkmale von Kontaktsituationen lassen sich anhand der Antworten immerhin bis zu einem gewissen Grad eingrenzen. Es ist beispielsweise wahrscheinlich, dass Kontakte in der Schule oder in der KiTa regelmäßig stattfinden und dass im Falle der Lerngruppe oder des gemeinsamen Essens eine überschaubare Anzahl an Personen diesen Interaktionen beiwohnte und es sich hier eher nicht um ein kompetitives Setting handelt. Dass die hier berichteten, überwiegend positiven Kontakterfahrungen in stärkerem Maße mit Muslim*innen assoziiert wurden, mag eine weitere Erklärung für die allgemein positivere Einschätzung von Muslim*innen verglichen mit dem Islam sein. Zudem begünstigen die unterschiedlichen Settings die Wahrnehmung unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeiten und ermöglichen damit konkurrierende Kategorisierungen zur Religionszugehörigkeit.

G astfreundschaft & O ffenheit

Aufgrund der häufigen Nennungen von Begriffen wie „Gastfreundschaft“/„Gastfreundlichkeit“/„gastfreundlich“ [A/B/C-I/C-M] oder „Offenheit“/„offen“ [B/C-I/C-M], wurde hierfür ein eigener Code verwendet. Die genannten Schlagwörter dominieren diese Kategorie, ohne näher zu bestimmen, was unter Gastfreundschaft verstanden wird, wie diese sich äußert oder wem gegenüber der Islam/Muslim*innen nach Meinung der Teilnehmer*innen offen ist/sind. In wenigen Fällen werden die Befragten jedoch deutlicher. Teilweise bezieht sich die Offenheit dann auf eine „Offenheit gegenüber anderen Religionen“ [C-M], teilweise wird ein Unterschied zwischen den Generationen konstatiert („Die Kinder sind offen für andere Religionen, Regeln, Traditionen, Lebensweisen. Bei den Eltern hängt das oft von deren Herkunft und oder dem privaten Umfeld ab“ [B]).

Aus dieser Kategorie lassen sich nur wenige Schlüsse ziehen, da die meisten Nennungen Ein-Wort-Antworten sind und kein Kontext ersichtlich ist. Mit wenigen Ausnahmen lässt sich weder beurteilen, inwiefern diese Nennungen im Zusammenhang mit Religion stehen, noch ob dieses Wissen im Rahmen eigener Kontakte generiert wurde oder eher einem abstrakteren, auf Stereotypen basierendem Wissen zuzuordnen ist. Insgesamt ist jedoch im Sinne einer valenzanalytischen Betrachtung davon auszugehen, dass diese Kategorie eher positiv besetzt ist und Gastfreundschaft und Offenheit als positive Eigenschaften angesehen werden.

Diese Kategorie wird zu drei Vierteln gespeist aus Nennungen im Zusammenhang mit Muslim*innen. Der Islam wird nur selten mit den Attributen Gastfreundschaft und Offenheit bedacht. Das ist wenig verwunderlich, da Gastfreundschaft zwischen Menschen stattfindet und eine Religion im engeren Sinne nicht gastfreundlich sein kann. Erneut wird eine eher positiv besetzte Kategorie primär mit Muslim*innen und nicht mit dem Islam in Verbindung gebracht.

A ussehen & B ekleidung

Wann immer die Befragten sich auf Äußerlichkeiten wie beispielsweise Kleidung oder Haarfarbe beziehen, wurde der Code Aussehen & Bekleidung vergeben. In der Literatur spielt diese Kategorie im Zusammenhang mit Assoziationen zu Islam und Muslim*innen mit der Ausnahme des identifizierten Themas „physical features and outfits“ (Park et al. 2007: 38) bisher keine allzu große Rolle. Aufgrund der Häufigkeit der Nennungen aus diesem Themenspektrum wurde für die vorliegende Studie jedoch ein entsprechender Code generiert. Zu dieser Kategorie zählen Begriffe wie „Bart“/„Bärte“ [B/C-I/C-M] oder konkrete Kleidungsstücke, zum Beispiel „Burkini“ [C-I/C-M] und vereinzelt auch das Aussehen betreffende, zum Teil bewertende Aussagen wie etwa „Frauen sind geschminkt, Männer sind hübsch“ [B]. Zur Erinnerung: Nennungen aus dem Bereich Kopftuch/Verschleierung werden aufgrund ihrer besonderen Symbolik separat betrachtet und sind in dieser Kategorie nicht enthalten.

Auffällig ist die immer wieder auftauchende Beschreibung von Islam bzw. Muslim*innen als dunkel/schwarz („dunkle Haare“ [B], „dunkel gekleidet“ [A], „in schwarzen langen Gewändern“ [C-M], „schwarze Haare“ [A/B], „dunkler(er) Teint“ [B/C-M]). Diese Assoziationen beziehen sich sowohl auf körperliche Merkmale (zum Beispiel Haare) als auch auf die Kleidung. Ähnlich wie die Kategorie Kopftuch enthält auch die Kategorie Aussehen & Bekleidung überwiegend Antworten, die im Zusammenhang mit Muslim*innen genannt wurden. Auf die Frage nach Muslim*innen werden somit stärker als auf die Frage nach dem Islam optische Merkmale von Menschen imaginiert. Anders als in einigen zuvor dargestellten Kategorien ist diese Kategorie jedoch charakterisiert durch eher oberflächliche Merkmale, die noch dazu gängigen Stereotypen entsprechen. Ein*e Befragte*r erklärt die Fokussierung auf optische Merkmale mit einem Mangel an Kontakt zu Muslim*innen:

„Ich kenne leider überhaupt keine Muslime persönlich, wie mir eben aufgefallen ist […], daher kann ich mich hier lediglich auf Äußerlichkeiten beschränken – Muslime, die eben kein Kopftuch oder sonst wie religiös erkennbares Zeichen tragen, würde ich ja gar nicht als solche erkennen.“ [C-M]

Der*die Befragte betont zusätzlich, dass religiöse Kleidungsstücke oder andere Insignien Muslim*innen erst als solche zu erkennen geben. Bei Personen, die nicht dem gängigen Stereotyp entsprechen, ist die Akzessibilität zur Kategorie Muslim*in folglich erschwert.

N amen & P ersonen

In einigen Fällen nannten die Befragten konkrete Namen oder Personen. Das sind zum einen Personen aus dem persönlichen Umfeld der Teilnehmer*innen, wie beispielsweise Freund*innen („meine Freundin Ayca“ [A]) oder Familienmitglieder („mein Vater“ [A]), aber auch Personen aus dem öffentlichen Raum, ausgedrückt über die berufliche Tätigkeit („Frisör“ [B]). Die Berufsbezeichnung kann als konkurrierende Gruppenzugehörigkeit interpretiert werden. Der Frisör wird zwar als Muslim wahrgenommen, der Kontakt findet jedoch in einem nicht-religiösen Kontext statt. Nicht immer geht aus den Antworten der Bezug der Respondent*innen zu einzelnen Namen oder Personen deutlich hervor („Fatima und ihre Mutter“ [B], „Nawid“ [B], „Batool“ [B]). Darüber hinaus nennen einige Befragte berühmte Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen wie Sport (Mohamed Salah [A], Mike Tyson [C-M]) oder Politik („Erdogan“ [B/C-I/C-M]), aber auch weitere, in der Öffentlichkeit stehende Personen, wie Wissenschaftler*innen, Publizist*innen, Autor*innen oder Aktivist*innen (Abdoldjavad Falaturi [A], Hamed Abdel Samad [C-M], Khaled Hosseini [C-M], Lamya Kaddor [C-M], Malala Yousafzai [C-M], Navid Kermani [C-M], Sama Maani [C-I], Seyran Ateş [C-M]). Dies deckt sich mit den Beobachtungen von Gottschalk & Greenberg (2008), die von ihren Befragten ebenfalls Antworten wie „Muhammad Ali“ erhielten. Eine Person assoziiert mit Muslim*innen außerdem „alBagdhadi“ [B] und bezieht sich damit möglicherweise auf Abu Bakr al-Baghdadi, den einige Monate nach der Befragung getöteten Anführer der Terrororganisation Islamischer Staat.

Das Feld der assoziierten Personen ist in vielerlei Hinsicht heterogen, denn die genannten Personen unterscheiden sich in ihrer Beziehung zu den Befragten, ihrem Bekanntheitsgrad, ihren Aktivitäten sowie ihren Standpunkten. Aus den vielfältigen Antworten der Befragten lässt sich jedoch ablesen, dass mit Muslim*innen etwa doppelt so häufig einzelne Namen und Personen verbunden werden wie mit dem Islam. Mit dem Begriff Muslim*in werden konkrete Personen assoziiert. Inwiefern ein persönlicher Kontakt zu diesen Personen besteht, ist zunächst zweitrangig. Interessant ist vielmehr, dass den Befragten im Zusammenhang mit Muslim*innen konkrete Menschen in den Sinn kommen, einige also ganz bestimmte Individuen vor Augen haben, wenn sie an Muslim*innen denken. Ein Frame, der konkrete Personen enthält, unterscheidet sich stark von einem Frame, der – wie im Fall des Islams – dominiert wird von abstrakten Begriffen rund um islamische Glaubenslehren und bedrohliche bzw. konflikthafte Ereignisse. Die exemplarische Auflistung verschiedener prominenter Persönlichkeiten zeigt außerdem, dass diese Liste sowohl Menschen enthält, die internationale Bekanntheit genießen, als auch Personen, die primär in Deutschland wirken. Zum Teil handelt es sich dabei um Personen aus Bereichen, in denen Religion bzw. die Religionszugehörigkeit maximal eine marginale Rolle spielt. Wiederholt wird dadurch implizit die facettenreiche Identität von Muslim*innen deutlich.

7.2.3 Primäre Kategorien: Islam und Muslim*innen

Nun geht es um die vier verbleibenden primären Kategorien. Diese sind in etwa gleich dominant im Zusammenhang mit dem Islam wie im Zusammenhang mit Muslim*innen. Es handelt sich dabei um die folgenden Kategorien:

  • Geschlecht

  • Vielfalt & Differenzierung

  • Gemeinschaft & Familie

  • Vorurteile, Diskriminierung & Rassismus

G eschlecht

Die Kategorie Geschlecht umfasst primär die Thematisierung von Geschlechterverhältnissen.Footnote 18 Darunter fallen etwa Antworten wie „Stellung der Frau“/„Stand der Frau“ [A/B/C-I/C-M], „mangelnde Gleichberechtigung der Frau“/„keine Gleichberechtigung von Mann und Frau“ [B/A], „Frauenrechte“ [A/B/C-I/C-M], oftmals versehen mit dem Zusatz „fehlende“ [C-I] oder „eingeschränkte“ [A/B], „Unterdrückung der Frau“/„Unterdrückung von Frauen“/„Frauen unterdrückt“ [A/B/C-I/C-M], „Patriarchat“/„patriarchal“ [A/B/C-I] oder „frauenfeindlich“/„Frauenfeindlichkeit“ [A/B/C-I/C-M]. In deutlich geringerem Umfang finden sich unter dieser Kategorie außerdem explizit genannte Geschlechterunterschiede, zum Beispiel Aussagen wie „Männer meist gesellig, Frauen sehr traditionell“ [B] und andere Konnotationen mit Geschlecht, die sich gegen das Bild der unterdrückten Frau richten („muslimischer Feminismus“ [B], „starke Frauen“ [B]). Insgesamt dominiert in dieser Kategorie das Vorurteil, der Islam bzw. Muslim*innen seien frauenfeindlich. Dies drückt sich in den zuvor genannten Begriffen aus, welche besonders häufig genannt werden. Zum Vergleich: Die Assoziationen Unterdrückung von Frauen (Islam: 11/Muslim*innen: 4), Patriarchat/patriarchal (8/2), Frauenrechte (4/3), (Gleich-)Stellung/Stand der Frau (3/5) und Frauenfeindlichkeit/frauenfeindlich/frauenverachtend (6/5) finden sich über fünfzig Mal (32/19) in den Antworten der Befragten – deutlich häufiger jedoch im Zusammenhang mit dem Islam verglichen mit Muslim*innen. Hinzu kommen zahlreiche Formulierungen wie „Männer haben mehr zu sagen“ [B] oder „dominante Männerrolle“ [A]. Demgegenüber stehen lediglich drei Nennungen, allesamt in Verbindung mit der Frage nach Muslim*innen, die Frauen als stark, partizipierend oder feministisch zeichnen („muslimischer Feminismus“ [B], „starke Frauen […] Feminismus“ [B] und „Frauenbewegung im Iran“ [C-M]).

Auffällig ist zudem, wie das Vorurteil geäußert wird. Einige der Befragten sprechen von „tendenziell“ oder „eher“ („Die Rolle von Frauen im Islam sehe ich kritisch, da die Säkularisierung weniger fortgeschritten ist als im modernen Christentum und Frauen tendenziell weniger Freiräume lässt, die m. E. zu erkämpfen wären“ [A], „Frauen sind eher untergeordnet“ [C-I]), andere pauschalisieren und reproduzieren gängige Vorurteile („Frauen als minderwertig“ [C-M], „gestörtes Verhältnis zu Frauen“ [B], „Frauen dürfen kein Auto fahren, Frauen dürfen von ihren Männern geschlagen werden“ [C-M]) und wieder andere thematisieren zwar eine wahrgenommene fehlende Gleichstellung von Männern und Frauen, bewerten diese jedoch nicht als singulär islambezogenes, sondern insgesamt religionsspezifisches Phänomen („Nicht so toll, was Emanzipation angeht, aber welche Religion ist das schon“ [C-I]). Quantitativ betrachtet beziehen sich etwa gleich viele Respondent*innen im Zusammenhang mit dem Islam auf Geschlecht wie im Zusammenhang mit Muslim*innen.

V ielfalt & D ifferenzierung

Der Code Vielfalt & Differenzierung wurde immer dann vergeben, wenn die Befragten implizit oder explizit Differenzierungen vorgenommen oder auf die Vielfältigkeit der religiösen Strömungen oder der Anhänger*innen verwiesen haben. Im Zusammenhang mit dem Islam geschah dies oftmals, indem auf unterschiedliche Formen der Auslegung („strenge und weniger strenge Auslegung“ [A], „unterschiedliche Auslegung je nach Land/Region (strengere Auslegung bspw. in arabischen Ländern)“ [A]) oder unterschiedliche Strömungen und Gruppierungen („verschiedene Strömungen innerhalb des Islams“ [C-I], „verschiedene Gruppen wie Kurden und Sunniten“ [A], „vielfältige Untergruppen“ [A]) eingegangen wurde. Diese Äußerungen zeugen von einer differenzierten Betrachtung des Islams und stehen im Gegensatz zur Wahrnehmung des Islams als monolithischer Block, dem ersten Merkmal zu Erkennung von Islamophobia bzw. „closed views of Islam” im Runnymede Trust Report von 1997: „Whether Islam is seen as monolithic and static, or as diverse and dynamic“ (Conway 1997: 4; vgl. Abschn. 3.2). Differenzierende Äußerungen zum Islam widersprechen der Vorstellung von dem einen Islam (vgl. Abschn. 1.1).

Auf die Frage nach Assoziationen mit Muslim*innen nannten einige Respondent*innen die Heterogenität innerhalb der Gruppe der Muslim*innen und die Gefahr der Verallgemeinerung („heterogene Gruppe (nicht alle Muslime/Musliminnen sind gleich)“ [B], „Muslim-innen sind sehr unterschiedlich und sollten nicht in eine Schublade gepackt werden“ [B], „diffuser Sammelbegriff (in den Medien) für eine große, heterogene Personengruppe“ [C-M]). Derartige Aussagen zeugen von einer geringen Outgroup-Homogenität und der Wahrnehmung anderer Heterogenitätsmarker innerhalb der Outgroup, die eben jene Wahrnehmung der Outgroup als ‚homogene Masse‘ erschwert oder verhindert. Die Beschreibung „diffuser Sammelbegriff“ kann ein Indikator dafür sein, dass für den*die Befragte*n die Kategorisierung als Muslim*innen keine besonders gute Passung im Sinne der Selbstkategorisierungstheorie (vgl. Abschn. 2.2.2) aufweist.

Besonders spannend in Hinblick auf das Forschungsinteresse dieser Arbeit ist die explizite Differenzierung zwischen Islam als Religion und Muslim*innen als Menschen („Ich akzeptiere zwar jeden Menschen, wie er ist, aber die Religion der Muslime ist in meinen Augen zurückgeblieben.“ [B], „andererseits sehe ich Religion generell eher skeptisch und daher besteht auch eine gewisse Sorge meinerseits, Muslime in erster Linie als Anhänger des Islam[s] zu sehen, obwohl dies ja nur einen Teil ihrer Persönlichkeit ausmacht“ [A]). Interessanterweise finden sich diese beiden Aussagen in den Varianten A und B, in denen es anders als in Variante C keine explizite Gegenüberstellung von Islam und Muslim*innen gibt.

Vielfalt & Differenzierung ist nach Geschlecht mit 66 Einträgen die quantitativ betrachtet zweitstärkste Kategorie, die zu annähernd gleichen Anteilen Nennungen zum Islam wie Nennungen zu Muslim*innen enthält. Die exemplarische Darstellung der Antworten zeigt jedoch, dass die Assoziationen zum Islam qualitativ in eine andere Richtung gehen als die Assoziationen zu Muslim*innen. Während sich differenzierende Aussagen im Zusammenhang mit dem Islam häufig auf unterschiedliche Auslegungspraxen und verschiedene religiöse Untergruppierungen beziehen, betonen die Nennungen zu Muslim*innen vor allem die Heterogenität innerhalb der Gruppe der Muslim*innen, stellen dabei jedoch keine explizit religiösen Bezüge her. Worauf sich die Heterogenität der Outgroup bezieht, bleibt bei Assoziationen zu Muslim*innen oftmals offen. Antworten wie „keine einheitliche Gruppe, viele unterschiedliche Menschen mit ebenso unterschiedlichen Erfahrungen und Verhaltensweisen“ [C-M] deuten jedoch darauf hin, dass Religion und Religiosität hier maximal eine untergeordnete Rolle spielen und stattdessen individuell unterschiedliche Erfahrungen und Eigenschaften in den Mittelpunkt gerückt werden, Muslim*innen also eher als Individuen denn als homogene Gruppe wahrgenommen werden.

G emeinschaft & F amilie

Die Kategorie Gemeinschaft & Familie ist für Muslim*innen ähnlich stark vertreten wie für den Islam. Hinter dieser Kategorie verbergen sich Zuschreibungen wie „Familie“ [A/B/C-I/C-M], „Gemeinschaft“ [A/B/C-I/C-M] oder „Familienzusammenhalt“ [A/B] sowie verschiedene Umschreibungen für die Relevanz von Familie bei Muslim*innen („sehr enge Familienbindung“ [A], „familiennah“ [A], „Familie ist sehr wichtig“ [C-M], „Familie hat einen sehr hohen Stellenwert“ [C-M], „Familie wird hoch angesehen“ [C-M], „besonders die Familie ist ihnen wichtig“ [C-M]). Auch eher seltene Aussagen wie „fühlen sich einander verbunden (starke Solidarität)“ [C-M] wurden dieser Kategorie zugeordnet.

Der Tenor der Antworten innerhalb dieser Kategorie ist in der Tendenz eher positiv. Eher negativ konnotierte Antworten im Themenbereich Familie sowie der Verweis auf die Größe der Familie bzw. die Anzahl der Kinder sind nicht in dieser Kategorie enthalten, sondern finden sich in der Kategorie Großfamilie & (Familien-)Ehre. Letztere ist jedoch weniger stark verbreitet und fällt deshalb in den Bereich der Sekundären Kategorien. Insgesamt scheint sowohl ein Gemeinschaftsgefühl als auch ein hoher Stellenwert der Familie mit dem Islam wie auch mit Muslim*innen assoziiert zu werden. Inwiefern es sich hierbei um Stereotype bzw. (positive) Vorurteile oder um konkrete Erfahrungen in Kontaktsituationen mit muslimischen Menschen/Familien handelt, geht aus den Antworten nicht hervor.

V orurteile, D iskriminierung & R assismus

In diese Kategorie fallen alle Nennungen, die die Schlagwörter „Vorurteile“ [A/B/C-I/C-M], „diskriminiert“/„Diskriminierung“ [A/B/C-I/C-M], Islamfeindlichkeit“ [B/C-I], „islamophob“/„Islamophobie“ [B/C-I] oder (antimuslimischer) „Rassismus“ [A/B/C-I/C-M] enthalten. Die Vielfalt der Termini im Zusammenhang mit der Abwertung und (strukturellen) Diskriminierung von Muslim*innen bzw. Vorurteilen gegenüber dem Islam, wie sie in Abschn. 3.2 skizziert wurde, spiegelt sich offensichtlich auch in den Antworten der Befragten wider und ist nicht beschränkt auf den wissenschaftlichen Diskurs. Einige wenige Befragte führen die Schlagwörter weiter aus bzw. kontextualisieren sie („ist in der europäischen Welt mit Vorurteilen behaftet“ [A], „eine weit verbreitete Religion, die wegen einigen Extremisten oft mit Vorurteilen belastet ist“ [C-I], „Gläubige fallen oft zum Opfer von extremen Anfeindungen (Islamophobie)“ [C-I], „Abbau von Vorurteilen gegenüber MuslimInnen und Muslimen“ [C-M], „sind häufig mit Rassismus/Diskriminierung konfrontiert“ [C-M]).

Insgesamt taucht der Verweis auf Vorurteile, Diskriminierung und/oder Rassismus bei Assoziationen zu Muslim*innen in etwa gleich häufig auf wie bei Assoziationen mit dem Islam. Da Menschen, anders als Religionen, von Rassismus betroffen sein können, wäre hier eigentlich eine Dominanz im Zusammenhang mit Muslim*innen zu erwarten gewesen, wie es etwa für die eng hiermit zusammenhängende Kategorie Counter-Discourse der Fall ist. In Abschn. 3.4.1 wurde bereits ausgeführt, dass Diskriminierung und Vorurteile für Muslim*innen soziale und gesundheitliche (psychische und physische) Folgen haben können (vgl. u. a. Pascoe & Smart Richman 2009; Quent et al. 2016; Schmitt et al. 2014). Da insbesondere Diskriminierung und Rassismus, aber auch feindliche Einstellungen häufig im Zusammenhang mit den betroffenen Personen(gruppen) diskutiert werden (vgl. beispielsweise Studien zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit), ist es eher überraschend, dass der Verweis auf Vorurteile, Diskriminierung und Rassismus in etwa gleich häufig im Zusammenhang mit Muslim*innen wie mit dem Islam zu finden ist. Gleichzeitig können sich Vorurteile natürlich sehr wohl gegen eine Religion richten, wie das Beispiel der Rückständigkeit zeigt. Darüber hinaus hat Abschn. 3.2 deutlich gemacht, dass Islamophobie und Islamfeindlichkeit weit verbreitete Termini in diesem Zusammenhang sind. Durch die sprachliche Nähe wurden diese Begriffe möglicherweise auch verstärkt bei der Frage nach dem Islam evoziert.

7.2.4 Sekundäre Kategorien: ein Überblick

Neben den zuvor diskutierten, primären Kategorien ließen sich einige weitere Kategorien aus dem Material ableiten bzw. im Material wiederfinden. Da die einzelnen Kategorien jedoch weniger als 40 Nennungen für Islam und Muslim*innen zusammen verzeichnen, werden sie im Folgenden zwar kurz erläutert, jedoch nicht tiefergehend analysiert. Trotz der geringen Anzahl an Nennungen fällt bei einigen Kategorien ein starkes Ungleichgewicht in Bezug auf die Verteilung zwischen Islam und Muslim*innen auf. Die Kategorie Rückständigkeit ist ähnlich wie die Kategorie Geschichte & Wissenschaft präsenter im Zusammenhang mit dem Islam, wohingegen Muslim*innen stärker mit den Themen Bildung & Wohlstand sowie Großfamilie & (Familien-)Ehre in Verbindung gebracht werden.

sonstige negative K onnotationen

Negative Konnotationen überwiegen leicht im Zusammenhang mit dem Islam (19) verglichen mit Muslim*innen (15). In diese Kategorie fallen allgemein negative Äußerungen, die sich keinen anderen Kategorien zuordnen lassen. Darunter fallen Begriffe wie „intolerant“/„Intoleranz“ [A/C-I], „aggressiv“/„Aggressivität“ [A/B/C-M]. In Einzelfällen werden außerdem die Schlagwörter „suspekt“ [A], „undurchsichtig“ [C-I], „überflüssig“ [C-I] oder „verblendet“ [C-M] genannt. Ein weiterer größerer Bereich in dieser Kategorie bezieht sich auf Antisemitismus- und Homophobievorwürfe („politisch oder kulturell bedingter Antisemitismus und Antijudaismus“ [A], „viele Muslime leider antisemitisch“ [A], „Wenn der Islam mit Antisemitismus und Antizionismus einhergeht, geht von ihm ein großes Risiko nicht nur für den Staat Israel aus“ [A], „weitverbreitete Homophobie“ [A], „häufig homophob“ [C-M], „schwulen-/lesbenfeindlich“ [A]). Ähnlich wie im Fall der positiven Konnotationen wird an einigen Stellen implizit darauf hingewiesen, dass die vorgenommenen Zuschreibungen nicht auf die gesamte Gruppe bzw. Religion zu beziehen sind, allerdings suggerieren die hier verwendeten Begriffe („viele“, „häufig“, „weitverbreitete“), dass die Zuschreibungen doch auf weite Teile der Gruppe bzw. der Religion abzielen.

G roßfamilie & ( F amilien-) E hre

Neben wertneutral anmutenden Nennungen umfasst diese Kategorie, anders als die Kategorie Gemeinschaft & Familie, auch eher negative Assoziationen im Zusammenhang mit Familie. Einige Befragte assoziieren mit dem Islam oder Muslim*innen „Großfamilien“/„große Familien“/„sehr große Familien“ [A/B/C-M], oftmals ausgedrückt über „viele Kinder“ [B/C-I/C-M]. Im Kontext Familie taucht zudem des Öfteren der Begriff Ehre auf („hoher Stellenwert von Familie und Ehre“ [C-M], „Familienehre und Großfamilien“ [A], „Familie hat hohen Wert, ‚Ehre‘ hat großen Wert“ [A]). Auch das Schlagwort Clan fällt in diese Kategorie („Clan“/„Clans“ [A/C-M], „Familienclan“/„Familienclans“ [B/C-M], „Clankriminalität“ [C-M/A]). Die Kategorie ist für Muslim*innen etwas stärker ausgeprägt als für den Islam.

P olitik

Der Code Politik wurde immer dann vergeben, wenn die Befragten explizit „Politik“ [A/B/C-I] oder „politischer Islam“ [A/C-I] als Schlagwort genannt haben. Auch implizite Antworten, in denen Bezug zur politischen Dimension genommen wurde, zum Beispiel auf Rechte und Gesetze verwiesen wurde, wurden dieser Kategorie zugeordnet („nicht vereinbar mit unserer Verfassung“ [A], „Verletzung der Menschenrechte“ [A], „anhaltender Konflikt mit Grund- & Menschenrechten“ [B], „verschwendete Energie der Politik in Bezug auf Gleichstellungsfragen“ [C-M]). Für eine*n Befragte*n stellt in Staaten wie Iran und Saudi-Arabien „die Religion in ihrer Verquickung mit staatlichen Befugnissen eine politische Bedrohung dar“ [A]. Insgesamt findet sich dieses Themenfeld häufiger im Zusammenhang mit dem Islam als mit Muslim*innen.

M edien, D ebatten & D iskussionen

Einige der Befragten merken an, dass sie eine negative Medienberichterstattung in Bezug auf Islam und Muslim*innen wahrnehmen („in den Medien tritt er nur sehr negativ auf“ [A], „schlecht dargestellt, instrumentalisiert von Medien und [dem] Westen“ [A], „negativen Touch aus den Medien“ [A]). Ein*e Befragte*r führt die Problematik der Berichterstattung weiter aus: „Darstellung in den Medien -> Islam wird mit Islamismus gleichgesetzt -> Islam = gefährlich“ [A]. Ein weiterer, häufig genannter Punkt innerhalb dieser Kategorie ist die „Kopftuchdebatte“ [A/B/C-I/C-M], teilweise mit einer Wertung versehen („Diskussionen über Kopftücher nerven“ [B]). Ein*e andere*r Befragte*r konstatiert insgesamt einen „ablehnende[n] Diskurs in Deutschland“ [C-I]. Insgesamt gibt es nur wenige Nennungen innerhalb dieser Kategorie, diese verteilen sich jedoch recht gleichmäßig auf Islam und Muslim*innen.

R ückständigkeit

Das Vorurteil, der Islam sei rückwärtsgewandt und passe sich nicht an gegenwärtige Realitäten an, findet sich in der Kategorie Rückständigkeit wieder. Das Narrativ der Rückständigkeit ist im Zusammenhang mit dem Islam weit verbreitet und dementsprechend präsent auch in der standardisierten Erfassung von Vorurteilen gegenüber dem Islam in Form verschiedener Items (vgl. u. a. Decker et al. 2012; Diekmann 2017, 2020b; Frindte & Dietrich 2017; Imhoff & Recker 2012). Es wird von den Befragten primär ausgedrückt über Begriffe wie „rückständig“ [A/B] / „rückständige Vorstellungen“ [A], „altmodisch“ [A/B] / „veraltet“ [C-I] / „veraltete Werte“ [C-I] / „veraltete und unflexible Lebensform“ [A] und „konservativ“ [A/C-I/C-M] / „konservative Familien in der Diaspora“ [C-M]. Obwohl insgesamt keine relevante Kategorie, zeigt sich hier doch ein großer Unterschied in der Verteilung der Antworten: Ein Großteil der Nennungen tritt im Zusammenhang mit dem Islam auf; mit Muslim*innen wird Rückständigkeit dagegen kaum assoziiert.

F remdheit

Dieser Code wurde vergeben, wenn die Respondent*innen den Islam oder Muslim*innen als fremd, anders oder unbekannt bezeichnen, beispielsweise in Aussagen wie „anders, fremde Mentalität“ [A], „Beobachten von etwas Fremden“ [C-M], „Angst vor dem Fremden“ [C-I] oder „andere Kultur, anderer Glaube, andere Kleidung“ [C-I]. Für den Islam und für Muslim*innen gibt es jeweils zehn Nennungen, die in diese Kategorie fallen.

G eschichte & W issenschaft

Die Assoziationen einiger Respondent*innen zum Islam und zu Muslim*innen beziehen sich auf die historische Entwicklung des Islams („kulturelle Blütephase Mittelalter“ [A], „war mal in Südeuropa die herrschende Religion“ [C-I]), historische Ereignisse („Kreuzzüge“ [A], „Fall Konstantinopels 1453“ [B]) oder wissenschaftliche Errungenschaften („Unsere Wissenschaft und unsere Kultur sind vom Islam geprägt (Mathematik, Medizin, Astronomie, arabische Schrift etc.)“ [A], „war mal führend in der Wissenschaft“ [C-I], „alte Kultur mit Wissensbeständen, auf denen unser Wissen aufbaut“ [B]). In einigen Fällen werden dabei Vergleiche zwischen früher und heute oder zwischen Islam und Christentum gezogen („erst fortschrittlich jetzt rückständig“ [A], „war einst fortschrittlicher als die christliche Religion in Bezug auf wissenschaftlichen Fortschritt“ [A], „früher reichhaltig, heute rückschrittlich“ [C-I]). Ein*e Befragt*e thematisiert außerdem Muslim*innen im Kontext aktueller Forschung („problematische Kulturalisierung in der Sozialen Arbeit und in Teilen der Wissenschaft“ [B]). Diese Kategorie findet sich überwiegend im Zusammenhang mit dem Islam und weniger auf die Frage nach Assoziationen mit Muslim*innen.

B ildung & W ohlstand

Die Kategorie Bildung & Wohlstand bildet die eher selten genannte sozioökonomische Dimension der Assoziationen ab. Hier finden sich Zuschreibungen im Zusammenhang mit dem Bildungsniveau von Muslim*innen, welches sowohl als vergleichsweise niedrig („geringe Bildung“ [A], „Bildungsmangel“ [A], „Bildungsdefizit“ [B], „Bildungsbenachteiligung durch Segregation“ [C-M]) als auch als eher hoch („oft sehr gebildet“ [C-M], „viele kopftuchtragende Frauen mit Hochschulabschluss“ [C-M]) wahrgenommen wird. In einem Fall wird ein Kontinuum „von sehr traditionell, religiös geprägt bis sehr gebildet, weltoffen“ [B] gezeichnet und (starke) Religiosität als ein Extrem und (hohe) Bildung als anderes Extrem entworfen. In dieser Vorstellung bilden Religiosität und Bildung zwei entgegengesetzte Pole. Weitere Nennungen in dieser Kategorie sind „schwierige Wohnsituationen“ [B] und „junge Männer in dicken Autos“ [C-M] bzw. „dicke Autos“ [A]. Die meisten Nennungen innerhalb dieser Kategorie wurden im Zusammenhang mit Muslim*innen geäußert.

I slam vs. der W esten‘

In Anlehnung an Halm (2013) wurde die Kategorie Islam vs. der Westen’ gebildet (incompatibility of Islam and the West). Die dichotome Konstruktion von ‚westlicher‘ und ‚islamischer‘ Kultur als sich diametral gegenüberstehend gilt als konstitutiv für antimuslimischen Rassismus (vgl. Shooman 2014: 61). Es hat sich jedoch gezeigt, dass dieses Themenfeld – anders als in der Medienberichterstattung – zumindest in expliziter Form von den wenigsten Befragten mit dem Islam oder Muslim*innen in Verbindung gebracht wird („Der politische Islam stellt m. E. aber eine Bedrohung der Werte westlicher Aufklärung dar“ [A], „nicht mit der westlichen Kultur integrierbar“ [C-I]). Ein*e Befragte*r spricht von kultureller Inkompatibilität, ohne jedoch vom ‚Westen‘ zu sprechen („kulturell aber inkompatibel, sobald es kontroverse kulturelle Abweichungen gibt“ [C-M]). Insgesamt ist diese Kategorie für die Befragten mit insgesamt nur fünf Nennungen, von denen vier auf den Islam entfallen, vergleichsweise irrelevant.

7.3 Auswertung der vorgegebenen Assoziationen

Im Anschluss an die offene Frage wurden die Respondent*innen gebeten, aus 58 vorgegebenen Begriffen diejenigen auszuwählen, die sie mit dem Islam bzw. mit Muslim*innen verbinden. Mit Blick auf unterschiedliche Assoziationen mit dem Islam und dem Christentum haben Forschungsergebnisse in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass

„[a]uf dieser Ebene, auf der Ebene der Vorstellungsgehalte, der Wissensordnung, der Stereotype und Vorurteile, […] der Gegensatz zwischen der Haltung zum Islam und zum Christentum in der deutschen Bevölkerung ausgesprochen stark [ist].“ (Pollack 2014: 23).

Konkret bedeutet das, dass dem Islam primär negative Merkmale (Gewaltbereitschaft, Fanatismus, Benachteiligung der Frau, Rückwärtsgewandtheit, Engstirnigkeit), dem Christentum hingegen in deutlich größerem Ausmaß als dem Islam positive Eigenschaften zugeschrieben wurden (Toleranz, Solidarität, Achtung der Menschenrechte, Friedfertigkeit) (vgl. ebd.). Wie in Abschn. 2.1 bereits angedeutet, können (subtile) Vorurteile sich in der Zuschreibung negativer bzw. Nicht-Zuschreibung positiver Attribute ausdrücken. In dieser Logik wird nun anhand der vorgegebenen positiven, negativen und neutralen Begriffe analysiert, inwiefern sich die vorgenommenen Zuschreibungen zwischen dem Islam und Muslim*innen unterscheiden.

Die Antwortmöglichkeiten stammen größtenteils aus den freien Assoziationen des Pretests oder basieren auf ähnlichen Studien (vgl. ebd.). Es war den Teilnehmer*innen nicht möglich, nach dieser geschlossenen Frage und der Sichtung der Stichwörter zur offenen Frage zurückzukehren. Dieses Verfahren stellt sicher, dass die offene Frage tatsächlich erste Assoziationen der Befragten enthält und nicht die vorgeschlagenen Antworten der geschlossenen Frage reproduziert. Um Verzerrungen durch ‚Ermüdungserscheinungen‘ und Positionseffekte vorzubeugen, wurde die Reihenfolge der Begriffe randomisiert.

Die geschlossenen Assoziationen fungierten im Fragebogen als Backup, sollten die Ergebnisse aus der offenen Frage nicht ergiebig genug sein. Die freien Assoziationen konnten jedoch wie erhofft einen umfassenden Einblick in Deutungsrahmen zu Islam und Muslim*innen geben, sodass die geschlossenen Assoziationen nun der Überprüfung und Absicherung der Ergebnisse aus Abschn. 7.2 dienen (Abschn. 7.3.1). Darüber hinaus ermöglichen die geschlossenen Assoziationen in ihrem dichotomen Charakter (0 = nicht angekreuzt / 1 = angekreuzt) die statistische Analyse des Zusammenhangs bestimmter Assoziationen mit Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit (Abschn. 7.3.2).

7.3.1 Häufigkeit der Assoziationen

Tabelle 7.2 zeigt die Anzahl der Personen, die den jeweiligen Begriff als Assoziation mit dem Islam bzw. Muslim*innen ausgewählt haben. Insgesamt fällt auf, dass die vorgegebenen Schlagwörter deutlich häufiger mit dem Islam als mit Muslim*innen evoziert werden. Vergleicht man die prozentualen Häufigkeiten der Varianten A und B, so wurden 49 Begriffe häufiger im Zusammenhang mit dem Islam ausgewählt und nur 9 Begriffe häufiger im Zusammenhang mit Muslim*innen. Für den Vergleich zwischen Islam (gesamt) und Muslim*innen (gesamt) verschärft sich dieses Bild noch ein wenig bei einem Verhältnis von 52 zu 6.

Tabelle 7.2 Auswertung der vorgegebenen Assoziationen (eigene Darstellung)

Auffällig sind die Werte für die Variante C, hier insbesondere im Fall der Muslim*innen, welche häufig auch auf prozentualer Ebene deutlich niedriger ausfallen als in Variante A bzw. B. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Befragten bewusst zwischen Assoziationen zum Islam und Assoziationen zu Muslim*innen unterschieden haben und daher auf den einzelnen Begriff (Islam oder Muslim*innen) weniger Assoziationen entfallen. Für diese Erklärung spricht beispielsweise das Antwortverhalten im Fall Religion: Sowohl in Variante A als auch in Variante C-I haben etwa 77 bis 78 Prozent der Befragten den Begriff ausgewählt. In Variante B waren es knapp 73 Prozent. Dieser Wert bleibt in Variante C-M jedoch nicht ansatzweise auf einem ähnlichen Niveau, wie es beim Islam der Fall war, sondern reduziert sich drastisch auf etwa 53 Prozent. Denkbar wäre, dass die Teilnehmer*innen den Begriff Religion bereits für den Islam ausgewählt haben und nun deutlicher zwischen Religion und Anhänger*innen der Religion unterscheiden. Ein ähnliches Muster findet sich beispielsweise auch bei Begriffen wie Fasten/Ramadan, 5 Säulen des Islams oder Zuckerfest. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen aus den freien Assoziationen, die gezeigt haben, dass die Kategorien(Welt-)Religion und Glaubenslehre & religiöse Praxis deutlich stärker für den Islam als für Muslim*innen ausgeprägt sind.

Ein alternativer Erklärungsansatz für die niedrigen Werte insbesondere in der Spalte C-M liegt in dem verwendeten Design des Fragebogens und in der Reihenfolge der Fragestellung in Variante C. Wie in den Varianten A und B wurden zwar die einzelnen Schlagwörter innerhalb des Islamblocks sowie innerhalb des Blocks zu Muslim*innen randomisiert. Es wurde jedoch immer zuerst nach dem Islam und im Anschluss nach Muslim*innen gefragt, um dem Muster der anderen Fragen zu folgen und die Unterscheidung zwischen Islam und Muslim*innen besonders explizit zu machen. Durch die hohe Anzahl an zuzuordnenden Begriffen kann eine Abnahme der Motivation an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden. Die Respondent*innen der Variante C hatten insgesamt einen deutlich längeren Fragebogen auszufüllen und in dieser speziellen Frage über 116 statt 58 Begriffe zu entscheiden. Die Befragten wurden gebeten, Zutreffendes anzukreuzen, das heißt jene Schlagwörter, die sie mit dem Islam bzw. mit Muslim*innen verbinden. Um sicherzustellen, dass alle Begriffe aufmerksam gelesen wurden, wäre ein Ja/Nein-Design angemessen gewesen, welches jedoch die Ausfülldauer noch einmal verlängert hätte und so ebenfalls unter Umständen zu nachlassender Motivation und in der Folge zu Verzerrungen geführt hätte. Insgesamt muss an dieser Stelle berücksichtigt werden, dass die niedrigen Werte mitunter Produkt unaufmerksamen und oberflächlichen Lesens der Teilnehmer*innen sein könnten und eine inhaltliche Interpretation daher nur mit Vorsicht vorgenommen werden sollte.

In Hinblick auf die Frage, inwiefern sich die Assoziationen zu Islam und Muslim*innen voneinander unterscheiden, ergibt sich nichtsdestotrotz ein interessantes Ergebnis aus der Variante C. Von den 148 Befragten der Variante C hat lediglich eine Person für Islam und Muslim*innen identisch geantwortet. Da diese Person alle 116 Begriffe ausgewählt und zudem im Rahmen der offenen Fragen durchaus unterschiedlich geantwortet hat (Islam: „Fünf Säulen Weltreligion Islamfeindlichkeit Moschee Muhammad“ / Muslim*innen: „Migration Kopftuch Flucht Ehrenamt Fasten“), kann dieser Einzelfall hier ausgeklammert werden. Diejenigen Befragten, die explizit sowohl nach Schlagwörtern zum Islam als auch zu Muslim*innen gefragt wurden und beide Fragen direkt hintereinander beantworteten, entschieden sich somit (möglicherweise bewusst) für nicht-identische Antworten und differenzierten damit zwischen Islam und Muslim*innen.

Ein Vergleich zwischen den Auszählungen der Varianten A und B deutet in dieselbe Richtung. Viele Begriffe weisen deutliche höhere Auswahlraten im Fall des Islams verglichen mit Muslim*innen auf. So wählten beispielsweise 29,28 Prozent der Teilnehmer*innen, die nach dem Islam gefragt wurden, den Begriff Terrorismus aus, wohingegen dieser Begriff auf die Frage nach Assoziationen mit Muslim*innen nur von 17,86 Prozent der Befragten angeklickt wurde. Ein ähnliches Muster findet sich bei vielen Begriffen aus dem Spektrum Bedrohung & Konflikt (zum Beispiel Extremismus, Fanatismus, Fundamentalismus, Gewalt/Gewaltbereitschaft, Radikalisierung) sowie im Bereich Glaubenslehre & religiöse Praxis (zum Beispiel Beten, Gebetsteppich, Imam, Koran, Mekka, Mohammed, Moschee). Dass ein Begriff im quantitativen Sinne stärker mit Muslim*innen als mit dem Islam verbunden wird, kommt nur selten vor. Besonders deutlich sind diese Unterschiede jedoch bei den Begriffen Integration, Gastfreundschaft, Geflüchtete und kulturelle Vielfalt zu beobachten. Auch diese Befunde decken sich mit den Ergebnissen der Analyse der freien Assoziationen aus dem vorangegangenen Kapitel.

Alles in allem untermauern die Resultate aus den geschlossenen Fragen die Ergebnisse der Analyse der freien Assoziationen. Es wird deutlich, dass Begriffe und Themenfelder unterschiedlich stark mit dem Islam und Muslim*innen in Verbindung gebracht werden oder, um es kognitionswissenschaftlich auszudrücken, bestimmte Frames in unterschiedlichem Maße aktiviert werden. Dass die beiden Begriffe derart unterschiedlich konnotiert sind, ist von enormer Bedeutung bei der Erfassung von Vorurteilen in der quantitativen Forschung. So ist es eben nicht einerlei, ob auf manifester Ebene nach Einstellungen zum Islam oder zu Muslim*innen gefragt wird. Die Auswertung der Assoziationen konnte nicht nur zeigen, dass Unterschiede bestehen, sondern auch Einblicke in die inhaltlichen Dimensionen dieser Unterschiede geben.

7.3.2 Zum Zusammenhang von Assoziationen und Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit

Nachdem nun unterschiedliche Themenfelder, Referenzobjekte und Evaluationen im Zusammenhang mit Assoziationen zum Islam bzw. zu Muslim*innen herausgearbeitet werden konnten, geht es in einem letzten Schritt um die Analyse des Zusammenhangs zwischen bestimmten Assoziationen und Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit. Die Hypothesen H9 und H10 postulieren einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eher negativ bzw. eher positiv konnotierter Assoziationen mit Islam und Muslim*innen und stärkeren bzw. verringerten Vorurteilen gegenüber diesen. Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde für jede Assoziation (0 = nicht angekreuzt / 1 = angekreuzt) eine multiple lineare Regression mit Islamfeindlichkeit und eine mit Muslim*innenfeindlichkeit als abhängige Variable gerechnet. In jedem Modell wurde für Geschlecht, Alter, Bildung, selbstberichtete Religiosität und quadrierte selbstberichtete Religiosität kontrolliert (zur Operationalisierung der Variablen vgl. Abschn. 4.1.3). Die Datengrundlage für die Analysen bilden die Fragebogenversionen A und B. Die Daten aus der Fragebogenversion C finden aufgrund der zuvor beobachteten methodologischen Schwierigkeiten keine weitere Berücksichtigung. Tabelle 7.3 zeigt die nicht-standardisierten Regressionskoeffizienten der jeweiligen Assoziation in den einzelnen Modellen.

Tabelle 7.3 Regressionskoeffizienten der einzelnen Assoziationen für Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit unter Kontrolle von Geschlecht, Alter, Bildung, selbstberichteter Religiosität und quadrierter selbstberichteter Religiosität (eigene Darstellung)

Die einzelnen Assoziationen sind im Sinne der zuvor generierten Codes gruppiert. Zunächst sind diejenigen Themenfelder gelistet, die stärker im Zusammenhang mit dem Islam auftreten, gefolgt von jenen, die in etwa gleich häufig im Zusammenhang mit dem Islam und mit Muslim*innen auftreten und schließlich diejenigen Codes, die im Zusammenhang mit Muslim*innen dominieren. Die Rubrik Sonstige beinhaltet Begriffe, die entweder den sekundären Kategorien zugeordnet werden können (zum Beispiel Rückständigkeit) oder gar nicht im Rahmen der freien Assoziationen aufgetaucht sind (zum Beispiel Spiritualität).

Auffällig ist zunächst einmal, dass insgesamt viele Assoziationen signifikant mit Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit korrelieren. Dieser Befund ist ein starker Indikator für den Zusammenhang von Assoziationen und Einstellungen. Insbesondere Assoziationen aus dem Bereich Bedrohung & Konflikt korrelieren stark mit Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit. Alle Variablen aus diesem Spektrum gehen mit verstärkten Vorurteilen gegenüber dem Islam bzw. Muslim*innen einher (lediglich Konflikte und Radikalisierung zeigen im Zusammenhang mit Muslim*innenfeindlichkeit kein signifikantes Resultat, die Tendenz basierend auf dem Vorzeichen ist jedoch dieselbe). Das bedeutet, dass beispielsweise Personen, die mit dem Islam Terrorismus assoziieren, eine ausgeprägtere islamfeindliche Haltung aufweisen als Personen, die dies nicht tun. Oder anders gesagt: Mit der Assoziation Terrorismus geht ein stärkeres Maß an Islamfeindlichkeit einher. Ebenfalls mit verstärkten Vorurteilen korrelieren die meisten Assoziationen aus dem Bereich Geschlecht sowie die Assoziationen Rückständigkeit und Fremdheit. Dies entspricht in etwa jenen Codes, die zuvor als negativ aufgefasst wurden. Dieser Befund unterstützt H9.

In Übereinstimmung mit H10 gehen zuvor als positiv eingestufte Begriffe wie Gastfreundschaft oder Vielfalt mit verringerten Vorurteilen sowohl gegenüber dem Islam als auch gegenüber Muslim*innen einher. Dass andere vermeintlich positive Assoziationen wie Achtung der Menschenrechte, Friedfertigkeit und Toleranz kaum signifikante Effekte zeigen, liegt möglicherweise in der Seltenheit ihrer Auswahl begründet: Nur zwischen 5 und 19 Personen haben diese Begriffe überhaupt ausgewählt (vgl. Tabelle 5 im Anhang im elektronischen Zusatzmaterial), was statistisch gesehen zum Teil zu sehr kleinen Gruppen führt und signifikante Effekte unwahrscheinlicher macht. Inhaltlich ist dieser Befund wiederum interessant und deckt sich mit den Ergebnissen von Pollack (2014), dass positive Assoziationen eher zurückhaltend mit dem Islam assoziiert werden (subtiles Vorurteil, vgl. Abschn. 2.1). Einen starken Zusammenhang gibt es auch zwischen der Zugehörigkeit zu Deutschland („gehört zu Deutschland“) und Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit: Personen, die mit dem Islam bzw. mit Muslim*innen eine Zugehörigkeit zu Deutschland verbinden, sind in signifikant geringerem Maße islam- bzw. muslim*innenfeindlich eingestellt. Assoziationen aus dem Bereich Glaubenslehre & religiöse Praxis korrelieren fast gar nicht mit Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit. Lediglich die Assoziationen 5 Säulen des Islams und Zuckerfest hängen signifikant mit einer verringerten Islamfeindlichkeit zusammen; die Assoziation strenge Gläubigkeit hingegen geht mit verstärkten islamfeindlichen Einstellungen einher. Für Muslim*innenfeindlichkeit werden aus dieser Kategorie keine signifikanten Effekte beobachtet.

Die zentrale Erkenntnis aus diesem Schritt besteht in den statistisch nachweisbaren Zusammenhängen zwischen verschiedenen Assoziationen und Islam- bzw. Muslim*innenfeindlichkeit. Insbesondere Assoziationen aus dem Themenbereich Bedrohung & Konflikt, die besonders häufig mit dem Islam assoziiert werden, gehen mit einer negativeren Haltung gegenüber Islam und Muslim*innen einher. Assoziationen wie Gastfreundschaft, die häufiger im Zusammenhang mit Muslim*innen zu finden sind, verringern hingegen die Vorurteile gegenüber dem Islam und Muslim*innen. Damit erhärtet sich die Vermutung, dass die unterschiedlichen Assoziationen bzw. Deutungsrahmen das unterschiedliche Ausmaß von Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit (vgl. Kap. 6) erklären können. Die Hypothesen H9 und H10 werden in der Tendenz durch die vorliegenden Daten gestützt, auch wenn nicht alle Zusammenhänge statistisch signifikant sind und sich darüber hinaus nicht alle Themenfelder aus einer valenzanalytischen Perspektive eindeutig als positiv oder negativ einordnen lassen (vgl. u. a. Abschn. 4.4.3 und Abschn. 7.4).

7.4 Zwischenfazit: differente Themenfelder, Referenzobjekte und Evaluationen

Die Auswertung der offenen Frage „Bitte schreiben Sie nun einmal kurz auf, was Ihnen spontan zum Islam [zu Musliminnen und Muslimen] einfällt. Das können einzelne Schlagwörter, Namen oder auch ganze Sätze sein. Bitte nennen Sie mindestens 5 Aspekte bzw. Namen.“ förderte einige spannende Erkenntnisse zutage, die in diesem Kapitel noch einmal resümierend dargestellt und auf einer abstrakteren Ebene diskutiert werden sollen. Durch eine Verbindung aus deduktiver und induktiver Herangehensweise konnten insgesamt 26 Kategorien generiert werden, welche sich wiederum in vier unterschiedliche Rubriken einteilen lassen: relevante Kategorien, die stärker mit dem Islam als mit Muslim*innen assoziiert werden, relevante Kategorien, die stärker mit Muslim*innen als mit dem Islam assoziiert werden, relevante Kategorien, die in etwa gleich häufig im Zusammenhang mit dem Islam und Muslim*innen assoziiert werden, (irrelevante) Kategorien mit weniger als 40 Nennungen insgesamt. Letztere finden aufgrund ihres marginalen Auftretens in diesem Kapitel keine weitere Berücksichtigung, sodass 17 Kategorien verbleiben. Abbildung 7.3 zeigt komprimiert, dass von diesen 17 Kategorien fünf dominanter im Zusammenhang mit dem Islam sind, acht im Zusammenhang mit Muslim*innen. Vier Kategorien sind im Zusammenhang mit der Frage nach dem Islam und der Frage nach Muslim*innen in etwa gleich stark vertreten.

Abbildung 7.3
figure 3

(eigene Darstellung)

Prävalenz der einzelnen Kategorien im Zusammenhang mit Islam und Muslim*innen

Interessant sind, erstens, die identifizierten Inhalte: In der ersten Rubrik (Schwerpunkt Islam) finden sich Themenkomplexe mit starkem Bezug zu Religion(sausübung). Sowohl die Kategorie Glaubenslehre & religiöse Praxis als auch die Kategorie (Welt-)Religion rekurrieren vor allem auf (Allgemein-)Wissen über religiöse Praktiken und Symbole und weisen theologische Wissensbestände auf. Deutungsrahmen aus diesem Spektrum sind bei den Befragten im Zusammenhang mit dem Islam besonders dominant. Einen Gegenentwurf zu religionsbezogenen Frames stellt die Kategorie Bedrohung & Konflikt dar, welche aus valenzanalytischer Perspektive eindeutig negative Assoziationen beinhaltet. Konkret sind das Evokationen wie Gewalt, Terror, Krieg, Extremismus, IS oder Radikalisierung. Assoziationen zu Religion und Religiosität sind in dieser Kategorie absent. Einen dritten Themenkomplex bildet die Kategorie Kunst, Kultur & Ernährung, welche jedoch deutlich weniger Nennungen enthält als die zuvor genannten Kategorien. Zudem ist sie eher heterogen und aufgrund von (uneindeutigen) Ein-Wort-Antworten wie „Döner“ nur schwer zu interpretieren. Sie eignet sich aus diesen Gründen nur bedingt als Hinweis auf einen dritten großen Deutungsrahmen neben dem Themenspektrum Religion(sausübung) und der Kategorie Bedrohung/Konflikt im Zusammenhang mit dem Islam. Die Kategorie Internationaler Bezug ist ebenfalls präsenter im Zusammenhang mit dem Islam als im Zusammenhang mit Muslim*innen, liegt jedoch quer zu den anderen Themengebieten, denn hier geht es primär um eine geographische Verortung. Der Islam wird sehr viel häufiger außerhalb Deutschlands – insbesondere im Nahen Osten – lokalisiert als Muslim*innen. Diese Kategorie stellt damit weniger ein weiteres thematisches Spektrum der Assoziationen zum Islam dar als vielmehr eine räumliche Positionierung, welche jedoch durch die Fokussierung auf Regionen außerhalb Deutschlands Formen von Distanz und Fremdheit erkennen lässt. Diese Erkenntnis ist insbesondere vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus Kap. 6 interessant, die zeigen konnten, dass der Islam als fremder wahrgenommen wird als Muslim*innen. Ein Deutungsrahmen, der den Islam verstärkt im Ausland verortet und damit eine gewisse (geographische) Distanz impliziert, kann möglicherweise als Erklärung für stärkere Gefühle der Fremdheit gegenüber dem Islam verglichen mit Muslim*innen herangezogen werden.

Ein Blick auf die dominanten Kategorien im Zusammenhang mit Muslim*innen zeigt zunächst eine quantitative Überlegenheit: Acht der generierten Kategorien weisen deutlich mehr Nennungen im Zusammenhang mit Muslim*innen auf als mit dem Islam. Dies ist jedoch primär der Breite der Kategorien geschuldet. So bilden beispielsweise Kopftuch/Verschleierung und Aussehen & Bekleidung ähnlich wie Sonstige positive Konnotationen und Gastfreundschaft & Offenheit trotz verwandter Thematiken jeweils separate Kategorien, während insbesondere die Kategorien Glaubenslehre & religiöse Praxis sowie Bedrohung & Konflikt recht breit angelegt sind und auf weitere Untergliederungen verzichten. Ein quantitativer Vergleich im Sinne einer Kontrastierung der Anzahl dominanter Kategorien bietet sich hier daher nicht an. Spannend ist dagegen, welche Kategorien im Einzelnen für Muslim*innen überwiegen. Dies sind Kategorien, die explizit auf positive Charaktereigenschaften abzielen (Sonstige positive Konnotationen sowie Gastfreundschaft & Offenheit), Kategorien, die konkrete Personen/Individuen, Interaktionen und Erfahrungen umfassen (Persönliche Erfahrungen & Kontakt sowie Namen & Personen), Kategorien, die sich auf Aussehen und Kleidungsstücke beziehen, auch wenn das Kopftuch hier aufgrund seines symbolhaften Charakters nicht mit anderen Kleidungsstücken gleichgesetzt werden kann. Aus eben diesem Grund wurde die eigenständige Kategorie Kopftuch/Verschleierung gebildet. Hinzu kommt die besonders relevante Kategorie M igration & (Nicht-)Zugehörigkeit, welche Assoziationen zu Migration und Integration beinhaltet. Anders als die Assoziationen aus der Kategorie Internationaler Bezug, welche dominant im Zusammenhang mit dem Islam ist, verorten die Assoziationen aus der Kategorie Migration & (Nicht-)Zugehörigkeit Muslim*innen primär in Deutschland und drücken weniger (geographische) Distanz aus. In ihr werden sowohl alternative Kategorisierungen zur Religionszugehörigkeit bei gleichzeitigen „kategorialen Verwechslungen“ (Spielhaus 2018: 134) als auch Aushandlungsprozesse um Zugehörigkeit bzw. Othering-Prozesse sichtbar – eine Distanz im Sinne von Wir-vs-die Anderen-Konstruktionen findet sich somit auch hier. Die Kategorie Counter-Discourse enthält im Gegensatz dazu einen Frame, der eben diese machtvollen Grenzziehungen reflektiert, alternative Narrative anbietet, Homogenisierungen hinterfragt und überlappende Felder aufdeckt. Die meisten der Kategorien, die im Zusammenhang mit Muslim*innen stärker ausgeprägt sind als für den Islam, beinhalten valenzanalytisch betrachtet überwiegend positive Assoziationen. Das bedeutet nicht, dass keine Differenzkonstruktionen vorgenommen, keine Vorstellungen von ‚Wir vs. die Anderen‘ erkennbar sind. Es bedeutet lediglich, dass sich negative Zuschreibungen, wie sie im Zusammenhang mit dem Islam beobachtet wurden (insbesondere bedingt durch die Kategorie Bedrohung & K onflikt), für Muslim*innen in deutlich geringerem Umfang zeigen.

Zusätzlich konnten vier Kategorien identifiziert werden, die in etwa gleich häufig im Zusammenhang mit dem Islam wie im Zusammenhang mit Muslim*innen auftauchen. Interessanterweise zeichnen sich zwei der vier Kategorien – Geschlecht sowie Vielfalt & Differenzierung – durch einige auffällige Unterschiede in ihrer inhaltlichen Ausrichtung in Bezug auf Islam und Muslim*innen aus. Das Narrativ der Frauenfeindlichkeit etwa findet sich innerhalb der Kategorie Geschlecht deutlich häufiger im Zusammenhang mit dem Islam, wohingegen sich die einzigen Antworten, die Musliminnen als stark, partizipierend und/oder feministisch zeichnen und damit insbesondere dem verbreiteten Bild der unterdrückten (muslimischen) Frau entgegengesetzt sind, allesamt auf die Frage nach Muslim*innen und nicht auf die Frage nach dem Islam zurückführen lassen. Für Vielfalt & Differenzierung gilt sogar in noch stärkerem Maße, dass sich hinter dieser Kategorie inhaltlich Unterschiedliches für den Islam bzw. Muslim*innen verbirgt. Für den Islam bezieht sich die Vielfalt primär auf verschiedene Subgruppen, Strömungen und Auslegungen. Im Zusammenhang mit Muslim*innen werden in den Nennungen eher die Heterogenität innerhalb der Gruppe und die Gefahr der Homogenisierung thematisiert. Auf die beiden verbleibenden Kategorien trifft diese inhaltlich unterschiedliche Ausrichtung innerhalb der Kategorien eher nicht zu, das heißt, es lassen sich keine thematischen Schwerpunkte innerhalb der Kategorie in Abhängigkeit der Frage nach dem Islam bzw. nach Muslim*innen festmachen. Sowohl die Kategorie Gemeinschaft & Familie als auch die Kategorie Vorurteile, Diskriminierung & Rassismus sind in beiden Zusammenhängen mit ähnlichen Nennungen präsent. Es könnte durchaus argumentiert werden, dass Diskriminierung und Rassismus Konzepte sind, die Menschen und nicht Religionen betreffen, und daher vermutet werden, diese Kategorie müsste dominanter im Zusammenhang mit Muslim*innen sein als mit dem Islam. Allerdings darf die sprachliche Nähe einiger der geläufigsten Konzepte zum Islam nicht übersehen werden (Islamophobie, Islamfeindlichkeit), welche aus diesem Grund in Abschn. 3.2 problematisiert wurden. Gemeinschaft & Familie scheint ein weiterer Themenkomplex zu sein, der sowohl mit dem Islam als auch mit Muslim*innen assoziiert wird. Möglicherweise decken sich an dieser Stelle abstraktere Vorstellungen über die Religion des Islams mit konkreteren Erfahrungen mit Muslim*innen auf personaler Ebene, sodass beide Deutungsrahmen mit Konnotationen aus dieser Kategorie gespeist werden.

Neben der Betrachtung inhaltlicher Unterschiede in den Assoziationen zu Islam und Muslim*innen ist, zweitens, ein genauerer Blick auf die Referenzobjekte der Befragten interessant. Es fällt auf, dass viele der Kategorien, die im Zusammenhang mit Muslim*innen dominanter sind als im Zusammenhang mit dem Islam, eine personale Komponente aufweisen. Dies wird beispielsweise ausgedrückt über zugeschriebene physische und charakterliche Eigenschaften oder persönliche Erfahrungen und Kontakte mit Muslim*innen. Viele der Assoziationen stehen in direktem Zusammenhang mit konkreten Individuen oder zumindest mit einem muslimischen Subjekt und/oder seinem Körper im Allgemeinen. Die Fokussierung auf die (inter-)personale Ebene bringt es mit sich, dass Muslim*innen nicht ausschließlich als Anhänger*innen dieser Gruppe angesehen werden, sondern dass stattdessen vielfältige Gruppenzugehörigkeiten von Muslim*innen, die quer zur Religionszugehörigkeit liegen, thematisiert werden. Das sind beispielsweise Verweise auf Berufs- oder Altersgruppen. Besonders salient im Zusammenhang mit der Frage nach Muslim*innen ist die Kategorisierungen entlang von Nationalität bzw. Ethnizität. Die oft thematisierte Gleichsetzung oder Vermischung von Muslim*innen und Migrant*innen (vgl. Abschn. 3.1) lässt sich auch in der vorliegenden Studie beobachten. Die Deutungsrahmen, die die Befragten abrufen, wenn sie im Fragebogen den Begriff Muslim*innen lesen, beziehen sich somit nur in Teilen auf die Religionszugehörigkeit, obwohl diese im Fragebogen salient ist. Stattdessen sind vielfältige andere Gruppenzugehörigkeiten sowie eine Wahrnehmung auf personaler Ebene zu beobachten. Da konkurrierende Kategorisierungen und eine Begegnung auf interpersonaler Ebene die Entwicklung von Vorurteilen erschweren können (vgl. Abschn. 2.3.2), liegt in diesem Deutungsrahmen möglicherweise eine Erklärung für die geringer ausfallenden Vorurteile gegenüber Muslim*innen verglichen mit dem Islam (vgl. Kap. 6).

Die Referenzobjekte im Zusammenhang mit dem Islam hingegen sind weniger (konkrete) Personen oder Körper als vielmehr abstraktere, unspezifischere und schematischere, eher auf Allgemeinwissen und medialen Darstellungen beruhende Symbole, Praktiken, Ideologien oder Konzepte. Viele Antworten im Zusammenhang mit dem Islam beziehen sich auf diese eher abstrakten Vorstellungen und nur selten auf muslimische Subjekte oder individuelle Erfahrungen. Während im Zusammenhang mit Muslim*innen durchaus Assoziationen zu finden sind, die Muslim*innen in Beziehung zur eigenen Person setzen (zum Beispiel über Erfahrungen und Kontakte), ist dies im Zusammenhang mit dem Islam nur selten der Fall. Insgesamt lässt sich hieraus erneut eine gewisse Distanz zum Islam ableiten, die nicht in gleichem Maße für Muslim*innen beobachtet werden kann. Die Fokussierung auf abstraktere Symbole, Praktiken, Ideologien und Konzepte kann erneut eine Erklärung für die stärker wahrgenommene Fremdheit gegenüber dem Islam (vgl. Kap. 6) sowie für die differente Wahrnehmung von Islam und Muslim*innen im Allgemeinen liefern. Gleichzeitig spiegelt die Beziehungsebene im Zusammenhang mit Assoziationen zu Muslim*innen das in Kap. 5 sichtbar gewordene inhaltliche Muster islam- und muslim*innenbezogener Items wider.

Schließlich lassen sich, drittens, Unterschiede hinsichtlich der Evaluation von Islam und Muslim*innen identifizieren, auch wenn die valenzanalytische Auswertung aufgrund vieler Ein-Wort-Antworten und der fehlenden Kontextualisierung nur bedingt Aussagekraft besitzt. Es zeichnet sich in der Tendenz jedoch ab, dass viele Assoziationen zum Islam negativ behaftet sind. Das wird insbesondere innerhalb der Kategorie Bedrohung & Konflikt sichtbar. Viele Antworten aus dem Themenfeld Religion(sausübung) hingegen weisen weder eine positive noch eine negative Wertung auf (etwa Begriffe wie Beten, Koran, Mekka oder Ramadan). Es gibt jedoch Hinweise aus der Literatur, dass bestimmte Begriffe in der medialen Darstellung eher negativ konnotiert sind. So werden beispielsweise Begriffe wie Dschihad, Scharia oder Koran aus ihrer ursprünglichen arabischen Bedeutung herausgelöst und sind im deutschen Diskurs eher negativ behaftet und auch Begriffe wie Moschee werden immer wieder im Zusammenhang mit Radikalisierung, Gewalt und Extremismus präsentiert (vgl. Saif 2019). Für Muslim*innen gibt es ebenfalls wertneutrale Nennungen, allerdings auch viele Nennungen mit positiven Beschreibungen (etwa gastfreundlich, nett, offen) sowie die gegenläufigen Antworten aus der Kategorie Counter-Discourse, die mitunter auf ein hohes Maß an Empathie und Reflexionsfähigkeit auf Seiten der Befragten hindeuten. Die in der Tendenz deutlich positiver ausfallenden Konnotationen mit Muslim*innen verglichen mit dem Islam decken sich mit den Ergebnissen aus Kap. 6 bezüglich einer negativeren Bewertung des Islams. Ein Deutungsrahmen, der viele positive Aspekte enthält, scheint als Erklärung für die positivere Bewertung von Muslim*innen überaus plausibel zu sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Deutungsrahmen der BefragtenFootnote 19 für Islam und Muslim*innen in Bezug auf ihre Inhalte im Sinne dominierender Themenfelder, ihre Bezugsobjekte sowie ihren evaluativen Charakter voneinander unterscheiden. Dieser Befund aus den offenen Assoziationen (Abschn. 7.2) deckt sich mit den Ergebnissen der vorgegebenen Schlagwörter (Abschn. 7.3). Selbstverständlich können die Assoziationen zu Islam und Muslim*innen nicht vollkommen trennscharf gegenübergestellt werden, allerdings zeigt sich in der Tendenz für den Islam ein negativerer, abstrakterer Deutungsrahmen, der sich primär aus den Themenfeldern Religion(sausübung) und Bedrohung/Konflikt speist, wohingegen der Deutungsrahmen für Muslim*innen eher das muslimische Subjekt sowie durchaus positive Konnotationen beinhaltet und sich unter anderem aus persönlichen Erfahrungen und Kontakten speist. Darüber hinaus gibt es zahlreiche alternative Kategorisierungen im Zusammenhang mit Muslim*innen, sodass religionsbezogene Aspekte zwar Teil des Deutungsrahmens sind, diese jedoch mit anderen Konnotationen etwa aus dem Bereich der Migration konkurrieren. Die Präsenz von Mehrfachzugehörigkeiten bzw. Kreuzkategorisierungen erschwert die Wahrnehmung als Outgroup und führt ebenso wie die Dekategorisierung, also die Wahrnehmung als Individuum und die Begegnung auf interpersonaler Ebene, zu geringeren Vorurteilen (vgl. Kap. 2). Dies, ebenso wie die Tatsache, dass der Islam in deutlich größerem Umfang mit negativen Assoziationen belegt wird als Muslim*innen, kann möglicherweise die negativere Haltung gegenüber dem Islam (Kap. 6) erklären. So hat Forschung in diesem Bereich beispielsweise gezeigt, dass die Angst vor Terrorismus ein starker Prädiktor für Islamophobia ist und darüber hinaus zu verminderten Kontaktbestrebungen und einer stärkeren Zustimmung für „policies targeting Muslims“ führt (Cinnirella 2014: 264). Auch die vorliegenden Daten zeigen: Negative Assoziationen gehen einher mit stärkeren Vorurteilen gegenüber dem Islam und gegenüber Muslim*innen, wohingegen sich für positive Assoziationen geringere Vorurteile nachweisen lassen. Da die Deutungsrahmen von Islam und Muslim*innen mit Blick auf Themenfelder, Bezugsobjekte und Evaluationen insgesamt recht different ausfallen, ist es wenig verwunderlich, dass sich auch die Einstellungen zu beiden signifikant voneinander unterscheiden (Kap. 6) und Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit sich als zwei korrelierende, aber dennoch statistisch voneinander verschiedene Dimensionen eines übergeordneten Phänomens (antimuslimischer Rassismus) identifizieren lassen (Kap. 5).