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Internormative Beziehungen (UV2)

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Das ILO-Zwangsarbeitsverbot in der globalisierten Wirtschaft

Part of the book series: Globale Politische Ökonomie ((GPÖ))

  • 323 Accesses

Zusammenfassung

Nachdem im vorherigen Kapitel das Norminnenverhältnis des Verbots von Zwangsarbeit – also die inneren Bedeutungszuschreibungen und Begründungszusammenhänge – untersucht wurde, geht es in diesem Kapitel darum, das Verbot in seinem normativen Außenverhältnis zu beschreiben. Dazu sollen die sprachlichen Prozesse der Normanwendung und Überprüfung auf die Herstellung verschiedener internormativer Beziehungen hin untersucht werden. Das normative Außenverhältnis des Verbots wird dabei insbesondere mit Blick auf die De-facto-Ausgestaltung von Zwangsarbeit im Rahmen der globalisierten Wirtschaft beleuchtet.

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Notes

  1. 1.

    Dabei kann bereits 1929/1930 die Normverknüpfung von Vereinigungsfreiheit und der Realisierung des universellen Verbots von Zwangsarbeit inhaltsanalytisch herausgearbeitet werden. Die Regulierungsvorstellungen, die eine partikularistische Regelung vorsehen, umfassen dann auch den Versuch, das zu erarbeitende Verbot mit der gleichzeitig diskutierten Regulierung zur Beschränkung der maximalen Arbeitszeit zu verknüpfen. Diese Position wird insbesondere von Gewerkschaftsvertretern in die Diskussion eingespeist, konnte sich aber gegen den Widerstand der staatlichen Delegationen und Arbeitgebervertreter nicht durchsetzen. Letztlich werden insbesondere Effizienzargumente vorgebracht, um die schrittweise erfolgende perspektivische Abschaffung zu begründen. Diese sind in Vorstellungen über den Kapitalismus eingebettet, die davon ausgehen, dass Zwangsarbeit funktional unvereinbar mit kapitalistischen Wirtschaftsformen sei. Es können also bereits in der Aushandlung des Verbots zwei Normkoproduktionen identifiziert werden: (1) Durch die Realisierung der Vereinigungsfreiheit auch in den Kolonien wird ein zu schaffendes universelles Verbot von Zwangsarbeit realisierbar. (2) Mit der Umsetzung marktliberaler Reformen, also der Realisierung kapitalistischer Wirtschaftsformen in den Kolonien, wird Zwangsarbeit quasi funktional verschwinden. Diese Gegenüberstellung wirkt bis heute fort, war zentraler Bestandteil der Debatten in den 1950er Jahren, in denen neu ausdiskutiert wurde, inwiefern Zwangsarbeit funktional durch kapitalistische Wirtschaftsformen auszuschließen sei, und erlangt insbesondere in der Aushandlung der Kernarbeitsnormen neue Bedeutung, wenn die Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum, internationalem Handel, sozialem Fortschritt und der Steigerung des Lebensstandards sowie der Realisierung von internationalen Arbeitsstandards ausgehandelt wird (im Detail dazu Normkonkurrenz und Normkoproduktion). Dabei legt das vorliegende Buch den Fokus auf die sprachliche Ausgestaltung von internormativen Beziehungen im Kontext von rechtsbasierten und marktbasierten Governancemodi zur Verwirklichung des Zwangsarbeitsverbots in der globalisierten Wirtschaft. Diese Modelle stehen nicht nur zueinander im Konflikt, sondern werden durch ihre jeweiligen Vertreter dadurch geschärft, dass diese die verschiedenen Normen als konkurrierend darstellen. Damit werden die Forderungen des jeweils anderen Entwicklungsmodells in Frage gestellt, insbesondere unter Gesichtspunkten der Machbarkeit. Eine andere konkurrierende Gegenüberstellung normativer Gehalte umfasst somit verschiedene Machbarkeitsargumente. Die Fähigkeit und die Kapazitäten eines Akteurs, einer Verantwortung nachzukommen, sind sicherlich wichtige Determinanten dafür, inwiefern bestimmte Ansprüche an diese Akteure gerechtfertigt und auch sinnvoll sind. Sinnvoll von Verantwortung kann nur dann gesprochen werden, wenn das Subjekt der Verantwortung auch über die entsprechenden Mittel verfügt, dieser nachzukommen. Nichtdestotrotz sind Machbarkeitsargumente auch immer normative Argumente, nämlich dann, wenn sie dazu dienen, angemessene normative Forderungen abzuwenden und zu entkräften. Dabei wurden oft rhetorische Mittel bemüht, die so tun, als würden der faktischen Machbarkeit moralische Befindlichkeiten entgegengestellt, auf deren Grundlage keine vernünftigen Entscheidungen möglich seien.

  2. 2.

    Hierbei handelt es sich um eine analytische Unterscheidung. Im Kontext der Hierarchisierung und Verknüpfung von Normen kommt es auch zum jeweils anderen Wirkungsmodus bzw. diese sind nicht in Reinform auffindbar. Hier geht es einzig darum, den vorherrschenden Modus zu benennen und zuzuordnen. Die unterschiedlichen Wirkungspfade werden in Abschnitt 13.3 dargestellt.

  3. 3.

    Es handelt sich zudem ebenfalls um eine analytische Unterscheidung. Weder die sprachliche Ausgestaltung von Normkonkurrenzen noch der Normkoproduktion liegen im empirischen Material in Reinform vor. Häufig erstreckt sich die Darstellung anderer Normen als Bedingung für die Verwirklichung des Zwangsarbeitsverbots (Normkoproduktion) auch auf die Normkonkurrenz. Die Normkoproduktion, also die spezifische internormative Verknüpfung, kann auch in einer Hierarchisierung normativer Ansprüche münden.

  4. 4.

    Malaysia wurde im Rahmen des regulären Überwachungsmechanismus fünf Mal für die Nichteinhaltung des Übereinkommens Nr. 29 durch den Sachverständigenrat gerügt (2019, 2017, 2015, 2014, 2013) und 1990 einmal für die Nichteinhaltung des Übereinkommens Nr. 105, ILO (2019i). Der Fall ist 2013 und 2014 im CAS debattiert worden, CAS (2013, 2014) und ist in das TRIANGLE-Projekt in ASEAN eingebunden (Laufzeit 2015–2025; vgl. ILO 2019p). Die diskursive Einbindung des Falls in das ILO-Regime und die Beförderung des Verbots durch den Enforcement-Ansatz in Form von fünf Observations des Sachverständigenrates zum Übereinkommen Nr. 29 und die politischen Debatten im Konferenzausschuss 2013 und 2014 haben bisher nur begrenzt Wirkung entfalten können (Absichtserklärungen, neue Trafficking-Gesetze, aber deren fehlende Durchsetzung). Erst 2019 hat Malaysia ein erstes Decent Work Country Programme verabschiedet, sich also im Rahmen der technischen Zusammenarbeit der ILO weiter um Verbesserungen bemüht. In der entsprechenden Absichtserklärung wird die Realisierung der Kernarbeitsnormen als erste Priorität für Malaysia identifiziert, MoU (2019).

  5. 5.

    Da das CEACR im Rahmen seiner Rüge eine Double Footnote erteilt hat, ist Polen als Fall 2017 im CAS diskutiert worden, ILO (2019k); CEACR (2017: 15 ff.). Dies verleiht dem Fall eine besondere Schwere und Dringlichkeit, auf die auch in der Debatte im CAS verwiesen wird, CAS (2017: 15 Part II/26). Auch im Folgejahr 2018 ist Polen im Rahmen seiner Verpflichtungen des Übereinkommens Nr. 29 gerügt worden; in den 1990er Jahren liegt je eine Observation für Übereinkommen Nr. 29 (1990) und Übereinkommen Nr. 105 (1992) vor, ILO (2019k).

  6. 6.

    Allerdings ist die Datenlage ein strittiges Thema im CAS. Die Arbeitgebergruppe betont, dass zwar der Bericht des United Nations Special Rapporteur on the situation of human rights in the DPRK von 50.000 Menschen ausgeht, die als Zwangsarbeiter von der Regierung in eine Vielzahl an Länder entsendet werden, darunter Polen, aber dass weder die Untersuchungen der polnischen Arbeitsinspektoren noch der polnischen Arbeitgeberverbände Fälle von Zwangsarbeit identifizieren konnten, siehe dazu im Detail CAS (2017: 15 Part II/25) und die Stellungnahmen der polnischen Gewerkschaft in CAS (2017: 15 Part II/26).

  7. 7.

    Zwangsarbeit in Zentralasien wird auch privatwirtschaftlich ausgestaltet und steht insbesondere im Zusammenhang mit Migrationsdruck, Vermittlungsagenturen und Systemen des Trafficking, Transkript 10 (2018). Diese Formen der Zwangsarbeit werden für den Fall Turkmenistans allerdings nicht diskutiert. Dies ist deshalb auffällig, weil staatliche Zwangsarbeitssysteme zum Arbeitsplatzverlust führen können, was wiederum den Druck erhöht, für Arbeit zu emigrieren.

  8. 8.

    Die Einfachzählung war notwendig, da das Format der Berichte dazu führen konnte, dass eine thematische Überschneidung in MaxQDA mehrfach gekennzeichnet werden musste. Da allerdings mehrere Übereinkommen zu einem ILO „subject“ zusammengefasst werden, kann es in einem Bericht mehrfach zur selben thematischen Überschneidung kommen.

  9. 9.

    2009–2018, wobei der Bericht von 2012 unvollständig ist und daher nicht herangezogen wird.

  10. 10.

    Dabei zeigt bereits die kurze historische, einleitende Darstellung der ILO-Genese und des Ziels internationaler Arbeitsstandards, dass soziale Errungenschaften des Arbeitsrechts sich auch in Europa nicht quasi-funktional durch marktwirtschaftliche Entwicklungen und die Realisierung von Freiheits- und Abwehrrechten herausbildeten, sondern durch politische Forderungen und Geltendmachung von Interessen auch gegen die Gegenwehr staatlicher und unternehmerischer Positionen verwirklicht wurden.

  11. 11.

    Der Verweis auf marktliberale Reformen umspannt also ein normatives Gefüge aus Strategien der Privatisierung und Maßnahmen zur Realisierung der Good Governance, die insbesondere den Schutz von Eigentumsrechten und die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Verträgen in den Blick nehmen.

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Drubel, J. (2022). Internormative Beziehungen (UV2). In: Das ILO-Zwangsarbeitsverbot in der globalisierten Wirtschaft . Globale Politische Ökonomie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38981-9_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-38981-9_12

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-38980-2

  • Online ISBN: 978-3-658-38981-9

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