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Die ILO und das Ziel internationaler Arbeitsstandards

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Das ILO-Zwangsarbeitsverbot in der globalisierten Wirtschaft

Part of the book series: Globale Politische Ökonomie ((GPÖ))

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Zusammenfassung

Im folgenden Kapitel soll die ILO in ihrer Entstehungsgeschichte kurz beleuchtet werden, um die ihrer Gründung zugrunde liegenden Motivationen abbilden zu können. Außerdem sollen die sozialen Menschenrechte sowie das ILO-Zwangsarbeitsverbot hier eingeführt werden, um das heutige Engagement der ILO für menschenwürdige Arbeit darzulegen. Damit kann das hier beschriebene Engagement der ILO der anhaltend hohen Zahl von Zwangsarbeit Betroffener gegenüber gestellt werden. Inwiefern die ILO durch Kontinuität oder Brüche in ihrem Ziel der Ausgestaltung internationaler Arbeitsstandards geprägt ist, erlaubt es, sie im größeren normativen Kontext zu verorten, – auch indem ihr Verhältnis zu anderen Organisationen und deren politischen Zielen ausformuliert werden kann.

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Notes

  1. 1.

    Diese Positionen erklären damit auch die unterschiedliche Anerkennung, die politische Menschenrechte, also die bürgerlich-liberalen Freiheits- und Abwehrrechte, gegenüber Menschenrechten der zweiten und dritten Generation, also der ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte sowie den Kollektivrechten genießen. Erstere sind global widerspruchslos anerkannt, es herrscht ein „common sense“; siehe Lawrence (2014: 15), während die sozialen Menschenrechte hinterfragt und ihre Realisierung an Bedingungen und Zweckmäßigkeit geknüpft werden, entgegen dem Anspruch der Unteilbarkeit der Menschenrechte. Die Menschenrechte erster Generation bilden die Grundlage funktionierender kapitalistischer Gesellschaftsformen und finden so auch Einlass in die Überlegungen zur „Neuen Institutionenökonomik“, insbesondere in Form von Eigentumsrechten; vgl. North (1986); Menrad/Shirley (2005); Harriss et al. (1995) und den Armutsbekämpfungsprogrammen beispielsweise der Weltbank. Während soziale Menschenrechte häufig mit Blick auf die vorhandenen Kapazitäten zur Normrealisierung relativiert werden.

  2. 2.

    Der Text der ILO-Verfassung ist 1922, 1945, 1953, 1962 und 1972 angepasst worden.

  3. 3.

    Originaltext der ILO-Verfassung in der heutigen, englischen Formulierung: „And whereas conditions of labour exist involving such injustice, hardship and privation to large numbers of people as to produce unrest so great that the peace and harmony of the world are imperilled; and an improvement of those conditions is urgently required; […] [w]hereas also the failure of any nation to adopt humane conditions of labour is an obstacle in the way of other nations which desire to improve the conditions in their own countries“.

  4. 4.

    Bereits die Art. 55–56 der UN-Charta halten alle Mitgliedsstaaten dazu an, bessere Lebensstandards, Vollbeschäftigung, und vorteilhafte Bedingungen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu etablieren. Zudem werden der universelle Respekt und die Einhaltung der Menschenrechte gefordert.

  5. 5.

    Darüber hinaus werden im Sozialpakt weitere Normbestandteile menschenwürdiger Arbeit, wie sie die ILO seit 1999 definiert, abgebildet, nämlich ein Verbot missbräuchlicher Arbeit, die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen, der besondere Schutz von Kindern und das Diskriminierungsverbot. Art. 8 (Sozialpakt) beinhaltet das Recht, Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten. Gewerkschaften müssen unabhängig sein und dürfen vom Streikrecht Gebrauch machen. Rechte von Gewerkschaften dürfen nur durch Gesetze beschränkt werden. Rechtsschranken gegen Gewerkschaftsrechte dürfen nur demokratisch legitimiert und ausschließlich zur Sicherung der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz der Rechte Dritter erlassen werden. Darüber hinaus stellt der Sozialpakt Rechte für Kinder bereit, die diese vor ökonomischer und sozialer Ausbeutung schützen sollen (Art. 10, Art. 10(3) Schutz von Kindern und jungen Personen). Er umfasst das Recht für Frauen auf bezahlten Schwangerschaftsurlaub vor und nach der Entbindung und ein Recht auf soziale Sicherung.

  6. 6.

    Die Definition lautet „the term forced or compulsory labour shall mean all work or service which is exacted from any person under the menace of any penalty and for which the said person has not offered himself voluntarily“, siehe ILO (1930a: Art. 2.1).

  7. 7.

    Die Dokumentation dieser Berichte endet 2011.

  8. 8.

    Dies war eine Zusammenführung des International Programme on the Elimination of Child Labour (IPEC) und der Abteilung Declaration. Bis mindestens 2015 war hier auch das Special Action Programme to combat Forced Labour (SAP-FL) angesiedelt, siehe SAP-FL (2015).

  9. 9.

    Siehe hierzu beispielsweise Allain/Hickey (2012) zur Befürwortung der Definition von Sklaverei durch Eigentumsrechte.

  10. 10.

    Ein Thema, das die ILO aus strategischen Gründen nicht als Regulierungsgegenstand wahrgenommen hat, da sie die Vermittlung von Arbeit als genuin öffentliche Aufgabe verstanden hat und sich daher gegen eine Regulierung und damit Anerkennung privater Vermittlungsfirmen als legitime Akteure auf dem Arbeitsmarkt positioniert hat. Durch die stete Zunahme dieser Formen der Arbeitsvermittlung, hat die ILO schließlich doch deren Regulierung vorgenommen, siehe dazu im Detail Standing (2008).

  11. 11.

    In der neuesten Schätzung wird dies deutlich, in der von Zwangsarbeit als eine Form moderner Sklaverei gesprochen wird. Dies ist wahrscheinlich nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass man mit der Walk Free Foundation zusammengearbeitet hat, die mit ihrem Global Slavery Index stärker auf den Begriff moderner Sklaverei setzt. Außerdem ist dieser Begriff neben Trafficking prävalenter in den bereits erwähnten nationalstaatlichen Gesetzen, die sich mit der Problematik befassen und wieder auf die internationale Ebene zurückwirken, beispielsweise UK Modern Slavery Act (2015) und Australia Modern Slavery Act (2018) sowie United States Victims of Trafficking and Violence Protection Act (2000).

  12. 12.

    In der Forschung sind hier das Forschungsprogramm globaler Sozialpolitik zu nennen, welches allerdings noch sehr stark auf vergleichende Länderfallstudien setzt, da Sozialpolitik die inneren Angelegenheiten von Staaten betreffen sowie das Forschungsprogramm zur vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung.

  13. 13.

    Ein häufig angeführtes Beispiel für eine Erweiterung des Adressatenkreises über die Gruppe klassischer Arbeiter hinaus, ist die „Domestic Workers Convention“ der ILO. Hier definiert die ILO nicht-klassische Arbeit zum ersten Mal als Teil der normativen Gegenstandsbereiche, vgl. Vosko (2002); Tomei/Belser (2011). Standing (2008: 358) fasst die Verkürzung der ILO auf formale Anstellungsverhältnisse eines männlichen Hauptverdieners eindrucksvoll anhand des Übereinkommens Nr. 102 zusammen: „the Convention that most captured the ILO’s ethos was the pivotal Convention on Social Security No 102 of 1952 [which] has remained the ILO’s primary Convention on social protection for more than fifty years[.] […] The model guiding the Convention is social insurance, based on formal employment, and it uses all-too-familiar terminology, focusing on ‘the breadwinner’ who is clearly ‘the skilled manual male employee’ (Article 65[6])“.

  14. 14.

    Dies wurde bereits sichtbar erstens im Begriffsverhältnis von moderner Sklaverei, der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und Zwangsarbeit zueinander, zweitens in der ordnenden Rolle der Kernarbeitsnormen, drittens in der Pfadabhängigkeit normativer Bedeutungen und viertens in der Ausgestaltung der SDGs, die Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit in eine ungeklärte Beziehung zueinander setzen.

  15. 15.

    Auch das ILO-Außenverhältnis ist maßgeblich durch diese strategische Neuausrichtung entlang der DWA gekennzeichnet. Di Ruggiero et al. (2014: 6) beschreiben mithilfe von Experteninterviews, wie es der ILO gelang, durch das wiederkehrende Thematisieren des Konzeptes menschenwürdiger Arbeit beim Chief Executive Board (dort kommen die Leitungen der UN-Agenturen zusammen) über 30 UN-Spezialagenturen dazu zu bewegen, im Rahmen der System-wide Coherence das Konzept zu übernehmen.

  16. 16.

    Vgl. WD 6: Arbeit und Soziales (2016: 5 ff.) zur Übersetzung der Begriffe Representation und Complaint.

  17. 17.

    Das CFA ist kein richterliches oder juristisches Gremium. Allerdings wird es häufig als quasi-gerichtlich wahrgenommen, insbesondere aufgrund der Verfahrensregeln, die die Unparteilichkeit des Ausschusses garantieren sollen: Die Arbeitsdokumente sind vertraulich, die Sitzungen werden nicht-öffentlich abgehalten und Vertreter mit der betreffenden Nationalität oder Menschen, die offizielle Posten in der Klage vortragenden Organisation bekleiden, dürfen nicht anwesend sein.

  18. 18.

    Da das FFCC das Einverständnis des betreffenden Staates benötigte, wurde dieses Verfahren selten genutzt.

  19. 19.

    Programme zur technischen Zusammenarbeit entwickelte die ILO insbesondere im Zuge ihrer Mitgliedsentwicklung. Während bis zu Beginn der 1960er Jahre die Mehrheit der Mitgliedsstaaten auf einem ähnlichen Stand industrialisiert und ähnlich sozio-ökonomisch entwickelt waren, siehe Standing (2008), bildeten bereits Ende der 1960er Jahre Entwicklungsländer aus Afrika und Asien die Mehrheit der Mitgliedsstaaten, siehe Thomann (2011: 61 f.). Der damalige ILO-Generaldirektor Morse (1969: 46) argumentierte, dass die dreißigjährige Erfahrung der ILO „[should be made] available immediately to the developing countries [through] the provision of technical assistance, on the spot, in the countries themselves“. Morse (1969: 48) führt weiter aus, dass 1948 nur zwei Prozent des Budgets für technische Zusammenarbeit aufgewendet wurden, 1968 bereits 45 Prozent. In den 1960er Jahren wurde mit der Entkolonialisierung und der Unabhängigkeit vieler Staaten, die dann der ILO als neue Mitglieder beitraten, der Bedarf an technischer Zusammenarbeit auch vom damaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrates Weaver erneut bekräftigt, siehe ILO (1969: 279). Mit dem Ende der Sowjetunion und einer erneuten Differenzierung der ILO-Mitglieder im Verlauf der 1990er Jahre wurde die technische Zusammenarbeit erneut ausgebaut, siehe Thomann (2011).

  20. 20.

    In Zusammenarbeit mit der italienischen Regierung hat die ILO das International Training Centre in Turin eröffnet. Seit 1964 werden hier Fortbildungen über internationale Arbeitsstandards für Regierungsangestellte, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Richter und juristische Bildner angeboten. An dem Trainingszentrum in Turin ist auch die Maritime Labour Academy angesiedelt, ein Programm spezialisierter Kurse, die die Kapazitäten von Regierungen, Schiffbesitzern und Seefahrern, die Maritime Labour Convention (2006) anzuwenden, erhöhen soll, siehe ILO (2018k).

  21. 21.

    Die Webpräsenz der länderspezifischen Programme für das Jahr 2019 umfasst bisher nur 43 Programme, exklusive solcher, die bereits abgeschlossen sind. Die ILO (2019q: o.S.) erklärt: „DWCP final documents, while subject to modification if conditions change, have met the requirements for approval and can be cited as the vehicle for action“. Allerdings sind, wie beschrieben, die entsprechenden Absichtserklärungen und Schlussdokumente zum Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit noch nicht in Gänze einsehbar. So erklärt sich die Diskrepanz der beiden Tabellen.

  22. 22.

    Laut der ILO-Online-Präsenz ist der letzte Global Report 2011 veröffentlicht worden, ILO (2019c).

  23. 23.

    Diese Problematik besteht seit Beginn des ILO-Engagements zur Bekämpfung von Zwangsarbeit. Das Vermengen von Konzepten wie Sklaverei, Zwangsarbeit und Menschenhandel führt dabei zu immer neuen, sich aber auch widersprechenden Konzeptionen (vgl. Allain/Hickey (2012)). Der Bericht der International Commission of Inquiry into the Existence of slavery and forced labour in the Republic of Liberia (1930) stellt ein solches Beispiel dar, in dem der Begriff der „Sklaverei“ und seine Anwendbarkeit diskutiert und um besondere Konzepte erweitert wird, League of Nations (1930: 12 ff.). Das Working Paper (2002) des nicht mehr bestehenden Unterausschusses über Menschenrechte, vgl. Weissbrodt/Anti-Slavery International (2002), kategorisiert Zwangsarbeit als eine Form der Sklaverei und nennt diese neben Schuldknechtschaft, Menschenhandel und Arbeitsmigranten. Im Gegensatz dazu hat die ILO bis zu ihrer neuesten Schätzung aus dem Jahr 2017 Zwangsarbeit als Oberbegriff behandelt, der alle Formen der Sklaverei und des Menschenhandels (ausgenommen zum Zwecke der Organentnahme) beinhaltet, ILO (2012a: 19 f.).

  24. 24.

    In der Capture-Recapture-Methode arbeiten zwei Forschungsteams unabhängig voneinander an der Identifikation von Zwangsarbeitsfällen. Im Anschluss an die Erhebungen des ersten Teams beginnt das zweite Team. Die überlappenden Fälle stellen dann die Schätzung der Zwangsarbeitsfälle dar. Die Methode basiert auf den Annahmen, dass es sich um geschlossene Populationen handelt, die Fälle korrekt zugeordnet werden, dass jeder Fall mit gleichbleibender Wahrscheinlichkeit identifiziert werden kann und dass die Auswahl in der ersten Runde keinen Einfluss auf die Auswahl in der zweiten Runde hat, siehe ILO (2012b: 22 f.). Beide Teams waren für die Schätzung 2012 und 2014 besetzt mit Masterabsolventen oder Masterstudenten, die einen zweitägigen Kurs zu Zwangsarbeit und Trafficking absolvierten, „during which the relevant concepts and definitions were explained in detail“, ILO (2012b: 29). Allerdings wurde die Vielzahl der Daten aus Medienberichten und Berichten der Zivilgesellschaft erhoben, daher wurde diese Methode 2014 mit Haushaltsbefragungen unterfüttert. In den Berichten wird die Akkuratheit dieser Quellen entsprechend problematisiert, allerdings handele es sich um die „most reliable available [data] at this time“, ILO (2012b: 42).

  25. 25.

    Rottenburg/Merry (2015: 3) zeigen, dass seit den 1980er Jahren kalkulative Governanceformen weltweit prävalent werden. Dieser Prozess hat sich mit dem beginnenden 21. Jahrhundert und der Zunahme marktbasierter Governanceformen noch einmal beschleunigt. Heute, so argumentieren Broome/Quirk (2015b: 814), sei jedes bedeutendere Gebiet internationaler Politik geprägt durch diese „politics of numbers“.

  26. 26.

    Formulierungen wie akzeptable und inakzeptable Arbeit können den Blick darauf verstellen, dass es eine moralische Pflicht gibt, missbräuchliche Arbeitsverhältnisse generell zu verurteilen, unabhängig davon, ob sich die Rechtsbrüche im Bereich des öffentlichen Rechts oder des Strafrechts bewegen.

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Drubel, J. (2022). Die ILO und das Ziel internationaler Arbeitsstandards. In: Das ILO-Zwangsarbeitsverbot in der globalisierten Wirtschaft . Globale Politische Ökonomie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38981-9_10

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