Zusammenfassung
Dieser Beitrag untersucht die Twitter-Kommunikation deutscher Spitzenpolitiker*innen während des Bundestagswahlkampfes 2021. Der Text ordnet Twitter in das Arenenmodell der Öffentlichkeit ein und entwickelt Maßzahlen für den Twitter-Wahlkampf. Dabei kann die Theorie erfolgreich in das Forschungsfeld der digitalen Kommunikation implementiert werden – beispielsweise die Funktion von Hashtags zur Konstitution von Versammlungsöffentlichkeiten. Die quantitative Auswertung der von Mai bis Oktober 2021 gesammelten Tweets ergibt, dass monologische Kommunikation mehr Retweets generiert als Interaktionen. Dabei gilt nicht „Viel hilft viel“: Karl Lauterbach dominiert im Hinblick auf die Tweet-Menge und die erzeugte Reichweite, wohingegen die AfD quantitativ zurückhaltend twittert, aber dennoch viel Reichweite erzeugt. Thematisch prägen den Twitter-Wahlkampf Hashtags zu Corona, Klimaschutz und Afghanistan. Es zeigt sich zudem, dass Hashtags häufig im Kontext von Medienereignissen wie den TV-Triellen eingesetzt werden.
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Notes
- 1.
Für die vorliegende Twitter-Studie erfolgte die Auswahl dieser Sprecher*innen künstlich nach Rollen und Verantwortungen im Wahlkampf. Die natürlichen Akteursrollen sind allerdings in einem offenen Kommunikationsraum nicht a priori bestimmbar, sondern konstituieren sich durch die kommunikative Handlung der entsprechenden Kommunikator*innen.
- 2.
Die private digitale Kommunikation via Twitter in Form von Direct Messages ist in diesem Kontext nicht relevant.
- 3.
Die Option, größere Reichweiten zu kaufen, ändert nichts an der Tatsache, dass jeder Account im Kern gleich aufgebaut ist: Der Twitter-Account von US-Präsident*innen oder Bundeskanzler*innen besitzt das gleiche Layout, unterliegt der gleichen Zeichenzahl und hat mit Likes und Retweets die gleichen Kommunikationsmöglichkeiten wie jeder Laien-Account.
- 4.
Die Datensammlung erfolgte wöchentlich mit MAXQDA Plus: Das Programm erlaubt den Import von Tweets und ihren Metadaten, rückwirkend für die letzten sieben Tage. Die Datensammlung umfasst somit 22 Stichtage.
- 5.
Datum/Uhrzeit, Tweet-Inhalt, Hashtags, Tweet-Typ, Reply: auf wessen Tweet geantwortet wurde, Twitter-Autor, Realname, Ort, Zeitzone, URL zum Profil, Profilbeschreibung, Follower, Follows, bisherige Tweet-Menge, Profilbestätigung, Erstelldatum des Profils, Retweets, Likes, Sprache, Quelle, Koordinaten.
- 6.
Bei Erhebungen von SNS-Daten zu einem einzigen Stichtag besteht das Problem, dass Maßzahlen wie Likes und Retweets bei älteren Inhalten schon deshalb höher sind als bei neueren Inhalten, da die älteren Inhalte länger zirkulieren. Bei der wöchentlichen Datensammlung besteht dieses Problem in geringerem Maß, da jeder Tweet maximal die Likes oder Retweets einer Woche ansammeln konnte. Lediglich Tweets, deren Erstellungs-Zeitpunkt sehr nahe am Import-Zeitpunkt liegt, haben noch nicht die Menge an Publikums-Engagement generiert, die sie möglicheiweise nach einiger Zeit gehabt hätten.
- 7.
Sobald ein*e User*in in einer Woche nicht twittert, entsteht ein Systematisierungsproblem im Datensatz, weshalb der Account von Janine Wissler aus der endgültigen Auswertung gestrichen wurde.
- 8.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Accounts in allen Abbildungen absteigend nach Tweet-Menge angeordnet.
- 9.
Außerdem spielen algorithmenbedingte Faktoren oder Werbeplatzierung eine Rolle, die allerdings im Rahmen dieses Beitragskeine weitere Betrachtung finden.
- 10.
Lauterbach verwendet ausschließlich den Hashtag #longcovid.
- 11.
Im Zuge der Hochwasserkatastrophe in der letzten Juli Woche 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erreicht der Hashtag #klimaschutz seinen Höhepunkt. Da dieses Hochwasser oft in Verbindung mit dem Thema Klimaschutz diskutiert wurde, besteht zwischen diesem Ergebnis und dem Twitter-Trend ein möglicher Zusammenhang.
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