Gestaltung von Stadt und Gesellschaft durch Bauträgerwettbewerbe?

Zusammenfassung

Der Wiener Bauträgerwettbewerb, über den die Stadt seit den 1990er Jahren Fördermittel und Grundstücke vergibt, gilt aus städteplanerischer und stadtpolitischer Perspektive als international einzigartiges Instrument für die Produktion von sozialem Wohnraum, in dem die Aushandlung des Verhältnisses zwischen Markt und Staat eine höchst spezifische Form erhält. Auf Basis von qualitativen Interviews mit Teilnehmer*innen, Jurymitgliedern und Organisator*innen sowie der Analyse von Selbstpräsentationen des für die Durchführung verantwortlichen Wohnfonds Wien zeigt der Beitrag, dass der Bauträgerwettbewerb zwar in seiner Form die Diagnose einer neoliberalen Verwettbewerblichung der Produktion von Wohnraum stützt. Sein Inhalt, der mit der Vorgabe bestimmter Qualitätskriterien durch die Stadt auf die Umsetzung eines spezifischen Verständnisses des Sozialen abzielt, lässt ihn jedoch zugleich als Weiterführung paternalistischer Wohnraumproduktion des Roten Wiens erscheinen und schränkt Dynamiken des Marktwettbewerbs in der Wohnraumproduktion ein. In diesem Spannungsfeld bleibt das durch den Bauträgerwettbewerb etablierte Verhältnis zwischen Markt und Staat letztlich Gegenstand wiederkehrender Aushandlungsprozesse, die sich in der konkreten Ausgestaltung des institutionellen Wettbewerbsformats und letztlich der Praxis des Wettbewerbs manifestieren.

Abstract

In Vienna, since the 1990s, subsidies and building grounds for social housing are partly allocated through the so-called “developers’ competitions”. In urban planning and policy, these are seen as an internationally unique instrument for the development of social housing which establishes a highly specific relationship between market and state. On the basis of qualitative interviews with participants, jurors, and organizers and through the analysis of self-representations of the Vienna Housing Fund (Wohnfonds Wien) responsible for the administration of the competition, this paper shows that, regarding its competitive form, the developers’ competition can be interpreted in terms of a process of increasing neoliberal competitization. As its content, however, addresses a specific understanding of the social that is reflected in quality criteria defined by the municipality, the developers’ competition at the same time appears as a continuation of the paternalistic housing production of Red Vienna and as a means to impede market competition in the production of housing. This tension in the relationship between market and state established through developers’ competition is a field of recurring negotiations which are reflected in small-scale changes in the institutional format as well as in the concrete practice of the competition.

Der Beitrag entstand im Rahmen des vom FWF geförderten (ZK-60) Forschungsprojektes SPACE (Spatial Competition and Economic Policies), welches sich der Wohnraumsuche und den Aushandlungen von Wohnraum als lebensweltlicher Ressource und ökonomischer Ware aus einer Perspektive auf Wettbewerb und Kompetitivität widmet und untersucht, welche Effekte die Zunahme von Wettbewerbslogiken im Feld des Wohnens haben.