Zusammenfassung
Jean-Claude Beineix’ Film Diva (1981) wird aus einer musiktheaterwissenschaftlichen, genauer: opernforschenden und medienreflexiven Perspektive diskutiert. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Themen: erstens die Auftritte der Aufzeichnungs- und Abspielapparaturen und zweitens die Spezifik von Oper als Live-Medium und die darin begründete Dichotomie zwischen der Unwiederholbarkeit der Live-Kunst Oper einerseits und dem Wunsch und der Sehnsucht nach Wiederholung auf der anderen Seite.
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Notes
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Das weite Panorama der verschiedenen Perspektiven, durch die Diva in der Forschung betrachtet und analysiert wurde (etwa in Bezug auf psychoanalytische Ansätze, auf gender und race, auf politische Implikationen etc.), überblickt das Diva-Kapitel in Phil Powries Beineix-Monographie (Powrie 2001, S. 28–73). Die in der Forschung am weitesten verbreitete Perspektive zu Diva ist die Diskussion im Kontext des cinéma du look (siehe insbesondere Allmer 2004) und der Postmoderne (siehe insbesondere Jameson 2002 (1982). Es wäre vielversprechend, mit Kay Kirchmann darüber zu diskutieren, wie sich Jamesons Analyse der medien- und bildreflexiven Momente in Diva (Jameson 2002 (1982), S. 27, S. 29) zu Kirchmanns luzider Unterscheidung von Selbstreflexivität und Selbstreferentialität verhält (Kirchmann 1994). – Für ihre kritischen, konstruktiven und inspirierenden Kommentare möchte ich mich bei Sven Grampp und Nicole Wiedenmann herzlich bedanken.
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Inwiefern es sich bei ‚Oper‘ um ein ‚Medium‘ handelt (oder nicht vielmehr um eine Kunstform oder Gattung, die verschiedene Medien in sich vereint) und dass die Formulierung „die Medien Oper und Opernaufzeichnung“ eigentlich unscharf ganz verschiedene Ebenen in eine Reihe zwingt, könnte ausführlich diskutiert werden, müsste aber an anderer Stelle geleistet werden.
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Thiele erwähnt Diva selbst auch, allerdings angesichts der Vielzahl an Filmen, die er heranzitiert, verständlicherweise nur in zwei kurzen Bemerkungen (2014, S. 189, S. 192). Thiele betont, dass Diva „gleich zwei Tonbänder zirkulieren [lässt]: einerseits eine Tonbandspule mit dem heimlichen Mitschnitt eines Opernkonzerts […]; andererseits eine Audiokassette mit belastenden Zeugenaussagen“ (S. 189). Was die Bemerkung verdeutlicht, ist, dass Diva es nicht bei der für sich genommen schon ausreichend spannenden (für eine opernforschende Perspektive allemal ausreichend spannenden) Thematisierung der Piratenaufnahme einer Opernstimme belässt, sondern die Affäre Opernstimmentonband noch mit der Affäre Kassette virtuos verschränkt. Vgl. dazu auch Distelmeyer 2014, S. 340, der zurecht bemerkt, dass der „Walkman in Filmen wie […] Diva […] ein eigenes Thema [wäre].“
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Es wäre lohnenswert, diese Beobachtung mit den verschiedenen Spielarten von Wiederholung und Serialität, die Umberto Eco in seinem Text „Die Innovation im Seriellen“ (1993 (1983)) diskutiert hat, in einen Dialog zu bringen.
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http://www.youtube.com/watch?v=tGRfVynf0GM, zugegriffen: 7. August 2021.
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Mit Michel Poizat (2002) könnte man diese Lust an der Wiederholung, an der wiederholten Erfahrung einer gleichen Stelle und/oder Sängerin auch dem nie zu stillenden Verlangen zuschreiben, noch einmal den ersten Schrei zu tun, den man nach der Geburt getan hat, bzw. diesen überraschenden, schockhaften, lusterfüllten Moment noch einmal zu erleben.
Literatur
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Risi, C. (2023). Ein dreifacher Auftritt mit Medienreflexion und Wiederholung. In: Grampp, S., Podrez, P., Wiedenmann, N. (eds) Medien | Zeiten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38688-7_17
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