Skip to main content
  • 193 Accesses

Zusammenfassung

Von „westlichen“ Zuschreibungen ausgehend, die die Praxis der Herstellung von Schrumpfköpfen (tsantsa) als barbarisches, allenfalls exotisches Ritual in den Blick nehmen, fragt der Artikel nach der binnenkulturellen Perspektive innerhalb der Ethnie der Aénts Chicham, bei der diese Praxis üblich war. Es zeigt sich, dass der tsantsa, obwohl seine Anfertigung längst aus der Übung gekommen, zu einem positiv konnotierten Identitätsmarker für die eigene Kultur geworden ist; dabei reflektiert diese Interpretation durchaus „westliche“ Sichtweisen. Gleichzeitig resultiert das anhaltende Interesse von Nicht-Indigenen an tsantsas, welches bis zu Auftragsmorden führt, wiederum in einer Rückprojizierung negativer Zuschreibungen durch die Shuar auf die „Weißen“. Jedenfalls wird die neu gefundene Rolle des tsantsa zu einem Beleg für kulturelle Hybridität.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 29.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Similar content being viewed by others

Notes

  1. 1.

    Auf der Tagung Yápankam‘ – Las Voces de la Investigación en la Alta Amazonía Ecuatoriana im ecuadorianischen Sevilla Don Bosco im April 2018 haben intellektuelle und politische Führer der Shuar sowie mehrere WissenschaftlerInnen der „Jívaro“ bzw. „Jíbaro“-Forschung beschlossen, auf eben dieses Xenonym zu verzichten und nunmehr den Terminus Aénts Chicham anstatt „Jívaro“/„Jíbaro“ zu verwenden – in Bezug sowohl auf die Nennung der Ethnie als auch der Sprachgruppe (Deshoullière und Utitiaj Paati 2019).

  2. 2.

    Übersetzung ins Deutsche: „Anstoß zu einer Bildung mit eigener Identität“.

  3. 3.

    Diesen Titel, allerdings mit einem Fragezeichen versehen, trägt der Katalog der von Mark Münzel konzipierten und im Frankfurter Museum für Völkerkunde im Jahr 1977 gezeigten Ausstellung (Münzel 1977).

  4. 4.

    Auch vereinzelte Publikationen von Missionaren trugen dazu bei, die Wahrnehmung der Shuar als kriegerische Schrumpfkopfjäger zu festigen; vgl. etwa die 2002 erschienene Monographie von Frank und Marie Drown: Mission to the Headhunters – How God’s Forgiveness Transformed Tribal Enemies.

  5. 5.

    Die Bevölkerungszahl der Achuar beträgt ca. 7000 Personen (vgl. Territorio Indígena y Gobernanza, online).

  6. 6.

    Knapp zwei Wochen nach Beginn der Demonstrationen, Straßensperrungen und Streiks sowie der zeitweiligen Verlegung des Regierungssitzes von Quito nach Guayaquil hob der damalige Staatspräsident Lenín Moreno das Dekret 883, welches die staatliche Subvention von Benzin beenden sollte, wieder auf. An dieser Entscheidung, die gleichbedeutend mit dem Ende aller Proteste war, war der wichtigste indigene Dachverband des Landes, die CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador), maßgeblich beteiligt.

  7. 7.

    Eine Ausnahme bildeten etwa „Krankheiten des weißen Mannes“ wie Keuchhusten, Masern, Erkältungen, Durchfall (Harner 1984, S. 152 f.).

  8. 8.

    Für eine prägnante und kurze Zusammenfassung möglicher Erklärungsversuche: vgl. Rubenstein 2004, S. 17.

  9. 9.

    Der Grund für die mehrheitliche Ermordung von indigenen Frauen war ihre zumeist lange Haartracht. Zwar tragen noch viele Achuar-Männer zumindest schulterlanges Haar, aber nur noch sehr weniger Shuar-Männer. Doch nur ein tsantsa mit langen Haaren hatte wohl die Chance, von internationalen KäuferInnen als „authentischer“ Schrumpfkopf eines Shuar-Kriegers aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anerkannt zu werden (vgl. Online-Beitrag von El Mundo am 13.12.09).

  10. 10.

    Zur weiteren Darlegung und Diskussion der Re-Kontextualisierung und Re-Interpretation von kulturellen indigenen Symbolen und Riten, der Kosmologie sowie Mythologie der Shuar durch indigene KonvertitInnen und christliche MissionarInnen siehe: Meiser 2013.

  11. 11.

    Ich selbst wurde das letzte Mal im Sommer 2012 mit der Schrumpfkopf-Mafia konfrontiert, als mich auf den Straßen der Provinzhauptstadt Macas ein fremder Mann ansprach und fragte, ob ich Interesse an einem tsantsa hätte; in diesem Fall könne man gerne ins Geschäft kommen. Ich verneinte und meldete den Fall anonym den Behörden. Seit einigen Jahren sind mir keine weiteren Gewalttaten in der Region bekannt geworden, von denen vermutet wird, dass sie durch Mitglieder der so genannten Schrumpfkopf-Mafia begangenen wurden.

  12. 12.

    In ähnlicher Weise argumentieren Schlehe et al. (2013) in Bezug auf den indonesischen Kontext: Unterschiedliche Imaginationen „des Westens“ führen zu mannigfachen Vorstellungen über das eigene indonesische „Selbst“.

Literatur

  • Appadurai, A. 20088. Modernity at large. Cultural dimensions of globalization. Minneapolis [u. a.]: University of Minnesota Press.

    Google Scholar 

  • Bhabha, Homi K. 2007. Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg Verlag.

    Google Scholar 

  • Boster, James S. 2003. Blood feud and table manners. A Neo-Hobbesian approach to Jivaroan warfare. Antropologica 99–100: 153–164.

    Google Scholar 

  • Buitro, N. und G. Deshoulliere. 2019. The Shuar writing boom: Cultural experts and the creation of a ‘scholarly tradition’. Tipití – Journal of the Society for the Anthropology of Lowland South America 16(2): 175–194.

    Google Scholar 

  • Descola, P. 1996. Leben und Sterben in Amazonien. Bei den Jívaro-Indianern. Stuttgart: Klett-Cotta.

    Google Scholar 

  • Deshoullière, G. und S. Utitiaj Paati. 2019. Acerca de la declaración sobre el cambio de nombre del conjunto Jívaro. Journal de la Société des Américanistes 105(2): 167–179.

    Article  Google Scholar 

  • Drown, F. und M. Drown. 2002. Mission to the headhunters. How god’s forgiveness transformed tribal enemies. Ross-shire: Christian Focus Publications Ltd.

    Google Scholar 

  • Fabian, J. 1983. Time and the other. How anthropology makes its object. New York: Columbia University Press.

    Google Scholar 

  • Fausto, C. 2012. Warfare and shamanism in Amazonia. New York [u. a.]: Cambridge University Press.

    Google Scholar 

  • Fausto, C. und D. Rodgers. 1999. Of enemies and pets. Warfare and shamanism in Amazonia. American Ethnologist 26(4): 933–956.

    Google Scholar 

  • Harner, M. 1984. The Jívaro. People of the sacred waterfalls. Berkeley [u. a.]: University of California Press.

    Google Scholar 

  • Juncosa Blasco, J. 2020. Civilizaciones en disputa. Educación y evangelización en el territorio Shuar. Quito: Universidad Andina Simón Bolívar, Sede Ecuador [u. a.]

    Google Scholar 

  • Karsten, R. 1935. The head-hunters of Western Amazonas. The life and culture of the Jibaro Indians of Eastern Ecuador and Peru. Helsingfors: Helsingfors Centraltryckeriet.

    Google Scholar 

  • Latour, B. 2008. Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Mader, E. 1994. Deviance, conflict and power in Shuar-Achuar society. Theoretical Anthropology 0(2): [ohne Seitenangaben].

    Google Scholar 

  • Mader, E. und R. Gippelhauser. 2000. Power and kinship in Shuar and Achuar society. In Dividends of kinship meanings and uses of social relatedness, Hrsg. Peter P. Schweitzer, 61–91. London [u. a.]: Routledge.

    Google Scholar 

  • Mader, E. und F. Sharup‘. 1993. Strategien gegen Ausgrenzung und Assimilierung. Die Föderation der Shuar und Achuar im ekuadorianischen Amazonasgebiet“. In Kultur, Identität und Macht. Ethnologische Beiträge zu einem Dialog der Kulturen, Hrsg. Thomas Filitz, Andre Gingrich, Rasuly-Paleczek, 109–122. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation.

    Google Scholar 

  • Meiser, A. 2013. „Ich trinke aus zwei Flüssen“. Zur Logik transkultureller Prozesse bei christlichen Achuar und Shuar im oberen Amazonien. Stuttgart: Kohlhammer.

    Google Scholar 

  • Meiser, A. [2023]. Etsa und Iwia in Kirche und Kaserne. Amazonische Mythen als interkulturelle Kontaktzone. In Urwälder Lateinamerikas. Lebenswelten, Kontaktzonen, fragile Biotope, Hrsg. Sergej Gordon, Miriam Lay Brander. Berlin Neofelis Verlag.

    Google Scholar 

  • Münzel, M. 1977. Schrumpfkopf-Macher? Jíbaro-Indianer in Südamerika [Roter Faden zur Ausstellung 4]. Frankfurt am Main: Museum für Völkerkunde.

    Google Scholar 

  • Neumann, S. 1994. „Sólo unidos somos fuertes“. Entstehung und Festigung ethnisch-politischer Organisationen im Tiefland von Ecuador am Beispiel der „Federación de Centros Shuar“. Bonn: Holos Verlag.

    Google Scholar 

  • Peers, L. 2011. Shrunken heads. Oxford: University of Oxford.

    Google Scholar 

  • Pellizzaro, S. und F.O. Náwech. 20052. Chicham diccionario Shuar-Castellano. Quito: Abya Yala.

    Google Scholar 

  • Rubenstein, S. L. 2004. Shuar migrants and shrunken heads, face to face in a New York Museum. Anthropology Today 20(3): 15–18.

    Article  Google Scholar 

  • Rubenstein, S. L. 2007. Circulation, accumulation, and the power of Shuar shrunken heads. Current Anthropology 22(3): 357–399.

    Google Scholar 

  • Schlehe, J. 2009. Zur Inszenierung nationaler, lokaler und religiöser Identität in indonesischen Kulturparks. In Form, Macht, Differenz. Motive und Felder ethnologischen Forschens, Hrsg. Elfriede Hermann, Karin Klenke, Michael Dickhardt, 165–179. Universitätsverlag Göttingen.

    Google Scholar 

  • Schlehe, J. 2011. Cultural politics of representation in contemporary Indonesia. European Journal of East Asian Studies 10: 149–167.

    Article  Google Scholar 

  • Schlehe, J. 2013. Concepts of Asia, the West and the Self in contemporary Indonesia. An anthropological account. South East Asia Research 21(3): 497–515.

    Google Scholar 

  • Schlehe, J., M. V. Nertz und V.I. Yulianto. 2013. Re-imagining ‘the West’ and performing ‘Indonesian Modernities’. Muslims, Christians and paranormal practitioners. Zeitschrift für Ethnologie 138: 3–22.

    Google Scholar 

  • Schlehe, J. und E. Sandkühler. 2014. Introduction. Religion, tradition and the popular in Asia and Europe. In Religion, tradition and the popular. Transcultural views from Asia and Europe, Hrsg. Judith Schlehe, Evamaria Sandkühler, 7–25. Bielefeld: Transcript.

    Google Scholar 

  • Schlothauer, A. 2011. Tatort Sankt Gallen 2010. Von schreibenden Schweizer Schrumpfköpfen und sauren Gurken. Kunst & Kontext 2: 54–57.

    Google Scholar 

  • Stirling, M. W. 1938. Historical and ethnographical material on the Jivaro Indians. Washington: U.S. Government Print. Office.

    Google Scholar 

  • Taylor, A. 1993. Remembering to forget. Identity, mourning and memory among the Jívaro. Man. New Series 28(4): 653–678.

    Google Scholar 

  • Taylor, A. 1996. The soul’s body and its states. An Amazonian perspective on the nature of being human. The Journal of the Royal Anthropological Institute 2(2): 201–215

    Google Scholar 

  • Uvidia C. und S. Miryam. 2017. El conflicto del Alto Cenepa de 1995 y sus repercusiones en el aspecto social del Ecuador. Quito: Universidad Central del Ecuador [Online-Publikation: http://www.dspace.uce.edu.ec/handle/25000/11425].

  • Wasserstrom, R. 2016. Waorani warfare on the Ecuadorian frontier. The Journal of Latin American and Carribbean Anthropology 21(3): 497–516.

    Article  Google Scholar 

Internetquellen (Zeitungsartikel & Websites)

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Anna Meiser .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2023 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Meiser, A. (2023). Faszination tsantsa? Interkulturelle Perspektiven auf die Schrumpfkopfpraxis bei den Shuar. In: Lücking, M., Meiser, A., Rohrer, I. (eds) In Tandem – Pathways towards a Postcolonial Anthropology | Im Tandem – Wege zu einer postkolonialen Ethnologie . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38673-3_15

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-38673-3_15

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-38672-6

  • Online ISBN: 978-3-658-38673-3

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics