Das deutsche Parteiensystem befindet sich, ebenso wie Teile seiner WählerschaftFootnote 1, in einem Umbruch. Galt es über Jahrzehnte als Hort vergleichsweise hoher Stabilität (Grabow und Pokorny 2018, S. 3), mehren sich zuletzt Veränderungen einschneidender Natur. Setzte nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland zunächst eine Konzentrationsphase bis Anfang der 1960er Jahre ein (Alemann 2018, S. 74–75), bei der sich mit der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) und ihrer bayerischen Schwesterpartei, der Christlich-Sozialen Union in Bayern e. V. (CSU), der Freien Demokratischen Partei (FDP) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) „sehr schnell ein stabiles Zweieinhalb-Parteiensystem“ (Oberndörfer et al. 2009, S. 257) herausbildeteFootnote 2, haben sich bis zur Bundestagswahl 2017 nur drei strukturelle Umbrüche ergeben, die die Zusammensetzung der im Bundestag vertretenen Parteien betreffen. Die erste Veränderung vollzieht sich durch den Einzug der GrünenFootnote 3 in den Deutschen Bundestag nach der Bundestagswahl 1983. Sie wird nicht nur aufgrund neuer ökologischer Schwerpunkte ersichtlich, welche fortan durch die Partei im Parlament eine Stimme erhalten. Auch durch „ihr äußeres Erscheinungsbild, das zum Teil durch lange Bärte, Latzhosen und Strickpullis geprägt war, setzten sich die Ökologen (…) deutlich von den Mandatsträgern der anderen Parteien ab“ (Weckenbrock 2017, S. 80). Mit der Bundestagswahl 1990 wird als zweite Veränderung schließlich die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), eine zunächst ostdeutsch geprägte Partei, Teil des deutschen Parlaments, die 2007 mit einer SPD-Abspaltung, der Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG), zur neuen Partei Die Linke fusioniert und alsbald auch verstärkt Wahlerfolge in Westdeutschland erzielen wird (Neu 2018, S. 384–386). Im Jahr 2009 tritt die Partei erstmals als gesamtdeutsche Linke an.

Ging man jahrelang von einer zunehmenden Pluralisierung und wachsenden Polarisierung des deutschen Parteiensystems aus, wird dieser Trend mit der Bundestagswahl 2013 – als dritte Veränderung – insofern umgekehrt, als dass die Traditionspartei FDP erstmals auf Bundesebene an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert (Grabow und Pokorny 2018, S. 10) und in der Folge ihre parlamentarische Präsenz im Deutschen Bundestag einbüßt (Schoen und Weßels 2016, S. 14). Durch die darauffolgende Bundestagswahl 2017 ergeben sich erneut weitreichende Veränderungen, zieht hier nicht nur die FDP mit über zehn Prozent der Wählerstimmen wieder in den Bundestag ein, sondern auch die Alternative für Deutschland (AfD), welche ebenfalls noch bei der vorangegangenen Bundestagswahl 2013 knapp an der Sperrklausel gescheitert ist (Faas und Klingelhöfer 2019, S. 919–920). Daraus ergibt sich nicht nur die seit über 60 Jahren höchste Anzahl an im Bundestag vertretenen Parteien (Wurthmann et al. 2020, S. 1), sondern auch, dass erstmals seit 1957 einer Partei der Einzug in den Bundestag gelingt, die sich explizit rechts der Unionsparteien positioniert (Dilling 2018, S. 84). Doch wie sind diese Veränderungen in der Struktur des deutschen Parteiensystems zu erklären?

Die Entstehung neuer Parteien oder auch eine zunehmende Volatilität im Wahlverhalten sind nicht selten auf Phänomene zurückzuführen, die sich nicht auf eine singuläre territoriale Einheit begrenzen lassen. Im Gegenteil ist es beispielsweise so, dass westliche Gesellschaften gleichermaßen „in den vergangenen vier Jahrzehnten einen tiefgreifenden Kulturwandel erlebt [haben]. Neue Lebensformen, gleichgeschlechtliche Ehen, Chancengerechtigkeit der Geschlechter, Multikulturalismus und ökologische Fragen“ (Merkel 2017a, S. 17) sind dabei immer weiter in den Vordergrund gerückt. Vormals bestehende gesellschaftliche Konfliktmuster sind dabei zwar keineswegs verdrängt worden, jedoch einer zunehmenden Pluralisierung und Fragmentierung von Wertmustern und Interessenlagen gewichen (van Deth 1995, S. 3). Dies ist insofern von herausragender Bedeutung, da Werte und dazugehörige gesellschaftliche Wertmuster als solche „fundamental wichtig für den Zusammenhalt und für die Leistungsfähigkeit sozialer Gebilde und ganzer Gesellschaften“ (Hillmann 2001, S. 15) sind. Vor allem treten die auf unterschiedlichen Wertmustern beruhenden gesellschaftlichen Konfliktlinien nicht nur im Wahlverhalten zutage (Schmidt 2007, S. 99), sondern formen darüber hinaus auch den politischen Wettbewerb ebenso wie Parteiensysteme in ihrer Gänze (Lacewell und Merkel 2013, S. 72). Die Veränderungen von Wertmustern, die sodann im Wahlverhalten ersichtlich werden, drückten sich beispielhaft in den 1980ern durch die Gründung grüner oder grün-alternativer Parteien in nahezu allen Demokratien Westeuropas aus (Müller-Rommel 1993).

So ist es keineswegs verwunderlich, dass Werte in der Lage sind, gesellschaftliche und politische Phänomene oder Wandlungsprozesse in einem beachtlichen Ausmaß zu erklären (Roßteutscher 2004, S. 787). Sofern sie in Form von Wertorientierungen zu einem Orientierungspunkt politischen Handelns werden, sind sie zudem als Essenz eben dieser zu verstehen (Roßteutscher und Scherer 2013a, S. 67). Bei der gängigsten Form jenes politischen Handelns, von der hier die Sprache ist, handelt es sich primär um Wahlen, die zur einzigen Form politischer Partizipation geworden sind, an der sich große Bevölkerungsteile beteiligen (Nohlen 2009, S. 28). So haben sich Wahlen – neben Parteien – zu einem zentralen Element repräsentativer Demokratien entwickelt (Hartmann 2011, S. 43; Wassermann 1986, S. 87). Die Freiheit der Bürger, sich zu Organisationen zusammenschließen und ihre Meinung frei artikulieren zu dürfen, sowie das Recht, im Wettbewerb um Unterstützung werben zu können, zählen zu zentralen demokratischen Errungenschaften (Dahl 1971, S. 3). Zu Ende des 19. Jahrhunderts bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gingen Parteien mit in der Sozialstruktur verankerten gesellschaftlichen Gruppen Allianzen ein „und machten sich zu ideologischen Wortführern der auf politische Durchsetzungen drängenden Kollektivinteressen“ (Wiesendahl 2006a, S. 75), die es zu dieser Zeit zu verteidigen galt. Parteien wurden so zu „Ausdruck sowie Träger[n] gesellschaftlicher Konflikte“ (Korte 2018a, S. 4), die diese aggregierten und im politischen Raum artikulierten, sofern ihnen durch Wahlen dafür eine entsprechende Legitimationsgrundlage gegeben wurde. Parteien sind deshalb als Katalysatoren „ideologisch-programmatischer Vorstellungen und Ziele; als Instrument der Machtausübung; als Vermittler demokratischer Legitimation; schließlich als Interessenvertreter in eigener Sache und als Rekrutierungsfeld politischer Führung“ (Jun 2013, S. 121) zu verstehen. Sie nehmen demnach die Rolle von „Vermittlungsinstanzen zwischen Bürgern auf der einen und staatlichen Strukturen auf der anderen Seite“ (Korte und Fröhlich 2009, S. 137) ein. So ist zweifelsohne festzuhalten: „Alle modernen, großflächigen Demokratien sind in der Praxis Parteiendemokratien. Ob eine Demokratie ohne politische Parteien überhaupt vorstellbar ist und funktionieren könnte, bleibt der theoretischen Spekulation überlassen, denn empirisch gibt es dafür kein Beispiel“ (Decker 2016a, S. 59).

Ging man lange davon aus, dass grundlegende Formen des politischen Handelns, wie beispielsweise die des tatsächlichen Wahlverhaltens, primär durch die Sozialstruktur determiniert werden (Lazarsfeld et al. 1944; Lipset und Rokkan 1967), so zeigt sich heute, dass das Wahlverhalten – ebenso wie politische Konfliktlinien – immer weniger strukturell manifestiert ist (Mair 2001, S. 31). Im Gegenteil ist es so, dass vielmehr von einer inhaltlichen und wertebasierten Kongruenz ausgegangen wird, die ursächlich für die Bildung langfristiger Koalitionen zwischen Parteien und spezifischen Bevölkerungsgruppen ist. Dabei müssen Parteien eine für sie aus Werten gespeiste Programmkontinuität aufweisen, die für die Wähler eine verlässliche Quelle ist, um aus ihnen eine politische Erwartungshaltung abzuleiten. Werden diese Erwartungen in materieller und immaterieller Hinsicht erfüllt, stehen diese Bevölkerungsgruppen loyal zu ihrer Partei (Pappi 1979, S. 466–467). Daraus folgt, dass sich nicht nur die Mitglieder, sondern auch die Anhänger oder Wähler von Parteien im Hinblick „auf ihre Einstellungen und Werthaltungen mehr oder weniger ähneln“ (Winkler 2010, S. 217).

Wenn es demnach so ist, dass Parteien „Leitideen, Prinzipien, Maximen und Wertvorstellungen sowie weltanschauliche Überzeugungen“ (Wiesendahl 2006b, S. 7) benötigen, um entsprechende Unterstützung durch die Bürger generieren zu können, kommt Wahlen zum Ausdruck einer derartigen Unterstützung eine zentrale Rolle zu. Vor diesem Hintergrund ist individuelles Wahlverhalten als Reaktion auf das Handeln politischer Eliten – individueller sowie parteipolitisch institutionalisierter Natur – zu verstehen (Schoen 2009, S. 181), bei der die Bürger aus einer Bottom-Up-Perspektive entscheiden, welche Art von Politik sie sich wünschen und welche Partei sie demnach durch ihre Wahlentscheidung unterstützen möchten (Bowler 2017, S. 9). Hierbei spielt die bereits erläuterte Kontinuität der Kongruenz zwischen Wertvorstellungen und daraus abgeleiteten Positionen zwischen Wählern und der von ihnen präferierten Partei eine zentrale Rolle.

Die aus diesen Wertvorstellungen abgeleiteten Erwartungen unterliegen aber ebenso wie „die sozio-politische Umwelt (…) ständigen Veränderungen; aus der Konfrontation von Erwartungen und Umwelt können Zufriedenheit oder Unzufriedenheit folgen, je nachdem, welche Veränderungen erfolgen und wie sie individuell, insbesondere jedoch kollektiv bewertet werden“ (Kaase 1979, S. 344). Kompetitive Wahlen bilden demnach

„das zentrale Strukturelement, durch das sich Demokratien von anderen politischen Systemen unterscheiden. Dadurch, dass die politischen Akteure in regelmäßigem Abstand dem Votum der Bevölkerung ausgesetzt sind, soll ihre Responsivität gegenüber den Wählerwünschen gefördert und dauerhafte politische Unzufriedenheit reduziert werden“ (Westle und Niedermayer 2009, S. 11).

Die aus Wertvorstellungen abgeleiteten Wünsche der Wähler sind für Parteien Chance und Risiko zugleich. Sie können sich zu sehr konkreten Politikinhalten weitestgehend flexibel positionieren, eine Verschiebung entlang zentraler gesellschaftspolitischer Konfliktlinien kann allerdings nur allmählich vollzogen werden und ist ausgesprochen selten (Hooghe und Marks 2018, S. 112). Parteien müssen sich demnach immer wieder neuen Herausforderungen stellen und sind folglich keineswegs als in ihrer Position statisch zu beurteilen. Gleichwohl wird auch in der wissenschaftlichen Betrachtung bis heute die durchaus kontroverse Position vertreten: „new issues spawn new parties“ (Kitschelt und McGann 1997, S. 135, zitiert nach Stöss et al. 2006, S. 14). Die Annahme ist dort, dass aus neuen Themen- und Konfliktfeldern mehr oder minder zwangsläufig neue Parteien entstehen. Behält man in dieser Frage die Veränderungen des deutschen Parteiensystems im Blick, wirft dies die Frage auf, wie es zu derartigen Entwicklungen – insbesondere in den letzten Jahren – kommen konnte. Dafür ist aus parteipolitischer Perspektive immer die Abwägung, ob und inwiefern es für eine Partei profitabel sein kann, bestimmte Themenfelder und Forderungen in die eigene Agenda aufzunehmen beziehungsweise wie sie sich zu diesen positioniert von essenzieller Bedeutung (Pappi et al. 2019a, S. 276).

Einem grundlegenden strukturellen Wandel der Gesellschaft können sich Parteien aber nicht vollends verwehren – zumindest nicht, wenn ihnen auch weiterhin an Wahlerfolgen gelegen ist. So ist zu beobachten, dass sich beispielsweise die Unionsparteien in einem immensen strukturellen Neuorientierungs- und Modernisierungsprozess befinden. Strategisch setzen sie dabei aber auf einen moderaten und langwierigen Prozess, weniger auf einen schnellen Bruch mit alten Positionen und von ihnen vertretenen Grundwerten (Weigl 2017, S. 70). Andere Parteien wie die erst 2013 gegründete AfD haben in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Begonnen als primär professorale euroskeptische Partei, hat sich die AfD inzwischen zu einer rechtspopulistischen bis rechtsextremen Partei entwickelt (Pickel 2019, S. 145–146; Bieber et al. 2018, S. 456–458; Schmitt-Beck et al. 2017, S. 298; Rosenfelder 2017). Begünstigt wird diese Entwicklung unter anderem dadurch, dass die Partei aufgrund ihrer vergleichsweise kurzen Bestehenszeit über keine ausgereifte Programmkontinuität verfügt, sondern zunächst darauf fokussiert war, ihr programmatisches Profil zu schärfen und ihr Image als monothematische Partei abzulegen (Arzheimer 2015, S. 541). Demgegenüber werden an schon länger bestehende Parteien wie die CDU/CSU, die SPD, die FDP, die Grünen oder auch die Linken Anforderungen gestellt, die sich unter anderem auf langfristige Traditionen begründen. Derartig klar erkennbare und tradierte Werteprofile dienen so auch zur Entscheidungsvereinfachung im Wahlakt (Wiesendahl 2006b, S. 14), weswegen Parteien klassischerweise bemüht sind, entsprechend an sie gestellte Erwartungen zu erfüllen.

Ein weiterer Grund für systemische Veränderungen ist auch in der seit 2015 in Deutschland salient werdenden, so genannten Flüchtlingskrise zu finden. Diese führt in Folge dazu, dass die Themenbereiche der Flucht- und Migrationspolitik schließlich bis zur zwei Jahre später stattfindenden Bundestagswahl 2017 zu einem der zentralen Politikfelder werden, denen seitens der Bevölkerung eine hohe Dringlichkeit in der Klärung zugesprochen wird (Forschungsgruppe Wahlen 2017, S. 35). So prägte der „Begriff »Flüchtlingspolitik« (…) nicht nur die persönliche Wahlentscheidung vieler Bürger, sondern auch die Ausdifferenzierung des Parteiensystems“ (Korte 2020, S. 341). Hier scheinen demnach externe Effekte der maßgebliche Grund für die Restrukturierung des Parteiensystems zu sein. Mit der Entstehung, Etablierung und Entwicklung der AfD endet sodann auch die Sonderrolle, die das deutsche Parteiensystem unter den Demokratien Westeuropas über lange Zeit hinweg einnahm. So konnte sich in Deutschland über Jahrzehnte keine rechtspopulistische Partei erfolgreich etablieren (Bergmann et al. 2017, S. 57).

Doch worauf ist eine derartige Veränderung zurückzuführen? Während manche darin eine in Teilen der Bevölkerung verursachte Reaktion darauf sehen wollen, „dass eine entmutigte politische Klasse auf die gewachsenen Ansprüche ihrer sozialen Lebensgrundlagen mit Resignation antwortet“ (Habermas 2020, S. 9), sehen sich andere darin bestätigt, dass dies einer schon länger schwelenden und nun sichtbar werdenden „Erosion der politischen Mitte“ (Birsl und Lösche 2001, S. 375) geschuldet ist. Diese Beobachtung reiht sich in die schon seit Ende der 1990er Jahre bestehende Diagnose zunehmender „Unsicherheiten der Wählermärkte“ (Mair et al. 1999, S. 22) ein, die als Reaktion auf globale Veränderungen gesehen wird. Wenn demnach über das Wahlverhalten „Konfliktpotentiale zu entdecken [sind], die sich im offenen Konfliktverhalten nicht oder noch nicht erkennen lassen“ (Pappi 1979, S. 466), lässt sich auch zweifelsohne die folgende Beobachtung stützen: „Voters are not alike; it seems that they become less alike all the time“ (Weßels et al. 2014, S. 9). Wähler werden sich demnach unähnlicher beziehungsweise lassen sich dementsprechend auch nur unter erheblichen konzeptionellen Schwierigkeiten noch wie in der Vergangenheit typologisieren. Fliehkräfte nach links und rechts, welche sich auch im deutschen Parteiensystem zeigen, sind demnach nicht Ursache, sondern eher Symptom einer zunehmenden Heterogenität im Wahlverhalten, gleichwohl auch in der Vergangenheit nicht von einer grundsätzlichen Homogenität eben dieses Wahlverhaltens ausgegangen werden konnte (Berelson et al. 1954, S. 313).

Parteien sind zwar weiterhin „traditionell globale Objekte symbolischer Identifikation und Erscheinungen, die politische Umweltkomplexität reduzieren helfen“ (Kaase 1979, S. 330), doch zeigt sich hier, wie die bereits Mitte der 1990er Jahre gemachte Beobachtung zutrifft, dass die Parteiensysteme Westeuropas ihre traditionellen Entwicklungspfade verlassen haben (van Deth 1995, S. 1) und als Identifikationsobjekte an Bedeutung verlieren. Langwierige Allianzen zwischen Bevölkerungssegmenten und Parteien werden dabei immer fragiler. Ein möglicher Erklärungsgrund ist in der Abkehr oder auch der Aufweichung von traditionellen Grundwerten zu finden, die als Identifikationssymbol gedient haben (Jun 2009, S. 244). Dies kann beispielhaft der Fall sein, „weil Parteien ungenügende Informationen über die Wünsche ihrer Wählergruppen haben oder ihre Positionen verschieben, um andere Wählergruppen anzusprechen“ (Bukow und Jun 2017, S. 5). In der Konsequenz begünstigt dies aber nicht nur die Entstehung möglicher Repräsentationsdefizite (Kriesi et al. 2012, S. 327), sondern birgt darüber hinaus auch die Gefahr, dass die durch Parteien vertretenen Werte nicht mehr eindeutig als ihnen auch originär zugeschriebenen Orientierungspunkte politischen Handelns dienen. Allein durch die steigende Anzahl dadurch wählbarer Optionen nimmt sogleich auch die Komplexität einer spezifischen Wahlentscheidung zu (Dalton und Wattenberg 1993, S. 193). In der Folge verlieren Parteien daher zunächst ihre Stammwähler bis sich diese fortschreitenden Verluste auch auf ihre Gesamtwählerschaft ausweiten und ein ganzheitlicher Bedeutungsverlust droht (Dahrendorf 2007, S. 113).

Sollte eine Kongruenz zwischen Parteien und ihren Wählern im Hinblick auf ihre Wertorientierungen bestehen, sollte sich dies – so zumindest die Annahme – tatsächlich auch im Wahlverhalten zeigen und entsprechende Wählerabwanderungen verhindern. Obgleich Werte beziehungsweise gesellschaftliche Wertorientierungen zu den zentralsten Konzepten der empirischen Sozialforschung gehören (Arzheimer 2005, S. 285), werden sie im Hinblick auf Wahlanalysen eher stiefmütterlich behandeltFootnote 4. Tatsächlich spielen sie „als Prädiktor für Wahlverhalten (…) in der Wahlforschung nur eine geringe Rolle. Sie haben dort vor allem den Status von Prädispositionen für Issue-Positionen, sie wirken sich also lediglich über diese Einstellungen vermittelt auf die Wahlentscheidung aus“ (Fuchs und Rohrschneider 2001, S. 259). Tatsächlich nehmen Werte und die aus ihnen für das Wahlverhalten abgeleiteten Wertorientierungen in allen klassischen Modellen der Wahlforschung stets eine zentrale Rolle ein, die das Wahlverhalten zumindest indirekt beeinflussen. Dies geschieht beispielsweise in Form der Vorstellung dessen, was als Sinnbild einer „guten Gesellschaft“ (Downs 1968, S. 45) betrachtet wird oder inwiefern spezifische Wertorientierungen innerhalb einer in der Sozialstruktur verankerten sozialen Gruppe geteilt werden und sich durch diese dann auf das Wahlverhalten auswirken (Lazarsfeld et al. 1944; Lipset und Rokkan 1967). Auch werden gesellschaftliche Wertorientierungen als Prädiktor für die Ausbildung und Intensität einer Parteiidentifikation herangezogen (Campbell et al. 1954; Campbell et al. 1960), die „gemäß einem orthodoxen Verständnis (…) eine langfristige, affektive Bindung [ist], die sowohl die Wahlentscheidung direkt beeinflusst als auch die Kurzfristfaktoren der Kandidaten- und Sachfragenorientierung“ (Schultze 2016, S. 1). Demnach nehmen gesellschaftliche Wertorientierungen primär die Rolle als eine Art „Universalschlüssel zum Verständnis sozialer Einstellungen“ (Klages 1992, S. 9) oder „als Vermittlung von Sozialstruktur und politischem Verhalten“ (Pappi 1977, S. 206) ein, wobei unter diesem Verhalten eine dezidierte Wahlentscheidung verstanden wird (Dalton 1988, S. 178). Direkte Effekte von gesellschaftlichen Wertorientierungen werden aber in den zentralen Arbeiten der Wahlforschung bisweilen nicht untersucht. Dies ist eine hochgradig problematische Auslassung, kann doch Folgendes konstatiert werden:

„Angesichts einer rückläufigen Bedeutung der Sozialstruktur bei der Herausbildung gesellschaftlicher Wertorientierungen sowie einer rückläufigen Bedeutung der Parteien für die Strukturierung des politischen Wettbewerbs scheint es ratsam, (…) Werte und die auf sie bezogenen Wertorientierungen direkt in den Mittelpunkt des analytischen Interesses zu rücken“ (Klein 2014, S. 586).

Vor diesem Hintergrund stellt sich dann die Frage, ob die Ausdifferenzierung des deutschen Parteiensystems, die maßgeblich durch ein volatileres Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 2009 bis 2017 verursacht wurde, auf Veränderungen gesellschaftlicher Wertorientierungen innerhalb der bundesdeutschen Wahlbevölkerung zurückzuführen ist. Daraus leitet sich die folgende Forschungsfrage ab:

Inwiefern haben sich die gesellschaftlichen Wertorientierungen innerhalb der bundesdeutschen Bevölkerung verändert und welcher Effekt geht von diesen auf das Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 2009 bis 2017 aus?

Die hier vorliegende Arbeit tangiert damit im Wesentlichen drei zentrale Forschungsbereiche. So geht es zunächst um die Frage, welche Faktoren das spezifische Wahlverhalten von Individuen beeinflussen – also dem klassischen Gegenstand der Wahlforschung. Darüber hinaus behandelt die vorliegende Untersuchung die Frage, „inwieweit die Parteien politische Repräsentanten bestimmter – über ihre soziale Verortung und/oder ihre Wertesysteme definierter – Bevölkerungssegmente sind“ (Niedermayer 2013a, S. 76), also einen Kernbereich der Parteienforschung. Als Schnittstelle fungiert sodann die Fokussierung auf gesellschaftliche Wertorientierungen. Während ihr Einfluss auf das Wahlverhalten klar dem Forschungsbereich der Wahlforschung zuzuordnen ist, ist die Frage danach – wie auch Niedermayer ausführt – ob und in welchem Ausmaß sich gesellschaftliche Wertorientierungen in den Elektoraten spezifischer Parteien spiegeln, eine Kernessenz der Parteienforschung. Besonders die erstgenannte Wahl- und Wählerforschung gilt als eine der zentralsten Anliegen der Politischen Soziologie. Nirgendwo wird der Einfluss der Bürger auf die Ausrichtung der staatlichen Politik ersichtlicher als in diesem Bereich (Gabriel und Maier 2009, S. 522). Gleiches gilt auch für politische Parteien (Jun 2009, S. 235) und die Erforschung von Werten beziehungsweise von Wertorientierungen (Welzel 2009, S. 109). Insbesondere die hier intendierte Fokussierung auf die konkrete Wirkungsweise gesellschaftlicher Wertorientierungen ist als eines der zentralen Kernanliegen der Werteforschung zu verstehen (Bürklin und Klein 1998, S. 135). Entsprechend werden durch die vorliegende Arbeit unterschiedliche Forschungsbereiche der Politischen Soziologie behandelt.

Die hier vorgestellte Forschungsfrage ist daher sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Sicht in mehrerlei Hinsicht relevant. Zum einen wird mit dieser Vorgehensweise dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei der Wahl- und Parteienforschung um zwei inhaltlich eng miteinander verwobene Forschungszweige handelt (Siri und Faas 2017, S. 702), die nur schwerlich getrennt voneinander zu betrachten sind, in der wissenschaftlichen Realität jedoch noch zu selten gemeinsam ausführlicher bearbeitet werden. Darüber hinaus soll der bisweilen stiefmütterliche Umgang mit gesellschaftlichen Wertorientierungen in der Wahlforschung hier zumindest ansatzweise aufgearbeitet werden. Dabei soll jene Herausforderung für die empirische Wahlforschung bearbeitet werden, die „in der Entwicklung eines differenzierten Instruments zur Erfassung gesellschaftlicher Wertorientierungen“ (Klein 2014, S. 587) liegt und zur Erklärung des Wahlverhaltens bei den Bundestagswahlen 2009 bis 2017 gereicht. Die praktische Relevanz ergibt sich wiederum primär aus den hier vorliegenden Ergebnissen, die zunächst von wissenschaftlicher Bedeutung sind. So können die in dieser Arbeit analysierten Parteien – auf Basis der vorliegenden Ergebnisse – ein besseres Verständnis dafür gewinnen, worin ihre Wahlerfolge oder Misserfolge womöglich begründet sind und inwiefern die für sie ursächlich relevanten Konfliktlinien gesellschaftlicher Wertorientierungen auch heute noch auf Basis ihrer Elektorate wirkungsmächtig sind.

Die vorliegende Untersuchung versucht zusammenfassend auf den bisherigen Forschungsarbeiten zur Entstehung und Ausdifferenzierung von Parteiensystemen ebenso aufzubauen wie auf denen der Wahlforschung. Der zentrale Mehrwert wird hier insbesondere dadurch erreicht, dass gesellschaftliche Wertorientierungen als zentrale Determinante sowohl für die Veränderung des deutschen Parteiensystems als auch für das Wahlverhalten an sich herangezogen werden. Es wird dabei nicht nur der Versuch unternommen, gesellschaftliche Wertorientierungen in Form von manifesten Messkonstrukten abzubilden, sondern auch ihre Wirkung in direkter und indirekter Weise – beispielsweise über die Parteiidentifikation – auf das Wahlverhalten abzubilden.

Im Folgenden werden dafür in Kapitel 2 zunächst die Determinanten des Wahlverhaltens einer näheren Betrachtung unterzogen, welche die theoretisch-konzeptionelle Entwicklung beschreiben sollen, die Grundlage der vorliegenden Arbeit ist. In einem ersten Schritt wird dafür in Abschnitt 2.1 der Ansatz der Cleavage-Theorie erläutert, der maßgeblich für die Erklärung der Entstehung von Parteiensystemen in Westeuropa ist. Dabei haben sich besonders zwei der insgesamt vier Cleavages als besonders konstitutiv für das bundesdeutsche Parteiensystem herausgestellt. Deren konkrete Wirkung auf das Wahlverhalten bei Wahlen zum Deutschen Bundestag wird sodann in Abschnitt 2.2 näher beschrieben. Für viele der Veränderungen wie der sich hier schon beschriebenen neu zusammensetzenden Wertmuster bietet der Cleavage-Ansatz jedoch keine hinreichende Erklärungskraft mehr. Stattdessen werden sich wandelnde Werte und an ihnen ausgerichtete Wertorientierungen als ursächlich für diese Entwicklungen beschrieben. Aus diesem Grund werden in Abschnitt 2.3 Werte und ein sich seit den 1970ern in westlichen Gesellschaften vollziehender Wertewandel näher behandelt. Hierfür ist es essenziell, zunächst Werte, Wertorientierungen und Einstellungen analytisch differenzierter zu betrachten, was in Abschnitt 2.3.1 geschieht.

Eine Kernessenz ist, dass Wertorientierungen als handlungsanleitende Orientierungspunkte verstanden werden, durch die Werte erst abgebildet werden können. Hierfür ist vor allem die Konfrontation mit Zielkonflikten von hoher Relevanz, da nur so eine Abwägung unterschiedlicher Zielvorstellungen auf individueller Basis ersichtlich wird. Wenn diese dann relevant für das Wahlverhalten sind, spricht man auch von gesellschaftlichen Wertorientierungen. Diese sind Einstellungen, die einen rein evaluativen Charakter haben und in Form der Zustimmung oder Ablehnung zu einem Thema erfasst werden, konzeptionell und in ihrer Pfadabhängigkeit vorgelagert. In Abschnitt 2.3.2 wird darauf aufbauend erläutert, welche Implikationen ein Wandel derartiger Wertorientierungen für westliche Gesellschaften und Parteiensysteme hatte, um in Abschnitt 2.3.3 schließlich die konkreten Folgen für das bundesdeutsche Parteiensystem in Form der Entstehung der Grünen in den Blick zu nehmen. Um die beschriebenen unterschiedlichen Ansätze zur Erklärung des Wahlverhaltens angemessen berücksichtigen zu können, die auch in Teilen für die empirische Untersuchung herangezogen werden, wird in Abschnitt 2.3.4 die Bedeutung des so genannten Michigan-Modells für die empirische Wahlforschung beschrieben. Kernbestandteil des Modells sind die Parteiidentifikation, die Themen- sowie die Kandidatenorientierung. Die theoretische Annahme des Modells ist, dass Wertorientierungen in erheblichem Umfang auf die Ausbildung einer Parteiidentifikation einwirken und darüber das Wahlverhalten indirekt beeinflussen. Um diese Annahme im weiteren Verlauf überprüfen zu können, müssen zunächst jene Konfliktlinien gesellschaftlicher Wertorientierungen identifiziert werden, die im deutschen Parteiensystem für das Wahlverhalten relevant sein können. Dies geschieht in Abschnitt 2.4 insofern, als dass zunächst in Abschnitt 2.4.1 eine analytische Annäherung an gesellschaftliche Wertorientierungen als solche vorgenommen wird. Damit wird die Grundlage geschaffen, um eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Dimensionen für die Bundesrepublik Deutschland als relevant zu identifizieren sind und ob mit einer zwei-dimensionalen oder einer mehr-dimensionalen Herangehensweise operiert wird. Die schlussendliche Entscheidung fällt dabei auf die Untersuchung von vier zentralen Konfliktlinien, die als ursächlich für die Entstehung und Ausdifferenzierung des deutschen Parteiensystems erachtet werden. Es handelt sich hierbei um die Dimension des Links-Rechts-Materialismus (Abschnitt 2.4.2), eine Religiös-Säkulare Konfliktlinie (Abschnitt 2.4.3), eine Konfliktdimension zwischen Postmaterialismus und Materialismus (Abschnitt 2.4.4) sowie einer zwischen Kosmopolitismus und Nationalismus (Abschnitt 2.4.5). Insbesondere die letzte der vier Dimensionen betreffend werden umfassende wissenschaftliche und auch gesellschaftliche Debatten geführt. Diese behandeln nicht zuletzt die spezifische Bezeichnung dieser Konfliktdimension. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, werden in Abschnitt 2.4.5.1 zunächst der GAL-TAN-Ansatz, die Konfliktdimension zwischen libertären und autoritären Werten und der Ansatz eines Konflikts zwischen den Gegensätzen Integration und Abgrenzung vorgestellt. Diese Ansätze sind im Hinblick auf die weiteren schon vorgestellten Konfliktlinien nicht trennscharf, haben aber eine sie untereinander verbindende Komponente, die auch zugleich konstitutiv für die Etablierung der AfD war und ist: die Ablehnung von Migration und Migranten. Dies ist deshalb von Bedeutung, da in dieser Untersuchung das Ziel verfolgt wird, auch die Gründung und Etablierung der AfD anhand gesellschaftlicher Wertorientierungen besser verstehen zu können beziehungsweise dieser Prozess – so hier die These – auch mit einer solchen Wertorientierung erklärt werden kann. Aus diesem Grund wird in Abschnitt 2.4.5.2 ein konzeptioneller Vorschlag dazu unterbreitet, weshalb eine Bezeichnung der Konfliktlinie als Dimension zwischen einer kosmopolitischen und einer nationalistischen Wertorientierung nicht nur die notwendige theoretische, sondern auch die empirische Trennschärfe ermöglicht. Auch werden die jeweiligen Teilkapitel zu den als relevant identifizierten Dimensionen gesellschaftlicher Wertorientierungen mit den zu untersuchenden Hypothesen ergänzt.

In Kapitel 3 wird das Forschungsdesign vorgestellt, welches Grundlage für die empirische Analyse ist. In Abschnitt 3.1 wird die Fallauswahl begründet, die sich auf die Elektorate von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und Linken bei den Bundestagswahlen 2009, 2013 und 2017 sowie der AfD bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 stützt. Es handelt sich demnach um eine umfassende Individualdatenanalyse zu den Bundestagswahlen 2009 bis 2017. Die für diese Analyse herangezogenen Daten und die dafür durchgeführte Datenauswahl wird in Abschnitt 3.2 erläutert. In Abschnitt 3.2.1 ist hierfür zunächst ein messtheoretischer Exkurs notwendig, um die adäquate Messung von gesellschaftlichen Wertorientierungen erklären zu können. In diesem Kontext werden Kriterien der für die Auswahl der Datengrundlage notwendigen und hinreichenden Bedingungen formuliert. In Abschnitt 3.2.2 wird dann die Entscheidung für die Nachwahlbefragungen der German Longitudinal Election Study (GLES) als Datengrundlage für die vorliegende Arbeit detailliert beschrieben. In Abschnitt 3.3 wird die empirische Übersetzung der theoretischen Konstrukte, also die Operationalisierung, erläutert. Hierfür wird in Abschnitt 3.3.1 zunächst die Operationalisierung der Wahlentscheidung sowie des konkreten Wahlverhaltens vorgenommen, um in Abschnitt 3.3.2 selbiges mit den Dimensionen gesellschaftlicher Wertorientierungen vorzunehmen, die als zentrale unabhängige Variablen zur Erklärung individuellen Wahlverhaltens herangezogen werden. In Abschnitt 3.3.3 werden anschließend die für die Datenanalyse herangezogenen Kontrollvariablen beschrieben, um in Abschnitt 3.3.4 selbiges für die Variablen des Michigan-Modells der Wahlforschung zu erarbeiten, die zentraler Bestandteil der vorliegenden Analyse sind und hier als Mediatorvariablen dienen. Diese Variablen sind neben den dann in Abschnitt 3.4 erläuterten Faktoren auch ein Grund dafür, weshalb andere Datenquellen für die hier vorliegende Arbeit nicht herangezogen werden können. In Abschnitt 3.5 wird dann die analytische und methodische Vorgehensweise beschrieben, die zugleich Leitfaden für die Analyse der vorliegenden Arbeit ist.

Diese in Kapitel 4 beschriebene Analyse stützt sich auf drei Schritte: Eine deskriptive, eine bivariate sowie eine multivariate Analyse. Zunächst werden in Abschnitt 4.1 die Veränderungen gesellschaftlicher Wertorientierungen im Zeitverlauf beschrieben. Dafür werden in Abschnitt 4.1.1 die Wahlteilnahmen sowie das konkrete Wahlverhalten ebenso untersucht wie in Abschnitt 4.1.2 die spezifische Veränderung gesellschaftlicher Wertorientierungen in der bundesdeutschen Bevölkerung zwischen 2009 und 2017. In Abschnitt 4.1.3 wird die hier notwendige Verengung auf die zu untersuchenden Parteielektorate vollzogen. Diese werden dann in den Abschnitten 4.1.3.1 für den Links-Rechts-Materialismus, 4.1.3.2 für die Konfliktlinie zwischen einer religiösen und einer säkularen Wertorientierung, in Abschnitt 4.1.3.3 für die Postmaterialismus-Materialismus-Dimension und in Abschnitt 4.1.3.4 für die Kosmopolitismus-Nationalismus-Konfliktlinie nicht nur miteinander, sondern auch im Zeitverlauf vergleichend analysiert. Dafür werden schließlich Mittelwertvergleiche sowie weitere Kennzahlen herangezogen. In Abschnitt 4.1.3.5 werden die deskriptiven Ergebnisse zusammengefasst. In Abschnitt 4.1.4 werden dann die Ergebnisse einer deskriptiven Analyse der sozio-demographischen Kontrollvariablen und in Abschnitt 4.1.5 für die Parteiidentifikation und die Kandidatenorientierung der jeweiligen Elektorate beschrieben. Im darauffolgenden Abschnitt 4.2 werden die Dimensionen gesellschaftlicher Wertorientierungen einer bivariaten Korrelationsanalyse unterzogen, um zu überprüfen, wie stark die Positionen auf den jeweiligen Konfliktachsen miteinander zusammenhängen. Auch wird hier eine Analyse zur Überprüfung auf Multikollinearität vorgezogen. In Abschnitt 4.3 werden schließlich die konkreten Effekte gesellschaftlicher Wertorientierungen auf das Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 2009 bis 2017 einer Analyse unterzogen. Dabei wird mit Hilfe geschachtelter binär-logistischer Regressionsmodelle zunächst untersucht, inwiefern und in welchem Ausmaß der Einbezug gesellschaftlicher Wertorientierungen zur Erklärung von Wahlverhalten bei den genannten Bundestagswahlen beiträgt – insbesondere im direkten Vergleich entsprechender Faktoren. Mit Hilfe der Berechnung von Average Marginal Effects werden dann die konkreten Effektgrößen ausgewiesen, inwiefern einzelne Prädiktoren die Wahlentscheidung für die jeweiligen Parteien zu erläutern vermögen. Abschließend wird mit Hilfe von Pfadmodellierungen untersucht, inwiefern gesellschaftliche Wertorientierungen direkt wie indirekt – in diesem Fall über die Parteiidentifikation – auf das Wahlverhalten zu Gunsten der zu untersuchenden Parteien einwirken. Diese Analysen werden in entsprechenden Unterkapiteln für jeden der Untersuchungszeitpunkte nacheinander durchgeführt, sofern die entsprechende Partei zum besagten Zeitpunkt schon an der jeweiligen Bundestagswahl teilgenommen hat. Auch werden diese Ergebnisse dann für die jeweiligen Parteielektorate noch einmal kurz zusammengefasst. Ferner wird eine erste Einordnung im Hinblick auf die diese Forschungsarbeit strukturierenden Forschungshypothesen vorgenommen. Die Analysen zu Erklärung des Wahlverhaltens zu Gunsten der CDU/CSU werden in Abschnitt 4.3.1 vorgestellt, jene für die SPD in Abschnitt 4.3.2. Im darauffolgenden Abschnitt 4.3.3 wird das Wahlverhalten zu Gunsten der FDP, in Abschnitt 4.3.4 jenes zu Gunsten der Grünen und in Abschnitt 4.3.5 das Wahlverhalten zu Gunsten der Linken analytisch eingeordnet. Im Abschnitt 4.3.6 wird schließlich das Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 zu Gunsten der AfD erläutert. Abschließend werden die dort vorgestellten Ergebnisse in Abschnitt 4.4 zusammengefasst und in die theoretische sowie gesellschaftliche Debatte eingeordnet. Auch wird hier die Bedeutung der vorliegenden Ergebnisse kontextualisiert erläutert.

In Kapitel 5 werden schließlich die zentralen Befunde der vorliegenden Untersuchung diskutiert und reflektiert. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse in Abschnitt 5.1 zusammengefasst und vor dem Hintergrund der theoretischen Erwartungen eingeordnet. Im darauffolgenden Abschnitt 5.2 wird die methodische Vorgehensweise reflektiert. Dabei werden mögliche Defizite kritisch eingeordnet, gleichermaßen aber auch gewinnbringende Erkenntnisse dargelegt, die durch diese Verfahrensweise gewonnen werden konnten. Abschnitt 5.3 widmet sich schließlich den praktischen Schlussfolgerungen, die sich aus der vorliegenden Arbeit ableiten lassen. Diese sind als Handlungsempfehlungen – sofern möglich – für jene politischen Parteien zu verstehen, die hier einer Analyse unterzogen wurden. Im Rahmen von Abschnitt 5.4 werden abschließend jene Forschungsfelder und -ansätze genannt, in denen eine an diese Untersuchung folgende Untersuchung lohnend erscheint.