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Die Hinwendung zur Gewalt

Computerspiele im Spannungsfeld zwischen Tabubruch und gesellschaftlicher Akzeptanz

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Kunst und Gewalt

Part of the book series: Kunst und Gesellschaft ((KUGE))

  • 593 Accesses

Zusammenfassung

Der Aufsatz setzt sich mit einer scheinbar veränderten Rezeption von Mediengewalt am Beispiel von Computerspielen auseinander. Der plakative Titel „Die Hinwendung zur Gewalt“ verweist dabei einerseits auf nachweisliche Liberalisierungstendenzen, versucht andererseits aber auch das ambivalente Spannungsfeld (Computerspiele zwischen Unterhaltung, Kunst und Jugendgefährdung) nachzuzeichnen, in das die institutionelle Bewertung von violenten Spielinhalten eingebunden ist.

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Notes

  1. 1.

    Der Begriff Computerspiel umfasst hier alle Formen virtueller Spiele. Dazu gehören die eigentlichen Computerspiele, Konsolenspiele, Smartphone-Apps und klassische Arcade-Automaten. Da alle Formate auf Computer- oder computerverwandter Technologie basieren und sich daher den sogenannten Bildschirmspielen zuordnen lassen, können diese (in einer allgemeinen Betrachtung) im übergeordneten Begriff Computerspiele zusammengefasst werden.

  2. 2.

    Mit der Reform des Jugendschutzgesetzes vom 1. Mai 2021 wurde die Bundesbehörde umbenannt und trägt heute den Namen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKj). Da sich dieser Aufsatz vorwiegend mit vergangenen Prüfentscheidungen beschäftigt, wird der alte Name im weiteren Verlauf beibehalten.

  3. 3.

    Entscheidung Nr. 4637 (V) zu „Doom“ vom 25.05.1994. Bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 100 vom 31.05.1994, S. 2.

  4. 4.

    Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ist die freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Computerspielwirtschaft und somit die verantwortliche Stelle für die Altersfreigabe von Videospielen sowie Videospiel-Trailern. Das Prüfverfahren der USK ist der BPjM vorgeschaltet. Das bedeutet, dass ein Spiel, welches zuvor eine Altersfreigabe durch die USK erhalten hat, frei auf dem Markt (je nach Alterseinstufung) verkauft werden kann. Ein Prüfverfahren durch die BPjM kann demnach nur Spiele betreffen, die zuvor keine Altersfreigabe erhalten haben.

  5. 5.

    Dies geschah mit der Aufnahme des Spieleentwickler-Bundesverbands game in den deutschen Kulturrat im Jahr 2008. Dadurch wurde das Computerspiel als Kulturgut offiziell anerkannt und somit den anderen etablierten Medienformen gleichgesetzt.

  6. 6.

    In § 18 (1) JuschG (Liste jugendgefährdender Medien) werden explizit „Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen“, die „selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden“ als institutionelle Bewertungskriterien festgelegt. Der Bewertungsrahmen umfasst somit im Schwerpunkt physische Gewalthandlungen.

  7. 7.

    In der Wissenssoziologie (bzw. der Soziologie sozialer Probleme) ist der Begriff der „Problematisierung“ als eine angenommene Verletzung dieser allgemeingültigen Wert- und Normhaltungen zu verstehen. Kollektive Akteure oder Institutionen (als Kondensate eben jener gesellschaftlich anerkannten Wert- und Normhaltungen) artikulieren Verstöße gegen einen angenommenen „Common Sense“ sowohl in ihren Darstellungen des vorliegenden Problems als auch in Form eines Vorschlags zur Problembehebung. Beide Artikulationen stellen hier konkrete Manifestationen des Wunsches dar, nicht nur diesem, sondern auch weiteren „Tabubrüchen“ entgegenzuwirken (Groenemeyer 2010, S. 13 ff.).

  8. 8.

    In der Suggestionsthese der Medienwirksamkeitsforschung wird von einem vereinfachten Stimulus–Response-Modell ausgegangen, das Gewalthandlungen als Nachahmungstaten einer vorhergegangenen Beobachtung von Mediengewalt zu erklären versucht. Dieser Ansatz gilt heute in der Forschung als veraltet, wird aber zum Teil in der populär-wissenschaftlichen Literatur noch verwendet (Kunczik und Zipfel 2006, S. 94–113).

  9. 9.

    Menschen mit realen Kriegs- oder ähnlichen Gewalterfahrungen dürften das sicherlich anders sehen.

  10. 10.

    Bis zum 1. April 2003 galt für die juristische Einschätzung von jugendgefährdenden Medieninhalten noch der Vorläufer des JuSchG – das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS).

  11. 11.

    Neben der Indizierung steht der BPjM zusätzlich noch das Instrument der Beschlagnahmung zur Verfügung. Diese kann vorgenommen werden, wenn das Prüfgremium der Auffassung sein sollte, dass die Inhalte eines Spiels eine strafrechtliche Relevanz aufweisen. Die ansonsten zugrundeliegenden Rechtsnormen des JuSchG werden dabei durch den § 131 StGB ergänzt. Wird eine Beschlagnahmung ausgesprochen, erfolgt zunächst eine anschließende strafrechtliche Überprüfung. Wird die strafrechtliche Relevanz richterlich bestätigt, erfolgt ein allgemeines Verkaufsverbot für den jeweiligen Titel.

  12. 12.

    Die Gesetzesänderung von 1969 sah jedoch nur eine Entkriminalisierung für Erwachsene vor. Der entsprechende § 175 StGB wurde erst 1994 aufgehoben.

  13. 13.

    Im deutschsprachigen Raum wäre beispielsweise die Studie von Rudolf H. Weiß zu nennen. Dieser führte 2010 eine Querschnittsanalyse unter Schüler*innen durch und kam zu dem Schluss, dass Computerspiele wie Call of Duty oder GTA eine massiv schädigende Wirkung auf die Rezipient*innen haben. Sowohl der Aufbau der Studie als auch die Ergebnisse müssen dabei kritisch hinterfragt werden (Weiß 2010).

  14. 14.

    Die Zahlen der Jahresstatistiken von 2013 bis 2019 sind auf der Internetseite der BPjM einsehbar (www.bundespruefstelle.de/bpjm/service/statistiken). Die fehlenden Jahrgänge können bei der BPjM direkt angefragt werden (Husemann 2022; S. 49 f.).

  15. 15.

    Zusätzlich zu den antragsberechtigen kamen ab 2003 noch die anregungsberechtigen Institutionen hinzu. Diese Erweiterung machte es möglich, dass nun auch Behörden wie die Polizei sowie Zoll-, Finanz- und Ordnungsämter und Schulen eine Überprüfung auf Jugendgefährdung anregen können. Im Gegensatz zum Antrag muss in diesem Fall der*die Vorsitzende der BPjM entscheiden, ob eine Prüfung erfolgt.

  16. 16.

    Etwas Ähnliches geschah bereits ein Jahr zuvor im Fall von Dead Rising 3. Auch hier hatte die USK Zweifel bezüglich einer etwaigen Jugendgefährdung, woraufhin diese allerdings noch keine Alterseinstufung vergab, sondern das Spiel als Zweifelsfall bei der BPjM zur Überprüfung anmeldete. Diese indizierte das Spiel (aufgrund der überwiegenden Inhaltsgleichheit) daraufhin mit derselben Begründung wie die beiden Vorgänger (BPjM 2013).

  17. 17.

    Das ebenfalls 2015 erschienene Hatred ist ein Top-Down-Shooter, in dem die Spieler*innen einen Amokläufer spielen, dessen Ziel es ist, möglichst viele Menschen umzubringen. Angefangen bei unbewaffneten Zivilisten in der Nachbarschaft bis hin zu Spezialeinheiten der Polizei müssen alle Nicht-Spielfiguren möglichst schnell getötet werden. Hierbei kommen alle möglichen Waffen der realen Welt zum Einsatz: Pistolen, Gewehre, bis hin zu Sprengwaffen. Wird eine Person verletzt, kann diese von den Spieler*innen manuell hingerichtet werden. Dies geschieht jeweils im Rahmen einer kleinen Filmsequenz, in der die wehrlose Person mit einem Messer oder einer Feuerwaffe ermordet wird.

  18. 18.

    Im Spiel Rape Day übernehmen die Spieler*innen die Rolle eines Vorgesetzten, der versucht seine Mitarbeiterinnen im Rahmen einer bevorstehenden Apokalypse zu vergewaltigen. Diese äußerst fragwürdige Prämisse des Spiels wird durch Dialogoptionen vorangetrieben, in denen die potenziellen Opfer auf verschiedenste Weisen manipuliert werden sollen, um das übergeordnete Ziel erreichen zu können. Bei Rape Day handelt es sich weniger um einen kommerziellen Titel als vielmehr das Projekt eines einzelnen Entwicklers. Nichtsdestotrotz war das Spiel für kurze Zeit auf der Spiele-Plattform Steam.com frei erhältlich.

  19. 19.

    Im Fall von Hatred mit Bezug auf § 131 StGB (Gewaltdarstellung) (BPjM 2016, S. 19 f.) und bei Rape Day mit Bezug auf § 184a (Verbreitung gewalt- oder tierpornopraphischer Schriften) (BPjM 2019).

  20. 20.

    Beispielsweise Doom 3, welches 2004 als erster Teil der Reihe ungeschnitten in den freien Verkauf gelangen konnte.

  21. 21.

    siehe Abb. 1, S. 177.

  22. 22.

    Grundlage ist das marktwirtschaftliche Kernprinzip von Angebot und Nachfrage.

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Husemann, J. (2022). Die Hinwendung zur Gewalt. In: Braun, A., Steuerwald, C. (eds) Kunst und Gewalt. Kunst und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38422-7_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-38422-7_7

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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