„Wenn man Kindern also herausfordernde [hier offene] Aufgaben stellt und ihnen Ruhe und Zeit gibt, dann sind sie häufig in der Lage, mit ihren eigenen Mitteln und auf ihren eigenen Wegen eine Lösung zu finden. […] [Dabei haben] Erwachsene unseres Erachtens die Verantwortung, das Lernen von Kindern anzuregen und zu begleiten.“ (Spiegel & Selter, 2008, S. 29)

Ähnlich zu dem obigen Zitat von Spiegel und Selter (2008) weist auch Lithner (2017, S. 938) der unterstützenden Interaktion zwischen den Lehrenden und den Lernenden eine besondere Bedeutung zu. Vor allem mit dem Ziel, dass die Schüler*innen bei der Aufgabenbearbeitung kreativ denken (CMR)Footnote 1, formuliert der Autor die nachfolgenden CMR teaching design principles (vgl. im folgenden Lithner, 2017, S. 946–947): Treten Schwierigkeiten bei der kreativen Bearbeitung mathematischer Aufgaben auf, dann sollen die Lehrenden zunächst ihre Schüler*innen dazu ermutigen, selber Lösungen sowie Lösungswege zu finden. Ist diese Intervention noch nicht ausreichend, dann ist es die Aufgabe der Lehrer*innen, die individuellen sowie aufgabenspezifischen Schwierigkeiten zu identifizieren. Basierend auf diesen sollen dann Rückmeldungen formuliert werden, welche die Fähigkeiten und die Verantwortlichkeit der Schüler*innen unterstützt, um die mathematische Aufgabe kreativ zu bearbeiten. Damit entspricht dieses Vorgehen insgesamt der formativen Beurteilung als pädagogisch wertvolle Form der individuellen unterrichtlichen Unterstützung, bei der die Lernenden während ihres Lernprozesses darin unterstützt werden, ihren eigenen Lernstand und -fortschritt zu bestimmen (vgl. Hattie, Beywl & Zierer, 2013, S. 215).

Doch wie gestalten sich konkret ebendiese angemessenen Rückmeldungen, welche die Schüler*innen bei ihrem Bearbeitungsprozess unterstützen und es ihnen so ermöglichen, kreativ zu werden? Diese Frage soll durch die nachfolgende Darstellung des konstruktivistischen Unterrichtskonzepts des Scaffoldings (vgl. Abschn. 4.1) und im Speziellen durch verschieden Typen von Lernprompts (etwa Bannert, 2009) im Kontext des selbstregulierten (mathematischen) Lernens von Schüler*innen Beantwortung finden (vgl. Abschn. 4.2). Damit wird in diesem Kapitel insgesamt die Möglichkeiten von Lehrenden aufgezeigt, Schüler*innen beim Zeigen ihrer individuellen mathematischen Kreativität vor allem im Hinblick auf ihre Elaborationsfähigkeit zu unterstützen.

1 Scaffolding

“As Vygotsky has said, what a child can do with support today, she or he can do alone tomorrow” (Gibbons, 2015, S. 16)

Bereits vor rund 45 Jahren wurde im Kontext eines konstruktivistischen Verständnisses von Lernen der Begriff des Scaffolding (zu Deutsch: Gerüst) durch Wood, Bruner & Ross (1976) für die Mathematikdidaktik bedeutsam und seither intensiv diskutiert, verändert sowie expliziert. Die Autor*innen verstehen darunter eine bestimmte Form der Unterstützung von Schüler*innen durch Lehrende bei der Bearbeitung einer Aufgabe, die allein von ihr*ihm nicht bewältigbar wäre:

„This scaffolding consists essentially of the adult „controlling“ those elements of the task that are initially beyond the learner's capacity, thus permitting him to concentrate upon and complete only those elements that are within his range of competence.“ (Wood et al., 1976, S. 90)

Die Wahl der Bezeichnung dieser Form der Unterstützung durch die Metapher des Gerüstes (vgl. Bruner, 1978, S. 254) verdeutlicht den Grundgedanken des Konzepts (vgl. im Folgenden Wood et al., 1976, S. 90–91). Schüler*innen sollen zum einen nur so lange unterstützt werden, wie es für die Bearbeitung der Aufgabe notwendig ist. Danach wird das Gerüst wieder abgebaut, um den Schüler*innen eine weitere selbstständige Bearbeitung zu ermöglichen. Zum anderen sollen Unterstützungsangebote der Lehrenden sehr individuell und spezifisch nur in den Bereichen erfolgen, wo diese notwendig sind, weil sie das bisherige Wissen der Schüler*innen übersteigen. Dadurch soll es den Lernenden ermöglicht werden, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten individuell weiterzuentwickeln. Damit knüpft die Theorie des Scaffolding vor allem auch an die von Vygotsky (1978, S. 84–91) etablierte Theorie der Zone der proximalen Entwicklung an, bei der ausgehend vom aktuellen Entwicklungsstand eines Kindes der potenziell nächste Entwicklungsschritt im mathematischen Lernen durch Impulse aus der Umwelt (Lehrkräfte, Mitschüler*innen, Eltern) angestrebt wird (vgl. ausführlich Lipscomb, Swanson & West, 2010, S. 228–229).

Dabei betont Gibbons (2015): “Scaffolding, however, is not simply another word for help” (S. 16). Vielmehr spricht Wessel (2015) von einem „Hilfesystem“ (S. 47), das im Unterricht eingesetzt werden kann. Dieses wird dadurch gekennzeichnet, dass die Unterstützung von Schüler*innen durch Lehrpersonen vorübergehend sowie zukunftsorientiert ist und darauf abzielt, die Autonomie der Lernenden innerhalb einer bestimmten Domäne zu erhöhen (vgl. Gibbons, 2015, S. 16).

Insgesamt basiert die Idee des Scaffoldings sowohl auf allgemeinen Prinzipien für das gemeinsame Mathematiklernen im Klassenverband als auch auf der Lernenden-Lehrenden-Beziehung (für eine Übersicht siehe Anghileri, 2006, S. 34–37). Im Kontext eines gemeinsamen Mathematikunterrichts erfährt das Scaffolding vor allem in Bezug auf seinen Einsatz im sprachsensiblen Mathematikunterricht (für erst- und zweitsprachliche Schüler*innen) eine große Bedeutung (etwa Gibbons, 2015; Wessel, 2015). Dagegen nimmt Anghileri (2006) die Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrpersonen als Ausgangspunkt für den Einsatz von Scaffolding-Methoden in den Blick. Sie enfaltet durch die Weiterentwicklung der soziokulturellen Theorie von Rogoff (1995)Footnote 2 eine Theorie des Scaffoldings, die speziell auf das Mathematiklernen von Schüler*innen ausgerichtet ist. In dieser definiert Anghileri (2006) „three levels for scaffolding [that] constitute a range of effective teaching strategies that may or may not be evident in the classroom“ (S. 38), die nachfolgend mit Beispielen dargestellt werden sollen:

Level 1:

Auf dem ersten Level unterstützen Lehrende das Lernen ihrer Schüler*innen durch bestimmte Umweltbestimmungen (environmental provisions). Dazu gehören neben der Wahl von Artefakten wie etwa Anschauungsmitteln, Tafelbildern oder angemessenen Hilfsmitteln auch die Organisation des Mathematikunterrichts in Bezug auf dessen Sequenzierung und Geschwindigkeit. Neben der gemeinsamen Bearbeitung von Aufgaben (peer collaboration) bearbeiten die Schüler*innen in der Mathematik häufig strukturierte, d. h. ausformulierte und vorgegebene, Aufgaben (structured tasks). Die Art der Interaktion beschränkt sich ausschließlich auf emotionale Rückmeldung und Unterstützung (emotive feedback) (vgl. Anghileri, 2006, S. 39–40).

Level 2:

Dieses Level beinhaltet nun direkte, d. h. vor allem bewusst gesteuerte, Interaktionen zwischen den Schüler*innen und den Lehrpersonen, die sich direkt auf die Mathematik als Lerngegenstand beziehen. Im Gegensatz zu den eher traditionellen Strategien wie showing and telling, d. h. das Demonstrieren mathematischer Inhalte, sowie teacher explaining, der Lehrendenvortrag, ermöglichen die von der Autorin ergänzten Kategorien Reviewing und Restructuring zwei Strategien der Schüler*innen, ihr eigenes Verständnis von Mathematik in die Aufgabenbearbeitung einzubringen (vgl. Anghileri, 2006, S. 41).

Unter Reviewing fallen solche Unterstützungsangebote, welche die Schüler*innen erneut auf die zu bearbeitende Aufgabe fokussieren und einen Impuls geben, um ihr eigenes Verständnis nachhaltig weiterzuentwickeln. Anghileri (2006, S. 41) listet dazu fünf verschiedene Interaktionstypen auf, die alle dazu dienen, dass die Schüler*innen ihr Vorgehen reflektieren und dadurch ihr mathematisches Verständnis klären (vgl. Anghileri, 2006, S. 44). Dazu kann es bspw. hilfreich sein, die Lernenden noch einmal an die gestellte mathematsche Aufgabe zu erinnern (looking, touching and verbalising), Barrieren in der Aufgabenbearbeitung zu hinterfragen (prompting and probing), Erklärungen der Kinder zu spezifizieren (interpretating students‘ actions and talk), die Bearbeitung einer analogen (Teil-)Aufgabe anzubieten (parallel modelling) oder die Schüler*innen darin zu unterstützen, ihre Bearbeitung zu erklären und/oder zu beweisen (students explaining and justifying) (vgl. Anghileri, 2006, S. 41–44).

Die Strategie des Restructuring zielt hingegen darauf ab, “progressively to introduce modifications that will make ideas more accessible” (Anghileri, 2006, S. 44). Bei diesen Unterstützungsangeboten können für innermathematische Aufgaben geeignete Kontexte angeboten werden (identifying meaningful contexts), die mathematische Aufgabe in bewältigbare Teilaufgaben zerlegt werden (simplifying the problem), eine akzentuierte Wiedergabe der Erklärungen der Schüler*innen getätigt werden (rephrasing students’ talk) oder die Aushandlungen der Bedeutung mathematischer Aspekte der Aufgabe mit mehreren Schüler*innen angestoßen werden (negotiating meanings) (vgl. Anghileri, 2006, S. 44–46).

Level 3:

Scaffolding auf dem dritten Level wird dann bedeutsam, wenn es nicht nur darum geht, eine einzelne mathematische Aufgabe zu bearbeiten, sondern verallgemeinerbare und abstrakte Konzepte zu ergründen und zu verstehen. Somit beinhaltet dieses Level Unterrichtsmethoden, die bei den Schüler*innen das konzeptuelle Denken entwickeln sollen (vgl. Anghileri, 2006, S. 47). Hierfür zentral ist, dass die Lernenden geeignete sprachliche Hilfsmittel kennenlernen und entwickeln, um sich in der Mathematik ausdrücken zu können (developing representational tools). Dies beeinflusst dann sowohl die Unterstützungsmöglichkeit, größere Zusammenhänge herzustellen (making connections), als auch die Anregung, das eigene Verständnis von Mathematik mit anderen zu diskutieren (generating conceptual discourse) (vgl. Anghileri, 2006, S. 47–49).

Ausgangspunkt für den Ansatz des Scaffolding ist die selbstständige Bearbeitung einer (mathematischen) Aufgabe (etwa Wood et al., 1976, S. 90; Anghileri, 2006, S. 38; Gibbons, 2015, S. 16) wie es bei der Bearbeitung arithmetisch offener Aufgaben zum Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität von Schüler*innen verlangt wird. Bei dem Konzept der Lernprompts (Englisch: instructional prompts) als eine Form des Scaffolding (vgl. Bannert, 2009, S. 140) wird der Fokus deshalb verstärkt auf das selbstregulierte Lernen der Schüler*innen gelegt. Es soll deshalb im Folgenden erläutert werden, inwiefern verschiedene Lernaktivitäten durch Prompts geeignet unterstützt werden können (vgl. Abschn. 4.2), welche Arten von Prompts insbesondere beim Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität bedeutsam sind (vgl. Abschn. 4.2.1) und wie sich diese auf die Offenheit mathematischer Aufgaben auswirken (vgl. Abschn. 4.2.2).

2 Lernprompts als Unterstützung beim selbstregulierten Lernen

„What is your plan?“ (Bannert, 2009, S. 139)

Die kreative Bearbeitung offener Aufgaben stellt eine komplexe Tätigkeit dar, bei der die Schüler*innen ihre divergenten Fähigkeiten der Denkflüssigkeit, Flexibilität, Originalität und Elaboration erkunden können sollen (vgl. Abschn. 2.4). Deshalb erscheint es wenig sinnvoll, von einer einzelnen Aktivität zu sprechen, sondern vielmehr von einer komplexen Lernsituation, in der die Schüler*innen selbstständig agieren müssen. Im Kontext des Verständnisses von Lernen aus einer konstruktivistischen Perspektive, die für das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität von Schüler*innen bedeutsam ist, kann von einer Situation des selbstregulierten Lernens (SRL) gesprochen werden (vgl. Bannert, 2009, S. 139).

Unter selbstreguliertem Lernen sind alle systematischen Gedanken, Gefühle und Handlungen von Lernenden zu verstehen, durch die diese ein (selbstgewähltes) Ziel mit Hilfe der eigenen Fähigkeiten in zeitlich sowie thematisch definierten Lernepisoden erreichen (vgl. Zimmerman, 1989, S. 329; und ausführlich Boekaerts & Niemivirta, 2000). Dabei stehen Schüler*innen im Mathematikunterricht vor der Herausforderung, geeignete Strategien auszuwählen, um den eigenen BearbeitungsprozessFootnote 3 zu überwachen, gegebenenfalls anzupassen und zu reflektieren (vgl. Zimmerman, 1989, S. 336–337). Ein derartiges selbstreguliertes Lernen im Fach ist vor allem von zwei Aspekten wesentlich beeinflusst: Selbstwirksamkeit (im Englischen: self-efficacy) und Prompts (vgl. Hoffman & Spatariu, 2008, S. 876). Beide Aspekte sollen im Folgenden dargestellt werden, wobei vor allem die Prompts im Rahmen der selbstständigen und kreativen Bearbeitung offener Aufgaben als Scaffolding-Methode bedeutsam sind.

Die BeliefsFootnote 4 der Lernenden über ihre Selbstwirksamkeit spielen eine bedeutsame Rolle, da sie den Erfolg des Bearbeitungsprozesses mathematischer Aufgaben steuern bzw. vermitteln (vgl. Bandura, 1997, S. 214–216) und somit in allen Phasen selbstregulierten Lernens zu finden sind (vgl. Schunk & Ertmer, 2000, S. 634). Selbstwirksamkeit wird als domänenspezifisches und multidimensionales theoretisches Konstrukt verstanden, durch das Lernende in der Lage sind, ihren Bearbeitungsprozess so zu strukturieren, dass sie passende Antworten zu der mathematischen Aufgabe finden (vgl. Hoffman & Spatariu, 2008, S. 876). Selbstwirksamkeit ist deshalb ein reliabeler Prädiktor für fachliche Leistungen von Schüler*innen (vgl. Pajares, 2003, S. 145). Dabei unterscheiden Hoffman und Spatariu (2008, S. 876–877) zwischen der individuellen Genauigkeit (Anzahl korrekter Antworten) und Effizienz (Verhältnis von der Genauigkeit zur Zeit) als sichtbare Merkmale von Selbstwirksamkeit. Dadurch wird hier eine deutliche Parallele zu der divergenten Fähigkeit der Denkflüssigkeit als ein Merkmal von individueller mathematischer Kreativität sichtbar, da diese ebenso als das Produzieren verschiedener passender Lösungen beschrieben wird (vgl. Abschn. 2.3.3.1).

Der Fokus soll in dieser Arbeit jedoch auf dem zweiten Einflussfaktor des selbstregulierten Lernens von Schüler*innen liegen. Um ihre individuellen Strategien bei der Aufgabenbearbeitung zu finden, benötigen Schüler*innen immer auch Hilfestellungen oder Prompts von Seiten der Lehrpersonen. Dabei konkretisieren Hoffman und Spatariu (2008, S. 876) mit Verweis auf Butler & Winne (1995), dass das Anregen der Lernenden durch Prompts deren Bewusstsein für Aufgabencharakteristika, Lösungsstrategien sowie die Bewertung von Antworten erhöht. Ähnlich zu dieser Definition umschreibt Bannert (2009) Lernprompts aus einer pädagogischen bzw. fachdidaktischen Perspektive wie folgt:

“[Prompts] stimulate the recall of concepts and procedures, or induce the execution of procedures, tactics, and techniques during learning, or even induce the use of cognitive and metacognitive learning strategies as well as strategies of resource management” (S. 140).

Durch die Fokussierung auf Strategien, Techniken und Prozeduren in der obigen Definition, scheinen Prompts ein geeignetes Instrument zu sein, um Schüler*innen auch beim Zeigen ihrer individuellen mathematischen Kreativität zu unterstützen. Bei der kreativen Bearbeitung offener Aufgaben, vor allem im Kontext der divergenten Fähigkeit der Flexibilität, wird von den Lernenden verlangt, verschiedene Ideen zu zeigen, um unterschiedliche Lösungen zu produzieren (vgl. Abschn. 2.4.1). Somit vermitteln Prompts keine neuen Informationen an die Lernenden, sondern sie erinnern diese an ihre bereits gelernten mathematischen Fähigkeiten sowie an Informationen, die mit der Aufgabenstellung gegeben werden, und unterstützen die Schüler*innen bei der (kreativen) Ausführung bzw. Anwendung dieser (vgl. Bannert, 2009, S. 140). Infolgedessen werden Prompts als kurze Interventionen umgesetzt:

“[…] Prompts are defined as recall and/or performance aids, which vary from general questions (e.g., “what is your plan?”) to explicit execution instructions (e.g., “calculate first 2 + 2,” Bannert, 2007a).” (Bannert, 2009, S. 139)

Damit nehmen Prompts im Rahmen von Scaffolding (vgl. Abschn. 4.1) eine wichtige Position ein, da sie den Schüler*innen verschiedene Möglichkeiten aufzeigen bzw. anbieten, ihre fachlichen Fähigkeiten im selbstregulierten Lernen zu nutzen (vgl. Hoffman & Spatariu, 2011, S. 608). Dabei können Lernprompts kognitive, metakognitive, volitionale und kooperative Lernaktivitäten stimulieren (vgl. Bannert, 2007, S. 116–122).

In Anlehnung an die Ausdifferenzierung von Bannert (2007, 2009) sollen nachfolgend verschiedene Typen von Lernprompts detailliert dargestellt werden (vgl. Abschn. 4.2.1). Dazu gehört auch eine Einordnung dieser in den Kontext der individuellen mathematischen Kreativität, die Lernenden bei der Bearbeitung offener Aufgaben zeigen sollen. Deshalb wird im Anschluss an die Darstellung verschiedener Prompts die Auswirkung dieser auf die Offenheit von mathematisch offenen Aufgaben dargestellt (vgl. Abschn. 4.2.2). Dazu wird die in Abschnitt 3.1.6 in Anlehnung an Yeo (2017) erarbeitete Klassifizierungsmatrix für offene Aufgaben, die das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität von Lernenden anregen, erweitert.

2.1 Kognitive und metakognitive Lernprompts

„Accordingly, instructional prompts are classified in this paper as cognitive prompts if they directly support a student’s processing of information, for example by stimulating memorizing/rehearsal, elaboration, organization, and/or reduction learning activities.“ (Bannert, 2009, S. 140)

Diesem Eingangszitat entsprechend unterscheidet Bannert (2009, S. 140) zwei Formen von Lernprompts, nämlich kognitive und metakognitive Prompts. Diese Differenzierung ist für die folgenden Ausführungen strukturgebend, sodass diese beiden Arten von Prompts nun genauer vorgestellt, mit Beispielen illustriert und auf das Konstrukt der individuellen mathematischen Kreativität bezogen werden sollen.

Unter kognitiven Prompts werden dem obigen Zitat von Bannert (2009) entsprechend solche verbalen Hilfestellungen verstanden, die explizit die Aufgabenbearbeitung auf inhaltlicher Ebene betreffen. Dazu gehören sowohl konkrete Anregungen, sich an bereits gelernte mathematische Fähigkeiten zu erinnern, bestimmte Ideen auszuarbeiten, die Organisation der Aufgabenbearbeitung wie etwa das Untergliedern der gestellten Aufgabe in individuell bewältigbare Teilaufgaben oder eine Reduzierung der Lernaktivität durch die Lehrperson (vgl. Bannert, 2009, S. 140). Denkbare Funktionen kognitiver Prompts und deren konkreter Ausformulierungen wären etwa die folgenden:

  • Organisation der Aufgabenbearbeitung: „Rechne zuerst diese Aufgabe.“

  • An bereits Gelerntes erinnern: „Nutze die Nachbaraufgaben.“

  • Untergliedern: „Finde 10 Additonsaufgaben mit der Rechenzahl 5.“

Für das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität bei der Bearbeitung offener Aufgaben beziehen sich kognitive Prompts auf die konkrete Ausarbeitung einzelner Ideen. Das bedeutet, dass die Produktion einer bestimmten Antwort zu einer offenen Aufgabe und insbesondere der schöpferische Gedanke, der zu dieser Antwort führt (vgl. ausführlich Abschn. 2.4.1), durch die verbale Unterstützung von Lehrpersonen angeregt werden kann. Wird eine arithmetisch offene Aufgabe den Schüler*innen präsentiert, können so Unterstützungen angeboten werden, um konkrete Zahl-, Term- und Aufgabenbeziehungen im Sinne des Zahlenblicks zu erkennen und explizit zu nutzen. Dafür könnte der zuvor aufgeführte, zweite kognitive Prompt als Beispiel dienen, da er explizit auf die arithmetische Struktur der Nachbaraufgaben verweist.

Zusätzlich zu den erläuterten kognitiven Prompts können metakognitive Prompts den Schüler*innen als eine wichtige Unterstützung bei der Bearbeitung offener Aufgaben dienen.

Metacognitive prompts generally intend to support a student’s monitoring and control of their information processing by inducing metacognitive and regulative activities, such as orientation, goal specification, planning, monitoring and control as well as evaluation strategies […]” (Bannert, 2009, S. 140)

Sonneberg & Bannert (2015) stellen auf Basis vielfältiger Forschungen zur Metakognition und zum selbstregulierten Lernen heraus, dass Lernende „often do not spontaneously use metacognitive skills during learning“ (S. 73). Vor allem im Kontext offener Lernsettings, in denen im Mathematikunterricht offene Aufgaben (vgl. Kap. 3) zum Tragen kommen, ist es notwendig, dass die Schüler*innen durchgehend kleinere und größere Entscheidungen treffen sowie ihre Aufgabenbearbeitung überwachen, evaluieren und anpassen (vgl. Sonneberg & Bannert, 2015, S. 73). Dadurch wird der bewusste Einsatz metakognitiver Prompts für das selbstregulierte Lernen generell, aber auch für das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität im Besonderen, bedeutsam.

Als metakognitive Prompts werden dem obigen Zitat von Bannert (2009, S. 140) entsprechend solche verbalen Hilfestellungen verstanden, die den Schüler*innen einen Anstoß liefern, ihren Prozess der Aufgabenbearbeitung selbstständig zu überwachen und zu kontrollieren. Deshalb weisen Hoffman und Spatariu (2008, S. 878) dem metacognitive prompting (MP) einen zentralen Stellenwert als Unterstützungsangebot für Schüler*innen beim selbstregulierten Lernen zu. Ergänzend definieren die Autoren metakognitive Prompts als einen externen Stimulus, der bei den Lernenden eine reflektierte Erkenntnis aktiviert oder die Nutzung einer anderen Strategie hervorruft. Durch beides wird das Ziel verfolgt, die mathematischen Fähigkeiten der Schüler*innen bei der Bearbeitung ähnlicher Aufgaben zu erweitern (vgl. Hoffman & Spatariu, 2008, S. 878). Das bedeutet auch, dass durch das Nutzen metakognitiver Prompts das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität von Lernenden unterstützt werden kann, da auch hier die Kinder ihre mathematischen Tätigkeiten während der kreativen Aufgabenbearbeitung durchweg, aber vor allem im Kontext der divergenten Fähigkeit der Originalität, reflektieren und erweitern sollen (vgl. Abschn. 2.4). Eine Unterstützung dieser Fähigkeiten kann dann zu einer Entlastung der Schüler*innen führen, die gesamte Aufgabenbearbeitung selbst zu organisieren und zu überwachen, wodurch die Aufmerksamkeit der Lernenden stärker auf dem Produzieren verschiedener Ideen (Denkflüssigkeit), dem Zeigen von Ideentypen und -wechseln (Flexibilität) sowie der Reflexion und Erweiterung der eigenen Produktion (Originalität) liegen kann.

Es lassen sich in der psychologischen und fachdidaktischen Literatur verschiedenste Begriffe für das metakognitive Prompting finden. Hoffman und Spatariu (2011, S. 611) listen fünf verschiedene Begriffe auf wie bspw. „cueing“, „reflective prompting“ oder „guided questioning“ und stellen heraus, dass alle Termini letztlich Methoden beschreiben, die metakognitive Aufmerksamkeit von Lernenden zu steigern. Gleichzeitig muss eine deutliche Abgrenzung zu dem Begriff des Feedbacks gezogen werden (vgl. auch im Folgenden Hoffman & Spatariu, 2008, S. 878): Während Feedback vor allem darauf abzielt, konkret inhaltliches oder strategisches Wissen über die Aufgabenbearbeitung an die Schüler*innen zu transportieren, regen metakognitive Prompts eine Reflexion der Lernenden an, um diese in ihrem selbstregulierten Lernen zu unterstützen.

In neueren Forschungsarbeiten konnte die Arbeitsgruppe um Bannert zwei Typen metakognitiver Prompts herausarbeiten (vgl. im Folgenden Sonneberg & Bannert, 2015, S. 74): Zum einen regen reflection prompts die Schüler*innen dazu an, den Grund dafür zu verbalisieren, warum sie den nächsten Schritt in der Aufgabenbearbeitung so gewählt haben. Hier sind deutliche Parallelen zur Elaborationsfähigkeit als ein Merkmal von individueller mathematischer Kreativität zu erkennen (vgl. Abschn. 2.4). Bei dieser divergenten Fähigkeit sollen die Schüler*innen ihr Vorgehen erklären, wobei diese dann als Ausgangspunkt für die weitere kreative Bearbeitung dienen kann. Zum anderen unterstützen self-directed metacognitive prompts die Lernenden darin, nach relevanten Informationen für die Bearbeitung der gestellten Aufgabe selbstständig und zielgerichtet zu suchen oder Vorgehensweisen in der Bearbeitung einer Aufgabe auf andere Aufgaben zu übertragen.

Ansatzpunkte für die Formulierung konkreter metakognitiver Prompts können bspw. eine gemeinsame Orientierung im Kontext der gestellten mathematischen Aufgabe, eine Erklärung des Aufgabenziels oder Ideen für die Planung des weiteren Vorgehens sein (vgl. Bannert, 2009, S. 140):

  • Was ist das Ziel der Aufgabe?

  • Was ist dein Plan, die Aufgabe zu bearbeiten?

  • Wie bist du bis jetzt vorgegangen?

  • Was ist dein erster Schritt?

Die Literatursicht über bereits existierende Studien zum Einsatz metakognitiver Prompts von Hoffman und Spatariu (2011) konnte zeigen, dass „composition, timing, and relevance of prompting“ (S. 613) für eine gelungene metakognitive Unterstützung der Schüler*innen entscheiden sind. Auch Bannert (2009) nennt „kind, specificity and timing“ (S. 140) als entscheidende Kriterien für das Gelingen von Prompts aller Art.

Damit also metakognitive Prompts ihre intendierte Wirkung entfalten, müssen die Lehrpersonen bei den Schüler*innen ein grundlegendes Bewusstsein für den positiven Nutzen von Strategien sowie die Wahrnehmung von Situationen, in denen Hilfe benötigt wird, schaffen (vgl. Hoffman & Spatariu, 2008, S. 879). Dann können Lernende Prompts auch für sich selbst oder für Mitschüler*innen formulieren. Ganz im Sinne des Zitates von Bandura (1997) – „Knowing what to do is only part of the story.“ (S. 223) – muss ein metakognitives Wissen der Lernenden genauso wie der Einsatz metakognitiver Prompts zur Unterstützung dieser nicht zwangsläufig auch dazu führen, dass die Schüler*innen dieses auch anwenden. Letztlich liegt es einzig an den Lernenden, den Prompt aufmerksam zu verfolgen und zu nutzen (vgl. Hoffman & Spatariu, 2008, S. 879).

Außerdem konnten in neueren bildungswissenschaftlichen Studien wie etwa der von Lee, Lim & Grabowski (2010, S. 644) festgestellt werden, dass vor allem “scaffolding that combines cognitive and metacognitive support and uses […] prompting seems to assure the best results” (Saks & Leijen, 2019, S. 3). Deshalb sollen im folgenden Abschnitt 4.2.2 auch die Auswirkung beider Arten von Lernprompts auf die Offenheit mathematischer Aufgaben im Sinne des Frameworks von Yeo (2017) verdeutlicht werden.

2.2 Einfluss der Prompts auf die Offenheit mathematischer Aufgaben

„But the impact of the openness of a task on student learning is not so clear because there are many task variables that can affect the degrees of openness.“ (Yeo, 2017, S. 187)

In Kapitel 3 wurden offene Aufgaben als ein geeignetes Aufgabenformat begründet, damit Schüler*innen ihre individuelle mathematische Kreativität zeigen können. Das Framework von Yeo (2017), mit dem die Offenheit von mathematischen Aufgaben klassifiziert werden kann, wurde genutzt, um geeignete offene Aufgaben für das Zeigen von Kreativität zu definieren (vgl. Abschn. 3.1.6, insbesondere Tab. 3.2). Dabei wurden offene Aufgaben im Kontext mathematischer Kreativität in der Variable der Komplexität als offen und subjektabhängig klassifiziert, damit es durch Scaffolding möglich wird, die Komplexität der Aufgabe für die Schüler*innen individuell zu erleichtern. In den vorangegangenen Abschnitten wurde dementsprechend der Aspekt des Scaffoldings (vgl. Abschn. 3.1) und der Lernprompts als eine besondere Form ebendieses (vgl. Einführung zu Abschn. 4.2 und Abschn. 4.2.1) erläutert. Nun soll der Einfluss metakognitiver und kognitiver Prompts auf offene Aufgaben, die eine kreative Bearbeitung anregen, veranschaulicht werden.

Dabei ist zunächst zu klären, ob durch die Formulierung von Prompts die offene Aufgabe an sich verändert wird. Beispielhaft soll deshalb die folgende arithmetisch offene Aufgabe aus Abschnitt 3.2.1 betrachtet werden, welche die Basisaufgabe darstellt. Ebenso exemplarisch sollen passend zu diesen zwei Prompts und deren Einsatzmöglichkeit im Kontext der Produktion weiterer Ideen formuliert werden.

Basisaufgabe::

„Deine Rechenzahl ist 5. Schreibe alle Aufgaben auf, die du mit 5 bilden kannst.“ (Rasch, 2010, S. 32).

Kognitiver Prompt::

Kannst du die Tauschaufgabe zu deiner Aufgabe \(5+1=6\) bilden?

Metakognitiver Prompt::

Wie hast du deine letzte Aufgabe gefunden? Wie sieht deine Idee für die nächste Aufgabe aus?

Nun gilt es zu klären, ob der Einsatz von Prompts die Basisaufgabe ergänzt und dadurch eine Variation dieser entsteht oder ob die Prompts keinen Einfluss auf die offene Aufgabe nehmen, sondern vielmehr additiv zu verstehen sind. An dem gewählten Beispiel sollen daher die beiden Variationsaufgaben gebildet werden, die durch den Einfluss der beiden (meta-)kognitiven Prompts auf die Basisaufgabe entstehen.

Variationsaufgabe 1::

Deine Rechenzahl ist 5. Schreibe alle Aufgaben auf, die du mit 5 bilden kannst. Nutze dafür Tauschaufgaben.

Variationsaufgabe 2::

Deine Rechenzahl ist 5. Schreibe alle Aufgaben auf, die du mit 5 bilden kannst.

Tipp: Erkläre immer erst deine Idee, wie du eine Aufgabe gefunden hast. Denk dir dann eine weitere Aufgabe aus.

Yeo (2017) beschreibt die Problematik, inwiefern ein Prompt die Basisaufgabe verändert, in seinem Artikel nur indirekt. Aus seinen Ausführungen zur Variable der Komplexität kann entnommen werden, dass die Ergänzung einer Basisaufgabe durch Prompts zu einer neuen Aufgabe führt, die dann selbst wieder mit Hilfe des Frameworks analysiert werden kann bzw. muss (vgl. Yeo, 2017, S. 184–185). Sollte diese Ansicht jedoch konsequent verfolgt werden, dann würde der Einsatz eines weiteren Prompts zu einer erneuten Veränderung der Variationsaufgabe führen und diese wiederum eine Neuklassifizierung erfordern. Dadurch entstehen zwei Probleme: Zum einen wären die Aufgabenbearbeitungen von Schüler*innen nicht mehr vergleichbar, da alle Lernenden an individuell unterschiedlichen offenen Aufgaben arbeiten würden. Zum anderen unterscheiden sich die Variationsaufgaben zunehmend so stark von der Basisaufgabe, dass nicht mehr von einer Erweiterung, sondern vielmehr von einer Verfremdung gesprochen werden muss. Die präsentierte Variationsaufgabe 1 bspw. ist hinsichtlich der Variablen der Antwort und des Vorgehens deutlich geschlossener als die Basisaufgabe und würde bei der Bearbeitung das Entdecken von weiteren Zahl-, Term- und Aufgabenbeziehungen durch den Fokus auf Tauschaufgaben einengen. Dies kann möglicherweise dazu führen, dass die Schüler*innen ihre individuelle mathematische Kreativität nur eingeschränkt zeigen können.

Deshalb wird in den nachfolgenden Ausführungen davon ausgegangen, dass die Basisaufgabe durch den Einsatz von Lernprompts, die zumeist nicht schriftlich fixiert, sondern mündlich gegeben werden, nicht verändert wird. Die metakognitiven und vor allem kognitiven Prompts stellen vielmehr punktuelle Unterstützungsangebote dar. In diesem Zusammenhang lässt sich demnach ein Einfluss der Prompts auf die Offenheit der Aufgabe im Sinne des angewendeten Framework von Yeo (2017) (vgl. Abschn. 3.1.6) erkennen. In welchen Variablen (Antworten, Ziel, Vorgehen, Komplexität und Erweiterung) die beiden Prompts die Offenheit der gestellten Aufgabe reduzieren können, soll im Folgenden erläutert und anschließend mit Hilfe der Klassifizierungsmatrix für offene Aufgaben (vgl. Tab. 3.2) visualisiert werden.

  • Werden metakognitive Prompts eingesetzt, dann dienen sie dazu, dem Kind eine Unterstützung im Bearbeitungsprozess zu bieten und dieses anzuregen über die bisherige Bearbeitung zu reflektieren. Dadurch sollen die Schüler*innen angeleitet werden, den eigenen Prozess zu überwachen und zu regulieren (vgl. Abschn. 4.2.1). In diesem Sinne fordert der zuvor beispielhaft aufgeführte metakognitive Prompt die Lernenden dazu auf, über die Idee, die zu der Produktion einer Aufgabe mit der Rechenzahl 5 geführt hat zu reflektieren und dadurch eventuell einen Anstoß für die Entwicklung weiterer Ideen zu bekommen. Auf dem Kontinuum zwischen geschlossenen und offenen Aufgaben wird durch solche metakognitiven Prompts vor allem die Variable der Komplexität weiter geschlossen, da verschiedenste Unterstützungen der Schüler*innen durch die Lehrpersonen stattfinden, indem etwa strategische Vorgehensweisen bei der Bearbeitung der offenen Aufgabe angeregt werden. Dies beeinflusst gleichsam die Variable der Vorgehensweisen. Diese bleiben nach wie vor subjektabhängig, werden aber in einem individuellen Maß weiter geschlossen. Die konkrete Zielformulierung wird dadurch ebenfalls etwas expliziter, aber nur in dem Sinne, als dass metakognitive Strategien vorgeschlagen wurden. Die möglichen Antworten und auch die Erweiterungsmöglichkeiten der offenen Aufgabe werden durch solche Prompts nicht verändert.

  • Bei dem Einsatz kognitiver Prompts werden den Lernenden konkret inhaltliche Hilfestellungen für ihre individuelle Aufgabenbearbeitung gegeben. Dies kann von einer Beispielantwort über das explizite Formulieren und Anwenden von Bearbeitungsstrategien reichen (vgl. Abschn. 4.2.1). Der oben ausgeführte beispielhafte kognitive Prompt verweist auf das Nutzen einer konkreten Aufgabenbeziehung, nämlich der Tauschaufgaben, zum Produzieren weiterer Rechenaufgaben mit der Zahl 5. Es ist zu erwarten, dass der*die Schüler*in nach dem Einsatz dieses Prompts mind. eine Tauschaufgabe produziert. Verallgemeinert und auf die Klassifizierungsmatrix bezogen verringern kognitive Prompts die Komplexität der offenen Aufgabe und beeinflussen somit vor allem die Formulierung des Aufgabenziels. Zudem wird die Offenheit des Vorgehens stark eingeschränkt, aber nicht gänzlich geschlossen. Inwiefern die möglichen Vorgehensweisen bei der kreativen Bearbeitung der offenen Aufgabe und damit auch gleichbedeutend die individuelle mathematische Kreativität der Lernenden überhaupt noch subjektabhängig ist, muss abhängig vom Prompt entschieden werden. Die konkret inhaltliche Formulierung kognitiver Prompts kann – zumindest temporär – zu einer Einschränkung in den Antwortmöglichkeiten führen. Auf die Variable der Erweiterung wirkt sich diese Art der Prompts nicht aus.

Die nachfolgende Tabelle 4.1 zeigt die potenzielle Veränderung des Grads der Offenheit (g – geschlossen; o – offen) von mathematischen Aufgaben beim Einsatz metakognitiver und kognitiver Prompts. Die hervorgehobenen Bereiche verdeutlichen, inwiefern sich die ursprüngliche Einschätzung der Offenheit der fünf Variablen (grauer Bereich – vgl. Tab. 3.2) durch den Einsatz (meta-)kognitiver Lernprompts (Farbverlauf) verändern kann. Dabei können an dieser Stelle nur die aus den theoretischen Erläuterungen erwartbaren Veränderungen veranschaulicht werden. Letztendlich werden die Auswirkungen der Lernprompts auf die Offenheit der Aufgabe individuell von den Lernenden bestimmt und können nur über empirische Untersuchungen genauer analysiert werden (vgl. dazu Forschungsziel 2 in Abschn. 5.2). Insgesamt zeigt die Matrix das Muster, dass durch den Einsatz kognitiver und metakognitiver Prompts, die Offenheit und damit auch die Herausforderung bei der Bearbeitung offenen Aufgaben, die Schüler*innen zum Zeigen ihrer individuellen mathematischen Kreativität anregen, verringert werden kann. Dabei kann die Offenheit der einzelnen Variablen unterschiedlich stark geschlossen werden, je nachdem ob ein kognitiver oder metakognitiver Prompt eingesetzt wird. Während metakognitive Prompts insbesondere auf die Komplexität der offenen Aufgabe einwirken, nehmen kognitive Prompts einen großen Einfluss auf die Offenheit des Vorgehens bei der Bearbeitung der Aufgaben und schränken dadurch die divergenten Fähigkeiten der Denkflüssigkeit und Flexibilität weiter ein.

Tab. 4.1 Klassifizierungsmatrix (in Anlehnung an Yeo, 2017) für die offenen Aufgaben mit Einfluss metakognitiver und kognitiver Prompts (Slider eigene Darstellung)

3 Kapitelzusammenfassung

Zusammenfassend wurde in diesem vierten Kapitel der Frage nachgegangen, inwiefern Schüler*innen bei der kreativen Bearbeitung offener Aufgaben unterstützt werden können. In diesem Zusammenhang spricht auch Lithner (2017) davon, dass es notwendig ist, geeignete Rückmeldungen an die Lernenden zu geben, um diese beim Zeigen ihrer individuellen mathematischen Kreativität zu unterstützen (vgl. Einführung zu diesem Kapitel).

Doch wie können solche Rückmeldungen von Lehrer*innen gestaltet sein? Unter dem Begriff des Scaffolding (Wood et al., 1976) werden solche Verhaltensweisen von Lehrpersonen verstanden, bei denen Lernende bei der Bearbeitung von herausfordernden, hier offenen, Aufgaben unterstützt werden. Diese Hilfesysteme (Wessel, 2015, S. 47) verfolgen den Grundgedanken, nur so viel Unterstützung anzubieten, wie die Schüler*innen benötigen und dies auch nur in den Bereichen, die das Wissen der Lernenden zum Zeitpunkt der Bearbeitung übersteigen (vgl. Wood et al., 1976). Das ausführlich dargestellte mathematikdidaktische Modell des Scaffolding nach Anghileri (2006) beschreibt auf drei Leveln verschiedene Arten der Rückmeldung von Lehrenden an die Lernenden. Als zentral für die vorliegende Arbeit wurden zwei Handlungsbereiche auf Level 2 herausgestellt, bei denen Lehrende direkte Unterstützung anbieten können: Die Schüler*innen sollen ihr eigenes mathematisches Handeln bzw. Wissen reflektieren und dadurch klären (Reviewing) sowie Handlungsweisen kennenlernen, damit die eigenen mathematischen Ideen zugänglicher werden (Restructuring). Beide Bereiche sind für das Zeigen der kindlichen individuellen mathematischen Kreativität bedeutsam (vgl. Abschn. 4.1).

Lernprompts stellen eine spezielle Form des Scaffolding dar (vgl. Bannert, 2009) und wurden in Abschnitt 4.2 detailliert erläutert. Unter dem Begriff der Prompts werden kurze verbale Interventionen verstanden, die Schüler*innen individuell unterstützen, indem diese eine gezielte Reflexion über die eigene mathematische Tätigkeit anregen (etwa Bannert, 2009; Hoffman & Spatariu, 2008). In Anlehnung an die Differenzierung nach Bannert (2009, S. 140) können metakognitive und kognitive Prompts unterschieden werden. Während kognitive Prompts konkret inhaltliche Unterstützungsangebote für Schüler*innen darstellen, zielen metakognitive Prompts auf das Reflektieren und Überwachen des gesamten Bearbeitungsprozesses ab. Vor allem auch für das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität sind metakognitive Prompts bedeutsam, da sie die Schüler*innen in ihrem Prozess unterstützen, aber keine konkreten Vorgaben für die Bearbeitung der offenen Aufgabe geben (vgl. Abschn. 4.2.1). Zuletzt wurde deshalb der Einfluss von Prompts auf die Offenheit von mathematischen Aufgaben, die das Zeigen der individuellen mathematischen Kreativität anregen, ausdifferenziert. Es kann festgehalten werden, dass kognitive Prompts vor allem bei der Variable des Vorgehens die Offenheit stärker reduzieren als metakognitive Prompts und dadurch einen Einfluss auf die Denkflüssigkeit und Flexibilität der Schüler*innen nehmen. Inwiefern ein Einsatz von (meta-)kognitiven Prompts bei Schüler*innen sinnvoll ist, müssen die Lehrpersonen individuell und adaptiv bei der kreativen Aufgabenbearbeitung entscheiden (vgl. Abschn. 4.2.2).