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Probleme, Bedingungen und Möglichkeiten einer Verwaltungsethik am Beispiel der Migrationsverwaltung

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Ethik der Macht der öffentlichen Verwaltung
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Zusammenfassung

Der Beitrag skizziert einen möglichen Ansatz einer Ethik nicht der Migration, sondern der Migrationsverwaltung. Zunächst werden allgemeine Probleme bei einer Implementierung der Ethik innerhalb der öffentlichen, an das Recht gebundenen Verwaltung reflektiert. Daran schließt sich der Versuch einer Übersicht über mögliche Zugänge für eine Verwaltungsethik etwa im Bereich der behördlichen Alltagspraxis oder auf der Ebene der Ministerialbürokratie an. Vor dem Hintergrund insbesondere der existenziellen Bedeutung von Entscheidungen im speziellen Bereich der Migrationsverwaltung auch für die Identität und Integrität der dort Beschäftigen formuliert der Beitrag abschließend Aufgaben und Themen einer Ethik der Migrationsverwaltung, in deren Zentrum die Sicherung der Verantwortungsfähigkeit der Verwaltungsmitarbeitenden steht.

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Notes

  1. 1.

    Der Begriff geht m.W. auf Max Morstein Marx zurück, der selbst darauf hinweist, dass „das ein ungewöhnlicher Ausdruck sein“ mag, allerdings die historischen Linien bis in die Kameralistik des 18. Jahrhunderts zurückzieht; Beamtenethos und Verwaltungsethik. Eine einführende Skizze, in: Verwaltungsarchiv 54 (1963) 4, S. 323–344, hier: S. 330.

  2. 2.

    Diese Sicht wird sprachlich gerne durch die Metapher der Verwaltungs „maschine“ zum Ausdruck gebracht; vgl. dazu A. Anter: Verwaltung und Verwaltungsmetaphorik. Der lange Weg der Maschine. In: P. Collin/K.-G. Lutterbeck (Hrsg.): Eine intelligente Maschine? Handlungsorientierungen moderner Verwaltung (19./20. Jh.). Baden-Baden: Nomos 2009, S. 35–56.

  3. 3.

    Vgl. R. Mayntz: Soziologie der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg: C.F. Müller, 1997, S. 64 ff.

  4. 4.

    N. Behnke: Alte und neue Werte im öffentlichen Dienst, in: B. Blanke/F. Nullmeier/Chr. Reichard/G. Wewer (Hrsg.): Handbuch zur Verwaltungsreform, 4., akt. und erg. Aufl., Wiesbaden: Springer 2011, S. 340–349, hier: S. 346 ff.; Th. Franz: Einführung in die Verwaltungswissenschaft. Wiesbaden: Springer VS 2013, S. 499; O. Winkler: Recht und Ethik als Steuerungsmedien und die Relevanz ethischer Fragen für die Verwaltungsausbildung, in: Verwaltung und Management 23 (2017), 1, S. 4–12, hier S. 7.

  5. 5.

    „Moralisch aufgeladene Kulturprogramme“ etwa durch Ethikrichtlinien, Moralcodizes, Leitbilder, Integritätskampagnen etc. fördern u. U. nur die moralische Selbstdarstellung von Organisationen und ihrer Mitarbeitenden nach außen und damit so etwas wie organisationale „Heuchelei“; so im Anschluss an die Arbeiten von N. Brunsson (vgl. etwa The necessary hypocrisy, in: International Executive 35 (1993) S. 1–9) St. Kühl: Heuchelei statt Konflikt. Zur Wirkung von Moral in Organisationen, in: C. Besio/A. Armbruster (Hrsg.): Organisierte Moral, Wiesbaden: Springer VS 2021, S. 107–129 (als Working Papier 5/2019 greifbar unter https://pub.uni-bielefeld.de/download/2936650/2936651/K%C3%BChl%2C%20Stefan%3B%20Working%20Paper%205-2019%20-%20Heuchelei%20statt%20Konflikt.pdf, zuletzt abgerufen 12.03.2022); ders.: Brauchbare Illegalität. Vom Nutzen des Regelbruchs in Organisationen, Frankfurt/New York: Campus 2020, S. 147 ff.

  6. 6.

    J.-C. Wolf: Das Böse. Berlin/Boston: De Gruyter 2011, S. 10; vgl. S. 107 ff.; zum „Werben für Verfassungswerte“ vgl. meinen gleichnamigen Aufsatz im Deutschen Polizeiblatt für die Aus- und Fortbildung 40 (2022), 5 [im Erscheinen].

  7. 7.

    Vgl. D. Sölle: Das Recht ein anderer zu werden, in H. Vogt (Hrsg.): Die Wiedergewinnung des Humanen. Beiträge zur gesellschaftlichen Relevanz der Menschenrechte, Stuttgart: Steinknopf 1975, S. 189–199; P. Bieri spricht von einem „Recht auf eine offene Zukunft“. Es ist dies das „Recht, sich im Tun und Erleben verändern und neue Wege gehen zu dürfen. Wenn wir dem anderen die Würde lassen wollen, dürfen wir ihn nicht durch festgelegte Erwartungen einschnüren. Wir dürfen uns kein endgültiges Bildnis von ihm machen, unter dessen Last er ersticken müßte. Dieses Recht ist ein Aspekt des Wunschs, als ein Wesen betrachtet zu werden, das ein Zweck in sich selbst ist: kein Wesen, das andere zum bloßen Instrument ihrer Wünsche machen dürfen“ (Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde, München: Carl Hanser 2013, S. 153 f.).

  8. 8.

    Die einschlägige Formulierung kennt neben der argumentativ entscheidenden sog. „Unerträglichkeitsformel“ noch ein zweites Kriterium für einen möglichen Verlust der Rechtsnatur ungerechten Rechts: die sog. „Verleugnungsformel“: „Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, dass das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als,unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen hat. Es ist unmöglich, eine schärfere Linie zu ziehen zwischen den Fällen des gesetzlichen Unrechts und den trotz unrichtigen Inhalts dennoch geltenden Gesetzen; eine andere Grenzziehung aber kann mit aller Schärfe vorgenommen werden: wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur,unrichtiges Recht‘, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur.“ (G. Radbruch: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht (1946), in: Rechtsphilosophie, hrsg. von R. Dreier/St. L. Paulson, 2., überarb. Aufl., Heidelberg: C.F. Müller 2013, S. 211–217, hier 216 f.).

  9. 9.

    Vgl. dazu J.F. Lindner: Der Gerechtigkeitsauftrag des Beamten, in: Zeitschrift für Beamtenrecht 64 (2016), 1–2, S. 1–6.

  10. 10.

    Immer noch lesenswert R. Mayntz: Politisierung der Bürokratie, in: H.-H. Hartwich (Hrsg.): Gesellschaftliche Probleme als Anstoß und Folge von Politik. Opladen: Westdeutscher Verlag 1983, S. 475–486. Speziell zur Verantwortung politischer Beamtinnen und Beamter im Kontext etwa der „Loveparade“ oder der Ermittlungen zum NSU vgl. W. Seibel/K. Klamann/H. Theis: Verwaltungsdesaster. Von der Loveparade bis zu den NSU-Ermittlungen. Frankfurt/New York: Campus 2017; vgl. auch unten Anm.15.

  11. 11.

    F. Wagener: Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 37 (1979) S. 215–260, hier: S. 244 ff. spricht nicht ohne Witz von einer „Not der Selbstbestimmung durch Regelungsüberlastung“; vgl. auch die 7. These (ebd. S. 253).

  12. 12.

    Vgl. BVerfGE 34, 269 (287). Hierzu sowie zum Folgenden vgl. H. Dreier: Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat. Tübingen: Mohr 1991, S. 162 ff.; W. Hoffmann-Riem: Eigenständigkeit der Verwaltung, in: Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Bd.1, hrsg. v. W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/A. Voßkuhle, München: Beck 2012, S. 677–776; M. Jestaedt: Maßstäbe des Verwaltungshandels, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 15., neubearb. Aufl., hrsg. v. H.-U. Erichsen/H. Pünder, Berlin/Boston: De Gruyter 2015, S. 325–372.

  13. 13.

    Vgl. dazu E. Bohlken: Stadt- und Raumentwicklung aus gemeinwohltheoretischer und verwaltungsethischer Sicht: Überlegungen zu Gemeinwohlpflichten von Politik und öffentlicher Verwaltung anhand der Beispiele des Rechtes auf Wohnen und des Rechtes auf Stadt, in T. Trappe (Hrsg.): Verwaltung – Ethik – Menschenrechte. Wiesbaden: Springer VS 2021, S. 73–111.

  14. 14.

    S. Hassan/B.E. Wright/G. Yukl: Does ethical leadership matter in government? Effects on organizational commitment, absenteeism, and willingness to report ethical problems, in: Public Administration Review 74 (2014), 3, S. 333–343. In der Bundesrepublik tritt vor dem Hintergrund des (Neuen bzw. inzwischen:) Kommunalen Steuerungsmodells insbesondere die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) für eine stärkere Berücksichtigung „ethischer Kompetenzen“ von Führungskräften ein; vgl. E.R. Holzrichter: Schlüsselkompetenzen für kommunale Führungskräfte. Köln: KGSt, 2017, online unter https://www.kgst.de/dokumentdetails?path=/documents/20181/1379003/12-B-2017_Schluesselkompetenzen.pdf/dc5bec49-15b4-e409-c7d8-dee97722c386 (zuletzt abgerufen 12.03.2022).

  15. 15.

    Mit Bezug auch auf der Finer-Friedrich-Debatte aus den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts vgl. W. Seibel: Verwaltungsdesaster und Verwaltungsethik, in: T. Trappe (s. Anm. 13), S. 39–56.

  16. 16.

    Zu diesem Begriff vgl. B. T. Litz/N. Stein/E. Delaney et al.: Moral injury and moral repair in war veterans: a preliminary model an intervention strategy, in: Clin. Psychol. Rev. 29 (2009) 695–706; m.W. ist dieses Konzept mit Blick auf die Verwaltung nur für Polizei aufgegriffen worden; vgl. K. Papazoglou/B. Chopko: The role of moral suffering (moral distress and moral injury) in police compassion fatigue and PTSD: An unexplored topic, in: Frontiers in psychology, 8, 2017, 1999. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.01999.

  17. 17.

    Dazu A. E. Tenbrunsel/D. M. Messick: Ethical Fading: The Role of Self-Deception in Unethical Behavior, in: Social Justice Research 17 (2004) 2, S. 223–236.

  18. 18.

    Zu den unterschiedlichen Mechanismen, wie Organisationen Verantwortung verdrängen, vgl. G. Ortmann: Organisation und Moral. Die dunkle Seite, Weilerswist: Velbrück 2010.

  19. 19.

    Vgl. O. Marquard: Wie irrational kann Geschichtsphilosophie sein?, in Philosophisches Jahrbuch 79 (1972) S. 241–253.

  20. 20.

    Wie gegen diese Intuition des Asyls verstoßen wird, beschreibt das erschreckende Buch von P. Klemp: Lass uns mit den Toten tanzen, Augsburg: MaroVerlag 2019 über die „Flüchtlingspolitik“ an den europäischen Außengrenzen.

  21. 21.

    Vgl. etwa den Jahresbericht 2019 der Abschiebungsbeobachtung vom Forum Flughäfen in NRW unter https://www.ekir.de/www/downloads/Jahresbericht_Abschiebungsbeobachtung_NRW_2019.pdf (zuletzt abgerufen 12.03.2022).

  22. 22.

    Vgl. B. Eßer: Als Flüchtling gescheitert und raus? Abschiebungen als Mittel der Migrationskontrolle, in: C. Ghaderi/Th. Eppenstein (Hrsg.): Flüchtlinge, Wiesbaden: Springer 2017, 347–366, hier: 364 f.

  23. 23.

    Phänomene dieser Art werden bisweilen als „moralischer Stress“ beschrieben: „Moral distress arises when one knows the right thing to do, but institutional constraints make it nearly impossible to pursue the right course of action“ (A. Jameton: Nursing practice. The ethical issues. EnglewoodCliffs: Prentice-Hall 1984, S. 6). In den daran anschließenden Arbeiten, die vor allem den Bereich der (Intensiv-) Medizin und Pflege in den Blick genommen haben, wurde verstärkt die institutionellen Rahmenbedingungen für die Entstehung von moralischem Stress untersucht; vgl. M.C. Corley: Nurse moral distress: a proposed theory and research agenda, in: Nurs Ethics 9 (2002), 6, S. 636–650. Im deutschsprachigen Raum fehlt es bislang an größeren Studien; vgl. etwa C. Eisele (Hrsg.): Moralischer Stress in der Pflege, Wien: facultas 2017; zum Ganzen den Überblick bei K. Kühlmeyer/E. Kuhn/K. Knochel/H. Hildesheim/V.D. Witt/O. Friedrich/A. Rogge: Moralischer Stress bei Medizinstudierenden und ärztlichen Berufseinsteigenden: Forschungsdesiderate im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Bundesgesundheitsbl 63 (2020) S. 1483–1490.

  24. 24.

    Zu diesen organisationalen Abwehrroutinen („organizational defensive routines“) vgl. Ch. Argyris: Skilled Incompetence, in: Harvard Business Review 64 (1986), 1, S. 6–11; dt. Eingeübte Inkompetenz – ein Führungsdilemma, in: G. Fatzer,

    G. (Hrsg.): Organisationsentwicklung für die Zukunft. Köln: Edition Humanistische Psychologie 1993, S. 129–144.

  25. 25.

    Zu dieser Form des gewollten Nichtwissens vgl. W. Seibel: Successful Failure. An alternative view on organizational coping, in: American Behavioural Scientist 39 (1996), 8, S. 1011–1024.

  26. 26.

    Ein sehr lesenswertes Beispiel für diese differenzierte Sicht auf die Verwaltungstätigkeit, auf das mich mein Kollege Karsten Witt hingewiesen hat, bietet der Aufsatz von B. Zacka: Why bureaucrats don’t seem to care. A researcher’s reflection on eight months of observing workers at an anti-poverty agency, in: The Atlantic vom 12.10.2017; online https://www.theatlantic.com/business/archive/2017/10/bureaucrat-welfare-zacka/542547/ (zuletzt abgerufen 12.03.2022).

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Trappe, T. (2023). Probleme, Bedingungen und Möglichkeiten einer Verwaltungsethik am Beispiel der Migrationsverwaltung. In: Sturm, N.M., John, E. (eds) Ethik der Macht der öffentlichen Verwaltung. Geschichte und Ethik der Polizei und öffentlichen Verwaltung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38354-1_8

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