Schlüsselwörter

1 Einleitung

Der Beitrag bietet eine problemorientierte Annäherung an Unterschiede und Zusammenhänge zwischen den Begriffen Teilhabe und Partizipation mit Blick auf Ex- und Inklusion. Diese Annäherung erfolgt aus der Perspektive der Disability Studies, die Behinderung als „soziales, politisches, historisches und kulturelles Phänomen“ (Waldschmidt, 2020a, S. 23) verstehen und nicht als unveränderbare medizinische Tatsache. Die Disability Studies forschen nicht über, sondern mit behinderten Menschen gemeinsam, indem sie mit ihnen mit Blick auf deren lebensweltliche Expertise Fragen gesellschaftlicher Teilhabe explorieren. Damit werden behinderte Menschen als aktive Subjekte einbezogen, statt wie in der traditionellen Forschung zu Behinderung in der Position beforschter passiver Objekte zu sein (Köbsell, 2019, S. 9). Dem liegt das in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der Präambel, Buchstabe e, formulierte offene Verständnis zu Behinderung zugrunde. In Bezug auf Artikel 1 der UN-BRK differenziert die Autorin zwischen Beeinträchtigung auf der biologischen und Behinderung auf der sozialen Ebene. Aufbauend auf dieses Verständnis von Behinderung werden Teilhabe und Partizipation als relationale Begriffe und grundlegende Menschenrechte (Rudolf, 2017, S. 13) verstanden. Dieser menschenrechtsbezogenen Sichtweise folgend gehören alle Menschen, unabhängig von Art und Umfang ihrer Beeinträchtigung, aus normativen, juridischen und politischen Gründen in allen Bereichen der Gesellschaft fraglos dazu und sollen sich in diese möglichst ohne Teilhabehindernisse einbringen können. Entsprechend weist die AG „Begriffe und Theorien“ im Aktionsbündnis Teilhabeforschung dem Begriff der Teilhabe die Funktion einer „konzeptionellen Klammer“ (Bartelheimer et al., 2020, S. 2) zu, um die Komplexität des Phänomens Behinderung inter- und transdisziplinär zu untersuchen. Bemerkenswert ist, dass in dieser Publikation der Reihe ‚Beiträge zur Teilhabeforschung‘ hegemoniale Normalitätsvorstellungen zu Behinderung gar nicht thematisiert werden, sondern nur der Bezug zur Teilhabe hergestellt wird. Diese Leerstelle zum Behinderungsverständnis kann für die Fortführung eines traditionellen Verständnisses von Behinderung stehen, welche Behinderung aufgrund körperlicher, kognitiver und/oder seelischer Differenz und daraus abgeleiteten Gesundheitsproblemen im Individuum verortet. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass zum Begriff der Teilhabe bislang keine genaue Definition vorliegt (Kastl, 2017, S. 35) und er in unterschiedlichen Kontexten verwendet wird. Einen wichtigen Aufschlag für ein weites und facettenreiches Verständnis von Teilhabe bilden die von der AG „Begriffe & Theorien“ im Aktionsbündnis Teilhabeforschung herausgearbeiteten sieben Kernelemente, die thesenartig aus der Mehrdimensionalität von Teilhabe abgeleitet und erläutert werden (Bartelheimer et al., 2020, S. 43 ff.). Damit steht die Herausforderung im Raum, den Begriff der Teilhabe weiter zu schärfen, ohne ihn seiner Mehrdimensionalität zu berauben und ihn so – bildlich gesprochen – in das Bett des Prokrustes zu zwängen.

Zunächst zeigt die Autorin auf, wie das jeweilige Verständnis von Behinderung die Perspektive der Akteur*innen der Teilhabeforschung mitbestimmen kann. Dabei wird idealtypisch zwischen einem bio-psycho-sozialen und einem menschenrechtstheoretischen Verständnis von Behinderung unterschieden. Diese Differenzierung soll erstens die Folgen des jeweiligen Verständnisses für die Konstruktion von Forschungsfragen skizzieren und zweitens die Spannbreite der Teilhabeforschung aufzeigen. Vor diesem Hintergrund werden sodann im Überblick relevante Kontexte dargestellt, in denen sich die Begriffe Teilhabe und Partizipation verorten und auch unterscheiden lassen (Wesselmann, 2019). Denn häufig wird aufgrund entsprechender Übersetzung internationaler Dokumente Teilhabe im deutschsprachigen Diskurs synonym mit Partizipation verwendet,Footnote 1 wobei zentrale Aspekte des Partizipationsbegriffs verloren gehen (Beck et al., 2018). Um die Gemeinsamkeiten, Zusammenhänge und Unterschiede zwischen diesen beiden Termini (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) herauszuarbeiten, werden dabei die Begriffe In- und Exklusion miteinbezogen. Abschließend fragt die Autorin am Beispiel des bio-psycho-sozialen Modells von Gesundheit und Behinderung, inwieweit dieses geeignet ist als konzeptionelle Grundlage einer Teilhabeforschung zu fungieren, die den Anspruch erhebt, den Begriff der Teilhabe noch weiter zu schärfen. Für ihren Beitrag nutzt die Autorin die Perspektiven einer kritisch forschenden Sozialen Arbeit (Schimpf und Stehr 2012) und der Disability Studies (Brehme et al., 2020). Beide sind polyphon, doch sie eint als gemeinsamer Nenner der Anspruch, Behinderung selbstreflexiv aus einer gesellschafts- und machtkritischen Perspektive zu untersuchen (Wesselmann, 2021). Dies bedeutet, nicht nur die eigene erkenntnis- sondern auch machttheoretische Position im Forschungsprozess stets mit zu reflektieren, insbesondere beim Auftreten forschungsethischer Herausforderungen und Dilemmata.

2 Verständnis von Behinderung

Die Frage, mit welchem Verständnis sich Akteur*innen der Teilhabeforschung dem Phänomen Behinderung zuwenden, ist eine wichtige. So macht es einen Unterschied, ob die Akteur*innen der Teilhabeforschung in ihren Zugängen eher dem bio-psycho-sozialen Modell von Behinderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder mehr dem menschenrechtlichen Modell der UN-BRK folgen. Die WHO fasst Behinderung als Dachbegriff für Schädigungen bzw. Gesundheitsprobleme, die verantwortlich dafür sind, dass durch hinzutretende Kontextfaktoren als Folge Beeinträchtigungen der Teilhabe entstehen (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 2005, S. 145–146). Trotz des Einbezugs der Kontextfaktoren werden Gesundheitsprobleme in diesem Verständnis als kausaler Ausgangspunkt für Teilhabeeinschränkungen gedacht. Einschränkungen der Teilhabe können aber genauso in sozialer Ungleichheit begründet liegen und somit gesellschaftlich bedingt sein. Im menschenrechtlichen Modell von Behinderung folgt man zum einen dem Verständnis der WHO hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Menschen mit Gesundheitsproblemen und ihrer Umwelt. Doch zum anderen liegt der Blick weniger auf den Schädigungen einzelner Menschen als Ursache (Aichele, 2019), sondern vor allem auf den Barrieren, die ihre „volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft“ behindern (Art 1, Abs. 1 UN-BRK). Das Verständnis von Behinderung kann demnach mitbestimmend dafür sein, worauf der Fokus von Untersuchungen liegt, die Fragen der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen zum Gegenstand haben. Geht es darum, wie Teilhabebedarfe sich erfassen und messen lassen (Bartelheimer & Henke, 2018), oder um die Analyse der gesellschaftlichen Barrieren, die Teilhabe erschweren oder verhindern (Pieper & Mohammadi, 2014)? Beide exemplarisch und ‚prototypisch‘ formulierten Fragestellungen sind wichtig; sie bilden zwei Seiten einer Medaille bzw. deuten die Spannbreite von Teilhabeforschung an. Das jeweilige Verständnis von Behinderung ist dabei aber auch mit Blick auf die gegenwärtigen Programmatiken der Sozial- und Behindertenpolitik einschließlich ihrer Widersprüche zu reflektieren. Als Beispiel sei die UN-BRK genannt. Sie gilt dem Anspruch nach als Basis für die Neuausrichtung der Behindertenpolitik (Degener, 2015, S. 55) und als Auslöser für die Reform der Eingliederungshilfe im Zuge des Artikelgesetzes ‚Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen‘ (Bundesteilhabegesetz – BTHG). Doch wird der Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten nur entsprochen, wenn ihre Teilhabewünsche gemäß § 104 neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) als angemessen gelten. Nach welchem Maßstab wird dies beurteilt und entschieden? Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessen (Kostenträger versus Leistungsberechtigte) ist dies eine komplexe Machtfrage, die primär von den von Teilhabebehinderungen betroffenen Menschen auf Basis lebensweltlicher Expertise beantwortet werden sollte (Bartelheimer, 2007, S. 8). Für Akteur*innen einer kritischen Teilhabeforschung sind solche machtbesetzten Fragen und Widersprüche in der Forschung nicht auszublenden, sondern sowohl untereinander als auch mit behinderten Menschen im Hinblick auf deren Teilhabebedarfe und -wünsche zu reflektieren. War es lange Tradition, dass über ihre Köpfe hinweg geforscht wurde, und ihnen damit nur die Rolle des Objekts zukam, geht es nun darum, behinderte Menschen unabhängig von Art und Umfang ihrer Beeinträchtigung als rechtsfähige Subjekte anzuerkennen und mit ihnen gemeinsam Forschung zu Fragen der Teilhabe zu gestalten.

Im nächsten Abschnitt werden in einem kurzen Überblick die theoretischen Kontexte, in denen die Begriffe Teilhabe und Partizipation verortet werden können, vorgestellt.

3 Teilhabe – als wohlfahrtsstaatlicher Rechtsbegriff

Teilhabe als Rechtsbegriff wurde in den 1930er Jahren gemeinsam mit dem Konzept der staatlichen Daseinsfürsorge von Ernst Forsthoff in den juristischen Diskurs eingeführt (Nullmeier, 2015, S. 98). Beeinflusst vom Nationalsozialismus entwarf Forsthoff den Begriff Teilhabe bezogen auf Teilhabe an der Gemeinschaft, die für den*die Einzelne*n das Daseinsrisiko trägt. Der*Die Einzelne gibt hierfür Grundrechte und Freiheit auf. Entscheidend dabei ist, dass Teilhabe damals noch nicht als subjektives Recht gedacht wurde, sondern im Hinblick auf die „Rechtsstellung des Volksgenossen“ (Kersten, 2005, S. 553, zit. in ebd.) zur Gemeinschaft. Unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik erklärte Forsthoff dann in einer 1953 erstmals veröffentlichen Schrift Teilhabe zum Kernbegriff des bundesrepublikanischen Sozialstaates (ebd.).

Seitdem ist Teilhabe im Kontext der Wohlfahrtspolitik zu einem normativ besetzten Leit- und Rechtsbegriff avanciert. Das manifestiert sich dann ab 2001 auch im neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) „Rehabilitation und Teilhabe“. Mit der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) 2016 wurde der Reformprozess des SGB IX eingeleitet. Im § 1 wird bezogen auf Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen nun als Ziel formuliert: „ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.“ Hier erhält der Begriff der Teilhabe eine politische Dimension, wird zur positiven Norm und erfährt so seine Anbindung an die Personengruppe von als behindert geltenden Menschen. Dabei stellt sich die Frage, welche Reichweite der Teilhabebegriff bezogen auf Vorstellungen von und Realisierung eines selbstbestimmten Lebens besitzt, denn wer definiert, welche Teilhabebereiche relevant sind und wie deren Ausgestaltung aussieht (Bartelheimer et al., 2020, S. 46)?

4 Teilhabe im Kontext der Ungleichheitsforschung

Mit der Einführung und Einbettung des Teilhabebegriffs in die sozial- und wohlfahrtspolitischen Konzepte der Lebenslagen und Verwirklichungschancen ab dem zweiten Bericht des Bundes zu Armut und Reichtum in Deutschland 2005 sowie der Berichterstattung zur sozio-ökonomischen EntwicklungFootnote 2 gewann der Teilhabebegriff an gesellschaftlicher Bedeutung hinzu. Leitend war dabei – bezogen auf alle Bürger*innen – die Fragestellung: „Wie wird gesellschaftliche Zugehörigkeit hergestellt und erfahren, und wie viel Ungleichheit akzeptiert die Gesellschaft?“ (Bartelheimer, 2007, S. 8) Damit wird das Ziel verfolgt „die Veränderung individueller Teilhabemuster von Personen in Haushalten und die institutionellen Veränderungen im deutschen Produktions- und Sozialmodell“ (Bartelheimer & Kädtler, 2012, S. 41) auf der Makro-, Meso- und Mikroebene zu analysieren. Unter dem Begriff der Teilhabe, den sie weit fassen, subsumieren die Autoren hierbei „alle Aktivitäten und Beziehungen, in denen sich Personen (in Haushalten) die gesellschaftlichen Möglichkeiten individueller Lebensführung aneignen. Als Dimensionen sozialer Differenzierung und Ungleichheit sind die Bereiche des materiellen Lebensstandards ebenso zu berücksichtigen wie die verschiedenen gesellschaftlichen Aktivitäten, in denen sich gesellschaftliche Zugehörigkeit verwirklicht.“ (ebd., S. 52) Dabei verstehen sie Teilhabe als Gegenbegriff zu Ausgrenzung bzw. Exklusion (ebd., S. 51). Exklusion tritt ein, wenn die äußeren sowie verinnerlichten sozialen Anforderungen an die eigene Lebensweise und die tatsächlichen Möglichkeiten sich auseinanderentwickeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass etablierte Modi der Teilhabe und damit positiv konnotierte gesellschaftliche Zugehörigkeit, insbesondere Erwerbsarbeit und soziale Nahbeziehungen, immer brüchiger werden (Kronauer, 2010, S. 32). Weitere Modi der Teilhabe sind Teilhabe durch Rechte, Bildung und kulturelle Teilhabe (Bartelheimer, 2007, S. 10). Es wird also deutlich: Teilhabe wird in diesem Kontext als Leitkategorie zur Bestimmung gesellschaftlicher Lagen und als normativer Bewertungsmaßstab zu deren Erfassung genutzt. Anders als im Sozialrecht wird Teilhabe nicht als individualisierter Rechtsanspruch betrachtet. Offen bleibt hier, um welche konkreten Formen der Teilhabe im Sinne von Beteiligung es gehen könnte.

Dass Teilhabe und Partizipation mit Blick auf Ex- und Inklusion noch nicht unter diesen Bezeichnungen, jedoch als inhaltliche Aspekte schon in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) thematisiert wurden, zeigt der nächste Abschnitt. Mit diesem Bezug auf die Menschenrechte wird zugleich eine mögliche normative Grundlage von Teilhabeforschung skizziert.

5 Teilhabe und Partizipation im Kontext der Menschenrechte

In der AEMR von 1948, auf die sich die UN-BRK bezieht, indem sie die darin aufgeführten Menschenrechte für die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen konkretisiert, verweisen bestimmte Artikel auf inhaltliche Bestandteile von Teilhabe und Partizipation.

Was Teilhabe angeht, gehören die Rechte auf soziale Sicherheit (Artikel 22), auf Arbeit (Artikel 23), auf Erholung und Freizeit (Artikel 24), auf Gesundheit (Artikel 25), auf Bildung (Artikel 26) und am kulturellen Leben teilzunehmen (Artikel 27) dazu. Demnach ist allen Menschen als Träger*innen dieser Rechte die Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben zu gewähren (Lohmann, 2012, S. 221). Alle diese Rechte wurden durch soziale Bewegungen erkämpft, die sich gegen den Ausschluss von politischer und gesellschaftlicher Teilhabe zur Wehr setzen (Rudolf, 2017, S. 13 f.). Daraus folgt, die Ermöglichung von Teilhabe in allen zentralen Lebensbereichen ist – noch unabhängig von der jeweiligen Bedeutung, Form und Bedingungen – im Zusammenhang mit Ausschluss vom Sozialen und damit mit Blick auf die verschiedenen Dimensionen von Diskriminierung zu denken. Kurz gesagt, „Teilhabe setzt Freiheit von Diskriminierung“ (ebd., S. 15) voraus. Somit ist Teilhabe als Gegenbegriff zur Diskriminierung, die sehr oft mit Gefahren der Exklusion verbunden ist, nicht nur schon aus der AEMR ableitbar, sondern steht für eine menschenrechtsbasierte Verortung des Teilhabebegriffs. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung gilt dabei als grundlegendes Strukturprinzip aller der AEMR nachfolgenden Menschenrechtsabkommen, so auch in der UN-BRK. Die zentrale Bedeutung des Prinzips der Nichtdiskriminierung zeigt sich im Tatbestand, dass in mehreren Artikeln darauf direkt verwiesen wird: so in dem Artikel 3b, in dem Artikel 4, Absatz 1 und in Artikel 5 der UN-BRK. Dazwischen ist im Artikel 3c „die volle und wirksame Teilhabe und Einbeziehung in die Gesellschaft“Footnote 3 festgehalten, in dem das menschenrechtsbasierte Verständnis von Teilhabe mit einem weiteren Prinzip, dem der Einbeziehung bzw. Inklusion verknüpft wird. So wird in der UN-BRK eindeutig das Ziel formuliert, „allen Menschen auf der Basis gleicher Rechte ein selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe an allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen“ (Wansing, 2015, S. 53). Damit erklärt sich zugleich, dass außer dem Begriffspaar Teilhabe und Partizipation auch die Begriffe Teilhabe und Inklusion im Diskurs oft synonym verwendet werden. Teilhabe und Partizipation sind jedoch bis auf ihren engen Zusammenhang im Bereich der Menschenrechte theoretisch unterschiedlichen Kontexten zuzuordnen. Auch der Artikel 4 Absatz 3 der UN-BRK sieht die Verpflichtung vor, Menschen, die als behindert gelten, in sie betreffende Entscheidungs-, Forschungs- und Gestaltungsprozesse einzubeziehen. Diese Verpflichtung bedeutet ebenso die menschenrechtstheoretisch begründete Teilhabe mit den Prinzipien Nichtdiskriminierung und Inklusion zusammen zu denken und lässt sich darüber hinaus auch als Recht auf soziale und politische Partizipation lesen. Weitere inhaltliche Bestandteile von insbesondere politischer Partizipation, noch ohne Nennung der konkreten Formen und Ebenen, sind ebenso in der AEMR vertreten. Dazu sind unter anderem das Recht auf Gedanken,- Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 18), das Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 19), das Recht auf Versammlung und Zusammenschluss in Vereinigungen (Artikel 20) und ganz besonders das Recht an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken (Artikel 21) zu zählen.

Was sich andeutet ist, dass Partizipation im Vergleich zur Teilhabe eine aktivere Konnotation, sich beteiligen zu können, besitzt. Für den Kontext Behinderung bedeutet dies, dass alle Menschen, unabhängig von Art und Umfang ihrer Beeinträchtigung, nicht nur ‚irgendwie‘ passiv einbezogen sein, sondern als Träger*innen dieser Rechte sich als aktive Bürger*innen mit ihren Ansichten einbringen sollen. Hierzu gehört beispielsweise das erst 2019 verabschiedete inklusive Wahlrecht (Kulke, 2020, S. 89) als eine verfasste Form der Partizipation.

Inhaltliche Elemente von Teilhabe und Partizipation sind also bereits in der AEMR angelegt. Sie richten sich gegen Unrecht und Ungleichbehandlung, bedurften aber der konkretisierenden Übersetzung auf die Lebenslagen behinderter Menschen sowie der Ratifizierung der UN-BRK, um einen veränderten gesellschaftlichen Umgang mit ihnen in Gang zu setzen (Bartelheimer et al., 2020, S. 6). Aufgabe einer kritischen Teilhabeforschung wäre demnach, mit Blick auf die Realisierung dieser Rechte zu erforschen, wie sich dieser Umgang weiterentwickelt. Denn „Teilhabe meint das, was seitens einzelner Menschen tatsächlich verwirklicht wird bzw. werden kann" (Wansing, 2012, S. 96). Soziale und politische Partizipation beinhaltet neben der verfassten Form der Beteiligung an Wahlen noch viele weitere Formen, (u. a. Demonstrationen sowie Protestaktionen, wie z. B. gegen das Bundesteilhabegesetz) die voraussetzen, solche Beteiligungsformen nicht nur zu kennen, sondern auch Zugang zu ihnen zu haben und vor allen darin Erfahrungen (zum Beispiel Selbstwirksamkeit zu erleben) sammeln zu können.

6 Partizipation im demokratietheoretischen Kontext

Wie der menschenrechtliche Kontext zeigt, besteht also auf Partizipation ein politisches, juridisches und nicht nur moralisches Recht. Partizipation im demokratietheoretischen Kontext wird auch mit Blick auf methodologische Fragen der Teilhabeforschung vorgestellt. Zunächst einmal stellt Partizipation einen Sammelbegriff für unterschiedliche Arten, Ebenen und Formen der Beteiligung dar und ist ein Modus, durch den „Menschen wechselseitig Einfluss aufeinander nehmen, um im sozialen Zusammenhang mehr zu erreichen, als ihnen als Einzelwesen möglich ist.“ (Gerhardt, 2007, S. 14) Es geht also um die Beteiligung und tatsächliche Mitentscheidung von Bürger*innen an kollektiven Entscheidungsprozessen (z. B. Wahlen) sowie an relevanten Orten, wozu neben der Arbeitswelt und dem Gemeinwesen auch Institutionen der Eingliederungshilfe gehören. Partizipation impliziert dabei das aktive Ausüben-Können des „Grundrecht[s] auf persönliche Freiheit, Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit.“ (Schnurr, 2018, S. 633). Dies gilt – neben der Gewaltenteilung – als zentrales Kennzeichen demokratisch verfasster Gesellschaften (ebd.). In seinen Ausführungen zu Partizipation bezieht sich Schnurr auch auf den Begriff der Teilhabe: „Partizipation im Sinne von Teilhabe weist über die Teilnahme an Prozessen der Aushandlungs- und Entscheidungsfindung im engeren Sinne hinaus und bezeichnet die („anteilige“) Nutzung der zu einem gegebenen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung verfügbaren Ressourcen und Möglichkeiten zur Realisierung individueller Lebensentwürfe und zur Herausbildung von Subjektivität.“ (ebd., S. 634) Damit verleiht er dem Begriff der Teilhabe eine weitaus aktivere Konnotation als das von Bartelheimer & Kädtler (2012) vertretene Verständnis im Kontext der Ungleichheitsforschung und formuliert ein doppeltes Ziel: Realisierung selbstbestimmter Lebensentwürfe als Prozess der Subjektwerdung mit Nutzung der gesellschaftlich verfügbaren Ressourcen.

Dabei ist, zurückkommend auf den Begriff der Partizipation, zu bedenken, dass ‚echte‘ Partizipation immer mit der Frage von Macht und deren Abgabe bzw. Teilung verbunden ist: „Participation without redistribution of power is an empty and frustrating process for the powerless.“ (Arnstein, 1969, S. 216 zitiert in Schönwiese, 2020, S. 116). Arnstein, auf den sich Schönwiese bezieht, entwarf als Erster für den Kontext der Bürgerbeteiligung ein Stufenmodell, um anhand dessen gleichermaßen Chancen und Probleme bei Partizipationsmöglichkeiten aufzufächern. Wright et al. (2010) entwickelten, sich daran grob anlehnend, ein eigenes Stufenmodell für den Kontext der Gesundheitsförderung (Abb. 1). Deren Modell lässt sich auf das Feld der Teilhabeforschung übertragen. Es zeigt, dass Partizipation bei der Mitbestimmung bei Entscheidungsprozessen (Stufe 6) beginnt und sich umfänglich erst realisiert, wenn auch über die Macht Entscheidungen zu treffen (Stufe 8) real verfügt werden kann.

Abb. 1
figure 1

Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung (Wright et al., 2010, S. 42 f.)

7 Partizipative oder partizipationsorientierte Teilhabeforschung?

Mit seiner Hierarchisierung unterstellt dieses Modell, wie auch andere zur Partizipation, dass je höher die Stufe, desto umfassender und qualitativ gehaltvoller das Partizipationsrecht sei. Doch zeigen Studien aus dem Bereich der Sozialen Arbeit, dass die Erhöhung von Partizipationsrechten nicht automatisch zu einem Mehr an Partizipationsmöglichkeiten führen muss (Schäuble & Wagner, 2017, S. 9). Dieser Tatbestand spiegelt sich auch in den Erfahrungen von Akteur*innen der Behindertenbewegung wider, die bei Zusammenarbeit immer wieder erlebt haben, dass sie auf unterschiedlichen politischen Ebenen, auf denen Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe verhandelt werden, und in Forschungsprojekten in der Schlussphase bei finalen Entscheidungsprozessen nicht mehr beteiligt waren bzw. ausgeschlossen wurden (Schönwiese, 2020, S. 121f.). So warnt Schönwiese davor, „in eine ‚Mitmachfalle‘ zu geraten (vgl. Kersting 2008; Naue & Schönwiese, 2015; Wagner, 2014; Wansing, 2005; Wilk & Sahler, 2014)“ ( ebd. ). Für die Planung und Analyse von Partizipationsvorhaben im Kontext der Teilhabeforschung können solche Modelle (Abb. 1) dennoch eine wichtige Orientierung bieten, denn sie helfen, die methodologische Frage zu klären, ob es sich um partizipative Forschung handelt. Partizipative Forschung versteht die Autorin hierbei im Anschluss an von Unger als „Oberbegriff für Forschungsansätze, die in der Tradition der Aktionsforschung stehen und soziale Wirklichkeit partnerschaftlich erforschen und beeinflussen“ (von Unger, 2014, S. 13). Partizipationsorientierte Forschungen indes zeichnen sich durch einen geringeren Grad an Beteiligung aus (s. Stufen 3–5 in Abb. 1). Unabhängig vom Grad der Beteiligung können sich Forschungen zur Teilhabe auf unterschiedliche Ebenen beziehen: erstens auf die Ebene der Gestaltung sozialpolitischer Rahmenbedingungen, zweitens auf die der lokalen Angebotsplanung, drittens auf die der Einzelfallentscheidung und viertens auf die der Leistungserbringung (Schnurr, 2018, S. 638). Partizipative und partizipationsorientierte Forschungen der Teilhabeforschung bewegen sich, unabhängig davon auf welcher Ebene sie ihre konkrete Forschung ansiedeln, in einem Spannungsfeld von (Alibi-)Beteiligung der Menschen, die durch Teilhabebarrieren behindert werden. Von Teilhabebarrieren betroffene Menschen stellen zudem eine heterogene Gruppe dar. Sie nehmen eine komplexe Doppelrolle als Co-Forschende und Forschungssubjekte ein. So stellt sich die Herausforderung wie Akteur*innen der Teilhabeforschung mit ihnen, beim Aufeinandertreffen von unterschiedlichen (Erkenntnis-)Interessen, gemeinsam forschen können. Dabei geht es auch um die Schlüsselfrage, ob diese von Teilhabebarrieren Betroffenen nur als zu Befragende einbezogen werden, bei manchen Entscheidungen mitwirken oder partizipativ von Anfang bis Ende des Forschungsprojektes auf Augenhöhe aktiv beteiligt sind? Wer entscheidet dies und welche Erfahrungen werden in Aushandlungsprozessen partizipativer Forschungen gemacht, in denen der Faktor Macht auch stets mit zugegen ist (Bartelheimer et al., 2020, S. 51)?

Wie voraussetzungsvoll solch ein Vorhaben partizipativer Forschung in seiner Umsetzung ist, legen Degener und Butschkau (2020, S. 141 ff.) in ihrem Forschungsbericht dar. In ihrem Bericht erläutern die Autorinnen darüber hinaus, dass partizipative Forschung konsequent menschenrechtsbasiert umzusetzen ist. Dafür benennen sie sie die vier Prinzipien Wertegebundenheit (1), Sensibilität für Machtverhältnisse (2), Partizipation (3) und Transparenz (4) als grundlegende Voraussetzungen, die in/bei Forschungen zu und mit von Teilhabebarrieren betroffenen Menschen zu berücksichtigen sind (Degener & Butschkau, 2020, S. 133).

Zusammengefasst: Partizipation ist demokratietheoretisch fundiert und besitzt wesentlich aktivere Facetten als der Rechtsbegriff und das sozialpolitische und -wissenschaftliche Konzept der Teilhabe. Beide, sowohl Teilhabe als auch Partizipation, stellen normative Konzepte dar. Ihre gemeinsamen Bezugspunkte liegen in den wohlfahrtstheoretischen Konzeptionen der Verwirklichungschancen (Sen, 2010) und des Capability Approach (Nussbaum, 2015). Worin sich diese zwei genannten wohlfahrtsstaatlichen Konzeptionen auch unterscheiden, kann hier nicht näher erläutert werden, sodass exemplarisch auf Bartelheimer et al. (2020, S. 29–30) verwiesen wird. Ohne Kenntnis von kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Teilhabebarrieren und -mustern können Zugänge zur Teilhabe u. a. durch bedarfsdeckende Unterstützungsleistungen, Bildung, Information und Kommunikation nicht realisiert werden. Daher betrachtet die Autorin realisierte Teilhabe als eingelösten Rechtsanspruch sowie notwendige Ressource und Voraussetzung für Prozesse der Partizipation, die wiederum in Abläufen von Institutionen und Forschungsprojekten hinsichtlich des Beteiligungsgrades einer transparenten Klärung und Qualitätssicherung bedürfen.

Nach einer knappen Einführung in die Verwendungskontexte des Begriffspaares Exklusion und Inklusion wird im Folgenden der Versuch unternommen, sie in Beziehung zu Teilhabe und Partizipation zu setzen.

8 Exklusion und Inklusion mit Blick auf Teilhabe und Partizipation

Das Begriffs- und Gegensatzpaar Inklusion und Exklusion wird in verschiedenen Kontexten verwendet und trägt dabei unterschiedliche Bedeutungen, auch innerhalb der in diesen Kontexten geführten Diskurse. Daher wird der Beitrag die begriffsgeschichtliche Entwicklung nur grob skizzieren. Kontextunabhängig geht es dabei immer um Fragen der Herstellung gesellschaftlicher (Nicht-)Zugehörigkeit. Die Autorin lokalisiert das Begriffspaar Exklusion und Inklusion idealtypisch in vier theoretischen Kontexten. In den ersten beiden Kontexten (im soziologischen und in dem der sozialen Ungleichheit) fungieren die Begriffe Exklusion und Inklusion als Werkzeuge, um aus einer makrosoziologischen Perspektive Prozesse beschreiben zu können, die über gesellschaftliche (Nicht-)Zugehörigkeit entscheiden. Luhmann führte die Termini Exklusion und Inklusion in die Soziologie ein, als er im Anschluss an Parsons in den 1970er Jahren seine Systemtheorie entwickelte (Wesselmann, 2017, S. 56). Mit der Systemtheorie unternahm er den (erfolgreichen) Versuch, die funktionale Differenzierung der Gesellschaft in verschiedene gesellschaftliche Funktionssysteme (z. B. Arbeit, Bildung, Gesundheit und Wissenschaft) zu erfassen und zu beschreiben. Nach Luhmann bedeutet Exklusion nur den Status der Nichtzugehörigkeit zu einem der Funktionssysteme, nicht negativ konnotierte Ausgrenzung (Kuhlmann, 2012, S. 42). Inklusion meint im Luhmann’schen Sinne wertfrei die Mitgliedschaft in einem der gesellschaftlichen Funktionssysteme. Mit der Verwendung des Begriffspaars Exklusion und Inklusion ab den 1980er Jahren im Kontext der (internationalen) Forschung sozialer Ungleichheit, die Formen und Ursachen gesellschaftlicher Spaltungsprozesse zu bestimmen sucht, kam die normative (Be-)Wertung der beiden Begriffe auf. Zunächst lag in diesem Kontext der Fokus auf dem Begriff der (sozialen) Exklusion, bevor Inklusion als Gegenbegriff zu Prozessen der Exklusion entworfen wurde. So wurde gefragt, welche Modi über gesellschaftliche Zugehörigkeit entscheiden (Kronauer, 2017, o. S.). Drittens gewann das Begriffspaar Ex- und Inklusion im Kontext der Menschenrechte seit der Ratifizierung der UN-BRK maßgeblich an Bedeutung hinzu. Hierbei ist zu betonen, dass die Debatten in diesem menschenrechtstheoretischen Kontext zunächst nur um den Begriff der Inklusion kreisten. Gleiches gilt für den vierten, den (schul-)pädagogischen Kontext. Inklusion löste in diesem Kontext den Begriff der Integration ab, worunter, grob gesprochen, die Eingliederung und Anpassung der von Teilhabebarrieren Betroffenen in ein bestehendes System verstanden wurde. Hingegen zielt Inklusion auf die Änderung des Systems, das Teilhabebarrieren hervorbringt, die gesellschaftliche Zugehörigkeit verhindern (Bruegelmann, 2019, o.S.). Trotz zahlreicher Publikationen, insbesondere in den beiden letztgenannten Kontexten, ist die Beziehung zwischen Inklusion und Exklusion zu Teilhabe und Partizipation theoretisch nach wie vor noch unterbestimmt (Tiedeken, 2020, S. 16).

Dennoch lässt sich sagen: Die ersten beiden Kontexte, der soziologische und der der sozialen Ungleichheit, fokussieren aus makrosoziologischer Perspektive auf Mechanismen, welche bezogen auf Teilhabe über Zugehörigkeit (Inklusion) oder Nichtzugehörigkeit (Exklusion) von Mitgliedern einer Gesellschaft entscheiden. Im Anschluss an Bartelheimer (2007) und Kronauer (2017) schlägt die Autorin vor, Teilhabe von der Exklusion her zu denken: Gegen Exklusion gerichtete Maßnahmen, die Teilhabe ermöglichen sollen, zielen auf Veränderungsprozesse auf der individuellen Ebene, Maßnahmen der Inklusion hingegen schieben Veränderungsprozesse auf der strukturellen Ebene an. Beide Maßnahmen, die Teilhabe und Inklusion auf ihren jeweiligen Ebenen fördern, sind aus Sicht der Autorin wesentliche Voraussetzungen, um Partizipation zu ermöglichen. Dabei ist ein kritischer Blick auf mögliche Dynamiken des Ausschlusses und nicht erkannter Diskriminierung vonnöten. Als Beispiel seien hier ableistisch gefärbte Erwartungen bzw. Zuschreibungen an Menschen genannt, die im Zuge künftiger Teilhabeforschungsprojekte befragt oder aktiv partizipieren sollen und/oder wollen.

Forschungen im Kontext der Teilhabeforschung bedürfen darüber hinaus, bezogen auf Fragen der Teilhabe und Partizipation, konzeptioneller sowie normativer Grundlagen, die deren Ausgangs- und Bezugspunkte für ihr Erkenntnisinteresse bilden. Diese werden im folgenden Abschnitt benannt, um davon ausgehend den Blick auf mögliche weitere theoretische Perspektiven zu öffnen.

9 Kritische Fragen der Disability Studies an Teilhabeforschung

Von der AG „Begriffe und Theorien“ im Aktionsbündnis Teilhabeforschung werden als theoretische Bezugspunkte „das bio-psycho-soziale Modell von Behinderung und Gesundheit, der Lebenslagenansatz und das Konzept der Befähigung (Capability)“ (Bartelheimer et al., 2020, S. 19) benannt und erläutert (ebd., S. 19–41). Dabei geht es den Autor*innen um die Schlüsselfrage, inwieweit mittels dieser Konzepte der Teilhabebegriff stärker konturiert werden kann. Es sprengt den Rahmen dieses Beitrages auf die vorgeschlagenen Konzepte angemessen einzugehen. So stellt die Autorin nur mit Blick auf die aufgeworfene Schlüsselfrage aus Sicht der Disability Studies exemplarisch ihre Anfrage an das bio-psycho-soziale Modell von Gesundheit und Behinderung. Die Disability Studies sehen Behinderung als soziale „Konstruktion der Abweichung“ (Hirschberg, 2020, S. 13). Behinderung wird also nicht individualisierend von der einzelnen Person hergedacht, sondern stets mit Blick auf die gesellschaftlichen Bedingungen des Behindertwerdens (Waldschmidt, 2020b, S. 59). Prozesse des Behindertwerdens, verstanden als soziale Exklusion, bilden einen ihrer zentralen Forschungsgegenstände (Zander, 2016). Dieser Sicht folgend fragt die Autorin, weshalb im bio-psycho-sozialen Modell von Behinderung die (funktionale) Gesundheit als das Normale, als erstrebenswerte Norm und als Gegensatz zu Behinderung gesetzt wird, statt wie es in der UN-BRK zum Ausdruck kommt als Bestandteil menschlicher Vielfalt. Daraus folgt, dass diese normative Engführung des bio-psycho-sozialen Modells von Behinderung, das gegenwärtig die konzeptionelle Basis für die Erhebung der Teilhabebedarfe behinderter Menschen im Kontext der Eingliederungshilfe bildet, kritisch zu hinterfragen ist. Zu dieser Erkenntnis gelangen auch Bartelheimer et al. (2020, S. 24) und werfen zudem die Frage auf, ob diese konzeptionelle Grundlage einer Profilierung des Teilhabebegriffs dienlich sein kann.

10 Fazit

Welche Schlüsse lassen sich aus vorliegender problemorientierter Annäherung an die Eckpunkte Partizipation, Inklusion und Exklusion ziehen? Deutlich sollte geworden sein, dass es sich bei den Eckpunkten ebenso wie beim Begriff der Teilhabe um Termini handelt, die in unterschiedlichen Kontexten verortet sind und sich nur zum Teil klar voneinander unterscheiden lassen. Dies betrifft Teilhabe und Partizipation, auf denen ein zentraler Fokus des Beitrags liegt. Bis auf den Kontext der Menschenrechte sind sie theoretisch differenten Zusammenhängen zuzuordnen. Ohne die Einlösung von Teilhabeansprüchen auf der individuellen Ebene und Maßnahmen der Inklusionsförderung, die an Strukturen ansetzen, die Teilhabebarrieren produzieren, fehlen die Voraussetzungen für eine gelingende Partizipation von Menschen, die als behindert gelten. Zur Präzisierung des Teilhabebegriffs in seiner praktischen Anwendung im Kontext einer kritischen Teilhabeforschung sollen die hier gemachten Ausführungen Ansatzpunkte zum Weiterdenken bieten.

Übertragen auf die Forschungspraxis einer (kritischen) Teilhabeforschung in und mit Nutzer*innen von Einrichtungen der Eingliederungshilfe ist damit vor allem die Frage verbunden: Welche Optionen der realen Mitentscheidung werden geboten bzw. zugestanden? Partizipationsorientierte und insbesondere partizipative Forschungen bedürfen – das ist nicht zu unterschätzen – einer begründet einzufordernden, entsprechenden Ausstattung an (im)materiellen Ressourcen sowie kritischer Prozessbegleitung in Form von Forschungsintervisionen. Dabei sollte die Berücksichtigung der vier menschenrechtsbasierten Prinzipien Wertegebundenheit (1), Sensibilität für Machtverhältnisse (2), Partizipation (3) und Transparenz (4) zum Repertoire einer kritischen Teilhabeforschung gehören.