Schlüsselwörter

1 Einleitung

Psychische StörungenFootnote 1 gehören zu den Funktionsstörungen, welche die Lebensqualität betroffener Menschen am stärksten einschränken (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V., 2020, S. 8). Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchlebt jede vierte Person in Europa in ihrem Leben mindestens eine Episode einer psychischen Störung (WHO, 2006, S. 1). Unter den Erwachsenen in Deutschland, im Alter zwischen 18 und 79 Jahren, leidet nahezu jede vierte männliche (22,0 %) und jede dritte weibliche (33,3 %) erwachsene Person im Erhebungsjahr, zumindest zeitweilig, unter einer voll ausgeprägten psychischen Störung (Gühne et al., 2015, S. 6). Nimmt man beide Geschlechter zusammen, entspricht dies rund 17,8 Mio. Menschen in Deutschland (Jacobi et al., 2016, S. 89 f.). Auch wenn Uneinigkeit über die Ursachen der Zunahme von psychischen Störungen besteht (Dornes, 2016, S. 13), zeigen die Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland alarmierende Zahlen von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Störungen. Psychische Störungen nehmen hier insgesamt den zweiten Platz der häufigsten Erkrankungen ein, bei Frauen sogar den ersten Platz (Marschall et al., 2018, S. 7). Im Jahr 2019 betrugen die Arbeitsunfähigkeitstage pro 100 Versicherten 260,3 Tage. Seit dem Jahr 1997 ist dies ein Anstieg von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Störungen um 239 % (DAK Gesundheit, 2020, S. 2 ff.). Bei den Männern mit psychischen Störungen lag die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr 2019 bei 202 Tagen pro 100 Versicherten. Bei den Frauen mit psychischen Störungen waren es 328 Tage. Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis bilden – im Gegensatz zu den affektiven Störungen und den neurologischen Belastungs- und somatoformen Störungen – mit 2 % einen geringen Teil der Arbeitsunfähigkeitstage. Pro 100 Versicherte betrug der Anteil bei Männern mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis 5,3 Tage und bei den Frauen 4,9 Tage (DAK Gesundheit, 2020, S. 11 ff.).

Psychische Störungen bilden bei der Deutschen Rentenversicherung die zweithäufigste Diagnose für die Bewilligung einer beruflichen Rehabilitation. Bereits seit Jahren macht der Anteil von Frauen im Allgemeinen in der beruflichen Rehabilitation lediglich ein Drittel der Leistungsberechtigten aus (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2020, S. 7). Unter den 3692 im Jahr 2014 abgeschlossenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) von Menschen mit psychischen Störungen befinden sich 26,9 % Männer und 16,5 % Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis (siehe Abb. 3) (Ommert, 2020, S. 193 f.). Seit dem Jahr 2001 sind psychische Störungen mit aktuell 43 % der häufigste Grund für die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Hesse et al., 2019, S. 194). Dies entspricht im Jahr 2018 ca. 72.000 Personen, darunter befanden sich gut 5000 Menschen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis (Hornung et al., 2020, S. 21 f.). Demzufolge sind psychische Störungen die Hauptursache für ein vorzeitiges gesundheitsbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und spielen in der beruflichen Rehabilitation eine wachsende Rolle. Die dauerhafte berufliche Reintegration durch geeignete Rehabilitationsmaßnahmen gelingt entsprechend seltener, je höher die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage vor der Rehabilitation ist (Gühne et al., 2015, S. 22 f.). Dabei ist es auch für Menschen mit psychischen Störungen ein elementarer Wunsch, einer Arbeit nachzugehen. Arbeit fördert die Entwicklung von Identität, Zugehörigkeit, ermöglicht soziale Kontakte und Beziehungen. Arbeit trägt dazu bei, soziale Normen zu erfüllen, sie strukturiert den Tagesablauf und ordnet den Lebensrhythmus (Becker & Stengler, 2015, S. 48 ff.). Darüber hinaus befriedigt Arbeit das Bedürfnis nach Anerkennung, gibt Sicherheit durch den Verdienst und verleiht Menschen das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein (Hoffmann, 2007, S. 207). Trotz gesetzlicher Verankerungen, wie z. B. in Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und des Rechtes von Menschen mit Behinderungen auf bezahlte Arbeit, trotz der besonderen Berücksichtigung von Bedürfnissen von Menschen mit psychischen Störungen (Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im SGB IX) und trotz der Vorgaben zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes bleibt der allgemeine Arbeitsmarkt Menschen mit psychischen Störungen häufig aus verschiedenen Gründen (z. B. Effizienz, Rationalisierung, hohe Anforderungen, hohe Flexibilität etc.) noch verschlossenFootnote 2 (Bode et al., 2017, S. 8). Dies gilt insbesondere für Frauen mit psychischen Störungen, die aufgrund ihres Geschlechts, der damit verbundenen Zuschreibungen und ihrer psychischen Störung eine mehrfache Diskriminierung erfahren (Ommert, 2020, 26 ff., 87 ff.).Footnote 3 An dieser Stelle kommt der beruflichen Rehabilitation eine wesentliche Bedeutung zu: Sie soll Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung fördern. Es ist davon auszugehen, dass diverse Kontextfaktoren (WHO, 2005) dazu beitragen, ob die Rehabilitation und, darauf folgend, die Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung gelingt bzw. nicht gelingt. So stellte sich die Frage, welche Kontextfaktoren für Frauen mit psychischen StörungenFootnote 4 in der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung von zentraler Bedeutung sind und wie Barrieren die Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung beeinflussen. Auf diese Frage wird im Folgenden in Auszügen eingegangen.

2 Theoretische Grundlagen der Forschungsarbeit

Neben den Begriffen der Kontextfaktoren, Barrieren und Förderfaktoren entstammt auch die Bezeichnung „Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung“ im weiteren Sinne der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF, internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, vgl. Abb. 1) (WHO, 2005). Der ICF liegt auch der Begriff der Teilhabe (Einbezogensein in eine Lebenssituation) und der Teilhabebereich „Arbeit und Beschäftigung“ zugrunde, der sich im achten Kapitel der Komponente „Aktivitäten und Teilhabe“ der ICF befindet (WHO, 2005, S. 118 ff.). Neben der klassischen Erwerbsarbeit wird hierunter auch die unbezahlte Tätigkeit subsumiert (WHO, 2005). Entsprechend bildete die ICF bzw. das ihr zugrundeliegende bio-psycho-soziale Modell als konzeptionelles Bezugssystem der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V., 2020, S. 58 ff.) auch das Bezugssystem der Forschungsarbeit. Die identifizierten Kontextfaktoren von Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis sind nicht dem Wortlaut potenzieller Kontextfaktoren der ICF entnommen. Dieses Vorgehen ist der Thematik geschuldet, dass die identifizierten Kontextfaktoren einer weiteren Zergliederung bedürfen, da sie sich nicht trennscharf einer Komponente, einer Domäne, einem Block oder einer Kategorie zuordnen lassen. So beziehen sich die generierten Kontextfaktoren der Forschungsarbeit auf den zweiten Teil des bio-psycho-sozialen Modells, die Umweltfaktoren und die personbezogene Faktoren als Kontextfaktoren im Allgemeinen (WHO, 2005).

Einen weiteren Theoriebezug der Forschungsarbeit als theoretische Fundierung des nicht absoluten Begriffs der Teilhabe bildete Martha Nussbaums Capabilities Approach, auch Fähigkeitenansatz genannt (Nussbaum, 2015). In ihrem Fähigkeitenansatz verweist Nussbaum auf die Parallelen zu Aristoteles Ethik, in deren Mittelpunkt das Tun und Sein eines Menschen steht. Basierend auf dieser Grundlage erstellte sie eine Liste der zehn zentralen Fähigkeiten eines menschlichen bzw. eines guten menschlichen Lebens, die solche Tätigkeiten und Zustände enthält, die für das menschliche – im Gegensatz zum tierischen oder göttlichen Leben – von Bedeutung sind (Nussbaum, 2015, S. 40 ff.). Darüber hinaus differenziert Nussbaum drei verschiedene Niveaus von Fähigkeiten: grundlegende, interne und kombinierte Fähigkeiten. Grundlegenden Fähigkeiten sind angeborene Fähigkeiten einer Person. Diese ermöglichen zu einem späteren Zeitpunkt die Entwicklung und Ausbildung einer Person. Darüber hinaus sind grundlegende Fähigkeiten die Voraussetzung zur Entwicklung weiterer Fähigkeiten (interne Fähigkeiten). Bei den internen Fähigkeiten handelt es sich um Fähigkeiten, die durch Bildung und Ausbildung erlangt werden. Interne Fähigkeiten sind notwendig, um die erworbenen Fähigkeiten in praktische Funktionen/Tätigkeiten umzusetzen. Unter kombinierten Fähigkeiten versteht Nussbaum das Ausmaß, in dem eine Person eine Fähigkeit unter Berücksichtigung der Umstände, in denen sie lebt, ausüben kann (Nussbaum, 2016, S. 109 f.). Insbesondere die kombinierten Fähigkeiten lassen sich in Verbindung zu den umweltbezogenen Kontextfaktoren des der ICF zugrundeliegenden bio-psycho-sozialen-Modells bringen (Ommert, 2020, S. 92). Nussbaum erklärt die Erreichbarkeit einer Funktion/Tätigkeit vor allem aus der Veranlagung einer Person und deren Unterstützung durch äußere Umstände (Leßmann, 2006, S. 35 f.). Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung bedarf in der Logik Nussbaums z. B. der grundlegenden Fähigkeiten zur sozialen Intentionalität, interner Fähigkeiten (wie z. B. klassische Qualifikationen) und sozialer Fähigkeiten (wie z. B. die Fähigkeit zu Empathie, Solidarität), die in sozialen Kontexten gelernt und angewendet werden (Felder, 2017, S. 114). Darüber hinaus ist es jedoch auch notwendig, diese Fähigkeiten im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext umsetzen zu können (kombinierte Fähigkeiten). Als kombinierte Fähigkeiten sind die Umweltfaktoren angesprochen, die Verwirklichungschancen und damit Teilhabe ermöglichen oder verhindern (Ommert, 2020, S. 92 ff.).

Durch den starken Fokus auf Frauen und damit auf das biologische und sozial konstruierte Geschlecht konnte der Theoriebezug des „doing gender“ von West und Zimmerman (1987) nicht außer Acht gelassen werden. Denn sowohl das biologische als auch das sozial konstruierte Geschlecht (Gender) können als Kontextfaktoren Auswirkungen auf die Teilhabe haben (WHO, 2005, S. 21).

3 Forschungsvorgehen

Zur Bearbeitung der übergeordneten Forschungsfrage nach bedeutenden Kontextfaktoren für die Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung für Frauen mit psychischen Störungen wurde ein komplexes Mixed-Methods-Design entwickelt (siehe Abb. 2) (Kuckartz, 2014, S. 90 ff.). Die Auswertung von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung ließ Rückschlüsse darüber zu, welcher weibliche Personenkreis mit psychischen Störungen auf der Maßnahmenebene besonders wenige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beansprucht und welche weiteren statistischen Besonderheiten diesem Personenkreis zugrunde liegen (Teil 1 des Mixed-Methods-Designs) (FDZ-RV – SUFRSDQJ14B, 2016). So konnte der Personenkreis der Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis identifiziert werden (siehe Abb. 3). Im Fokus des Forschungsvorhabens standen die Institutionen der Rehabilitation, die ausschließlich für Menschen mit psychischen Störungen ins Leben gerufen wurden: RPK- (Rehabilitation Psychisch Kranker) und BTZ- (Berufliches Trainingszentrum) Institutionen (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V., 2020). In diesen Institutionsformen folgten in Hessen 15 problemzentrierte Interviews (Witzel, 2000) mit Rehabilitandinnen (hessenweite Vollerhebung) (Teil 2a des Mixed-Methods-Designs). Zeitgleich schloss sich die Erhebung der subjektiven Sichtweise auf die eigene psychotische Störung mithilfe des standardisierten SuSi®-InstrumentsFootnote 5 an (Teil 2b des Mixed-Methods-Designs) (Bock et al., 2010). Nach der Auswertung der Interviews anhand der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (Kuckartz, 2016, S. 77 ff.) konnten diverse Kontextfaktoren identifiziert werden. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden Thesen gebildet, mit denen sich Praxisexpert*innen aus hessischen RPK- und BTZ-Institutionen in fünf Gruppendiskussionen auseinandersetzten (Teil 3 des Mixed-Methods-Designs). Die Gruppendiskussionen nach Benighaus und Benighaus (2012) wurden ebenfalls mit der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet (Kuckartz, 2016, S. 77 ff.). Alle Ergebnisse konnten zusammengeführt und in Beziehung zu den grundlegenden, den internen und den kombinierten Fähigkeiten von Nussbaums Fähigkeitenansatz (Nussbaum, 2016, S. 103 ff.) gesetzt werden (Ommert, 2020, S. 127 ff.) .

Abb. 1
figure 1

© WHO 2005

Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF.

Abb. 2
figure 2

© Judith Ommert Springer VS 2020

Visualisierung des Mixed-Methods-Designs.

Abb. 3
figure 3

© Judith Ommert Springer VS 2020

Verteilung LTA auf Geschlecht und F-DiagnoseFootnote

F0 = Demenz bei Alzheimer-Krankheit, F1 = Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, F6 = Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, F7 = Intelligenzminderung.

(FDZ-RV-SUFRSDQJ14B).

4 Ergebnisse

Im Folgenden wird zuerst auf zentrale Ergebnisse aus der Auswertung von Routinedaten der Deutschen RentenversicherungFootnote 7 eingegangen, welche die Besonderheit von Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in den Fokus stellen. Daran schließt sich die Zusammenführung der Ergebnisse aus Teil 2a, 2b und 3 des Mixed-Methods-Designs an. Einen Schwerpunkt bilden hier die strukturellen Kontextfaktoren, welche die schwerwiegendsten Barrieren für Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis beinhaltenFootnote 8.

4.1 Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis und ihre statistischen Besonderheiten im Kontext der Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (Teil 1 des Mixed-Methods-Designs)

Die folgenden Ergebnisse beruhen auf der Auswertung von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (Teil 1 des Mixed-Methods-Designs). Dieser für wissenschaftliche Arbeiten nutzbare Scientific Use File Reha (FDZ-RV – SUFRSDQJ14B, 2016) basiert auf den abgeschlossenen Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung aus dem Jahr 2014. Diese Leistungen werden vom meldenden Versicherungsträger selbst bewilligt. Der Datensatz enthält demographische Angaben der Arbeitswelt, detaillierte Informationen zum Antragsverfahren, zur Durchführung und zum Abschluss der medizinischen Rehabilitation bzw. zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2016, S. 3).

Abb. 3 verdeutlicht die geschlechtsspezifischen, prozentualen Verteilungen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) der Deutschen Rentenversicherung auf Leistungsberechtigte mit psychischen Störungen (ICD-10Footnote 9 Diagnosen F0 bis F9) im Jahr 2014 auf Basis des SUFRSDQJ14B. Deutlich wird, dass der größte prozentuale Anteil der Männer innerhalb der F-DiagnosegruppenFootnote 10 mit 28 % den F3-Diagnosen „Affektive Störungen“ zuzuordnen ist. Mit einem Prozentpunkt weniger (27 %) bilden die F2-Diagnosen „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ bei den Männern die zweithäufigste Bewilligungsdiagnose von Leistungen zur Teilhabe an Arbeitsleben. Bei den Frauen machen innerhalb der F-Diagnosegruppen die F3-Diagnosen mit 39 % den größten prozentualen Anteil aus. Zur insgesamt größten Gruppe von Leistungsberechtigten gehören die Diagnosegruppen F2, F3 und F4 („Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“). Leistungsberechtigte mit den Diagnosegruppen F5 „Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren“, F8 „Entwicklungsstörungen“ und F9 „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ sind unter den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kaum vertreten. Auffällig ist, dass deutlich mehr leistungsberechtigte Männer als Frauen mit F2-Diagnosen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen: Es existiert unter den Geschlechtern kein Unterschied bezüglich des Lebenszeitrisikos, an einer Störung aus dem schizophrenen Formenkreis zu erkranken (Maier et al., 2016, S. 22) – im Gegensatz zu Erkrankungen an anderen Störungsbildern (Statista, 2017). Damit ist die Gruppe von leistungsberechtigten Frauen mit F2-Diagnosen in Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unterrepräsentiert.

Abb. 4
figure 4

© Judith Ommert Springer VS 2020

LTA nach Geschlecht und Altersgruppen bei F2-Diagnosen (FDZ-RV-SUFRSDQJ14B).

Abb. 4 zeigt die geschlechtsspezifische Altersverteilung nach Gruppen von <25 bis >59, der sich in 2014 in einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben der Deutschen Rentenversicherung befindenden Menschen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis (F2-Diagnosen) auf Basis des SUFRSDQJ14B. Ersichtlich wird, dass der prozentuale Anteil von Männern in ihrer Altersgruppe mit F2-Diagnosen, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beanspruchten, bis zum 30. Lebensjahr ansteigt, dann bis zum 54. Lebensjahr überwiegend konstant bleibt, bevor er mit 55 Jahren deutlich abnimmt. Der Anteil der Frauen mit F2-Diagnosen in den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben steigt über die Altersgruppen kontinuierlich an und erreicht in der Altersspanne von 45–49 Jahren ihren Zenit, bevor er wieder abnimmt.

Abb. 5
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© Judith Ommert Springer VS 2020

Bewilligte Maßnahmenart der LTA nach Geschlecht bei F2-Diagnosen (FDZ-RV-SUFRSDQJ14B).

Abb. 5 verdeutlicht die bewilligte Maßnahmenart der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben der Deutschen Rentenversicherung von Menschen mit Diagnosen aus dem schizophrenen Formenkreis im Jahr 2014 auf Basis des SUFRSDQJ14B. In beiden Geschlechtergruppen werden Leistungen in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) im Eingangsverfahren (EV) und Berufsbildungsbereich (BBB) am häufigsten bewilligt. Sowohl bei den leistungsberechtigten Männern mit F2-Diagnosen als auch bei den Frauen dieser Personengruppe machen RPK-Maßnahmen einen geringen Anteil unter den bewilligten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus. BTZ-Maßnahmen bilden ebenfalls nur einen geringen Anteil an bewilligten Maßnahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Deutschen Rentenversicherung. Jeweils 9 % Männer und Frauen mit F2-Diagnose befinden sich in weiteren Maßnahmenarten der beruflichen Rehabilitation, wie z. B. im Berufsförderungswerk (BFW).

Abb. 6
figure 6

© Judith Ommert Springer VS 2020

Unterbringungsart von Frauen mit F2-Diagnosen nach Maßnahmenform (FDZ-RV-SUFRSDQJ14B).

Abb. 6 stellt die Unterbringungsform von Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2014 auf Basis des SUFRSDQJ14B dar. Es zeigt sich, dass 57 % der Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis in RPK-Institutionen stationär untergebracht sind. In BTZ-Institutionen sind es 14 %. Ähnlich gestaltet sich die stationäre Unterbringung bei Männern mit diesen Diagnosen. Jedoch ist der Prozentsatz der Männer in RPK- und BTZ-Institutionen nicht gar so hoch wie jener der Frauen, wie die Abb. 7 zeigt.

Abb. 7
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© Judith Ommert Springer VS 2020

Unterbringungsart von Männern mit F2-Diagnosen nach Maßnahmenform (FDZ-RV-SUFRSDQJ14B).

4.2 Ergebnisse aus der interpretativen Zusammenführung der Teile 2a, 2b und 3 des Mixed-Methods Designs

In Teil 2a und 3 des Mixed-Methods-Design konnten die übergeordneten Kontextfaktoren „berufliche Vorgeschichte“, „soziale Nahräume“, „störungsspezifische Erfahrungen und Einstellungen“, das „Rehabilitationssystem“ und “Perspektiven“ mit zahlreichen untergeordneten Ausprägungen identifiziert werden. Die identifizierten Kontextfaktoren mit ihren Ausprägungen beinhalten Aspekte, die auf den Teilhabebereich Arbeit und Beschäftigung sowohl förderlich (Förderfaktoren) als auch hinderliche (Barrieren) wirken können (WHO, 2005). Unter Miteinbezug des Teils 2b des Mixed-Methods-Designs und der Berücksichtigung des Fähigkeitenansatzes von Martha Nussbaum (2016) ließen sich die identifizierten Kontextfaktoren zu drei Kontextfaktorbereichen zusammenführen, die in der Rehabilitation zur Förderung der Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung auf Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis wirken und sich in Verbindung zu Martha Nussbaums Liste der zentralen Fähigkeiten bringen lassen: individuelle Kontextfaktoren, interaktionale Kontextfaktoren und strukturelle Kontextfaktoren (Ommert, 2020, S. 337 ff.) (Abb. 8).

Abb. 8
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© Judith Ommert Springer VS 2020

Die drei ermittelten Kontextfaktorenbereiche.

Individuelle Kontextfaktoren beziehen sich unmittelbar auf die Adressat*innen. Durch fachliche Interventionen von multiprofessionellen Teams der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung sind personenbezogene, interne Fähigkeiten im Teilhabebereich Arbeit und Beschäftigung gezielt zu unterstützen, um diese Kontextfaktoren zu bearbeiten. Individuelle Kontextfaktoren gelten in der Praxis als Reflexionsfläche für Praxisexpert*innen. Sie zeigen auf, wie wichtig der Fokus auf individuelle Kontextfaktoren ist und dass diese als Teil der relevanten Kontextfaktoren einer jeden Person individuell bearbeitet werden können. Bei der Bearbeitung der individuellen Kontextfaktoren bedarf es der Intervention auf individueller Ebene. Unter den individuellen Kontextfaktoren lassen sich folgende Kontextfaktoren subsumieren:

  • Überlastende Situationen im privaten und/oder beruflichen Kontext, die zum Ausbruch der psychischen Störung geführt haben

  • Erlebnisse der Zwangseinweisung in psychiatrische Kliniken

  • Stigmatisierungs- und Mobbingerfahrungen in Bezug auf öffentliche Stigmatisierung und Selbststigmatisierung

  • Motivation und Teilhabeziele

  • Individuelle Ausgestaltung der Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen der strukturellen Möglichkeiten

  • Akzeptanz versus Abspaltung der psychischen Störung

  • Medikation und andere Therapieformen

  • Erfahrungen des Scheiterns aufgrund der psychischen Störungen

  • Individuelle Perspektiven nach der Rehabilitation zur Förderung der Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung

Interaktionale Kontextfaktoren beziehen sich auf Strukturen, die durch Interaktionen mit anderen Menschen – auch im Kontext der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung – entstehen. Die Bearbeitung und Förderung dieser Kontextfaktoren bedarf zum einen der Anpassung der jeweiligen professionellen Strategien (z. B. Konzepte) und der Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen von z. B. Empfehlungsvereinbarungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (2011) und zum anderen der Bereitschaft des Umfeldes (z. B. Familie, Soziale Kontakte etc.), einen Beitrag zum Gelingen zu leisten. Diese Kontextfaktoren dienen in der Praxis als Reflexionsfläche für gesamte Teams, ggf. auch für Arbeitsgruppen auf Landes- und/oder Bundesebene. Bei der Bearbeitung der interaktionalen Kontextfaktoren handelt es sich um einen Mix aus benötigten Interventionen auf der individuellen und der politisch-strukturellen Ebene, der es ermöglicht, z. B. das soziale Umfeld mit in die Rehabilitationsmaßnahme einzubeziehen. Unter den interaktionalen Kontextfaktoren lassen sich folgende Kontextfaktoren subsumieren:

  • Herkunftsfamilie und der gegenseitige Umgang mit der psychischen Störung

  • Selbstversorgung und die Wohnsituation

  • Soziale Kontakte

Strukturelle Kontextfaktoren in Form von Rahmenbedingungen und Gesetzesnormen von Leistungsträger*innen und Leistungserbringer*innen sind die Kontextfaktoren, die nicht in der Rehabilitationsmaßnahme zur Förderung der Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung bearbeitet bzw. verändert werden können. Der Fähigkeitenansatz von Martha Nussbaum versteht diese Kontextfaktoren als kombinierte Fähigkeiten (Nussbaum, 2016, S. 106), die es ermöglichen, interne Fähigkeiten umzusetzen bzw. Tätigkeiten zuzulassen. Die strukturellen Kontextfaktoren dienen als Reflexionsfläche für regionale und überregionale Steuerungsgruppen, aber auch für die Aushandlung von Leistungsvereinbarungen/Empfehlungsvereinbarungen auf Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. und auf der sozialpolitischen Ebene, damit gerade schwerwiegende strukturelle Barrieren (z. B. keine Teilzeitrehabilitationsmaßnahmen möglich), die nicht unmittelbar durch Fachpersonal gefördert werden können, abgebaut werden. Bei der Bearbeitung von strukturellen Kontextfaktoren handelt es sich überwiegend um benötigte Interventionen auf der politischen und strukturellen Ebene (Ommert, 2020, S. 370 ff.). Die strukturellen Kontextfaktoren beinhalten die schwerwiegendsten Barrieren für Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis bezüglich ihrer Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung. Aus diesem Grund wird im Folgenden explizit darauf eingegangen.

Menschen mit Schizophrenie haben aufgrund der Schwere der Störung häufig schlechtere RehabilitationsprognosenFootnote 11 und bekommen ihre beantragte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben seltener bewilligt als Menschen mit anderen Störungsbildern z. B. mit Depressionen (Jäckel et al., 2010, S. 20). Dies geht nach Angaben der Praxisexpert*innen unter anderem damit einher, dass sowohl Leistungsträger*innen als auch Leistungserbringer*innen in ihrer Bilanz positive Ergebnisse bzgl. der Wirksamkeit der Rehabilitationsmaßnahme verzeichnen müssen. Ist die Rehabilitationsprognose positiv, nimmt das Antragsverfahren eine große Zeitspanne in Anspruch und ist sehr komplex (Ommert, 2020, S. 351). Laut Angaben der Deutschen Rentenversicherung warten Frauen mit Schizophrenie im Durchschnitt 101 Tage und Männer 151 Tage auf die Bewilligung ihrer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme (FDZ-RV – SUFRSDQJ14B, 2016). Dabei handelt es sich lediglich um die Wartezeit bei Leistungsträger*innen. Hinzu kommt eine Wartezeit beim Leistungserbringer*innen. Nicht alle Betroffenen sind in der Lage, diese Wartezeiten zu überbrücken und/oder zu kompensieren (Ommert, 2020, S. 288). Erhalten Betroffene keine Unterstützung bei der Beantragung dieser Leistungen, kommen sie häufig an ihre Grenzen. Das folgende Zitat soll die Folgen von langen Wartezeiten auf die Leistungsbewilligung verdeutlichen:

„[…] Vieles was aufgebaut wird, wird binnen eines Jahres, wird durch solche Geschichten und Verzögerungen zerstört. Das sind immer sehr filigrane Gebäude. Gerade im Rahmen von schizophrenen Erkrankungen. Und wenn da eine Stabilität hergestellt ist und einer sagt: Nein ätsch, bätsch, du kriegst das jetzt nicht, oder du kriegst das vielleicht in drei Monaten, dann sitze ich schon wieder in meinem Karussell und fange an, eventuell Gedankengänge zu produzieren, die dann realitätsferner sind, respektive, ich kann letztendlich diese Gedanken nicht wirklich integrieren in gesamte gedankliche Strukturen. Und die Integrationsstörung nimmt ihren Lauf. Und dann fangen wir wieder von vorne an. Und dann gehe ich wieder in das psychiatrische Krankenhaus mit einem Rückfall. Und dort habe ich einen Tagessatz von 395 €, im Schnitt etwas mehr eventuell. Und ich meine: Wer zahlt das dann? Wie dumm muss ich sein, wegen zwei Monaten unterschiedlicher Kostenzuordnungen? Und das ist das ganze Problem, in dem wir eigentlich stecken. Also Kosten, die gehören der gesamten Solidargemeinschaft, aber sie werden unter den Leistungsträgern hin und her geschoben, weil jeder meint, er müsste am Ende des Jahres irgendwo ein Plus stehen haben“ (Gruppendiskussion 3, Abs. 94 in: Ommert, 2020, S. 286f).

RPK- und BTZ-Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis finden überwiegend in stationärer Form statt (siehe Abb. 6 und 7). Gerade Frauen mit Betreuungspflichten ist es nur selten möglich, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu absolvieren (Ommert, 2020, S. 235). Dazu kommt die an der männlichen Normalbiographie ausgerichtete Rehabilitationsmaßnahme, die eine Teilzeitrehabilitation nicht regelhaft vorsieht (Ommert, 2020, S. 215, S. 352).Footnote 12 Frauen mit Betreuungsverpflichtungen erhalten so nicht die Möglichkeit der Bewältigung von Familie, Haushalt und Rehabilitationsmaßnahme:

„Also wegen mir, also wenn es nach mir ginge, gäbe es viele Teilzeitmaßnahmen. Ich finde das immer doof, dass das so ganz oder gar nicht ist. Ne. Also Teilzeit, das muss auch nicht drei Stunden sein oder vier Stunden. Aber diese acht Stunden Idee ist immer finde ich ähm suboptimal. Ne? Gerade jetzt mit dem Kind auf dem Land. Ich muss sie ja auch irgendwie ja mal wo hinbringen, mal von wo abholen, zum Elternabend oder weiß der Henker, oder diese typischen Aktionen die Schulen so bringen. Bis morgen bitte XY und Z besorgen und ähm da braucht man einfach als Mutter noch ein bisschen mehr Flexibilität. So. Zeitlich einfach. Ja“ (Interview B2, Abs. 66 in: Ommert, 2020, S. 215).

Treten Frauen die Vollzeitrehabilitationsmaßnahme neben den familiären Verpflichtungen an, kann es zu einer enormen Belastung kommen. Träger von Rehabilitationsmaßnahmen haben eine gewisse Freiheit, was die Individualisierung der jeweiligen Maßnahme anbelangt. Innerhalb dieser Maßnahme gibt es aber auch nicht verhandelbare Inhalte (Ommert, 2020, S. 275). Entsprechend passen die Inhalte der Maßnahmen nicht auf alle Bedarfe der Rehabilitandinnen:

„[…] Und genau dann kam halt wieder von der Rentenversicherung der Vorschlag, nach X zu gehen und so eine Reha-Maßnahme zu machen, berufliche Reha und da habe ich gesagt, ich will in meinem Umfeld bleiben. Ich möchte im, bei mir zuhause klarkommen. Es bringt mir nichts, wenn es wo anders dann irgendwie klappt, dann komme ich nach Hause und, und, und stehe wieder ohne Perspektive da. […]“ (Interview B9, Abs. 24 in:Ommert, 2020, S. 235).

Wichtige Aspekte, deren Bearbeitung für die Teilhabe an Arbeit notwendig wären (z. B. Einbezug der Familie in großem Umfang, um psychische Belastungen zu reduzieren), können nicht bearbeitet werden (Ommert, 2020, S. 340). Erst am Tag der Entlassung von Rehabilitand*innen kann der Abschlussbericht fertiggestellt werden und erreicht dann die Leistungsträger*innen. Es entstehen Lücken zwischen den aktuellen Maßnahmen und potenziellen Folgemaßnahmen, was die Gefahr der Dekompensation mit sich bringt und/oder den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme schmälern kann (Ommert, 2020, S. 382). Die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sind aktuell konträr zu den Bedarfen von Menschen mit Schizophrenie (Ommert, 2020, S. 383), sodass es lediglich 10–20 % der Menschen mit Schizophrenie möglich ist, einer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehenFootnote 13 (vgl. Gühne et al. 2015, S. 19). Die Leistungserbringer*innen können nichts an der Arbeitsmarktsituation verändern. Ihnen ist jedoch bewusst, dass sie Rehabilitand*innen zwar arbeitsfähig entlassen, diese höchstwahrscheinlich keine Anstellung finden bzw. wenn, dann lediglich in Zeitarbeitsfirmen, deren Bedingungen dazu beitragen, dass ein neuer psychotischer Schub droht:

„Also wir empfehlen das ja immer. Wir machen ja eine Leistungsanalyse, sozusagen, mit einer Leistungsprognose. Und da gibt es ja einen qualitativen und einen quantitativen Teil. Und qualitativ empfehlen wir immer genau so was, nämlich, was steht da? Klarer Arbeitsrahmen, gut strukturiertes Arbeitsmodell, bestimmte Vorgaben, die förderlich wären. Bestimmte Sachen, die nicht förderlich wären oder sogar Probleme mit sich bringen, das empfehlen wir ja in einer Leistungsbeurteilung. Nur, ob der Arbeitsmarkt das so hergibt? Also ich entlasse Leute, da ist ganz klar, ich muss wieder in eine Zeitarbeitsfirma. Es geht nicht anders. Sonst kriege ich überhaupt keinen Job, auch auf einem anderen Gebiet. Und das ist der Anfang vom Ende. Weil die hergekommen sind, weil sie in einer Zeitarbeitsfirma dekompensiert sind“ (Gruppendiskussion 5, Abs. 253 in: Ommert, 2020, S. 297).

Mit der Zeit folgt für Frauen mit Diagnosen aus dem schizophrenen Formenkreis häufig nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit die Erwerbsminderungsrente, deren Bezug eine Barriere für die Förderung von Teilhabe an Arbeit darstellen kann (Ommert, 2020, S. 235, S. 298). Im besten Falle schießt sich (im Verlaufe des Prozesses der Beantragung der Erwerbsminderungsrente) eine Rehabilitationsmaßnahme in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) an, was eine Erklärung für Abb. 5 darstellen kann. Hier ist es Betroffenen zumindest möglich, Teilhabe am Arbeitsleben im geschützten Rahmen zu erleben.

5 Schlussfolgerung

Die gesamten Ergebnisse des vorgestellten Forschungsvorhabens zeigen auf, dass sich die förderlichen und hinderlichen Kontextfaktoren in der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung auf die Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung höchst individuell gestalten (Ommert, 2020, S. 405 ff.). Um Barrieren im Teilhabebereich Arbeit und Beschäftigung für Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis zu reduzieren, benötigt es kein neues Rehabilitationsangebot. Es bedarf – auf Basis der Ableitungen aus den drei Kontextfaktorenbereichen – eines individuellen, auf die jeweilige Person ausgerichteten Vorgehens, welches alle relevanten Teilhabebereiche berücksichtigt. Strategien der Unterstützung müssen unabhängig von (Rehabilitations-)Institutionen, deren (ökonomischen) Zielsetzungen und den gesellschaftlich-sozialrechtlichen Rahmenbedingungen partizipativ geplant und umgesetzt werden können. Es benötigt individuelle, personbezogene und manchmal auch situative Interventionen direkt im Sozialraum der betroffenen Frauen, die sich auf Basis der jeweiligen Rehabilitations- bzw. Teilhabeziele ableiten und sich nicht auf ausschließlich einen Lebensbereich sowie auf einen bestimmten Zeitraum beziehen (Ommert, 2020, S. 417 ff.).

Die dargestellten Forschungsergebnisse erweitern den Blickwinkel der Teilhabeforschung auf Kontextfaktoren und, daraus resultierend, auf Barrieren für Frauen mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis in der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung. Gerade mit den strukturellen Kontextfaktoren zeigt die Forschungsarbeit auf, welche Mechanismen in ihren Ausprägungen dazu beitragen, dass dieser Personenkreis kaum in der Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung vertreten ist und warum sich die Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung so schwierig gestaltet. Bisher existiert nur wenig empirische Forschung zu Kontextfaktoren in ihren situativen Ausprägungen als Barrieren in sämtlichen Lebensbereichen. Die hier vorgestellten Teilergebnisse sowie die gesamte Forschungsarbeit leisten einen kleinen Beitrag zu dieser enorm weiten Thematik.