Schlüsselwörter

1 Einleitung

Die grundlegenden Bestrebungen der Teilhabeforschung liegen in der Betrachtung, wie Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen einbezogen werden, wie soziale Faktoren ein Ein- und ein Ausschließen begründen oder fördern können und welche Kontexte und Bedingungen die Teilhabe dieser Personen vorantreiben oder behindern. Im Rahmen der Forschungsmethoden kommt ein breites Spektrum in Betracht. Angestrebt werden Transformationsprozesse hin zu einer inklusiven Gesellschaft, in einer praxisrelevanten und anwendungsorientierten Weise (Aktionsbündnis Teilhabeforschung, 2015). Um diese Bestrebungen zu erreichen und auch forschungsmethodisch transformative Wege zu gehen, leistet interdisziplinäre Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag. So können durch das Zusammenspiel einer stark theoretisch orientierten Disziplin, wie der Rechtswissenschaft, und einer praxisbezogenen Disziplin, wie der Sozialen Arbeit, Forschungsthemen der Teilhabeforschung weit umfassender beleuchtet werden als durch Arbeiten, die in einer singulären Disziplin verortet bleiben.

Zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bestehen verschiedene rechtliche Ansprüche. Diese kontrastieren in der Praxis mit einem komplexen Rehabilitationssystem, sodass die Rechtsmobilisierung dieser Personengruppe oftmals an ihre Grenzen gerät (Rambausek, 2017, S. 30). Bei der Umsetzung der normativen Vorgaben sind verschiedene Akteure beteiligt, auch hier kann geltendes Recht, etwa durch unterschiedliche Auslegungen, Einschränkungen erfahren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit normative Vorgaben tatsächlich in Anspruch genommen werden, wozu de jure und de facto Betrachtungen Antworten liefern können. Fundierte Auskünfte zu rechtlichen Aspekten kann die Rechtswissenschaft geben, die praktische Ausgestaltung kann wiederum aus der Perspektive einer lebensweltorientierten Disziplin wie der Sozialen Arbeit gut beleuchtet werden. Der vorliegende Beitrag greift diese zwei Zugänge exemplarisch auf und führt deren Ergebnisse in der Frage nach der de jurede facto Übereinstimmung zusammen. Als Forschungsgegenstand dienen die Vermittlungsstellen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) nach der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO).Footnote 1 In dieser Verordnung sind die Befugnisse von Werkstatträten geregelt, die Menschen mit Behinderungen in WfbM zu ihrer Interessenvertretung wählen.

2 Disziplinäre Grenzen als Entstehungsanlass für die Zusammenarbeit

In wissenschaftlichen Projekten, an denen Vertreter*innen mehrerer Disziplinen beteiligt sind, lässt sich zwischen inter- und transdisziplinären Zusammenarbeiten unterscheiden. Während erstere lediglich auf eine gegenseitige Berichterstattung beschränkt bleibt, die additiv hinzukommt, ist eine transdisziplinäre Zusammenarbeit durch eine gemeinsame Arbeit und Blickveränderungen gekennzeichnet (Baer, 2017, S. 51). Die vorgestellte Zusammenarbeit entstand aus dem Erleben, dass den eigenen disziplinären Betrachtungen Begrenzungen obliegen, und entwickelte sich über das Interesse an der ergänzenden Perspektive und durch gemeinsame Lernprozesse zu einer transdisziplinären Zusammenarbeit. So wird transdisziplinäre Forschung u. a. als Prozess verstanden, indem mit- und voneinander gelernt wird (Vilsmaier & Lang, 2014, S. 91). Hierzu gehört es, sich des eigenen disziplinären Zugangs bewusst zu sein und mit dem fachfremden Blick, der „wissenschaftliche[n] Brille“ (ebd., S. 90) des Gegenübers vertraut zu werden. Im Folgenden wird der jeweilige Eigensinn der zwei disziplinären Zugänge der Autorinnen deswegen kurz vorgestellt.

2.1 Der Zugang der Rechtswissenschaft als theoretisch angesehene Disziplin

Das Recht weist zahlreiche Betrachtungsweisen auf. In diesem Abschnitt werden einzelne herausgegriffen und beschrieben. Baer beschreibt den Begriff Recht als einen speziellen Typ von Normen, der in vorgegebenen Verfahren und Prozessen hergestellt, verändert, unterschiedlich genutzt und interpretiert wird. Normen werden in unterschiedliche Erscheinungsformen gefasst, als Verbote, Gebote oder Anreiznormen, auch als symbolische Normen, Verteilungs-, Grundsatznormen. Als grundlegende Aufgabe bzw. Funktion des Rechts wird diesem die Ordnung von und Strukturierung zwischen Individuen sowie die Beziehung zwischen dem Individuum und der staatlichen Autorität zugeschrieben (Baer, 2017, S. 86). Ob das Recht tatsächliche Geltung erlangt, hängt von einem variablen Faktor ab, einer Entscheidung (Luhmann, 1987, S. 208). Luhmann bezieht sich auf Entscheidungen des Gesetzgebers und der*des Richters*in, um dem Recht Geltung zuzusprechen. Tatsächlich ist auch die Entscheidung jedes Einzelnen entscheidend, um einer gesetzlichen Regelung die formal zugesprochene Wirkung zu verleihen.

In diesem Zusammenhang nennt Luhmann die „Generalisierung von Verhaltenserwartungen“Footnote 2 (Luhmann, 1987, S. 94). Rechtliche Normen werden generell abstrakt verfasst, um eine möglichst hohe Anzahl an Lebenssituationen zu erfassen. An diese werden, aus gesellschaftlicher Perspektive und von jedem Individuum, konkrete sowie individuelle Erwartungen geknüpft. Das Recht gibt eine gewisse Erwartungssicherheit an das Verhalten der Menschen (ebd., S. 54). Da gesetzliche Regelungen eine statische Komponente aufweisen, eine Momentaufnahme sind und sich gesellschaftlicher Wandel rasch vollzieht, ist eine Enttäuschung von Erwartungen naheliegend, wenn die Regelungen nicht ausreichend umgesetzt werden.

Um die einzelnen Inhalte der Regelungen zu verstehen, ist die Rechtstheorie heranzuziehen. Die Theorie des positiven Rechts meint das Recht, das von Menschen für Menschen gesetzt wurde. Dieses gilt es abstrakt zu analysieren (Potacs, 2015, S. 15). Die rechtswissenschaftlichen Methoden sind viele an der Zahl und unterscheiden sich oft tiefgreifend, sodass im Ergebnis, insbesondere hinsichtlich der Auslegung von Gesetzen, verschiedene Ergebnisse entstehen können. Als die wichtigsten Strömungen können die Begriffsjurisprudenz, die Interessensjurisprudenz und die Wertejurisprudenz genannt werden. Eine verhältnismäßig junge Methodik ist die ökonomische Analyse des RechtsFootnote 3 (Welser & Kletečka, 2018, S. 20).

In den Rechtswissenschaften nimmt die Frage der Gerechtigkeit in der Rechtsphilosophie eine zentrale Rolle ein. Sie befasst sich mit den Betrachtungen der Freiheit, Menschenwürde und dem Bestehen unveräußerlicher Menschenrechte (Potacs, 2015, S. 18). Besonders im Rahmen von Regelungen von und für Menschen mit Behinderungen wird die Gerechtigkeitsfrage engagiert diskutiert. Diese werden zu Rechtsfragen, wenn das positive Recht auf GerechtigkeitsvorstellungenFootnote 4 verweist. Die Prozesse der Schaffung von Rechtsvorschriften verfolgen bestimmte Gerechtigkeitsziele, z. B. den Ausgleich von Machtverhältnissen und auch die Ermöglichung von Teilhabe/Mitbestimmung, so „prozessrechtliche“ Bestimmungen, die für Verfahrensgerechtigkeit sorgen sollen (ebd., S. 19).

Das „Herz eines jeden Rechtssystems“Footnote 5 beinhaltet nach Hart grundlegende Regeln. Die primären Regeln stellen VerhaltensregelnFootnote 6 dar. Die sekundären Regeln knüpfen an diese an und stellen „Regeln über Regeln“Footnote 7 auf, insbesondere über die Identifizierung, Einführung, Abänderung und auch Abschaffung von Normen.Footnote 8 Die wichtigste Sekundärregel ist die „Erkenntnisregel“. Sekundärregeln sind auch Änderungsregeln, die eine Änderung und Abschaffung von Normen möglich machen. In diesem Zusammenhang beschreibt die Anerkennung einer Norm ihre tatsächliche Gültigkeit und kann erst unter Heranziehung der sozialen Praxis abschließend beurteilt werden. Davon zu unterscheiden ist die Wirksamkeit einer Norm, sie zeigt sich in einer externen, deskriptiven Tatsachenfeststellung (Potacs, 2015, S. 29).

Ebenso von Bedeutung ist der Begriff der Geltung.Footnote 9 Er kann, je nach Perspektive, sehr unterschiedlich verstanden werden und ist wesentlich für das Verständnis des Rechts. Nach dem positivistischen Geltungsbegriff bedeutet Geltung, dass eine Norm zu einem NormensystemFootnote 10 gehört und innerhalb dessen gilt. Dem folgend gilt eine Rechtsnorm dann, wenn sie nach den in einem Rechtssystem für ihre Entstehung vorgesehenen Regelungen erlassen wurde und somit rechtlich Bestandteil dieser Rechtsordnung wurde. Nach dem empirischen Geltungsbegriff gelten nur faktisch wirksame Normen. Der psychologische GeltungsbegriffFootnote 11 stellt auf das innere Gefühl der Gebundenheit an bestimmte Normen ab. Der moralische Geltungsbegriff stützt die Geltung einer Norm auf ihre Übereinstimmung mit moralischen Überzeugungen. Weiter sieht der kommunikative Geltungsbegriff die Geltung einer Norm in ihrer Begründbarkeit in einem rational geführten Diskurs (Potacs, 2015, S. 53). Diese unterschiedlichen Perspektiven können erheblich sein für die Wirksamkeit einer Norm.

Disziplinäre Grenzen: Die Rechtswissenschaft, als eine der ältesten wissenschaftlichen Disziplinen, verfügt über starre Strukturen und Denkansätze. Um jedoch der vielfältigen Dimensionen des Menschen gerecht zu werden, erscheint das Aufbrechen von Abgrenzungen zwischen wissenschaftlichen Disziplinen unerlässlich. Der Wille des Rechtsetzers bildet die entscheidende Grenze zwischen der Auslegung und der Rechtsfortbildung. Die Auslegung ist im Rahmen des beweglichen Systems der Auslegungsmethoden begründet. Sie folgt anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs einer bestimmten Deutung semantischer und pragmatischer Interpretationsmethoden. Die immanente Dynamik und die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Rechtsfortbildung kommt dann zur Anwendung, wenn das Ergebnis der Auslegung nicht dem ursprünglichen Willen eines Rechtsetzers entspricht. Dies muss nicht zu einer Gesetzesänderung führen, lediglich zu einem neuen Verständnis desselben. Die Grenze von Auslegung und Rechtsfortbildung ist fließend und in nicht unerheblichem Maß wertgebunden (Potacs, 2015, S. 140). Allein die Auslegung bzw. die Interpretation einer Regelung ist stark an die auslegende Person, ihr Wesen und ihre Erfahrungen gebunden. Die isolierte Betrachtung sowie Anwendung der Rechtswissenschaften als eigenständiges System erscheint mit Hinblick auf die menschliche Vielfalt und der Tatsache, dass die Aufgabe einer Rechtsordnung die Regelung der zwischenmenschlichen Beziehungen sowie der Schutz von Personen und Personengruppen ist, wenig zielführend. Auch das richterliche Argument, Rechtsbeziehungen müssten nach einem einheitlichen Maßstab beurteilen werden, rechtfertigt nicht die Isolierung der Disziplin sowie das Verschließen vor inter- und insbesondere transdisziplinärer Herangehensweisen.

Betrachtet man die Rechtswissenschaft unter der Reinen RechtslehreFootnote 12, die klare, enge Strukturen vorgibt (Potacs, 2015, S. 38), befindet man sich in der theoretischen Anwendung, die eine praxisbezogene Betrachtung und das Erfassen der realen Gegebenheiten außer Acht lässt. Der Rechtsrealismus hingegen legt sein Interesse auf die Beschreibung menschlichen Verhaltens. Dieser beruht auf soziologischen (und auch psychologischen) Grundlagen und versteht das Recht als eine Menge von (Seins-)Tatsachen und ist ein Stückweit der Praxis näher.

2.2 Der Zugang der Sozialen Arbeit als praxisorientierte Disziplin

Die Soziale Arbeit ist eine junge Disziplin. Erst seit 2001 ist sie auf Hochschulebene als eigene Fachwissenschaft anerkannt (Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit, 2016, S. 1). Die Bezeichnung Soziale Arbeit fungiert dabei als Oberbegriff für die ehemals separaten Entwicklungslinien der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, die aus den organisierten Praktiken der Erziehung, der Disziplinierung und der Fürsorge hervorgingen (Thole, 2012, S. 19 ff.).

Die Theoriebildung und Bestimmung einer Wissenschaft der Sozialen Arbeit sind andauernde Prozesse. Die vorhandenen Theorie- und Gegenstandsbestimmungen sind vielfältig. Sie äußern sich in unterschiedlichen Deutungen, wie etwa der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit (Thiersch, 1992) oder der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi, 2016). So gibt es nicht die eine, allseits bekannte und geteilte Disziplinbestimmung (Thole, 2012, S. 38), sondern vielmehr unterschiedliche Lesarten, deren reflexive Beachtung zugleich einer der Studieninhalte der Sozialen Arbeit bildet.

So vielfältig und komplex wie ihr Gegenstandsbereich sind auch ihre Handlungsfelder. Als typische Praxisorte der Sozialen Arbeit werden die Kinder- und Jugendhilfe, die Sozialen Hilfen im Erwachsenenalter, die Alten- und die Gesundheitshilfe benannt (Thole, 2012, S. 27). In dem Feld der Gesundheitshilfe sind wiederum verschiedene Tätigkeitsorte im Handlungsbezug mit Behinderung (Röh, 2018) auszumachen. Hierzu zählen auch die WfbM, in denen die Tätigkeit von Sozialpädagog*innen/Sozialarbeiter*innen als Teil des Fachpersonals gesetzlich vorgeschrieben ist.

Für die praktische Untersuchung der Vermittlungsstellen in WfbM sind der Zugang über die Lebenswelt der Beteiligten und eine empowermentorientierte Sichtweise handlungsleitend. Mit dem Lebensweltbezug wird in der Sozialen Arbeit die Ausrichtung an „den gegebenen Struktur-, Verständnis- und Handlungsmustern“ (Thiersch, 1992, S. 23) von Gruppen und Adressat*innen angesprochen. Interventionen setzen an den respektvollen Wirklichkeitserfahrungen des Alltags an und fokussieren eine Ressourcenstärkung, die individuelle, soziale und politische Strukturen beachtet (ebd., S. 23 ff.). Auch institutionskritische Betrachtungen und das Eintreten für gerechte Verhältnisse entsprechen diesem Impetus. Ergänzend dazu zielt Empowerment im Sinne einer Selbstermächtigung und Selbstbefähigung „auf die (Wieder-) Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags“ (Herriger, 2020, S. 20) benachteiligter Gruppen. Nach Herriger (2020) ist Empowerment u. a. mit einem konsequenten und vertrauensvollen Ressourcenfokus, dem „Akzeptanz von Eigen-Sinn“ (S. 78), der Machtabgabe als Expert*in und einer Mentoren-Rolle der Sozialarbeiter*innen/Sozialpädagog*innen verbunden (S. 74 ff.). Das Konzept steht den Selbsthilfebewegungen nahe, vor deren Hintergrund sich die Problemidentifikation der transdisziplinären Zusammenarbeit ergab: Viviane Schachler (2021) entwickelte ihr Dissertationsprojekt aus den praktischen Fragestellungen, die sie bei ihrer Arbeit in der Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen erlebte. Im Zuge ihrer Dissertation stieß sie auf juristische Fragen zur Vermittlungsstelle nach der WMVO, für die sie mit den eigenen disziplinären Ansätzen keine Klärung finden konnte.

Disziplinäre Grenzen: Als „Querschnittswissenschaft“ (Röh, 2018, S. 24) bezieht sich die Soziale Arbeit auf das Wissen verschiedener Disziplinen, zu denen auch die Rechtswissenschaft gehört. Die Vermittlung von Rechtsgrundlagen gehört zu ihren Studieninhalten (Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit, 2016, S. 6). Diese Grundlagen haben eine lebensweltliche Ausrichtung, die bei Detailfragen an ihre Grenzen kommen. Insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen, die in Gesetzeskommentaren noch nicht umfassend behandelt sind, muss die juristische Prüfung durch die Rechtswissenschaft erfolgen. Diese Umstände der juristischen Fragen zur Vermittlungsstelle nach der WMVO trafen auf das signalisierte Interesse der Co-Autorin (Eva Nachtschatt) an handlungspraktischen Themenstellungen.

3 Begegnung in der Rechtssoziologie und Vorgehen zur gemeinsamen Betrachtung von § 5 Abs. 3 WMVO

Interdisziplinäre Begegnungen zwischen den Rechts- und Sozialwissenschaften finden seit einigen Jahren in der Rechtssoziologie statt.Footnote 13 Die Rechtssoziologie befasst sich mit dem positiven Recht als soziales PhänomenFootnote 14 und nimmt den Blickwinkel der sozialen Wirklichkeit analytisch, im Sinne der Rechtstatsachenforschung, ein. In diesem Rahmen versteht sich Recht als Ergebnis eines gesellschaftlichen Prozesses und untersucht dessen Ursachen. Daneben erforscht die Rechtssoziologie die Wirkung des positiven Rechts auf die gesellschaftliche Realität (Potacs, 2015, S. 22). Die Frage, ob eine beabsichtigte rechtliche Folge mit dem geltenden Recht erreicht werden kann oder ob der angestrebte Zustand nur durch eine Änderung der Rechtslage durch zu schaffendes Recht möglich ist, gilt es zu erörtern. Dabei hilft die Effektivitätsforschung, die sich mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Normen befasst. Die dabei eingenommene Perspektive, mit der Frage nach Ursache und Wirkung von Rechtsvorschriften (ebd., S. 23), erhält mit Blick auf die Teilhabeforschung große Bedeutung. Auch Baer (2017, S. 84) stellt fest, dass die Rechtforschung sich nicht mehr bloß auf die Rechtsoziologie unter der Betrachtung der Vielfältigkeit der wissenschaftlichen Disziplinen beschränken sollte.

Im Folgenden werden Vermittlungsstellen nach der WMVO mit den Zugängen der Rechtswissenschaft, de jure, und den Erkenntnissen der Lebenswelt, de facto, analysiert und diese Betrachtungen anschließend verknüpft. De jure erfasst das positive, geltende Recht und de facto bezieht sich auf die dazugehörende Wirklichkeit aus der Perspektive und in der Praxis der von der Rechtsnorm betroffenen Akteure.

3.1 Vorgehen der juristischen Betrachtung

Die Erörterung einer gesetzlichen Norm beginnt mit der Erarbeitung der Bedeutung des geschriebenen Wortes und orientiert sich am allgemeinen Sprachgebrauch. Finden sich im Rahmen eines Gesetzes unbestimmte Rechtsbegriffe, werden diese näher betrachtet und mittels der Methodenlehre ausgelegt.

Zur konkreten Auslegung einer rechtlichen Regelung bedient sich ein*e Rechtswissenschaftler*in der Wortinterpretation, des Bedeutungszusammenhangs bzw. der Gesetzessystematik, der historischen Interpretation und der objektiv-teleologischen Interpretation (objektive Auslegung) (Welser & Kletečka, 2018, S. 24). Diese Interpretationsmethoden der Rechtsdogmatik sind von der RechtstheorieFootnote 15 zu unterscheiden. Die Rechtstheorie bezieht sich auf generelle Aussagen zum positiven Recht, fragt nach deren Eigenschaften und ermöglicht bzw. beschreibt allgemeine Sätze über bestimmte Phänomene. Sind die Aussagen auf allgemeine Beobachtungen zurückzuführen, kommt ihr eine empirische Funktion zu (Potacs, 2015, S. 16). Die Auslegungsmethoden folgen einem dynamischen System (ebd., S. 137). Eine weitere Funktion ist die erkenntnistheoretische, sie ermöglicht Einsichten über Umschreibungen sowie über die Voraussetzungen der Erkennbarkeit und beschäftigt sich mit der Wahrheitsfähigkeit von Aussagen über den Inhalt von positivem Recht. Bei der praktischen Funktion der Rechtstheorie geht es um die konkrete Anwendung des positiven Rechts, um die praktische Handhabung, damit wird auch der Inhalt der einzelnen Rechtsvorschriften ermittelt (ebd., S. 16).

3.2 Vorgehen der sozialwissenschaftlich-sozialpädagogischen Betrachtung

Zur Erkundung der Perspektiven der von § 5 Abs. 3 WMVO betroffenen Akteur*innen werden Methoden der empirischen Sozialforschung angewandt (Baur & Blasius, 2019). Zurückgegriffen wird hierzu auf die Daten des Dissertationsprojektes der Autorin (Schachler, 2021). Dieses sah eine zweigeteilte Vorgehensweise vor. Zunächst wurden Gruppendiskussionen mit Mitgliedern von Werkstatträten, mit Unterstützungspersonen von Werkstatträten und mit Werkstattleitungen zur Umsetzung der WMVO geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Darauf aufbauend wurden bundesweite standardisierte Befragungen durchgeführt (siehe Tab. 1). Das genauere Vorgehen der sequentiellen explorativen Mixed-Methods-Studie und die erzielte Datenqualität im Hinblick auf das vermeintliche Gütekriterium der Repräsentativität ist ausführlich bei Schachler (2021, S. 151 ff.) dargestellt. Angesichts der Durchführung (gleiche Auswahlwahrscheinlichkeit, durchgängige Kontrolle des Erhebungsrücklaufs etc.) ist zumindest bei der Befragung der Werkstatträte von einer generalisierungsfähigen externen Validität der Daten auszugehen.

Tab. 1 Empirische Vorgehensweise und erzielte Datenbasis.

Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse zu Vermittlungsstellen aus den Gruppendiskussionen und den darauf aufbauenden quantitativen Erhebungsergebnissen vorgestellt. Somit können Alltagserfahrungen zur Umsetzung der Vorgabe des § 5 Abs. 3 WMVO wiedergegeben und die tatsächliche Handhabung der Vermittlungsstellen im Werkstättenalltag abgebildet werden.

4 Gemeinsame Untersuchung: Die Vermittlungsstelle nach § 5 Abs. 3 WMVO

4.1 De jure Betrachtungen

Eine Vermittlungsstelle in Werkstätten wird erstmals in § 5 Abs. 3 der WMVO erwähnt. Die Vermittlungsstelle kann sowohl von der Werkstatt als auch von dem Werkstattrat angerufen werden, sofern zwischen diesen keine Einigkeit über eine bestimmte Angelegenheit erzielt werden kann, insbesondere in Angelegenheiten, in denen dem Werkstattrat ein Mitwirkungs- oder ein Mitbestimmungsrecht obliegt. „Die Werkstatt muss den Werkstattrat hier vor der Durchführung einer betreffenden Maßnahme rechtzeitig, umfassend und in einer angemessenen Weise verständigen, sowie Informationen weitergeben und den Werkstattrat anhören.“ (Nachtschatt & Schachler, 2020, S. 1).

Die Aufgabe einer Vermittlungsstelle findet sich bereits in ihrer Bezeichnung: Sie soll vermitteln. „Im Gegensatz zu einem Betriebsrat, einem Personalrat oder einer sonstigen Einrichtung der Mitarbeitervertretung nimmt die Vermittlungsstelle eine neutrale, unparteiliche Position ein. Die WMVO ermöglicht mit der Einrichtung einer Vermittlungsstelle ein besonderes Verfahren zur Vermittlung bei Uneinigkeiten bzw. Streitschlichtung zwischen der Werkstatt und dem Werkstattrat“ (ebd.).

Die WMVO besagt (§ 5 Abs. 3 Satz 3), dass – bei fehlendem Einvernehmen unter den dargestellten Umständen – die Möglichkeit besteht, die Vermittlungsstelle anzurufen: „Diese wird unverzüglich tätig, wenn sie angerufen wird (§ 6 Abs. 2 S. 1). Die Formulierung in der WMVO lässt eine durchaus weitreichende Zeitspanne zu, in der die Vermittlungsstelle angerufen werden kann. Sobald sich abzeichnet, dass die Werkstatt und der Werkstattrat nicht einer Meinung sind, kann die Vermittlungsstelle bereits kontaktiert und eingebunden werden. Für eine effiziente und lösungsorientierte Vorgehensweise erscheint eine frühzeitige Befassung der Vermittlungsstelle mit der ungeklärten Angelegenheit hilfreich und sinnvoll. Eine präventive Vorgehensweise ist empfehlenswert, bevor die Fronten der Parteien derartig festgefahren sind, dass sich keine Lösungen finden lassen bzw. Vermittlungsversuche ins Leere laufen. Daher erscheint … eine grundsätzliche Errichtung einer Vermittlungsstelle in jeder Werkstatt sinnvoll. Mit der Zusammenstellung der Vermittlungsstelle sollte nicht erst begonnen werden, wenn ein Konflikt vorliegt. Das unverzügliche Tätigwerden der Vermittlungsstelle ist auf eine rasche Beendigung von ungeklärten Zuständen gerichtet.“ (ebd., S. 2 f.).

Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Werkstattrats betreffen höchstpersönliche und individuelle Sphären der Werkstattbeschäftigten, dabei gilt es, ungeklärte und (rechts)unsichere Zustände zu vermeiden. Zur Wahrung dieser Rechte ist die Einrichtung einer Vermittlungsstelle keine fakultative, sondern eine obligatorische Aufgabe jeder WfbM (ebd., S. 4 f.).

4.2 De facto Betrachtungen

In den Gesprächsinhalten der Gruppendiskussionen mit Werkstattratsmitgliedern, Unterstützungspersonen und Werkstattleitungen zeichnete sich ab, dass bisher wenige Erfahrungen mit Vermittlungsstellen vorliegen. Zwar wurde beschrieben, dass diese durch die Einführung von Mitbestimmungsrechten für den Werkstattrat durch das Bundesteilhabegesetz eine bedeutsame, aufgewertete Rolle einnimmt, jedoch ist deren Funktion und Aufgabe teilweise unklar. Nicht in allen WfbM sei diese vorhanden und es werde erst anfänglich damit begonnen, die Vermittlungsstellen einzurichten (siehe hierzu Schachler, 2018).

Die Erhebungsergebnisse zu den Vermittlungsstellen wurden in bundesweiten standardisierten Befragungen weitergehender untersucht. Im Folgenden werden die Ergebnisse zur Einrichtung und den Gründen der Nichteinrichtung der Stellen dargestellt. Abb. 1 zeigt, an wie vielen WfbM zum Erhebungszeitpunkt eine Vermittlungsstelle eingerichtet war.

Abb. 1
figure 1

(© Viviane Schachler, Eigene Abbildung)

Eingerichtete Vermittlungsstelle Befragung von Werkstatträten, Angaben von 344 Gremien.

Danach gefragt: „Gibt es für Ihre Werkstatt derzeit eine Vermittlungsstelle, wie sie in der Mitwirkungs(ver)ordnung beschrieben ist“, benennen lediglich 27 % der befragten Werkstattratsgremien eine eingerichtete Vermittlungsstelle. Gemessen an den gültigen Antworten (Ja und Nein, n = 281) sind in 32 % der WfbM Vermittlungsstellen eingerichtet. Mit Blick auf die Bundesländer zeigt sich eine regional höchst unterschiedliche Einrichtungsquote (siehe Abb. 2). Während im Saarland alle WfbM auf eine eingerichtete Vermittlungsstelle verweisen, gefolgt von Baden-Württemberg mit einer Einrichtungsquote von 46 %, ist dies in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern lediglich bei 13 % der Werkstätten der Fall.

Abb. 2
figure 2

(© Viviane Schachler, Eigene Abbildung)

Quote der eingerichteten Vermittlungsstellen in den Ländern (Werkstätten mit eingerichteter Vermittlungsstelle in Prozent) Befragung von Werkstatträten, Angaben von 281 Gremien.

Der Verbreitungsgrad der Vermittlungsstellen wurde gleichfalls in der Befragung der Werkstattleitungen untersucht, weitergehender wurden hier auch die Gründe zur Nicht-Einrichtung der Vermittlungsstellen erhoben. Mit 87 % wird die Ursache der Nicht-Einrichtung am häufigsten darin gesehen, dass es bisher aus Sicht der Leitungen noch keine Notwendigkeit dazu gab, die Stelle einzurichten (siehe Abb. 3). Bei 18 % der Befragten sind die Stellen zumindest angedacht, die Einrichtung ist in Planung. Nur in wenigen Fällen wird die Nicht-Einrichtung mit Schwierigkeiten in der Besetzung der Stellen begründet.

Abb. 3
figure 3

(© Viviane Schachler, Eigene Abbildung)

Gründe der Nicht-Einrichtung von Vermittlungsstellen (Mehrfachnennungen), Befragung von Werkstattleitungen, Angaben von 76 Personen, Mehrfachantworten möglich.

Als „andere Ursachen“ wurden bspw. benannt:

  • „neue Anerkennung als WfbM“

  • „Eine Landesweite Schlichtungsstelle/Vermittlungsstelle gibt es in Sachsen-Anhalt noch nicht“

  • „In DWMV nicht vorgesehen“

Diese Angaben zeigen in einem Fall eine Planungsperspektive. Andere sind ursächlich nicht genauer nachvollziehbar. Faktisch falsch ist die Aussage, dass in der DWMV, die Mitwirkungsverordnung der Diakonie, keine Vermittlungsstelle vorgesehen ist. Dies ist selbstverständlich der Fall.

5 Interpretation der Ergebnisse

Die empirische Betrachtung von Vermittlungsstellen zeigt, dass das Wissen um die Vermittlungsstellen nicht bei allen Werkstatträten und Werkstattleitungen präsent ist. Rund jeder siebte Werkstattrat weiß nicht, ob in seiner WfbM eine Vermittlungsstelle besteht. Bei Unstimmigkeit mit der Werkstattleitung müssen diese Werkstatträte somit erst herausfinden, ob eine Stelle überhaupt eingerichtet ist, bevor diese kontaktiert werden kann.

An rund zwei Drittel der WfbM ist bisher keine Vermittlungsstelle eingerichtet. Auffällig ist, dass Vermittlungsstellen in den Bundesländern sehr unterschiedlich verbreitet sind. Im Saarland verweisen alle Werkstätten auf eine Stelle. Dies entspricht dem Umstand, dass hier eine Vermittlungsstelle geschaffen wurde, die für das ganze Bundesland zuständig ist. Hier stellt sich die Frage, wie hoch bzw. niedrig die Hemmschwelle ist, eine landesweit zuständige Vermittlungsstelle zu kontaktieren, und ob die Bereitschaft besteht, einen Konflikt nach außen zu kommunizieren. Auch das angrenzende Rheinland-Pfalz und das benachbarte Baden-Württemberg haben bessere Einrichtungsquoten. Möglicherweise fällt in diesen Ländern die Kommunikation über Vermittlungsstellen anders aus. Zum Beispiel wird häufiger, anschaulicher oder direkter über deren Funktion gesprochen.

Zumeist gehen Werkstattleitungen davon aus, dass es bisher noch nicht notwendig war, eine Vermittlungsstelle einzurichten. Der grundlegende Zweck, wozu Vermittlungsstellen eingerichtet werden sollten, wird hier ignoriert. Nach unserer Auffassung des § 5 Abs. 3 WMVO besteht der Sinn und Zweck von Vermittlungsstellen darin, dass Werkstatträte im Konfliktfall ihre Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nutzen können, über die sie gemäß § 5 Abs. 1 und 2 WMVO verfügen. In den Mitbestimmungsfällen ist nach positivem Recht Machtparität zwischen Werkstattrat und Werkstattleitung gegeben. Können sich Werkstattrat und -leitung nicht einig werden, sind Vermittlungsstellen zu kontaktieren, die – unter Beachtung zeitlicher Prozesse – eine Streitschlichtung herbeiführen. Sind diese nicht eingerichtet und wird mit der Besetzung oder mit der Auseinandersetzung mit den Stellen erst im Konfliktfall begonnen, bringt dies Werkstatträte und Werkstattleitungen in eine sehr unbefriedigende und wenig zielführende Situation (siehe hierzu Nachtschatt & Schachler, 2020). Vor allem Werkstatträte sind im Konfliktfall benachteiligt und auf viele Unwägbarkeiten angewiesen. Die de jure vorgesehene Machtparität ist bei der Nichteinrichtung der Vermittlungsstellen somit nicht gegeben.

Als Barrieren der möglichen Inanspruchnahme der Vermittlungsstellen der WMVO zeigen sich die Nichteinrichtung der Stellen und das fehlende Wissen über deren Funktion oder auch das Ignorieren derselben. Um diese Barrieren abzubauen, empfiehlt sich u. E. zu jeder neuen Amtsperiode des Werkstattrats eine anlasslose und konfliktfreie Einrichtung der Stellen bzw. deren Bestätigung und dazu ergänzende Vereinbarungen. Zudem sollte die Kommunikation über Vermittlungsstellen an unterschiedlichen Stellen verankert werden. Handlungspraktische Empfehlungen, welche sich dazu eignen, sind bei Nachtschatt und Schachler (2020, S. 5) dargestellt.

6 Fazit und Schlussfolgerungen

Die Rechtswissenschaft ist eine theoretisch angesehene Disziplin. Dieser wurde die Soziale Arbeit als praxisorientierte Disziplin, die sich der Gesetze als Grundlage bedient, gegenübergestellt. Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 WMVO diente als Untersuchungsgegenstand für die gemeinsame Betrachtung. Hierzu wurden Vermittlungsstellen nach der WMVO in ihren rechtsdogmatischen Bedeutungsbezügen vorgestellt und erörtert, welche Funktion eine Vermittlungsstelle in einer WfbM einnimmt. Anhand von empirischen Ergebnissen wurde im Anschluss der Bedeutung von Vermittlungsstellen in der Praxis und deren Verbreitungsgrad nachgezeichnet sowie vorhandene Gründe der Nichteinrichtung der Stellen beschrieben. Dies zeigt, dass die Situation de jure – de facto erheblich differiert:

  • De jure sind Vermittlungsstellen als eine der fachlichen Voraussetzungen von WfbM vorhanden. Diese Darstellung weiß jedoch nichts über die lebensweltliche Auffassung der Stellen im Werkstättenalltag. Zum tatsächlichen Verbreitungsgrad der Stellen kann sie keine Aussage treffen.

  • De facto zeigt sich, dass mit einem Verbreitungsgrad von 32 % nur an jeder dritten WfbM bisher Vermittlungsstellen eingerichtet sind und eine Einrichtung von Seiten der Werkstattleitungen oftmals nicht als notwendig erachtet wird. Diese sozialempirische Darstellung kann keine Aussagen darüber treffen, wie die Formulierungen der WMVO juristisch auszulegen sind, und wann die Stellen nach den gesetzlichen Regelungen einzurichten sind.

Erst mit der Zusammenführung der Betrachtungen und der gemeinsamen Interpretation kann die begründete Aussage getroffen werden, dass der grundlegende Zweck, wozu Vermittlungsstellen einzurichten sind, in der Umsetzung der WMVO bisher oftmals ignoriert wird.

Zu den Zielen und Aufgaben von Projekten der Teilhabeforschung gehört es, sich dezidiert mit dem bestehenden Rehabilitationssystem für Menschen mit Behinderungen auseinanderzusetzen und sowohl kritisch als auch empirisch fundiert zu fachlichen Weiterentwicklungen beizutragen. Hieran sind verschiedene Disziplinen beteiligt, die sich punktuell begegnen und zusammenarbeiten. Über das Lernen voneinander und die gemeinsam generierten Erkenntnisse entstand im vorliegenden Fall eine transdisziplinäre Arbeit. Diese ist über das gemeinsame Interesse an einer Forschungsthematik sowie der anderen disziplinären Sichtweise entstanden. Unseres Erachtens liegt gerade in dem Interesse an der fachfremden Sichtweise die Voraussetzung für eine transdisziplinäre Zusammenarbeit. Hierzu gehört es, sich der Stärken und Grenzen der eigenen Disziplin bewusst zu sein, zu erkennen, wann die eigenen Zugänge an ihre Grenzen stoßen und offen mit den disziplinären Beschränkungen umzugehen. Die Bearbeitung einer gemeinsamen Fragestellung aus unterschiedlichen Disziplinen erfordert nach unseren Erfahrungen ungeahnte Offenheit, Reflexion und Zeit. Transdisziplinäre Betrachtungen sind dynamische sowie lernende Prozesse. Belohnt wurde dieser mit einem lebendigen Erkenntniszuwachs, aus dem sich ein praxisbezogener Mehrwert ergab (siehe zu konkreten Handlungsempfehlungen und Verbesserungsvorschlägen Nachtschatt & Schachler, 2020). In diesem Sinne können gerade die Überwindung disziplinärer Beschränkungen und transdisziplinäre Begegnungen als ein Potenzial und eine Entwicklungslinie für Teilhabeforschung gelten.