Ziel dieser Arbeit war die ökonomische Modellierung und Analyse der Kosten der Luftrettung, um einen Erkenntnisgewinn über Möglichkeiten zur Steuerung der dynamischen und komplexen Zusammenhänge von Luftrettungssystemen zu erlangen. Die vorgestellten Ergebnisse bringen objektive Elemente in medizinische, aber auch sozio-politische Diskussionen. Gemeinsam mit dem methodischen Ansatz sind die Ergebnisse geeignet, die Gestaltung von Luftrettungssystemen zu unterstützen. Alle Ansätze der Kostensystematik und Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von Luftrettungssystemen wurden am Erfahrungsobjekt in Vorpommern sowie entlang des deutschen Luftrettungssystems erarbeitet, nehmen jedoch auch eine grundsätzliche Übertragbarkeit auf internationale Organisationsstrukturen in Anspruch.

Der bisherige ökonomische Forschungsstand weist nur wenige Beiträge über die Kostensystematik der Luftrettung auf, ebenso sind weitere Einflussfaktoren nicht systematisch untersucht. Diese Studie versucht, den Forschungsstand über Durchschnitts- und Gesamtkosten, Profitabilität und Steuerungsansätze von Luftrettungssystemen deutlich erweitert. Aus der bisher geringen Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet ergibt sich eine strukturelle Unsicherheit bezüglich des Modells, wie auch der eingesetzten Inputdaten. Zudem besteht auch die Schwierigkeit, dass die vorgestellten Ergebnisse dieser Arbeit nicht umfassend mit anderen Studien verglichen werden können. Um diese Unsicherheit zu reduzieren und ein grundlegendes Verständnis zu schaffen, wurde zunächst in den Grundlagen umfassend die Systematik des deutschen Luftrettungssystems geschildert. Dabei wurden die wesentlichen Dimensionen des Luftrettungssystems strukturiert als medizinischen, sozio-politischen und betriebswirtschaftlichen Ursprungs. Diese prägen das Luftrettungssystem maßgeblich und üben großen Einfluss auf dessen wirtschaftliche Gestaltung aus. Sie greifen auch unterschiedliche Akteure und Interessensgruppen der Luftrettung auf und grenzen diese voneinander ab.

Diese grundlegende Systematik, die zum Erfassen der deutschen Luftrettung verwendet wurde, ist auch auf andere Länder übertragbar und wurde im Rahmen eines Systemvergleichs auf verschiedene europäische Länder angewendet. Ziel des Vergleichs war das Herausarbeiten unterschiedlicher Lösungen und möglicher Innovationen für die deutsche Luftrettung. Neben der Aufarbeitung struktureller Zusammenhänge im Luftrettungssystem wurde der aktuelle wirtschaftliche Forschungsstand, sowie bekannte Kritik aus öffentlichen Berichten zu einer Datengrundlage zusammengeführt. Weitere Informationen wurden durch Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Luftrettungsbetreiber Johanniter Unfallhilfe erlangt.

All diese grundlegenden qualitativen Informationen gingen in die Quantifizierung des Kostenmodells und die Definition von Szenarien ein, das in der Ausgangssituation einen günstig betriebenen Primärhubschrauber am Beispiel des in Greifswald stationierten Christoph 47 abbildet. Die darüber hinaus gehenden Szenariovariationen greifen Verbesserungsvorschläge, Kritikpunkte, technische Innovationen und Merkmale aus anderen Ländern auf, die sich aus den grundlegenden Recherchen ergeben haben.

Aufgrund der szenariobasierten Herangehensweise sind die vorgestellten Ergebnisse spezifischer als bisher bekannte Daten. Auch sind die Ergebnisse besonders gegenüber offiziellen, nicht-wissenschaftlichen Veröffentlichungen in ihrer Systematik nachvollziehbarer. Gleichwohl besteht eine Unsicherheit, ob die erlangte Datenqualität für spezifische Entscheidungen zur Steuerung des Luftrettungssystems hinreichend ist. Hier gilt es, die Ergebnisse zu verifizieren.

Grundsätzlich ist die modellierte Systematik jedoch geeignet, um Aussagen und strategische Handlungsempfehlungen gemäß der Zielstellung dieser Arbeit zu treffen. Sie werden anhand der Bewertung potenzieller Innovationen sowie bekannter Kritik am Luftrettungssystem identifiziert und liefern Ansätze, Fehlanreize oder Fehlentwicklungen im Sinne eines effizienteren Luftrettungssystems zu beheben. Allen Maßnahmen ist dabei gemein, dass für ihre Umsetzung die Partikularinteressen der Anspruchsgruppen im Luftrettungssystem überein gebracht werden müssen.

Als die wesentlichen Stakeholder wurden die von notfallmedizinischen Akteuren und Krankenkassen vertretenen Patienten, Luftrettungsbetreiber sowie politische Institutionen insbesondere der Bundesländer herausgearbeitet. Die objektiven Erkenntnisse und Aussagen dieses Modells können helfen, entstehende Spannungsfelder und Zielkonflikte zu verstehen, zu strukturieren und zu lösen. Sie liefern damit auch einen Beitrag zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskussionen zur Luftrettung, die wie gezeigt mitunter emotional und weniger objektiv geführt werden.

Diese Arbeit zeigt, dass sich im großen deutschen Luftrettungssystem vor allem die Frage nach der effizienten Nutzung bereits bestehender Kapazitäten innerhalb der gegebenen Standortstrukturen stellt. Eklatant sind dabei die gemäß der Recherchen dieser Arbeit weiterhin unbekannten und somit mutmaßlich fehlenden grundlegenden und systematischen Steuerungsansätze, welche die Effizienz des Luftrettungssystems gewährleisten können. Dies betrifft die strategische Auslastung von Kapazitäten im Sinne von Standortplanungen, welche letztlich die Gesamtkosten des Luftrettungssystems maßgeblich beeinflussen, jedoch auch die Steuerung der rettungsmittelspezifischen Bindungszeiten anhand von effizienten und dynamischen Dispositionskriterien.

Darauf aufbauend ergeben sich Ansätze für fünf Handlungsempfehlungen zur Gestaltung und Verbesserung von Luftrettungssystemen. Hier zeigt sich, dass die qualitativen und quantitativen Ergebnisse dieser Arbeit geeignet sind, Handlungsempfehlungen nicht nur allgemein zu konzipieren, sondern auch in spezifische Maßnahmen zu überführen. Sie umfassen die kurzfristige Nutzung bestehender Kapazitäten durch Veränderungen von Betriebszeiten, sowie den strategischen Aufbau von Kapazitäten im Sinne der Standortplanung. Darüber hinaus werden Kennzahlen zur Steuerung der Kapazitätsauslastung und der Umgang mit Sondereinsatzbedarf adressiert. Zuletzt wird auch die in Forschungsbeiträgen bisher kaum behandelte Möglichkeit des profitablen Luftrettungsbetriebes diskutiert und Ansätze zu Umgang und Steuerung unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Aspekte genannt. Mithin entsteht ein praktischer Nutzen aus der wissenschaftlichen Analyse, der am Beispiel Steuerung der Luftrettungskapazitäten in Vorpommern dargestellt wird.

Die entwickelte Methodik zur Bewertung von Kosten eines Luftrettungsmittels, daraus entstehende Ergebnisse und ihre Überführung in eine praktische Nutzbarkeit soll einen sachlichen und möglichst objektiven Beitrag zur ökonomischen und gesundheitswirtschaftlichen Betrachtung der Luftrettung leisten. Ihre Bedeutung kann nun quantifiziert werden. Somit ist für künftige Kosten-Nutzen-Analysen nun die kostenseitige Information gegeben.

Auch lassen sich Handlungsalternativen für die Gestaltung der prähospitalen Notfallversorgung bewerten. Dies gilt beispielsweise für die Planung von Strukturen der Notfallversorgung und der strategischen Positionierung von bodengebundenen und luftgestützten Rettungsmitteln. Zudem ist nun eine bessere Einschätzung von Innovationen aus der Bewertung des Status Quo heraus möglich. Hinsichtlich des technischen Fortschritts und insbesondere der Erweiterung der hubschraubergestützten „großen Luftrettung“ um UAS-gestützte „kleine“ Luftfahrzeuge, die auch Aufgaben des medizinischen Gütertransports übernehmen können, ist davon auszugehen, dass für Luftrettungssysteme die Innovationsbewertung künftig eine steigende Bedeutung zukommt.