Zusammenfassung
Qualitative Forschung muss sich auf sich selbst wenden, sich mit sich selbst beschäftigen, sich ihre eigene Mache zum Gegenstand machen. Ein solcher Reflexivitätsanspruch wird für qualitative Forschung vielfach ausgewiesen und bildet auch den Ausgangspunkt für das Vorhaben des vorliegenden Sammelbandes, Beiträge zu einer reflexiven Methodologie des qualitativen Forschens in der Sportpädagogik zu leisten. In diesem einführenden Beitrag wird der angesprochene Reflexivitätsanspruch zunächst im Sinne eines Problemaufrisses in den komplexen Gemengelagen einer konstruktivistischen Sicht auf qualitatives Forschen verortet. Folgend werden relevante Entwicklungen im sportpädagogischen Diskurs markiert, dann eine Systematik zur Idee einer reflexiven Methodologie vorgeschlagen und schließlich ein Überblick über die Beiträge und die Struktur des Buches gegeben.
Schlüsselwörter
- Reflexive Methodologie
- Forschungsmethoden
- Qualitative Forschung
- Sportpädagogik
- Reflexion/Reflexivität
- Konstruktivismus
An der Notwendigkeit von Reflexivität kommt keine Wissenschaft vorbei, wenn sie sowohl ihren Standort in der Wissenschaftslandschaft finden als auch gesamtgesellschaftlich verantwortlich handeln will
(Meinberg, 1994 , S. 11).
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Mit der Bezeichnung qualitative Forschung beziehen wir uns auf jene sehr heterogene Forschungsfamilie, deren Familienähnlichkeiten (Wittgenstein, 2003, S. 65 ff.) sich entlang der Grundausrichtung bilden, soziale Wirklichkeit als konstruierte und immer schon interpretierte Wirklichkeit in Konstruktionen (mindestens) zweiter Ordnung sinnverstehend deuten zu wollen. Wir sind uns der begrifflichen Unschärfe des Familiennamens ebenso bewusst wie der Tatsache, dass er nach wie vor eine gängige Identifizierung dieser Familie darstellt.
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Zum Ausdruck kommt dies beispielsweise in Themenschwerpunkten von Tagungen (z. B. "Reflexive Perspektiven auf die Forschungspraxen der Soziologie der Kindheit“) und Summer Schools (z. B. „Reflexive Religionsforschung“), in Titeln von Sammelbänden (z. B. „Dokumentarisches Interpretieren als reflexive Forschungspraxis“) oder von ganzen Buchreihen (z. B. „Reflexive Sportwissenschaft“).
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Auf der Tagung waren überwiegend Forschende aus der Sportpädagogik zugegen.
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Rode, D., Wolff, D., Schiller, D., Zander, B. (2023). Reflexion qualitativen Forschens in der Sportpädagogik: Prozesse, Partizipanden und Verhältnisse beobachten, beschreiben und befragen. In: Zander, B., Rode, D., Schiller, D., Wolff, D. (eds) Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Bildung und Sport, vol 27. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38038-0_1
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