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Konsumentscheidungen, Konsumroutinen und Konsumstrategien. Veränderungen von Konsumverhalten

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Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum
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Zusammenfassung

Die Förderung nachhaltiger Konsumweisen ist eine politische Zielsetzung, die seit fast 30 Jahren in nahezu allen politisch-programmatischen Dokumenten zur nachhaltigen Entwicklung verankert ist. Seit einiger Zeit wird diesbezüglich – beeinflusst durch die Rezeption von Praxistheorien (Bourdieu 1972, 1980, 1997; Giddens 1979, 1984) – das in der sozial ökologischen Forschung dominante Leitbild von verantwortlichen, souveränen Konsumierenden kritisiert und es wird – vor allem aus soziologischer Perspektive – hinterfragt, welche transformative Kraft Konsumierende mit Blick auf den politisch angestrebten gesellschaftlichen Wandel entfalten können. Zwei Aspekte erscheinen problematisch: zum einen die Engführung des Konsumbegriffes und zum anderen die gesellschaftliche Konstruktion der Nachfrage im Hinblick auf Konsumroutinen. In diesem Zusammenhang erweist sich eine praxeologisch informierte Analyse von Konsumstrategien als weiterführend. Denn der Strategiebegriff liefert einen Rahmen, um Konsumentscheidungen in ihrer Komplexität theoretisch fassen zu können, gleichzeitig jedoch auch Wahrnehmungen diskursiver Problematisierungen im Spannungsfeld von Bedürfnisbefriedigung und Nachhaltigkeit, wie sie in biographischen Daten zum Vorschein kommen dürften, zu berücksichtigen. Der Beitrag diskutiert den Zusammenhang zwischen Konsumierenden- Souveränität, Konsumentscheidungen und Konsumroutinen auf methodologischer und methodischer Ebene. Dabei wird aufgezeigt, wie sich ein nutzentheoretisches Entscheidungskalkül und praxeologische Forschungsheuristiken miteinander verknüpfen lassen und wie sich der kontextuelle Gebrauch der diskursiven Praktiken Nachhaltigkeit und Bedürfnisbefriedigung in seinen Auswirkungen auf Konsummöglichkeiten und Konsumorientierungen mit Hilfe der Analyse von Konsumstrategien aus dem biographischen Material rekonstruieren lässt.

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Notes

  1. 1.

    Der Begriff Aktant(en) entstammt ursprünglich der Literaturwissenschaft. Bruno Latour entleiht diesen Begriff aus der Semiotik bei Algirdas J. Greimas, „[…] der damit alle potentiell möglichen Handlungsträger in einer Geschichte, seien es Bäume, Ahornblätter, Nixen, Geister oder Zwerge […]“ bezeichnet (Otto & Welskop, 2014, S. 255) und übernimmt ihn „[…] als menschliche (human) oder nicht- menschliche (non-human) Träger von Handlungen“ (Miebach, 2014, S. 452) in seine Auslegung der Akteur- Netzwerk Theorie. Bei der Akteur- Netzwerk Theorie (Actor-Network Theory abgekürzt ANT) handelt es sich um ein in den 1980er Jahren von Bruno Latour, Michel Callon und John Law begründetes soziologische Paradigma (Miebach, 2014, S. 452), das „[…] das Soziale unter der Prämisse der Vernetzung von menschlichen und nicht-menschlichen Entitäten betrachtet.“ (Klimke et al., 2020, S. 7). Damit ist ein Handlungsbegriff verbunden, welcher Handeln als jemanden zu etwas bewegen, etwas in Bewegung bringen bzw. einen Unterschied ausmachen auffasst. Aus dieser Perspektive ist – im Rahmen der Akteur-Netzwerk Theorie (Latour, 2007) – die Annahme, dass Handeln nicht auf ein einzelnes Wesen zurückzuführen ist, sondern neu verteilt wird, als grundlegendes Verständnis verankert. Latour stellt diese Annahme vereinfacht dar, indem er folgendes über die Position von Akteuren in der sozialen Welt schreibt (Latour, 2007, S. 81; zitiert nach Otto & Welskop, 2014, S. 255): Akteure seien „[…] nicht Ursprung einer Handlung, sondern das bewegliche Ziel eines riesigen Aufgebots von Entitäten, die zu ihm hin strömen.“ Dieses „Aufgebot von Entitäten“ fasst Latour unter dem Begriff Aktanten zusammen und bezeichnet damit „[…] alles was einen Akteur dazu bringt etwas zu tun […]“ (Otto & Welskop, 2014, S. 255).

  2. 2.

    Coleman stellt die Annahme, dass Individuen nutzenmaximierend im Sinne von ihre Situation verbessernd agieren vereinfacht dar, indem er folgende Handlungslogik beschreibt (Coleman, 1990, S. 13 ff. zitiert nach Münch, 2007, S. 91): „Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Handlung ausgeführt wird, ist eine Funktion der Nutzensteigerung, die ein Akteur erwartet, wenn er das Resultat dieser Handlung mit der Wahrscheinlichkeit multipliziert, die er der Fähigkeit der Handlung zuschreibt, das gewünschte Ergebnis zu erbringen.“

  3. 3.

    Ob und inwieweit nachhaltig zu konsumieren das primäre oder aber zumindest ein wichtiges mit Konsum verbundenes Ziel darstellt, ist dabei zunächst zur Disposition zu stellen, kann jedoch im Zuge einer forschungspraktischen Umsetzung für die jeweiligen Einzelfälle geklärt werden (ähnlich wie dies bei Schröter (2015) für das Vorhandensein einer Ausstiegsstrategie aus der Bedürftigkeit gilt).

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Rickwärtz, N.C. (2022). Konsumentscheidungen, Konsumroutinen und Konsumstrategien. Veränderungen von Konsumverhalten. In: Onnen, C. (eds) Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37543-0_6

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