Zusammenfassung
Die „Theorie des kommunikativen Handelns“ (TkH) ist das Hauptwerk von Jürgen Habermas, dem wohl einflussreichsten Denker der Bundesrepublik Deutschland. Im Zentrum des Buchs steht das Konzept der kommunikativen Rationalität: Wer Sprache benutze, setze immer die Möglichkeit von rationalem Austausch voraus. Je freier der Austausch von Argumenten stattfinden könne, desto mehr Rationalität und Freiheit werde ermöglicht. In der Lebenswelt moderner Gesellschaften sei solche Rationalisierung so weit fortgeschritten wie nie zuvor. Zugleich sei die Rationalität aber auch begrenzt und bedroht. Die gesellschaftlichen Subsysteme von kapitalistischer Ökonomie und modernem Staat seien gut geeignet, die materielle Reproduktion zu gewährleisten, die Lebenswelt dadurch von diesen Aufgaben zu entlasten und Freiheit zu ermöglichen. Ihre Steuerungsmechanismen Geld und administrative Macht hätten aber auch die Tendenz, auf die Lebenswelt überzugreifen, diese zu kolonialisieren und Kommunikation zu verdrängen. Habermas’ Werk wurde und wird bis heute in all seinen Aspekten intensiv diskutiert – in der Kommunikationswissenschaft ebenso wie in zahlreichen anderen sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Der vorliegende Text fasst die wichtigsten Hintergründe, Argumente und Gegenargumente zusammen.
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Damit entscheidet sich Habermas für eine etwas verwirrende Terminologie, in der das Wort „Gesellschaft“ zweimal auftaucht: Zum einen bezeichnet er als Gesellschaft die soziale Totalität, die man sowohl als Lebenswelt als auch als System betrachten könne; zum anderen bezeichnet er als Gesellschaft eine der drei Dimensionen der Lebenswelt. Gesellschaft im letztgenannten Sinne ist also gewissermaßen ein Drittel der Hälfte der Gesellschaft im erstgenannten Sinne.
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Biskamp, F. (2022). Theorie des kommunikativen Handelns. In: Spiller, R., Rudeloff, C., Döbler, T. (eds) Schlüsselwerke: Theorien (in) der Kommunikationswissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37354-2_22
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