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1 Einleitung: Rassismus, Diskriminierung und Kontrolle der Polizei

Fälle, in denen Polizist:innen rassistisches oder diskriminierendes Verhalten vorgeworfen wird oder in denen Formen eines institutionellen Rassismus im Verantwortungsbereich der Behörden im Raum stehen, führen zu der Frage nach adäquaten Reaktionen. Aus strukturellen Gründen sind Polizeibehörden und die politischen Instanzen, die ihre Arbeit beaufsichtigen, oftmals nicht in der Lage, selbst angemessen zu reagieren. Mal fehlt es an Problembewusstsein, mal steht der Wunsch im Vordergrund, ein positives Image der Institution Polizei in der Öffentlichkeit zu fördern und daher weniger positive Aspekte auszublenden oder gar „unter den Teppich zu kehren“.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob und ggf. wie unabhängige externe Kontrollstrukturen Schutz vor Rassismus und Diskriminierung durch die Polizei bieten können. Im Zentrum stehen die Fragen, welche spezifischen Handlungsmöglichkeiten und Effekte unabhängige Kontrollinstanzen für den Schutz vor Rassismus und Diskriminierung im Polizeibereich haben können und welche Einflussfaktoren diese Handlungsmöglichkeiten begrenzen. Der Beitrag geht von der Hypothese aus, dass präventive Wirkungen externer Kontrollstrukturen maßgeblich von ihrer Ausgestaltung abhängen, insbesondere von ihren Zuständigkeiten und Befugnissen. Er ordnet unabhängige (Polizei-)Beauftragte und Beschwerdestellen in den Kontext von Accountability-Theorien ein.

Das Spektrum externer staatlicher Kontrollstrukturen umfasst neben unabhängigen Polizeibeauftragten auch die gerichtliche Kontrolle des Polizeihandelns sowie parlamentarische Fach- und Untersuchungsausschüsse. Diese staatlichen Kontrollstrukturen sind Teil eines breiten Spektrums von Accountability-Foren für die Polizeiarbeit, zu denen auch intern-hierarchische Kontrollstrukturen und insbesondere nichtstaatliche Akteure, wie zivilgesellschaftliche Gruppen und die Medienöffentlichkeit, zählen.

Im internationalen Kontext gibt es seit langem umfangreiche Erfahrungen mit unabhängigen Kontrollinstitutionen für die Polizei, wobei unterschiedliche Modelle zu beobachten sind, etwa Beauftragte oder Beschwerdekommissionen.Footnote 1 In Deutschland ist seit 2014 auf Landesebene ein Trend zur Etablierung polizeiexterner unabhängiger Polizeibeauftragter zu beobachten, zunächst in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg.Footnote 2 Gesetzliche Grundlagen für Polizeibeauftragte wurden auch in Bremen, Hessen und Berlin geschaffen. In Berlin wurde zudem eine Ombudsstelle nach dem 2020 verabschiedeten Landes-Antidiskriminierungsgesetz eingerichtet, bei der auch Beschwerden über diskriminierendes Polizeihandeln möglich sind. Von Interesse für diesen Beitrag ist insbesondere die Frage, inwieweit unabhängige Stellen über die Aufarbeitung von Beschwerden und Einzelfällen hinaus die polizeiliche Praxis verbessern können. Inwieweit können unabhängige Stellen dabei helfen, institutionellen Rassismus und rassistische Praktiken in der Polizei sichtbar zu machen, die über das konkrete Fehlverhalten einzelner Polizist:innen hinausgehen? Rassismus wird in Polizei und Innenministerien oft verkürzt als Eigenschaft von Individuen verstanden und damit in seiner institutionellen sowie strukturellen Dimension verkannt.Footnote 3 Dieses verkürzte Rassismusverständnis hat dazu geführt, dass die Erkenntnisse der Rassismusforschung bisher von Polizeibehörden und teils auch von der Polizeiforschung ignoriert wurden.Footnote 4 Forschung zu Rassismus in der deutschen Polizei basiert daher vor allem auf Einstellungsforschung, während institutionalisierte Praktiken und Wissensbestände weniger beachtet wurden.Footnote 5 Rassismus ist nach dem hier zugrunde gelegten breiteren Verständnis mehr als eine individuelle Vorurteilsstruktur. Rassismus ist vielmehr ein soziales Verhältnis, welches nicht stabil ist, sondern sich mit neuen Praktiken verbindet und immer neue Konjunkturen entwickelt.Footnote 6 Rassismus meint in einer macht- und herrschaftssoziologischen Perspektive auch den Ausschluss bestimmter Gruppen vom Zugang zu materiellen oder symbolischen Ressourcen und die Anwendung von Gewalt gegen diese Gruppen, welche durch die Konstruktion einer ethnischen oder kulturellen Differenz legitimiert wird.Footnote 7 Die Polizei ist in ihren stabilisierenden Funktionen für die gesellschaftliche Ordnung und die dahinterstehenden InteressenFootnote 8 in solche Prozesse eingebunden. Unabhängige Stellen könnten bei entsprechender Ausgestaltung dabei helfen, strukturell und institutionell bedingte rassistische Diskriminierungen in der Polizei sichtbar zu machen und so dazu beitragen, den staatlichen Schutzauftrag vor Rassismus und Diskriminierung umzusetzen.

2 Unabhängige Polizeibeauftragte im Spektrum externer Kontrollstrukturen für die Polizeiarbeit

In der verwaltungswissenschaftlichen Forschung wird der Bedarf an unabhängigen Kontrollstrukturen für Verwaltungen oft in den Kontext der Verwaltungsmodernisierung gestellt: Im Zuge modernen Verwaltungsmanagements wurden klassisch-hierarchische Modelle der Verwaltungssteuerung, in denen die Verantwortung von Vorgesetzten sowie die politische Steuerung von Verwaltungshandeln im Mittelpunkt standen, durch weniger hierarchische Governance-Strukturen ersetzt, die dezentralen Einheiten mehr Autonomie gegenüber kleinteiliger Steuerung bieten sollen.Footnote 9

Bei Polizeibehörden, die Maßnahmen der Verwaltungsmodernisierung nur zögerlich implementiert haben und weiterhin stark hierarchisch strukturiert sind, haben Tendenzen zur Zentralisierung und Technisierung die Autonomie gegenüber hierarchisch-administrativer und politischer Steuerung erhöht.Footnote 10 Die Ausweitung von Rechtsgrundlagen, die weitreichende Grundrechtseingriffe erlauben, hat diesen Effekt weiter verstärkt.Footnote 11

In einem demokratischen Rechtsstaat bedarf diese zunehmende Autonomie – gerade im Falle von Polizeibehörden mit ihren weitreichenden Befugnissen als Repräsentanten des staatlichen Monopols legitimer Gewalt-, also Zwangsausübung – der Kompensation durch adäquate Verantwortungsstrukturen, die in der internationalen Fachdiskussion als Accountability-Foren bezeichnet werden.Footnote 12 Accountability-Foren verbinden eine:n Akteur:in, der sich zu verantworten hat (hier also eine Polizeibehörde) in einem Forum mit einem:r Akteur:in, der:die zur Gewährleistung verantwortlichen Handelns beiträgt. Für Polizeibehörden gibt es eine Reihe solcher Accountability-Foren, etwa die Datenschutzaufsicht und die Rechnungshöfe, die in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich weitreichende Kontrollrechte gegenüber der Polizei haben. Diese Accountability-Foren sind indes dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils nur für spezifische Einzelaspekte der Polizeiarbeit des Bundes bzw. eines Landes zuständig sind und insbesondere die polizeilichen Grundrechtseingriffe nur in kleinen Ausschnitten in ihre Zuständigkeit fallen. Der Deutsche Bundestag und die Landesparlamente könnten zwar Rechenschaft für die gesamte Breite der Polizeiarbeit einfordern. Die Innenausschüsse der Parlamente haben aber zahlreiche weitere Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere bei der innenpolitischen Gesetzgebung, und verfügen daher nur über begrenzte Kapazitäten als Accountability-Foren für den Alltag der Polizeiarbeit.Footnote 13 Untersuchungsausschüsse können sich einem Sachverhalt zwar wesentlich intensiver widmen. Ihre Zahl ist aber aufgrund des hohen Aufwands begrenzt – in der Regel wird diese Variante eines parlamentarischen Accountability-Forums nur zur Aufarbeitung besonders spektakulärer Fehlentwicklungen eingesetzt, so etwa vom Deutschen Bundestag und zahlreichen Landesparlamenten zur Aufarbeitung von Versäumnissen der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden bei der Aufdeckung des sog. Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Alltägliche Fälle von Polizeihandeln, das als rassistisch oder diskriminierend wahrgenommen wird, werden daher kaum durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse aufgearbeitet.

Verwaltungs- und Strafgerichte fungieren dann als Accountability-Foren für die Polizeiarbeit, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass polizeiliches Handeln rechtswidrig ist bzw. polizeiliches (Fehl-)Verhalten den Anfangsverdacht einer Straftat begründet. Betroffene können zwar Rechtsmittel gegen die in Frage stehende polizeiliche Maßnahme einlegen bzw. Strafanzeige stellen, dies ist aber selten der Fall. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass Fälle von rassistischem oder diskriminierendem Polizeihandeln nur ganz ausnahmsweise vor Gericht verhandelt werden.

Auch die Medienöffentlichkeit fungiert als Accountability-Forum für die Polizeiarbeit. Immer wieder wurden Fehlentwicklungen durch Recherchen von Journalist:innen aufgedeckt. Allerdings fehlt es ihnen – im Gegensatz zu öffentlichen Accountability-Foren wie den Parlamentsausschüssen, Datenschutzaufsichtsbehörden oder Rechnungshöfen – an formalisierten Kontrollrechten, etwa für den Zugang zu Informationen. Informationsfreiheitsgesetze sehen für Sicherheitsbehörden weitreichende Ausnahmen vor, die dazu führen, dass viele Informationen der Öffentlichkeit verborgen bleiben. In Fällen von Polizeihandeln, das als rassistisch oder diskriminierend wahrgenommen wird, werden Journalist:innen nur von einem kleinen Teil der Fälle erfahren.

Unabhängige Beauftragte und Beschwerdestellen können ein weiterer, potenziell effektiverer Baustein im Geflecht der Accountability-Foren für die Polizeiarbeit sein. Dort wo es sie gibt, sind sie in der Regel auch für Fälle zuständig, in denen sich Außenstehende durch die Polizei rassistisch oder diskriminierend behandelt fühlen. Die externen Polizeibeauftragten, die bisher in Deutschland eingesetzt wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass auch Polizeibedienstete dort Beschwerden einreichen können – auch wenn sie sich selbst durch die Behörde oder Kolleg:innen diskriminierend behandelt fühlen.Footnote 14 Im internationalen Vergleich ist dies die Ausnahme – in der Regel befassen sich unabhängige externe Polizeibeschwerdeinstitutionen nur mit Beschwerden Außenstehender.Footnote 15

Die institutionelle Unabhängigkeit des Accountability-Forums von der verantwortlichen Institution, die zu kontrollieren ist, hat sich zum Standard entwickelt. Nur so kann gewährleistet werden, dass interne Hierarchien und Interessen die Accountability-Funktionen nicht behindern. Auch externe Polizeibeauftragte oder Beschwerdestellen sollten somit im Interesse ihrer Effektivität nicht in den Innenministerien oder gar in Abhängigkeit von der Polizeibehörde eingerichtet werden. Die Unabhängigkeit kann insbesondere dadurch gewahrt werden, dass die Polizeibeauftragten vom Parlament ernannt werden und vorrangig an das Parlament berichten. Für die Datenschutzaufsicht hat der EU-Gerichtshof die Bundesrepublik Deutschland wegen einer Vertragsverletzung verurteilt, nachdem er festgestellt hatte, dass die Datenschutzaufsicht in Deutschland seinerzeit noch organisatorisch im Bundesinnenministerium angesiedelt war.Footnote 16

Die Effektivität der Arbeit externer Polizeibeauftragter und Beschwerdestellen erfordert zudem eine auskömmliche Ausstattung mit Sachmitteln und Personal, damit auch tatsächlich allen relevanten Beschwerden nachgegangen werden kann. Die Effektivität der Arbeit leidet insbesondere dann, wenn die Aufarbeitung durch die externen Beauftragten gegenüber der straf- und disziplinarrechtlichen Aufarbeitung nachrangig ist.

3 Rassismus und Diskriminierung als Themen unabhängiger Polizeikontrolle

Nicht erst seit dem Tod von George Floyd bei einem Polizeieinsatz am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota gehen weltweit zahlreiche Menschen unter dem Motto Black Lives Matter (BLM) auf die Straße, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu demonstrieren. Auch in Deutschland gab es in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder Vorfälle, die Anlass für Debatten über rassistisches Polizeihandeln waren. So starben u. a. 2001 in Hamburg der nigerianische Geflüchtete Achidi John und 2005 in Bremen der aus Sierra Leone stammende Laya-Alama Condé nach Brechmitteleinsätzen der Polizei. Im Jahr 2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle, und 2018 starb der syrische Geflüchtete Amad Ahmad in der Justizvollzugsanstalt Kleve, nachdem er fälschlicherweise von der Polizei verhaftet worden war. Auch Ermittlungsfehler im Zusammenhang mit der Aufklärung der rechtsterroristischen Mordserie des NSU gaben Anlass für Diskussionen über individuellen, institutionellen und strukturellen Rassismus im Kontext von Polizeihandeln. So gingen die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke davon aus, dass institutioneller Rassismus mitursächlich für Ermittlungsfehler im NSU-Komplex war und forderten zum Abschluss des ersten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag unabhängige Kontrollinstanzen, welche polizeiliches Handeln überprüfen sollen.Footnote 17

Wiederholte Fälle, in denen rassistische und extrem rechte Inhalte aus Gruppenchats von Polizeibeamt:innen bekannt wurden, sowie die Mitgliedschaft von Polizist:innen in der zum rechtsextremen Hannibal-Netzwerk gehörenden Gruppe Nordkreuz und in dem Verein Uniter legen nahe, dass auch individueller, auf Überzeugungen basierender Rassismus in deutschen Polizeibehörden ein verbreitetes Problem ist. Auch mögliche Verstrickungen von Polizist:innen im Zusammenhang mit Drohbriefen, die unter dem Absender NSU 2.0 verschickt wurden, deuten auf verbreitete rechtsextreme und rassistische Tendenzen hin. Dass die überwiegende Mehrheit der rassistischen und extrem rechten Chatinhalte nicht von Polizist:innen selbst gemeldet, sondern erst durch Ermittlungen in anderen Verfahren oder durch journalistische Recherchen aufgedeckt wurden, belegt, dass in der Polizei das LoyalitätspostulatFootnote 18 als Element der Cop Culture weiterhin stark wirkt. Hinzu kommt, dass Polizist:innen strafrechtlich relevantes Fehlverhalten ihrer Kolleg:innen umgehend melden müssten, da sie im Dienst an das Legalitätsprinzip gebunden sind; ansonsten machen sie sich selbst der Strafvereitelung im Amt schuldig.Footnote 19 Cop Culture und Legalitätsprinzip führen im Zusammenspiel dazu, dass Polizist:innen, die rassistisches Verhalten in der Polizei beobachten, dieses oft nicht melden und stillschweigend erdulden, weil sie entweder nicht als Nestbeschmutzer:innen gelten wollen oder strafrechtliche Verfolgung befürchten, wenn sie Vorfälle nicht sofort gemeldet haben.

Bisher fehlt es deutschen Polizeibehörden an einer glaubhaften Fehlerkultur.Footnote 20 Unabhängige Stellen könnten hier einen Beitrag zur Abhilfe leisten, wenn sie auch einen umfassenden Whistleblower-Schutz bieten und sich Polizist:innen an sie wenden können, ohne dass ihre Identität ihrer Dienststelle bekannt wird. Unter diesem Aspekt könnte sich die im internationalen Vergleich auffällige Besonderheit, dass sich in Deutschland auch Polizist:innen an die externen Polizeibeauftragten werden können, als vorteilhaft erweisen.

Strafanzeigen gegen Polizist:innen führen nur selten zu Verurteilungen.Footnote 21 Für Opfer rassistischen Polizeihandelns könnten unabhängige Stellen daher eine deutliche Entlastung sowie eine vertrauensbildende Maßnahme darstellen. Entlastend, weil sie sich nicht bei der Institution beschweren müssen, von der sie gerade rassistisch behandelt wurden, und vertrauensbildend, wenn unabhängige Stellen eigenständige Ermittlungen anstellen. Dies setzt allerdings entsprechende Befugnisse voraus, was bei den bisher eingesetzten Beauftragten für Landespolizeien in Deutschland nur eingeschränkt gegeben ist.Footnote 22 Aus der Opferperspektive ist entscheidend, dass in solchen Fällen nicht Polizist:innen gegen Polizist:innen ermitteln, sondern unabhängige Expert:innen. Außerdem vermindern unabhängige Stellen für die Betroffenen die Risiken einer zweiten Viktimisierung, wenn ihre Beschwerden dort ernstgenommen werden. Wo Betroffene darauf verwiesen sind, sich in Polizeidienststellen zu beschweren, besteht zudem ein Risiko, dass die Aufnahme der Anzeige verweigert oder der geschilderte Sachverhalt negiert wird.Footnote 23 Dies führt zu einem massiven Vertrauensverlust in die Polizei und in den Rechtsstaat insgesamt.

In den bisher veröffentlichten Tätigkeitsberichten der Beauftragten für die Landespolizei in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein kommt das Thema Rassismus und Polizei nur am Rande vor. Möglicherweise kennen Betroffene diese Stellen nicht, oder sie halten eine Beschwerde dort für nicht erfolgversprechend. Als statistische Kategorie werden Beschwerden über rassistisches Polizeihandeln in den Tätigkeitsberichten nicht gesondert ausgewiesen. Der Bericht der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein für die Jahre 2016 bis 2018 bestätigt die begrenzten Interventionsmöglichkeiten in Fällen, in denen gravierende Verfehlungen von Polizeibeamt:innen im Raum stehen. Nach den bisherigen Landesgesetzen für Polizeibeauftragte bleiben die Ermittlungen in solchen Fällen zunächst der Staatsanwaltschaft überlassen. In einem Fall aus Schleswig-Holstein blieben die Ermittlungen ohne Ergebnis, auch weil Videoaufzeichnungen beschädigt waren und daher nicht ausgewertet werden konnten. Der Betroffene, eine Person of Colour, hatte angegeben, Opfer von Polizeigewalt und Rassismus geworden zu sein.Footnote 24

4 Verbesserte Praxis durch unabhängige Kontrolle? Policies und Praxis

Unabhängige Stellen bieten, wenn sie mit den erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet sind, vielfältige Chancen den Schutz vor Rassismus und Diskriminierung durch die Polizei zu verbessern sowie das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken.

Dies zeigt insbesondere die Stephen Lawrence Inquiry in Großbritannien. Als der rassistisch motivierte Mord an dem Schwarzen Jugendlichen Stephen Lawrence in London im Jahr 1993 nicht als solcher geahndet wurde und die Ermittlungen zu keiner Aufklärung führten, wurde der Fall nach dem erbrachten Beweis von Ermittlungsfehlern neu aufgerollt. Das britische Innenministerium setzte eine öffentliche Untersuchungskommission unter der Leitung des ehemaligen Richters am Obersten Gerichtshofs Sir William Macpherson of Cluny ein. Die Kommission legte 1999 ihren Abschlussbericht vor, der unter dem Namen ihres Leiters als Macpherson Report bekannt wurde. Darin wurde institutioneller Rassismus in der Metropolitian Police in London im Speziellen und in den Ermittlungsbehörden in Großbritannien im Allgemeinen identifiziert und thematisiert.Footnote 25 Die im Bericht enthaltenen 70 Empfehlungen führten in Großbritannien zu umfangreichen Reformen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen der Polizei und rassifizierten PersonenFootnote 26, auch zur Einrichtung einer zentralen externen Polizeibeschwerdestelle – der Independent Police Complaints Commission (IPCC), die 2018 durch das Independent Office for Police Conduct (IOPC) ersetzt wurde.

Wenn staatliche Stellen für die Aufarbeitung schwerwiegender Vorfälle fehlen, können nichtstaatliche, zivilgesellschaftliche Akteur:innen von großer Bedeutung sein. Im Fall Oury Jalloh sorgte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh durch ein eigenes Alternativgutachten dafür, dass die Selbstmordtheorie entkräftet wurde und die Ermittlungen gegen die beteiligten Polizist:innen nicht eingestellt wurden.Footnote 27 Mittlerweile hat sich auf Aufforderung der Vereinten Nationen eine internationale unabhängige Untersuchungskommission gebildet, welche den Fall weiter untersucht.Footnote 28

Diese beiden sehr unterschiedlichen Fälle zeigen exemplarisch, dass es unabhängige Stellen sein können, die institutionellen Rassismus in der Polizei sichtbar machen und bestehende Missstände bei polizeilichen Ermittlungen in Fällen rassistischer Gewalt ausgleichen. Dafür müssen diese Stellen aber Zugang zu allen polizeilichen Dokumenten (Dienstanweisungen, Fallanalysen usw.) und Ermittlungsakten haben, ein uneingeschränktes Zugangsrecht zu allen polizeilichen Bereichen sowie umfassende eigene Ermittlungskompetenzen. All dies ist bei den bisher in Deutschland etablierten Beauftragten für Landespolizeien noch nicht erfüllt. Des Weiteren sollten diese Stellen über Mitarbeiter:innen verfügen, die neben dem juristischen und kriminologischen Fachwissen insbesondere über Kenntnisse aus der Antirassismus- und Antidiskriminierungsforschung verfügen. Dies würde dazu führen, dass unabhängige Stellen nicht nur die Ermittlungen in Fällen rassistischen Polizeihandelns in Deutschland verbessern, sondern auch strukturelle und institutionelle Defizite im Zusammenhang mit Rassismus in der Polizei analysieren und in zu veröffentlichenden Berichten Handlungsempfehlungen für die politischen Entscheidungsträger:innen geben könnten.

Wenn zugleich Kontrollquittungen verpflichtend gemacht würden, welche von den Polizist:innen zu erstellen und von den externen Stellen auszuwerten wären, könnte dies zur Versachlichung der Diskussion über Racial Profiling beitragen.Footnote 29 Dass die Diskussion über Racial Profiling in Deutschland anhält, liegt auch daran, dass das Ausmaß des Problems unbekannt ist und deshalb von Polizeibehörden, Polizeigewerkschaften und Politik teilweise negiert wird. Es fehlen statistische Erhebungen zur Praxis polizeilicher Personenkontrollen in Deutschland (Aden et al. (2020)). Polizeikontrollen werden bisher nicht systematisch dokumentiert, sondern nur, wenn sie in der polizeilichen Handlungslogik „erfolgreich“ waren und eine Ordnungswidrigkeit festgestellt oder ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Zudem bleiben Auswahlkriterien für Kontrollen im Regelfall intransparent – gerade für solche, die weitgehend anlasslos erfolgen. Hier könnten Kontrollquittungen und unabhängige Stellen Abhilfe leisten.

5 Schlussfolgerungen und Ausblick

Unabhängige Beschwerdestellen und Polizeibeauftragte können ein „Baustein“ einer politisch-administrativen Fehlerkultur sein, die in der Lage ist, adäquat auf Vorwürfe diskriminierenden oder rassistischen Verhaltens einzelner Polizist:innen oder struktureller bzw. institutioneller Rassismen zu reagieren.

Dieser Beitrag hat gezeigt, dass dies allerdings von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig ist. Unabhängige Kontrollinstitutionen benötigen umfassende Ermittlungsbefugnisse und bedürfen einer hinreichenden Ausstattung mit qualifizierten Mitarbeiter:innen. Wenn bei schwerwiegenden Fällen, etwa bei Vorwürfen von Polizeigewalt, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet werden, sollte die Zuständigkeit der externen Polizeibeauftragten nicht unterbrochen werden, damit die Aufklärung, ggf. in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, effektiv fortgeführt werden kann. Betroffene von rassistischer Diskriminierung müssen wissen, dass es polizeiexterne Beschwerdemöglichkeiten gibt. Der Hinweis darauf könnte bei Polizeimaßnahmen zur Verpflichtung gemacht werden. Darüber hinaus sind niedrige Zugangshürden zu den externen Stellen erforderlich – auch für Menschen mit geringer Beschwerdemacht, etwa für Migrant:innen ohne geregelten Aufenthaltsstatus oder für Obdachlose.

Von diesen Standards sind die in Deutschland eingerichteten Beauftragten für Landespolizeien noch ein gutes Stück entfernt – entsprechende Reformen der gesetzlichen Grundlagen ihrer Arbeit könnten die Effektivität externer Polizeikontrolle auch für das Themenfeld Rassismus und Diskriminierung verbessern.