Rassismus als Problem der Polizei hat die gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Jahren äußerst intensiv beschäftigt. Ein Auslöser hierfür war der Tod des Afroamerikaners George Floyd, der im Mai 2020 in Minneapolis (USA) durch rechtswidrige Polizeigewalt bei einer Festnahme getötet wurde. Die infolgedessen aufflammende weltweite Protestbewegung sensibilisierte auch in Deutschland noch stärker als zuvor für die Frage nach Diskriminierung und Rassismus in der und durch die Polizei. Begleitet wurde die Debatte, die auch in Deutschland bereits seit Jahrzehnten geführt wird, durch das Bekanntwerden zahlreicher Fälle rassistischer Chats in Polizeikreisen, die den strukturellen Charakter des Problems dokumentieren. Im Zentrum der Diskussion stehen neben problematischen polizeilichen Gewaltausübungen das so genannte Racial Profiling und allgemein die Frage nach rassistischen Kontrollpraktiken; aber auch vergangene Vorfälle wie der Tod Oury Jallohs durch den Brand in einer Dessauer Gefängniszelle und die NSU-Ermittlungen finden noch einmal verstärkt Eingang in die Debatte.

In welchem Maß und in welchen Formen Rassismus in der deutschen Polizei ein Problem darstellt, ist bis dato nur in Ansätzen untersucht, da in Deutschland – anders als in anderen von rassistischem Polizeihandeln betroffenen Ländern wie den USA oder auch Großbritannien – nur wenige empirisch-wissenschaftliche Studien zum Phänomen existieren. Der Grund hierfür wird oftmals in der Abschottungspraxis der Polizei gegenüber unabhängig wissenschaftlich Forschenden gesehen, welche durch polizeikritische Forschung in den 1970er Jahren begründet sei. Ob die auch heute noch vielfach beschriebene eher ablehnende Haltung von Polizeiorganisationen gegenüber Wissenschaft tatsächlich auf die damals veröffentlichten, die Polizei kritisch in den Blick nehmenden polizeisoziologischen Studien zurückzuführen ist, darf jedoch bezweifelt werden. Vielmehr findet sich in der Polizei eine grundlegende Skepsis gegenüber unabhängiger Forschung, Kritik und Kontrolle, fehlt es weithin an einer akademisch institutionalisierten Polizeiforschung und vielfach auch am politischen Willen zur unabhängigen Beforschung der Polizei.

Bisherige Studien im Themenfeld polizeiliche Diskriminierung fokussieren meist auf Einstellungen oder Praktiken, die mit der Ungleichbehandlung von Personengruppen assoziiert sind. Dabei wird jedoch oft nicht spezifisch auf Rassismus Bezug genommen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten lassen sich grob dahingehend zusammenfassen, dass sie negative Wahrnehmungen, abwertende Einstellungen und diskriminierende Praktiken von Polizeibeamt:innen gegenüber Menschen feststellen, denen bestimmte ethnische Zugehörigkeiten zugeschrieben werden. Allerdings weisen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Diskriminierung durch die Polizei eben auch große Lücken auf: Die bisherigen Studien thematisieren nur bestimmte Formen bzw. Aspekte von Rassismus und Diskriminierung, betreffen nur regionale Ausschnitte und einzelne Arbeitsbereiche des polizeilichen Alltags. Insbesondere mangelt es an Arbeiten, die die Perspektiven von Betroffenen, polizeiliche Strukturen oder Handlungspraktiken in weiteren, bislang unterbelichteten Arbeitsbereichen der Polizei in den Blick nehmen.

Unabhängig davon ist nicht nur vor dem Hintergrund der Geschehnisse und Diskussionen in den USA, sondern auch angesichts zahlreicher Schilderungen von Betroffenen in Deutschland augenfällig, dass die Organisation Polizei in der diversen Gesellschaft vor besonderen Problemen und Herausforderungen steht, denen sie bislang nur wenig begegnet. Dabei zeigt die starke Polarisierung der gegenwärtigen öffentlichen Debatte, dass eine Versachlichung und Fundierung ebenso notwendig ist wie eine Übersetzung der Befunde der Rassismusforschung in Richtung Polizei. An dieser Stelle soll der vorliegende Band einen grundlegenden Beitrag leisten, indem er den bestehenden Forschungsstand zusammenführt und systematisch aufbereitet, um eine Basis für weitere Forschungen in dem Themenfeld zu schaffen, aber auch eine Grundlage für die polizeiliche Ausbildung und Praxis zu legen. Die Beiträge des Bandes bearbeiten jeweils einen zentralen Aspekt der Thematik grundlegend, sodass insgesamt eine ebenso umfassende wie fundierte Bestandsaufnahme des Themenfeldes entsteht.

Das Buch gliedert sich in sechs Abschnitte, welche jeweils einen inhaltlichen Schwerpunkt bilden. Die Beiträge im ersten Abschnitt sollen die inhaltliche Basis für den Band schaffen, indem sie begriffliche und rechtliche Grundlagen aus Perspektive der Rassismusforschung wie aus rechtswissenschaftlicher Perspektive klären. Insgesamt verdeutlicht der Abschnitt, dass Rassismusforschung und Polizeiforschung in Deutschland bislang wenig miteinander verknüpft sind.

Der Beitrag von Karakayalı arbeitet heraus, dass es in Deutschland an einer gesellschaftlichen und politischen Anerkennung des Begriffs Rassismus und der damit in Zusammenhang stehenden Phänomene fehlt. Dies spiegelt sich auch in der mangelnden Institutionalisierung der kritischen Rassismusforschung wider. Rassismus kann nach dieser Forschungsrichtung, die gesellschaftliche, historische und postkoloniale Aspekte berücksichtigt, im Gegensatz zu einer individuellen Betrachtung als gesellschaftliche Ordnungsstruktur beschrieben werden, welche Gruppen von Menschen über verschiedene Zuschreibungskriterien homogenisiert. Hierin findet sich auch der Begriff des strukturellen Rassismus wieder, der nicht von individuellen Einstellungen und Handlungen ausgeht, sondern annimmt, dass sich Einzelpersonen in gesellschaftlichen Strukturen bewegen, welche rassistisch sind bzw. wirken. Institutioneller Rassismus stellt dabei eine Analyseperspektive dar, die den Beitrag von Institutionen zur Herstellung oder Aufrechterhaltung von rassistischen Ausschlusskriterien in den Blick nimmt. Mit dem Beitrag von Atali-Timmer, Fereidooni & Schroth wird deutlich, dass nur wenige polizeibezogene Forschungen sich in den Kontext rassismuskritischer Forschung einordnen lassen. Als zentrale Ergebnisse dieser wenigen Ansätze lässt sich konstatieren, dass Polizei an der Gestaltung von Gesellschaft aktiv mitwirkt. Hierbei ist sie nicht nur eingebettet in rassistische gesellschaftliche Strukturen, sondern reproduziert Rassismus auch selbst, indem sie Menschen über ethnisierende Zuschreibungen mit bestimmten Maßnahmen belegt.

Barskanmaz richtet den Blick auf die menschenrechtlichen Grundlagen und zeigt, dass die von Deutschland ratifizierte Antirassismuskonvention rassistische Diskriminierung legaldefiniert und staatliche Behörden dazu verpflichtet, rassistische Strukturen und Handlungspraktiken zu beseitigen. Demnach ist eine Polizeimaßnahme verboten, welche auf den Unterscheidungsmerkmalen Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationale oder ethnische Herkunft basiert. Hieran schließen die Empfehlungen der UN-Menschenrechtskonvention an. Ruch diskutiert nationale rechtliche Bestimmungen, die im Themenfeld Rassismus eine wesentliche Grundlage für die polizeiliche Praxis darstellen. So verbietet es Art. 3 Abs. 3 des GG der Polizei grundsätzlich, an die Hautfarbe und ähnliche Merkmale als Anlass für eine Maßnahme anzuknüpfen. Landesdiskriminierungsgesetze wie in Berlin greifen das allgemeine Diskriminierungsverbot der Verfassung auf, erweitern es und regeln ggf. Beweiserleichterungen für Kläger:innen.

Der zweite Abschnitt des Bandes befasst sich sowohl mit unterschiedlichen Formen von Rassismus in der Polizei wie auch mit möglichen Entstehungszusammenhängen dieser verschiedenen Formen. Der Abschnitt verdeutlicht, dass die bisherige Forschung nur selten Rassismus als Konzept zugrundgelegt hat, und dass es einer klareren Herausarbeitung der zu erforschenden Dimensionen und ihrer Wechselwirkungen bedarf (strukturell, institutionell, kulturell, individuell etc.). Zudem müssen stärker Strukturen und organisationale Ebenen in den Blick genommen werden.

Wegner & Ellrich werfen die Frage nach den Einstellungen von Polizeibeamt:innen im Zusammenhang mit Rassismus auf. Hierbei greifen Sie auf drei Jahrzehnte Polizeiforschung zurück. Ein Großteil der betrachteten Studien untersucht nicht explizit rassistische Einstellungen, sondern bezieht sich auf die Konzepte „Ausländerfeindlichkeit“ oder „Fremdenfeindlichkeit“. Des Weiteren überwiegen qualitative Ansätze zur Untersuchung von Wahrnehmungen und Einstellungen. Erklärungen für negative Haltungen gegenüber „Fremden“ und Ausländern betonen häufig die besondere Belastung von Polizeibeamt:innen sowie negative Kontakterfahrungen mit den betroffenen Personengruppen. Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass der entsprechende Forschungsstand nicht nur große Lücken aufweist, sondern auch uneinheitliche Konzeptionen und Operationalisierungen. Demnach lassen sich bisher keine validen Aussagen zum Ausmaß rassistischer Einstellungen unter Polizeibeamt:innen treffen. Sie sprechen sich letztendlich für einen ganzheitlichen Ansatz zur Untersuchung verschiedener Dimensionen von Ungleichwertigkeitsvorstellungen aus. Kopke betrachtet explizit Erscheinungsformen von Rechtsextremismus in deutschen Polizeibehörden. Hierbei zieht er den schon vorhandenen Forschungsstand heran und kommt dabei zu dem Schluss, dass die meist aus den 1990er Jahren stammenden Studien vornehmlich innerbehördliche Einstellungen in den Blick genommen haben. Er spricht sich angesichts der gesellschaftlichen Dimension von Rassismus für einen genaueren Blick auf den institutionellen Rassismus aus. Groß, Clasen & Zick ziehen Erkenntnisse aus Studien zum Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit heran, um anhand dessen Analyse- und Präventionsmöglichkeiten bezüglich Vorurteilen und Diskriminierungen im polizeilichen Kontext zu entwickeln. Wesentliche Einflussfaktoren für Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind danach der Wunsch nach Zugehörigkeit, nach sozialer Anerkennung, nach Vertrauen, nach einem gemeinsamen Verständnis von der Welt sowie nach Kontrolle und Einflussnahme (Dominanz- und Machtbestreben). Eine Pretest-Studie unter Berufseinsteiger:innen sowie -aufsteiger:innen zeigt in diesem Zusammenhang, dass die Praxis des Polizeivollzugs offenbar autoritäre Haltungen, also das Bedürfnis nach Sicherheit, Macht und Kontrolle, begünstigen kann. Die Autor:innen entwickeln aufbauend hierauf fünf Thesen, die sich auf spezifische Elemente der Alltagsroutinen und Berufskultur beziehen, die die Herausbildung autoritärer Haltungen begünstigen können.

Bosch & Thurn greifen die viel diskutierten Begriffe des strukturellen, institutionellen und individuellen Rassismus mit Fokus auf die Polizei auf, die in der Polizeiforschung erst in Ansätzen Eingang gefunden haben. Sie kommen zu dem Schluss, dass institutioneller Rassismus in der Polizei existiert und dieser von einem strukturellen Rassismus in der Gesellschaft geprägt wird. Zukünftige Forschungen sollten demnach diese beiden Ebenen des Rassismus stärker in den Fokus rücken. Auf die Ebenen des Individuums und der Organisation fokussieren Gutschmidt & Czudnochowski und nehmen mögliche Auswirkungen der beiden Dimensionen auf rassistische Handlungspraktiken in den Blick. Sie zeigen u. a. auf, dass Strukturen durch soziale Praxen und weniger durch Regeln oder Anweisungen begründet sind. Soziale Praxen rekurrieren dabei auch auf gelebte Kultur und den gemeinsamen Erfahrungsraum unter Kolleg:innen. Die Dialektik zwischen individuell begründetem Verhalten und dem Einfluss der Organisationsebene sollte demnach zukünftig stärker untersucht werden.

Mit dem Analysekonzept der Cop Culture diskutiert Behr den Zusammenhang von Kultur und Dominanzanspruch. Er identifiziert Cop Culture als Männlichkeitskultur, deren Praktiken u. a. der Sicherstellung der eigenen Überlegenheit dienen. Weiter plädiert er für eine intersektionale Betrachtung von Diskriminierung, da Kontrollpraktiken vor allem Personen betreffen, welche nicht den Normalitätserwartungen entsprechen. Menschen mit zugeschriebener Zuwanderungsgeschichte würden ebenso von normativen Vorstellungen abweichen wie z. B. Wohnungslose, Süchtige und Angehörige bestimmter Jugendmilieus. Dementsprechend seien Debatten um Rassismus zu eng geführt und würden den Blick auf andere soziale Kriterien ausblenden, auf die sich diskriminierende Praktiken auch beziehen. Insgesamt seien Diskriminierungspraktiken ein Mittel, um die unter Polizist:innen geteilten Ordnungsvorstellungen sowie das als gefährdet wahrgenommene Überlegenheitsgefühl (wieder-)herzustellen. Schöne analysiert in seinem Beitrag in Anlehnung an Bourdieu Mechanismen des Feldes Polizei bezüglich rassistischer Praktiken. Hierzu diskutiert er verschiedene Feldmerkmale wie z. B. Konservatismus, Hierarchie, Risiko und Argwohn, welche in anderen Quellen auch als Merkmale von Cop Culture beschrieben werden. Hiernach können diese Feldmerkmale diskriminierende Praktiken befördern wie z. B. der Konservatismus, der sich in tradierten Normvorstellungen zeigt und dazu führen kann, dass Personen, die einer ethnischen Minderheitengruppe zugeordnet werden, ein größeres Misstrauen (oder Argwohn) entgegengebracht wird. Hunold greift ebenfalls Bourdieus Konzept des Feldes auf und beschreibt die unterschiedlichen Felder der Schutz- und Kriminalpolizei sowie die damit assoziierten Handlungslogiken. Sie zeigt, dass diese unterschiedliche Habitusformen produzieren, die wiederum ungleiche Konstruktionen von Tatverdächtigen und rassistische Handlungspraktiken hervorbringen. Relevante Einflussfaktoren sind hier die Feldmerkmale Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Die Autorin plädiert deshalb für eine stärkere Fokussierung auf die Unterschiedlichkeit des Gesamtfeldes Polizei bei der Untersuchung von Rassismus.

Der dritte Abschnitt richtet den Blick auf die unterschiedlichen polizeilichen Tätigkeitsbereiche. Es wird untersucht, welche Rolle welche Formen von Rassismus in den verschiedenen Praxisfeldern der Polizeiarbeit spielen. Der Abschnitt zeigt, dass dort jeweils rassistische Praktiken nachvollzogen werden können und dass die polizeiliche Konstruktion von ethnischen Minderheitengruppen eine wesentliche Rolle zur Erklärung dessen spielt.

Der Beitrag von Herrnkind nimmt die polizeiliche Kernaufgabe der Gefahrenabwehr umfassend in den Blick. Er geht davon aus, dass sich rassistische Praktiken nicht nur durch relevante Handlungen materialisieren, sondern auch durch Unterlassungspraktiken in Kontexten der Gefahrenabwehr. Er analysiert dies u. a. entlang des Todes von Amadeu Antonio Kiowa und der pogromartigen Ausschreitungen gegenüber Ausländer:innen in den 1990er Jahren, in welchen die eingesetzten Polizeikräfte die eskalierende und tödliche Gewalt gegenüber den Betroffenen nicht unterbunden haben. Im Zusammenhang mit den Pogromen kann der Autor ein Verantwortungsgeflecht verschiedener Felder wie Politik, Medien, Bürger:innen und Polizei etc. für die polizeiliche Handlungskonsequenz des Unterlassens ausmachen, weshalb von einem systemischen Rassismus ausgegangen werden muss. Belina fokussiert auf rassistische Handlungspraktiken, die über soziale Raumkonstruktionen der Polizei zustande kommen. Danach werden vor allem Räume relevant, welche u. a. aufgrund politischer oder öffentlicher Interessen in besonderer Weise poliziert werden (z. B. Gentrifizierungsgebiete). Dabei werden gesellschaftlich randständige Personengruppen adressiert, deren unerwünschtes Verhalten durch Polizeikontrollen verhindert werden soll (z. B. Betteln, Drogenkonsum etc.) oder Betroffene, die sich vermehrt an entsprechenden Orten aufhalten und aufgrund (zugeschriebener) sozialer Differenzierungskategorien (Ethnie, Klasse, Geschlecht) bestimmten polizeilichen Vorstellungen von Täter:innen entsprechen. Der Beitrag plädiert für eine stärker auf quantitative Daten gestützte Forschung in diesem Bereich, um Kontrollpraktiken von Polizeibeamt:innen noch besser reflektieren zu können.

Niemz und Singelnstein befassen sich mit diskriminierenden Kontrollpraktiken, wie sie unter dem Begriff des Racial Profiling zusammengefasst werden. Sie untersuchen Erscheinungsformen und Entstehungszusammenhänge und stellen den Forschungsstand zum Thema wie auch die vorliegenden Zahlen zur Bedeutung des Phänomens in Deutschland dar. Ebenso werden Ansätze und Strategien diskutiert, mit denen Polizei und Gesellschaft der problematischen Praxis entgegenwirken können. Espín Grau & Klaus gehen der Frage nach, ob Menschen mit Migrationshintergrund und PoC übermäßige Polizeigewalt anders erfahren als andere Menschen. Hierbei greifen Sie auf eine Befragung von Betroffenen sowie Interviews mit Vertreter:innen aus Polizei, Justiz und Zivilgesellschaft zurück. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem junge männliche PoC und junge Männer mit Migrationshintergrund in besonderer Weise von als übermäßig wahrgenommener polizeilicher Gewaltanwendung betroffen sind. Auch lassen sich stärkere psychische Folgen für als nicht-weiß gelesene Betroffene identifizieren. In den Interviews mit Polizist:innen finden sich Hinweise auf ein spezifisches Erfahrungswissen im Hinblick auf Personen mit Migrationshintergrund und PoC.

Walburg untersucht in seinem Beitrag die Definitionspraktiken der Polizei im Kontext Kriminalität und Strafverfolgung. Er betrachtet die möglichen Gründe der höheren Registrierungshäufigkeit von Ausländer:innen im Hellfeld. Diese kann teilweise durch eine höhere selbstberichtete Delinquenz erklärt werden. Allerdings kommen hier auch Aspekte der Kriminalisierungsprozesse und die Rolle der Strafverfolgungsorgane zum Tragen. Der bisherige Forschungsstand dazu zeigt, dass die Polizei vor allem Zugang zu Gruppen findet, die sich in öffentlichen Räumen aufhalten, und dass hier vor allem sozioökonomisch schlechter Gestellte und Angehörige ethnischer Minderheiten betroffen sind. Die polizeiliche Verdachtsschöpfung basiert in diesem Zusammenhang mitunter auf einem institutionell geteilten Wissen über „Ausländer- und Migrantenkriminalität“ und kann zu entsprechenden Diskriminierungspraktiken führen. Püschel adressiert schließlich den polizeilichen Umgang mit Opfern aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte. Entsprechende Studien zeigen u. a., dass solche Betroffene selbst erlebte Polizeikontakte zu einem nicht unerheblichen Teil als diskriminierend empfanden. Dies betrifft insbesondere auch Opfer von rechter Gewalt. Mangelnde Sensibilität und Geringschätzung der Opferwerdung sind in diesem Zusammenhang häufig berichtete Wahrnehmungen. Gründe für das entsprechende polizeiliche Handeln liegen vermutlich in der stereotypen Zuschreibung der Betroffenen als fremd und als nicht der eigenen, schützenswerten Gruppe zugehörig.

Der vierte Abschnitt richtet den Blick auf die Folgen von Rassismus in der polizeilichen Praxis, sowohl für die individuell Betroffenen wie auch die entsprechenden Communities und die Gesellschaft insgesamt. Es geht zum einen darum, wie solche Erfahrungen wahrgenommen und erlebt werden und wie damit umgegangen wird. Zum anderen werden aber auch langfristige Folgen thematisiert.

Während sich die bisherigen Beiträge vor allem auf die Organisation selbst bezogen, geht Thompson strukturellen Formen polizeilichen Rassismus aus der Betroffenenperspektive nach. Sie arbeitet heraus, dass Racial Profiling über die eigentliche Situation hinauswirkt, indem die Betroffenen nachhaltig traumatisiert und stigmatisiert werden. Das Fehlen einer hinreichenden unabhängigen Beschwerde- und Dokumentationsstruktur erhöht die Hürde für eine Anzeige durch die Betroffenen und macht den erfolgreichen Ausgang solcher Verfahren unwahrscheinlicher. Rassistisches Polizieren geht zudem über diskriminierende Kontrollpraktiken hinaus und betrifft das ganze Spektrum polizeilichen Handelns bis hin zu letaler Gewalt gegenüber rassifizierten Menschen. Dokumentationsinitiativen und Unterstützungsstrukturen für Betroffene sind vor allem zivilgesellschaftlich verankert und tragen wesentlich zur Aufarbeitung und Thematisierung rassistischer Polizeipraktiken bei. Görgen & Wagner beleuchten eben diese zivilgesellschaftlichen Organisationen, indem sie deren Arbeitsweisen darstellen und mit internationalen Ansätzen vergleichen. Nationale Initiativen beschäftigen sich demnach vor allem mit der Praxis des Racial Profiling und rassistischer Gewalt, im Gegensatz z. B. zu den USA, wo vor allem Tötungen von Schwarzen Menschen thematisiert und aufgearbeitet werden. Das Spektrum hiesiger zivilgesellschaftlicher Strukturen ist sehr groß und reicht von einer Fokussierung auf polizeiliches Handeln bis hin zu einer breiten Befassung mit Diskriminierung und Menschenrechtsverstößen sowie Opferberatung. Insgesamt führen zivilgesellschaftliche Initiativen zu einer größeren Sichtbarkeit diskriminierenden Polizeihandelns, können aber alleine nicht zu einer grundlegenden Verbesserung beitragen.

Dass polizeilicher Rassismus Legitimität und Vertrauen in die Polizei einschränken kann, zeichnet Abdul-Rahman nach. Auch in Deutschland gibt es demnach inzwischen Anhaltspunkte für eine Ungleichverteilung von Schutz- und Kontrollmaßnahmen z. B. in sozial benachteiligten Vierteln, welche sich – so durch die internationale Forschung vielfach belegt – auf Legitimitätswahrnehmungen negativ auswirken kann. In der Konsequenz braucht es mehr kommunikationsorientierte und transparente Strategien (z. B. Kontrollquittungen) des Polizierens. Inwiefern Zugehörigkeitsordnungen durch polizeiliche Praxen produziert werden diskutieren Sabel & Karadeniz. Hierbei gehen sie von einem strukturellen Rassismus aus, der sich anhand natio-ethno-kultureller Grenzziehung vollzieht. Entsprechende Handlungsrahmungen für die Polizei finden sich nicht nur in Gesetzen, sondern auch in den die Polizei in Ermessenssituationen befähigenden Erwartungen der Dominanzgesellschaft, in denen sich auch Prozesse des otherings wiederfinden, die den vermeintlich natio-ethno-kulturell „Anderen“ als gefährlich markieren. Die Polizei ist hierbei aber nicht nur als Reproduzentin gesellschaftlicher Rassismen zu betrachten, sondern auch als primary definer, indem polizeiliche Deutungen von Kriminalität in die öffentliche Wahrnehmung getragen werden. Klimke beschreibt die Mechanismen gesellschaftlicher Fremdheitskonstruktionen und die Rolle der Polizei hierbei anhand des Konzepts der crimmigration. Damit sind vor allem die Verwobenheit von Migration und Kriminalisierung und die damit assoziierten Sicherheitsprobleme für die Gesellschaft angesprochen. Die Antwort hierauf ist in der Regel eine Sicherheit versprechende Politik, welche die wahrgenommenen Probleme unterkomplex aufgreift und mit empirisch wenig nachvollziehbaren kriminalpolitischen Maßnahmen oder Gesetzesänderungen bearbeitet. Für polizeiliches Handeln lässt sich der Prozess der crimmigration anhand der Silvesterereignisse 2015/16 nachvollziehen, wo mittels diskriminierender Sprache Tatverdächtige und nicht Taten in den Mittelpunkt gerückt wurden.

Im fünften Abschnitt geht es um die Möglichkeiten und Probleme der wissenschaftlichen Untersuchung des Themenbereichs Rassismus und Polizei. Dieser Abschnitt des Buches verdeutlicht, dass Forschung zu Rassismus und Polizei nicht nur ein eindeutiges Verständnis von Rassismus braucht, sondern auch einen multiperspektivischen Ansatz, um das Phänomen erfassen zu können.

Kemme & Taefi stellen die methodischen Zugänge der bisherigen Forschung dar und unterbreiten anschließend Ideen für zukünftige Forschungsansätze. Sie arbeiten heraus, dass die meisten älteren Studien „fremdenfeindliche“ Einstellungen und Belastungen im Arbeitsalltag mittels vor allem quantitativer Methoden untersuchen, während strukturelle Ansätze eher außer Acht gelassen wurden. Ein zweiter, jüngerer Forschungsstrang nimmt mittels qualitativer Designs – hier vor allem Ethnografien – Alltagsroutinen und die Interaktionsebene zwischen Polizei und Menschen mit Zuwanderungsbiografie in den Blick. Zur Abbildung der Handlungsebene wie z. B. rechtswidriger Gewaltanwendung gibt es hierzulande erst wenige Ansätze, die selten repräsentative Ergebnisse liefern und quasi-experimentelle Designs, wie sie z. B. in den USA bereits durchgeführt wurden, außen vor lassen. Zukünftige Forschung sollte stärker hypothesengeleitete Einstellungserhebungen, indirekte Messverfahren von rassistischen Einstellungen sowie Ethnografien durchführen, die multidimensional auf Einstellungen, Kultur und Handlungspraktiken zielen. Heitmeyer führt den Gedanken der hypothesengeleiteten und multiperspektivischen Forschung fort und diskutiert die verschiedenen Abschottungs- und Abwehrmechanismen, welche dazu führen, dass das Forschungsfeld Polizei weitgehend verschlossen bleibt. Im Sinne eines hypothesengeleiteten Vorgehens sollte vier Hypothesen nachgegangen werden: der Selektivitätshypothese (Wer geht zur Polizei?), der Sozialisationshypothese (Welche Mechanismen führen zu problematischem Polizeihandeln?), die Institutionenhypothese (Welche Gelegenheitsstrukturen für rechte Strukturen gibt es?) und die Normalisierungshypothese (Wie wirkt die gesellschaftliche Rechtsentwicklungen auf die Organisation?). Hierfür sollte ein multi-methodisches und mehrdimensionales Forschungsdesign gewählt werden.

Pichl geht der Frage nach, was die hiesige von der internationalen Forschung lernen kann. Es zeigt sich, dass internationale Erkenntnisse viel stärker auf einem Verständnis von institutionellem Rassismus basieren und herrschaftskritische Ansätze mit einbeziehen. Weiterhin ist die Polizei- und Rassismusforschung in anderen Ländern stärker miteinander verwoben. Auch werden quantitative Daten zu Polizeikontrollen für Forschende zur Verfügung gestellt und ist das Forschungsfeld Polizei weniger verschlossen, sodass qualitative Ansätze weiter verbreitet sind. Insgesamt werden rassistische Strukturen und Praktiken in anderen Ländern viel selbstverständlicher untersucht und benannt. Eine historische Perspektive nimmt schließlich Weinhauer ein. Demnach bietet die Kultur der Polizei eine gute Basis für interdisziplinäre, längerfristig angelegte und transnationale Forschungsansätze, die an ein kritisches Konzept des institutionellen Rassismus anknüpfen. Dabei ist davon auszugehen, dass Strukturen im Sinne von Praxen historisch gewachsen sind und auch als solche analysiert werden müssen.

Der abschließende sechste Abschnitt erörtert, welche Möglichkeiten des Umgangs es mit dem Problem gibt. Dabei werden jeweils Formen, Potenzial und Grenzen der verschiedenen Instrumente ausgelotet. Die Beiträge konzentrieren sich auf die Auswahl sowie Aus- und Fortbildung des Personals und die Entwicklung der Polizeikultur. Sie machen deutlich, dass es verschiedene Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen der Organisation braucht. Es reicht nicht aus, eine diversere Belegschaft zu rekrutieren.

Der Beitrag von Nettelnstroth & Binder thematisiert die Personalauswahl als wichtiges Instrument zur Vermeidung unerwünschter Verhaltensweisen. Ein kürzlich durchgeführtes empirisches Projekt, das u. a. der Frage nachgeht, welche Auswahlverfahren den Erfolg im Studium und Polizeivollzug am besten vorhersagen und wie unerwünschtes, u. a. rassistisches Verhalten bei den Bewerber:innen identifiziert werden kann, kommt zu dem Schluss, dass verschiedene personale Merkmale im Gegensatz zu situativen Merkmalen im Polizeialltag relevante Einflussgrößen darstellen. Die Erkenntnisse entsprechen insgesamt dem nationalen und internationalen Forschungsstand und zeigen, dass bei der Auswahl zukünftiger Polizeibeamt:innen stärker auf prognostische Instrumente unerwünschten Verhaltens zurückgegriffen werden muss. Schulz nimmt die Vermittlung transkultureller Kompetenz im Rahmen der Aus- und Fortbildung in den Blick. Entsprechende Ansätze bieten vielversprechende Ausgangspunkte für die Bearbeitung von Rassismus in der Aus- und Fortbildung, führen jedoch bis dato eher ein Nischendasein und haben kritikwürdige Konzepte der interkulturellen Kompetenz noch nicht abgelöst.

Die Bedeutung des oftmals als grundlegende Lösung präsentierten Ansatzes der Diversifizierung des Polizeipersonals wird von Ellebrecht kritisch betrachtet. Danach führt die Diversifizierung nicht automatisch zu einer Verminderung von Diskriminierungspraktiken, dagegen ruft mehr Diversität eher Irritationen im Binnenverhältnis hervor. Behrendes wirft einen Blick auf die historische Entwicklung von Polizeikultur und deren Relevanz für rassistische und diskriminierende Polizeipraktiken. In der Gesamtschau zeigt sich, dass die deutsche Polizei sich über Jahrzehnte zu einer bürger:innenorientierten Polizei entwickelt hat. Allerdings fehlen institutionell verankerte Instrumente für eine frühzeitige Identifizierung und Bearbeitung von rassistischen Einstellungen und Praktiken. Aden & Bosch schließlich thematisieren externe Möglichkeiten polizeilicher Kontrolle, um Rassismus und Diskriminierung durch die Polizei zu verhindern bzw. zu bearbeiten. Es zeigt sich, dass z. B. unabhängige Beschwerdestellen nur dann erfolgreich sein können, wenn diese mit umfassenden Ermittlungsbefugnissen und qualifiziertem Personal ausgestattet sind sowie auch für wenig beschwerdemächtige Personengruppen niedrigschwellig zugänglich sind. Dieser Zustand ist hierzulande nicht erreicht.