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1 Einleitung

Die Arbeitswelt steht zunehmend vor der Herausforderung ihre Belegschaft gesund zu erhalten, nicht nur aufgrund des sogenannten demographischen Wandels, sondern auch als Mehrwert für den Betrieb (Scholz und Schneider 2020; Meyer 2021, S. 681). Eine fortschreitende Flexibilisierung sowie Digitalisierung in der Arbeitswelt birgt, neben zahlreichen Vorteilen, wie Zuwächse an Arbeitsautonomie und Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung, auch Risiken durch neue Anforderungen. Diese können „zu komplexen psychosozialen Belastungen und weiterer Arbeitsverdichtung führen“ (Ahlers 2016, S. 2). So weisen empirische Studien und Arbeitsunfähigkeitsstatistiken der Krankenkassen darauf hin, dass mit der Flexibilisierung von Arbeit tendenziell psychische Arbeitsbelastungen und Gesundheitsrisiken zunehmen (Lohmann-Haislah 2012).

Um eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit und die psychische Gesundheit von Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich zu erhalten, sind daher Konzepte einer gesundheitsförderlichen Gestaltung interaktiver und flexibler Dienstleistungsarbeit erforderlich (siehe Becke in diesem Band). Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die aufgrund begrenzter Ressourcenausstattung oftmals keine eigenen betrieblichen Konzepte entwickeln und erproben können (Scholz und Schneider 2020).

Mit den Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung steht ein Instrument zur Verfügung, das einerseits eine psychische Belastung identifiziert, anderseits Ressourcen und Möglichkeiten zur Gestaltung im betrieblichen Kontext beleuchtet und somit bei der Ableitung und Evaluation geeigneter Konzepte und Maßnahmen einen hohen Stellenwert hat (Beck et al. 2014; Stange et al. 2022). Allerdings zeigt sich in der betrieblichen Praxis, dass obwohl mit den Gefährdungsbeurteilungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz ein gesetzlich verbindliches Instrument zur Aufdeckung körperlicher als auch psychischer Belastung existiert (§ 5 Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit; Ahlers 2016, S. 11), die Umsetzung bisher unzureichend ist (Ahlers 2016; Beck und Schuller 2020).

Dieser Beitrag fokussiert auf die Teilergebnisse des Teilprojektes 1 „Gesundheitsbezogene Bestandsaufnahme und Evaluation“ des Forschungsverbundes FlexiGesA. Die Leitung des Teilprojektes lag in der Verantwortung der Jade Hochschule (BMBF Förderkennziffer FKZ: 01GL1753B).Footnote 1

Im Rahmen der vorliegenden quantitativen Evaluation des Projektes soll untersucht werden, ob sich die Gesundheit der Beschäftigten in den Interventionsbetrieben im Vergleich zu den Beschäftigten in den Referenzbetrieben mit Hilfe ausgewählter Interventionen verbessern lässt. Der Erfolg der Interventionsmaßnahmen wird maßgeblich anhand von drei vorab festgelegten Outcome-Variablen dargestellt. Hierzu werden zwei Skalen zur Einschätzung der Gesundheit verwendet – wobei der eine Indikator auf die Gesundheit im Allgemeinen und der andere speziell auf die psychische Gesundheit abzielt. Die dritte Outcome-Variable erfasst mit dem Präsentismus ein gesundheitsbezogenes Verhalten, was zwar individuell erhoben wird, aber trotzdem auch Rückschlüsse auf die Kultur und Praxis im Unternehmen selbst zulässt.

Der Beitrag beschreibt den methodischen Ansatz der quantitativen Evaluation und stellt die deskriptiven Ergebnisse dar. Hierbei erfolgt ein Vergleich der beiden Interventionsbetriebe sowohl in Relation zu den Daten der an der Studie beteiligten Referenzbetriebe als auch zu den Werten einer deutschlandweit erhobenen Vergleichsdatenbank. Darüber hinaus werden die Resultate des genutzten Multilevel-Regressionsmodells vorgestellt und diskutiert.

2 Material und Methoden

Für diese Untersuchung wurden für die beiden ausgewählten Branchen zunächst jeweils ein Interventionsbetrieb und zwei Referenzbetriebe (ohne Intervention), die hinsichtlich der Struktur, Größe und Primäraufgaben den beiden Interventionsbetrieben (ASD und IT) möglichst ähneln sollten, eingeschlossen. Im weiteren Verlauf der Studie musste – aufgrund der niedrigen Response zum Erhebungszeitpunkt t0 – für den Bereich ASD zusätzlich ein weiterer Referenzbetrieb rekrutiert werden.

Die Evaluation erfolgte in allen Betrieben zu zwei Erhebungszeitpunkten und in den beiden Interventionsbetrieben wurde zusätzlich ungefähr ein halbes Jahr nach Abschluss der Intervention eine dritte Befragung durchgeführt (Vortest-Nachtest-Follow-Up-Vergleichsgruppen-Plan)Footnote 2. Im Rahmen dieses Beitrags sollen die Ergebnisse der Erhebungszeitpunkte t0 und t1 vorgestellt werden, da die Auswertungen für t2 noch nicht vorliegen.

Unter allen Beschäftigten wurden online oder papierbasiert Fragebogenerhebungen durchgeführt. Die Online‐Unternehmensbefragung erfolgte mit dem Softwarepaket SoSci-Survey©. Die Baseline-Erhebung t0 fand vor der Intervention (Frühjahr 2019) statt und die Erhebung zu t1, nachdem die Interventionen bei den Unternehmenspartnern abgeschlossen waren (Frühjahr 2021). Ein notwendiger Stichprobenumfang von 158 Personen wurde berechnet.Footnote 3

Der Erfolg der Interventionsmaßnahmen (beschrieben in diesem Band bei Zenz et al. sowie Rolfes und Brandes (für IT-Services) als auch Pöser et al. und Garbers (für ASD)) wird anhand der drei vorab festgelegten Outcome-Variablen gemessen. Als wichtigster übergreifender Indikator für eine gelungene Intervention wird die Frage nach der subjektiven Gesundheitseinschätzung eingestuft. Dieser Indikator ist einer der am häufigsten genutzten, um die gesundheitliche Verfassung abzubilden (Kananen et al. 2021). Studien bestätigen, dass die subjektive Gesundheitseinschätzung ein geeigneter Prädiktor nicht nur für die körperliche Verfassung (Kananen et al. 2021), sondern auch für die Vorhersage der Mortalität ist (Mossey und Shapiro 1982; DeSalvo et al. 2006; Cho et al. 2022; Kananen et al. 2021).

Neben der übergeordneten Bewertung der Gesundheit sollen außerdem Burnout-Symptome, wie die Häufigkeit, mit der körperliche und emotionale Erschöpfungszustände wahrgenommen werden, im Speziellen analysiert werden. Burnout bezeichnet ein „kritisches Stadium einer – meist beruflichen – Verausgabungskarriere“ (Siegrist 2013, S. 112). Die Erfassung der Burnout-Symptome und deren Veränderung ist ein wichtiger Indikator insbesondere für die Beurteilung einer psychischen Gefährdung bei der Arbeit (Lincke und Nübling 2014).

Zusätzlich zur Erfassung der beiden Indikatoren Gesundheit und Wohlbefinden, wird auch gesundheitsrelevantes Verhalten, wie der sogenannte Präsentismus, im Zeitverlauf erfasst. Ebenso wie die beiden Indikatoren zum Gesundheitsverhalten nicht unabhängig voneinander sind (Nübling et al. 2005, S. 56), steht auch die gesundheitsbezogene Variable in enger Verbindung zu den anderen beiden Outcome-Variablen (Lohaus und Habermann 2020). Präsentismus beschreibt das Phänomen, dass Beschäftigte trotz Krankheit zur Arbeit gehen (Lohaus und Habermann 2018). Dieses Verhalten ist nicht nur als problematisch für die Gesundheit der Beschäftigten, im Sinne einer möglichen Chronifizierung der Erkrankung, einzuordnen (Skagen und Collins 2016; Steinke und Badura 2011; Gerich 2015), sondern auch hinsichtlich finanzieller Belastungen für das Unternehmen, die sich mittel- bis langfristig bemerkbar machen (Lohaus und Habermann 2018). Eine Reduktion des Präsentismusverhaltens stellt demnach ein langfristig positives Potential sowohl für gesundheitliche als auch ökonomische Aspekte im Unternehmen dar und ist ein Zeichen für positive beschäftigungsorientierte Unternehmenskultur (Waltersbacher et al. 2021; Lohaus und Habermann 2020).

Als Erhebungsinstrument wurde zum einen der Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) in der deutschen Version (Nübling et al. 2005) eingesetzt und zum anderen wurden Fragen zur Interaktionsarbeit entwickelt und ergänzt. Der Einsatz des COPSOQ stellt den ersten Schritt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung dar und kann als Screening‐Instrument genutzt werden (Nübling et al. 2005, S. 83). Sowohl die Interventions‐ als auch die Referenzbetriebe durchliefen somit diesen ersten Schritt der Gefährdungsbeurteilung. Allen Betrieben wurden die Ergebnisse aus t0 zurückgemeldet, die Ableitung von Maßnahmen und die Verwertung der Ergebnisse wurden den Referenzbetrieben allerdings vorerst selbst überlassen.

Der deutsche COPSOQ-Fragebogen zeichnet sich hinsichtlich seiner methodischen Güte (Objektivität, Reliabilität, Validität, Generalisierbarkeit, Praktikabilität, Akzeptanz etc.) durch belastbare Ergebnisse aus (Nübling et al. 2005). Die verwendete Version enthielt 85 Items, die zu 32 Skalen zusammengefasst werden können. Enthalten sind auch die Skalen, die hier als Outcome-Variablen genutzt wurden, wie:

  • Allgemeiner Gesundheitszustand (1 Item)

    • Wenn Sie den besten denkbaren Gesundheitszustand mit 10 Punkten bewerten und den schlechtesten denkbaren mit 0 Punkten: Wie viele Punkte vergeben Sie dann für Ihren derzeitigen Gesundheitszustand?

  • Burnout-Symptome (3 Items)

    • Wie häufig

    • … sind Sie körperlich erschöpft?

    • … sind Sie emotional erschöpft?

    • … fühlen Sie sich ausgelaugt?

  • Präsentismus (1 Item)

    • Wie häufig

    • … kommen Sie zur Arbeit, obwohl Sie sich richtig krank und unwohl fühlen?

Während beim allgemeinen Gesundheitszustand Werte von 0 bis 10 angegeben werden können, sind die anderen Items mit einer fünfstufigen Likert-Skala hinterlegt. Aus den Antwortkategorien lassen sich anschließend Werte von 0 bis 100 ableiten, aus denen wiederum Mittelwerte berechnet werden können.

Für Deutschland existiert eine Vergleichsdatenbank der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW), in welcher seit 2005 Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen mit dem COPSOQ gespeichert werden. Es lagen zum Zeitpunkt t0 Angaben von über 250.000 Beschäftigten vor, die anhand der amtlichen Klassifikation der Berufe von 2010 zu berufsspezifischen Vergleichen herangezogen werden konnten (FFAW 2017; Nübling et al. 2011). Diese Vergleichswerte wurden uns zur Verfügung gestellt und u. a. zum Zeitpunkt t0 genutzt, um die Erhebungen in den einzelnen Betrieben beurteilen zu können und um anschließend passgenaue Interventionen abzuleiten.

Anhand der durchgeführten statistischen Analysen wurde untersucht, inwieweit sich Unterschiede zwischen den Branchen, den Betrieben und im zeitlichen Verlauf feststellen lassen. Zunächst wurde auf Skalenebene getestet, ob die Mittelwerte der beteiligten Unternehmen von den Werten aus der COPSOQ-Vergleichsdatenbank abweichen. Darüber hinaus wurde auch geprüft, ob sich die Mittelwerte der Interventions‐ und Referenzbetriebe unterscheiden, hierfür wurden t‐Teste durchgeführt. Die Veränderungen der genannten Outcome-Variablen über die Zeit wurden zum einen deskriptiv ausgewertet und zum anderen wurden die Effektschätzer anhand eines linearen Multilevel-Regressionsmodells berechnet. Als Zielvariable dienten die jeweiligen Skalenwerte zu t1. In das Modell gingen außerdem als moderierende Faktoren die Gruppe (Intervention oder Referenz), die Branche (ASD oder IT), das Geschlecht sowie die Altersgruppe ein. Weiterhin wurde für den Mittelwert des jeweiligen Skalenwertes zu t0 pro Betrieb adjustiert. Als Zufallseffekt bzw. Multi-level-Effekt wurde zusätzlich die Identifikationsnummer (ID) des Betriebes berücksichtigt.

3 Ergebnisse

In der Metropolregion NordWest (Bremen und Teile Niedersachsens) haben insgesamt sieben Unternehmen aus den Bereichen IT-Dienstleistung und ASD an der Studie teilgenommen.

3.1 Stichprobenbeschreibung

Die Beteiligungsraten der einzelnen Unternehmen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt (s. Tab. 1).

Tab. 1 Rücklaufstatistik hinsichtlich Anzahl der Teilnehmenden und Response zu beiden Erhebungszeiträumen unterteilt nach Branche und Betrieb.

Aufgrund des geringen Rücklaufes zum Zeitpunkt t0 im Bereich der ASD wurde kurz nach der ersten Erhebung ein weiteres Unternehmen rekrutiert (Referenzunternehmen 3) und in die Untersuchungen eingeschlossen. Dieses Unternehmen unterscheidet sich somit von den anderen Unternehmen, da die Befragungszeiträume enger beieinanderliegen. Die erste Befragung zu t0 fand – im Vergleich zu den anderen Unternehmen ein Jahr später – im Frühjahr 2020 statt und die zweite Befragung zu t1 – wie bei allen anderen Unternehmen auch – im Frühjahr 2021.

Insgesamt lässt sich zudem feststellen, dass die Response des Interventionsbetriebes im Bereich der ASD eine weitaus höhere Responserate (über 80 %) aufweist als die Referenzbetriebe (etwa 25 %). Bei den IT-Unternehmen unterscheidet sich die Response nicht so ausgeprägt zwischen den Referenzunternehmen (etwa 55–65 %) und dem Interventionsbetrieb. Möglicherweise kommt es zu den branchenspezifischen Unterschieden, da es im Bereich der IT leichter möglich war, die Befragung in den Arbeitsalltag zu integrieren. Insbesondere bei den ASD-Referenzunternehmen war es schwieriger eine Bereitschaft zur Teilnahme zu erzielen, da die Befragung aufgrund der mobilen Arbeitsweise nicht unmittelbar am Arbeitsplatz durchgeführt werden konnte. Erschwert wurde dies evtl. auch aufgrund der fehlenden Fördermittel für die Referenzunternehmen, da diese die benötigte Zeit zum Ausfüllen der Fragebögen in den Arbeitsprozess zusätzlich einplanen mussten.

Zum Zeitpunkt t0 haben insgesamt 720 Mitarbeitende (Interventionsgruppe: n = 297; Referenzgruppe: n = 423) an der Befragung teilgenommen, zum Zeitpunkt t1 waren es 747 (Interventionsgruppe: n = 292; Referenzgruppe: n = 455). Damit liegt die Response zum Zeitpunkt t0 bei 45,0 % und zum Zeitpunkt t1 bei 47,5 %.

Bei Betrachtung der Stichprobe (zum Zeitpunkt t0 und t1) fällt auf, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den Branchen – die männlich dominierte IT-Branche (t0 = 64,8 % Männer und t1 = 64,1 % Männer) und die weiblich dominierte Branche der ASD (t0 = 85,7 % und t1 = 81,2 % Frauen) – hier widerspiegeln. Der Vergleich der Teilnehmenden aus den Interventionsbetrieben mit denen der Referenzbetriebe weist – im Hinblick auf das Geschlecht und Alter – zum ersten Befragungszeitpunkt t0 in der IT eine recht gute Passung auf (Geschlecht: p = 0,061). Nur bei der Altersgruppe bis 34 Jahre trat ein signifikanter Unterschied auf, mit einer stärkeren Besetzung im Interventionsbetrieb mit 48,1 % zu 35,4 % im Referenzbetrieb (p = 0,019). In der ASD unterscheiden sich die Gruppen hinsichtlich des Geschlechtes (p = 0,034) mit mehr Männern im Interventionsbetrieb (18,7 % zu 10,6 % im Referenzbetrieb) und bei den Altersgruppen bis 34 Jahre und 45 bis 54 Jahre. In der ersten Altersgruppe ist der Interventionsbetrieb mit 24,0 % stärker besetzt, die Referenzbetriebe liegen bei 15,1 % bei einem p-Wert von 0,034. In der Gruppe der 45- bis 54-Jährigen ist dagegen die Referenzgruppe stärker besetzt (33,3 % zu 22,2 %) (p = 0,019). Zum zweiten Befragungszeitpunkt lässt sich für die ASD hinsichtlich der Geschlechterverteilung kein signifikanter Unterschied mehr aufzeigen (p = 0,187). In der Altersgruppe bis 34 Jahre ist aber auch hier die Interventionsgruppe mit 30,0 % signifikant stärker besetzt als die Referenzgruppe (19,6 %) (p = 0,025). In der IT-Branche zeigen sich zu diesem Zeitpunkt sowohl bei der Geschlechterverteilung (p = 0,132) als auch beim Alter keine signifikanten Unterschiede mehr.

3.2 Situation in den Interventionsbetrieben

3.2.1 Abgleich mit der COPSOQ-Vergleichsdatenbank zu t0

Die ermittelten COPSOQ-Skalenwerte der Interventionsbetriebe wurden den COPSOQ-Vergleichswerten gegenübergestellt und dienten neben den qualitativen Erhebungen der Universität Bremen als eine Grundlage für die Auswahl geeigneter Interventionsmaßnahmen. Es zeigte sich für den IT-Interventionsbetrieb, dass hier überwiegend bessere Werte erzielt wurden, als es laut COPSOQ-Vergleichsdatenbank deutschlandweit in dieser Branche durchschnittlich der Fall war (signifikant bessere Werte lagen z. B. bei den Skalen Work Privacy-Konflikte, Menge sozialer Kontakte, Verbergen von Emotionen und Unsicherheit des Arbeitsplatzes vor). Lediglich ein signifikant schlechterer Wert als im deutschlandweiten Vergleich konnte zum Zeitpunkt t0 für die Skala Arbeitsumgebung ermittelt werden, woraus sich ein Veränderungsbedarf ableiten ließ. Es wurden verschiedene Interventionen eingeleitet, wie zum Beispiel eine Arbeitsgruppe „Arbeitsplatz der Zukunft“, die sich unter anderem zum Ziel gesetzt hatte, die physischen Arbeitsbedingungen zu verbessern (siehe die Beiträge von Zenz et al. sowie Rolfes und Brandes in diesem Band).

Beim ASD-Interventionsbetrieb zeigten die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung in der Gegenüberstellung zu den COPSOQ-Vergleichsdaten ebenfalls überwiegend bessere Werte, wie z. B. bei den Skalen Work Privacy Konflikte, Quantitative Anforderungen und Führungsqualität (alle signifikant besser). Als signifikant schlechtere Werte stellten sich zum Zeitpunkt t0 die Skalen Entwicklungsmöglichkeiten und Menge sozialer Kontakte heraus. Als Interventionsmaßnahmen wurden deshalb unter anderem in dem ASD-Interventionsbetrieb eine neue Führungsstruktur durch die Etablierung von Koordinator*innen, die Einführung von regelmäßigen Dienstbesprechungen mit der Option des kollegialen Erfahrungsaustausches, Mitarbeitendengespräche, wie gesundheitsorientierte Jahresgespräche und auch ein Workshop zum Thema Arbeitsbedingungen (Arbeitssituationsanalyse – ASITAS) eingeführt (siehe auch die Artikel von Pöser et al. und Garbers in diesem Band).

3.2.2 Veränderungen der COPSOQ-Skalen im zeitlichen Verlauf

Nachdem im Frühjahr 2019 der Ausgangszustand zu t0 bestimmt worden war und in den Interventionsbetrieben entsprechende Maßnahmen abgeleitet und weitgehend abgeschlossen waren, fand etwa zwei Jahre später im Frühjahr 2021 (t1) eine weitere Befragung statt.

Die Ergebnisse zu den zeitlichen Veränderungen von t0 zu t1 zeigen beim IT-Interventionsbetrieb eine bedeutende Verbesserung bei dem vormals signifikant schlechten Wert der Skala Arbeitsumgebung. Eine signifikante Verschlechterung erfuhren die Skalenwerte für Menge sozialer Kontakte, Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz, Unsicherheit der Arbeitsbedingungen und der allgemeine Gesundheitszustand.

Beim ASD-Interventionsbetrieb konnte ebenfalls für die vormals in Relation zur COPSOQ-Vergleichsdatenbank signifikant schlechter ausfallende Skala Menge sozialer Kontakte eine – wenn auch nicht signifikante – Verbesserung festgestellt werden. Des Weiteren zeigte sich für die Skala Präsentismus eine signifikante Verbesserung zwischen t0 und t1. Große – nicht signifikante – Verbesserungen erfolgten ebenfalls bei der Skala Feedback/Rückmeldung. Signifikante Verschlechterungen zwischen den beiden Erhebungen konnten nicht ermittelt werden.

3.3 Veränderungen der Outcome-Variablen in den Referenz- und Interventionsbetrieben

Im Folgenden sollen zunächst die deskriptiven und dann die multivariaten Ergebnisse für die vorab formulierten Outcome-Variablen allgemeiner Gesundheitszustand, Burnout-Symptome und Präsentismus berichtet werden.

3.3.1 Deskriptive Ergebnisse

Die deskriptiven Ergebnisse des Vorher-Nachher-Vergleiches (t0 zu t1) zeigen hinsichtlich der gewählten Outcome-Variablen sowie bei den beiden Branchen teilweise unterschiedliche Ergebnisse (s. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

(Eigene Darstellung)

Outcome-Variablen zu beiden Erhebungszeitpunkten in der Interventions- und Referenzgruppe nach Branche.

In der ASD-Branche ist die subjektive Gesundheitseinschätzung (hohe Werte positiv) zwischen beiden Befragungszeitpunkten in der Interventionsgruppe gestiegen (t0: 70,9; t1: 72,7), was eine nicht signifikante Verbesserung bedeutet. In der ASD-Referenzgruppe, wo bereits der Ausgangswert zu t0 (69,1) leicht unter dem der Interventionsgruppe lag, hat sich die Gesundheitseinschätzung dagegen – ebenfalls auf nicht signifikantem Niveau – verschlechtert.

In der IT-Branche fällt die Bewertung der eigenen Gesundheit insgesamt positiver aus als in der ASD-Branche. Insbesondere der Ausgangswert in der Interventionsgruppe sticht mit einem hohen Mittelwert von 78,1 hervor, sinkt aber bis zur zweiten Befragung signifikant auf einen Wert von 72,9 ab. Auch in der IT-Branche fällt die Gesundheitseinschätzung in der Referenzgruppe (71,0) in der ersten Befragung schlechter aus als in der Interventionsgruppe. Allerdings verbessert sich in der Referenzgruppe die Einschätzung mit der zweiten Befragung signifikant.

Branchenübergreifend zeigt sich in der Interventionsgruppe ein leichter Rückgang auf hohem Niveau (t0: 74,1; t1: 72,7), während sich die Gesundheitseinschätzung in der Referenzgruppe leicht verbessert (t0: 70,1; t1: 72,4). Beide Veränderungen sind jedoch nicht signifikant.

Anzeichen von Burnout (niedrige Werte positiv) werden in beiden Branchen zu beiden Erhebungszeitpunkten in der Interventionsgruppe seltener berichtet als in der Referenzgruppe. Allerdings verschlechtert sich der Mittelwert in der Interventionsgruppe in der IT-Branche im Zeitverlauf, während sich der Wert bei allen anderen Gruppen verbessert. Alle Änderungen im Bereich der Burnout-Einschätzung fallen jedoch nicht signifikant aus.

Ebenso wie bei der allgemeinen Gesundheitseinschätzung lässt sich hier branchenübergreifend in der Interventionsgruppe zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten eine leichte Verschlechterung (t0: 39,6; t1: 40,1) und in der Referenzgruppe dagegen eine Verbesserung feststellen (t0: 47,1; t1: 44,6), wobei auch hier die Werte der Referenzgruppe insgesamt zu beiden Erhebungszeitpunkten schlechter ausfallen.

Der Präsentismus (niedrige Werte positiv) hat in beiden Branchen und allen Gruppen abgenommen. Besonders deutlich ist der Rückgang in der ASD-Interventionsgruppe (t0: 37,0; t1: 28,6) und auch in der IT-Referenzgruppe (t0: 31,7; t1: 24,0). Nur ein geringer Rückgang, der als einziger nicht signifikant ist, kann in der IT-Interventionsgruppe beobachtet werden, wobei allerdings die Mittelwerte zu beiden Zeitpunkten vergleichsweise niedrig liegen.

Branchenübergreifend können insgesamt sowohl in der Interventions- (t0: 31,8; t1: 27,2), als auch in der Referenzgruppe (t0: 37,3; t1: 30,0) signifikante Verbesserungen festgestellt werden.

3.3.2 Multilevel-Regressionsmodell

Die zeitliche Veränderung bzw. die Überprüfung der Wirksamkeit der eingeleiteten Interventionen wurde zusätzlich anhand eines Multilevel-Regressionsmodells durchgeführt. Als Zielvariablen wurden die drei vorab festgelegten Outcome-Variablen definiert. Es zeigte sich bei der adjustierten Analyse, dass hinsichtlich des allgemeinen Gesundheitszustands branchenübergreifend eine Verbesserung von t0 zu t1 erreicht werden konnte, diese verfehlte die Signifikanzgrenze nur knapp (p = 0,075) (s. Tab. 2). Bei der ASD konnte für den allgemeinen Gesundheitszustand eine leichte aber nicht signifikante Verbesserung festgestellt werden, während dieser – ebenfalls auf nicht signifikanten Niveau – in der IT abnimmt.

Tab. 2 Adjustierte Ergebnisse zu den in der Intervention fokussierten Outcome-Variablen sowie Angaben zur Signifikanz.

Die Skala Burnout zeigt für die adjustierten Ergebnisse insgesamt, dass die Intervention zu keiner Verbesserung in diesem Bereich beigetragen hat, vielmehr ist der Wert in der Interventionsgruppe höher, wenn auch nicht signifikant höher. Bei der differenzierten Auswertung weist jedoch die IT-Branche eine signifikante Verschlechterung auf. In der ASD verringert sich der Wert zwar, dieser ist jedoch nicht signifikant.

Bezüglich des Präsentismus lässt sich anhand der adjustierten Werte feststellen, dass keine Verbesserung durch die Intervention erreicht wurde. Einen entscheidenden Einfluss scheint das Ausmaß an Präsentismus zum Zeitpunkt t0 zu haben. Ist Präsentismus am Anfang bereits ausgeprägt, so lassen sich auch nach der Intervention zum Zeitpunkt t1 noch hohe Werte finden. Die branchenspezifischen Auswertungen zeigten ebenfalls keinen signifikanten Unterschied, während bei der ASD eine Abnahme festzustellen ist, steigt der Wert in der IT-Branche an.

Zusammenfassend kann für die eingeleiteten Interventionen insgesamt konstatiert werden, dass lediglich der allgemeine Gesundheitszustand sich über die Zeit verbessert hat, wenn auch nicht signifikant. In Bezug auf die adjustierten Werte zum Präsentismus und Burnout ist es durch die eingeleiteten Interventionen nicht gelungen hier eine Verbesserung zu erreichen. Im Bereich der IT-Branche konnte für Burnout sogar eine signifikante Verschlechterung ermittelt werden.

Bei einer branchenübergreifenden Betrachtung der Ergebnisse der Interventions- und Referenzgruppe bezüglich aller 32 COPSOQ-Skalen im Multilevel-Regressionsmodell (Werte nicht dargestellt) zeigten sich zwischen t0 und t1 signifikant positive Entwicklungen bei den drei Skalen Verbergen von Emotionen, ungerechter Behandlung und der Skala Vertrauen und Gerechtigkeit. Eine signifikant negative Entwicklung konnte zum einen bei der Skala Bedeutung der Arbeit und zum anderen bei der Skala Unterstützung bei der Arbeit festgestellt werden. Alle anderen Skalen zeigten keinen signifikanten Unterschied.

4 Diskussion

Im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchung sollte untersucht werden, inwieweit ausgewählte Interventionen in den beteiligten Interventionsbetrieben (IT und ASD) zu einer Verbesserung hinsichtlich vorab identifizierter Desiderate führen und ob sich eine Veränderung auch im Vergleich zur Referenzgruppe (Betriebe ohne Intervention) feststellen lässt.

Ein Vergleich der Ergebnisse der Interventionsbetriebe mit denen der regionalen Referenzbetriebe zeigt ein heterogenes Bild hinsichtlich der drei vorab festgelegten Outcome-Variablen. Die deskriptiven Ergebnisse zur Veränderung bei den Interventions- und Referenzbetrieben über die Zeit weisen branchenübergreifend darauf hin, dass in der Interventionsgruppe eine nicht signifikante Verschlechterung bei den Skalen des allgemeinen Gesundheitszustands und Burnout zu verzeichnen ist. Bei der Skala Präsentismus zeigt sich dagegen eine signifikante Verbesserung. Bei Betrachtung der Referenzgruppe lässt sich über die Zeit für alle drei Outcome-Variablen eine Verbesserung feststellen, hinsichtlich Präsentismus handelt es sich sogar um eine signifikante Verbesserung. Anhand der berechneten Effektschätzer im Multilevel-Regressionsmodell zeigen die adjustierten Werte (nach Intervention- und Referenzgruppe, Branche, Geschlecht, Altersgruppe, Mittelwert des jeweiligen Skalenwertes zu t0 sowie als Zufallseffekt bzw. Multi-level-Effekt die ID des Betriebes) dagegen zwar eine Verbesserung für den allgemeinen Gesundheitszustand, diese war jedoch nicht signifikant. Es ist demnach auf Basis der Mitarbeitendenbefragungen nicht gelungen, für die eingeleiteten Interventionsmaßnahmen einen bedeutenden Effekt nachzuweisen. In Bezug auf die adjustierten Werte zum Präsentismus und Burnout konnten die eingeleiteten Interventionen insgesamt ebenfalls keine Verbesserung erzielen.

Eine Limitation der Untersuchung ergibt sich möglicherweise aus dem gewählten Studienansatz. Zum Nachweis denkbarer Effekte wäre eine randomisierte Vorgehensweise innerhalb der Betriebe hinsichtlich einer Zuteilung von Interventions‐ und Referenzgruppen zielführender gewesen. Diese war jedoch aus forschungspraktischen Gründen nicht möglich. Ein Aspekt war dabei, dass die Interventionen einen besonderen Fokus auf ein verhältnispräventives Vorgehen legten, das den Betrieb als Ganzes in den Blick nehmen sollte. Darüber hinaus sind die einzelnen Betriebsbereiche eng verbunden und aufgrund der relativ kleinen Betriebsgröße ließen sich auch personelle Verantwortlichkeiten nicht klar auf einzelne Bereiche begrenzen. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass sowohl den Interventions- als auch Referenzbetrieben die Ergebnisse aus der ersten Befragung (t0) rückgemeldet wurden. Auch wenn das Studiendesign nur Interventionen in den beiden Interventionsbetrieben vorgesehen hat, können selbst initiierte Veränderungen in den Referenzbetrieben nicht ausgeschlossen werden. Es ist nachvollziehbar, dass Betriebe bei identifizierten Desideraten aktiv werden und auf die Belange der Belegschaft zeitnah eingehen, was mit einer Verringerung möglicher Effekte einhergeht. Gerade im Bereich der IT-Branche zeichnen sich die Referenzbetriebe durch ein auf betrieblicher Ebene gut etabliertes Gesundheitsmanagement aus, welches die erzielten Ergebnisse zu t0 mit großem Interesse zur Kenntnis nahm.

Ein weiterer Einfluss ergibt sich aus der Betrachtung der beiden Querschnittsuntersuchungen. Es ist davon auszugehen, dass es im Beobachtungszeitraum auch zu Fluktuationen bei den beteiligten Unternehmen gekommen ist, sodass die Ergebnisse der Befragung schon allein aufgrund einer Veränderung der Belegschaft begründet sein können. Die im Fragebogen enthaltenen Fragen zur Erstellung eines persönlichen Codes nach Pöge (2011) wurden nur von einem geringen Anteil der Befragten ausgefüllt, sodass eine Betrachtung im Längsschnitt nicht möglich war. Es wurde deshalb die ID des Betriebes als Alternative zur individuellen Längsschnittbetrachtung gewählt.

Im Untersuchungszeitraum hat auch die Coronapandemie in beiden Branchen einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und das Wohlbefinden der Beschäftigten genommen (Becke et al. 2022). Da jedoch durch das gewählte Studiendesign Referenzbetriebe eingeschlossen wurden, die ebenfalls mit den Folgen der Pandemie konfrontiert waren, können diese Effekte zu einem gewissen Maß kontrolliert werden.

Werden nur die zeitlichen Veränderungen in den Interventionsbetrieben betrachtet, so lässt sich eine deutliche Verbesserung bei den zu Beginn der Untersuchung als negativ von den deutschlandweiten COPSOQ-Vergleichswerten abweichend identifizierten Skalen erkennen. Im IT-Interventionsbetrieb wurde über die Zeit die größte positive Veränderung bei der vormals als unterdurchschnittlich bewerteten Skala Arbeitsumgebung erzielt. Ob diese Veränderung allerdings durch die eingeleitete Interventionsmaßnahme „Arbeitsplatz der Zukunft“ erreicht wurde bzw. ob die pandemiebedingte Verlegung des Arbeitsplatzes ins Homeoffice hier zum Tragen kommt, kann nicht abschließend geklärt werden. Die in diesem Band dargelegten qualitativen Ergebnisse kommen hier ebenfalls nicht zu eindeutigen Ergebnissen.

Im ASD-Interventionsbetrieb kam es ebenfalls bei der anfänglich signifikant am negativsten vom durchschnittlichen COPSOQ-Vergleichswert abweichenden Skala Menge sozialer Kontakte zu einer signifikanten Verbesserung. Dies erstaunt umso mehr, da pandemiebedingt gerade soziale Kontakte eingeschränkt werden mussten. Zudem lässt die Arbeit vieler Beschäftigter im ASD-Interventionsbetrieb kaum Austausch zu, da es sich um sogenannte Alleinarbeit handelt. Anzumerken ist allerdings, dass die Passgenauigkeit mit den COPSOQ-Vergleichswerten hier eventuell nicht optimal ist, da in der Datenbank eine Separierung der reinen ambulanten Pflege aus datentechnischen Gründen nicht möglich war. Es scheint deshalb möglich, dass die eingeleiteten Maßnahmen, wie Einführung einer neuen Führungsebene, regelmäßige Dienstbesprechungen, Mitarbeitendengespräche und ASITAS zu einer Verbesserung beigetragen haben könnten. Diese Vermutung wird auch durch die zum Zeitpunkt t1 sichtbare Verbesserung der Skala Feedback/Rückmeldung gestützt. Die qualitativen Ergebnisse (siehe Beitrag von Pöser et al. und den Beitrag von Garbers) weisen zumindest in diese Richtung.

Werden die beiden Branchen getrennt voneinander betrachtet, zeigen sich deskriptiv in der ASD-Branche sowohl in der Interventions- als auch in der Referenzgruppe zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten für die Outcome-Variablen Verbesserungen. Lediglich der allgemeine Gesundheitszustand wird in der Referenzgruppe zum zweiten Erhebungszeitpunkt schlechter eingeschätzt als zu Beginn. Allerdings waren alle Veränderungen – bis auf die Verbesserung des Präsentismus im Interventionsbetrieb – nicht signifikant.

Die adjustierten Effektschätzer im Multilevel-Regressionsmodell bestätigen die deskriptiven Ergebnisse teilweise. Es zeigen sich in der ASD-Branche für alle drei Outcome-Variablen Verbesserungen. Diese sind allerdings nicht signifikant.

Leider konnten auch insgesamt bei der branchenübergreifenden Analyse aller 32 COPSOQ-Skalen kaum signifikant unterschiedliche Entwicklungen zwischen Interventions- und Referenzbetrieben festgestellt werden. Nichtsdestotrotz zeichneten sich die Interventionsbetriebe immerhin bei den Skalen Verbergen von Emotionen, ungerechte Behandlung und Vertrauen und Gerechtigkeit durch signifikant bessere Ergebnisse aus.

In der IT-Branche haben sich im Interventionsbetrieb die Werte für den allgemeinen Gesundheitszustand und Burnout verschlechtert, für den Präsentismus kann dagegen eine Verbesserung festgestellt werden. Die berechneten adjustierten Effektschätzer im Modell weisen im Bereich der IT-Branche tendenziell Verschlechterungen für die drei Outcome-Variablen auf und für Burnout ist diese Verschlechterung sogar signifikant. Nach Demerouti und Nachreiner (2019) ist Burnout eine Folge von hohen Arbeitsanforderungen und fehlenden Arbeitsressourcen. In diesem Zusammenhang mag auch die Verlegung ins Homeoffice durch die Corona-Pandemie beim Interventionsbetrieb einen Einfluss ausgeübt haben, die mit hohen Arbeitsanforderungen an die Mitarbeitenden sowie fehlenden oder beeinträchtigten Arbeitsressourcen (z. B. durch fehlenden informellen Austausch, Vereinbarkeitsproblematik zwischen Arbeit und Kinderbetreuung, Abgrenzung und Selbstorganisation im Homeoffice) verbunden war (s. auch Becke et al. 2022, S. 10 f.)

Die zum Teil unterschiedlichen Ergebnisse aus der deskriptiven Analyse und dem Modell lassen – wie weiter oben beschrieben – unterschiedliche Einflüsse vermuten. So ist auch davon auszugehen, dass es insbesondere bei den Skalen Burnout und Präsentismus zu sogenannten Deckeneffekten gekommen ist. Wenn in den Unternehmen bereits zu Beginn der Untersuchungen gute Bedingungen vorherrschten, lässt sich über die Zeit mit den eingeleiteten Interventionen auch nur ein geringer Effekt erzielen. Dies könnte insbesondere bei dem Interventionsbetrieb in der IT-Branche hinsichtlich Burnout der Fall sein. Die deskriptiven Ergebnisse verdeutlichen, dass bereits zum Zeitpunkt t0 der Skalenwert für Burnout deutlich niedriger lag als bei den Referenzunternehmen und auch der Wert zu t1 liegt beim Interventionsbetrieb niedriger als bei den Referenzunternehmen, ist aber über die Zeit angestiegen.

Auch in Bezug auf den Präsentismus erstaunt beim IT-Interventionsbetrieb der bereits zum ersten Erhebungszeit niedrige Wert, der sich sogar noch leicht verbessert hat. Studien zeigen, dass neben personenbedingten Faktoren, auch arbeitsbedingte und organisationale Faktoren den Präsentismus beeinflussen. So lässt sich empirisch bestätigen, dass Faktoren wie ein hoher Gestaltungsspielraum, gute Stellvertreterregelungen, Unterstützung durch Kolleg*innen und Vorgesetzte, Rollenklarheit und auf organisationaler Ebene eine als gerecht und unterstützend wahrgenommene Organisation mit einem geringen Präsentismus korrelieren (Lohaus und Habermann 2020; Waltersbacher et al. 2021). Die niedrigen Präsentismuswerte, die im Übrigen auch im ASD-Interventionsbetrieb auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau zum ersten Erhebungszeitpunkt waren und sich trotzdem noch signifikant verbessert haben, sprechen für eine positive Unternehmenskultur und für die stark verhältnisbezogenen Interventionsmaßnahmen. Trotz der Pandemie scheint es den Interventionsbetrieben sehr gut gelungen zu sein, dass niedrige Niveau zu halten und darüber hinaus noch zu verbessern. Insbesondere in der IT-Branche hat sich der Anteil der im Homeoffice verbrachten Arbeitszeit während der Pandemie deutlich erhöht. Eine aktuelle Befragung, unter Beschäftigten in der IT-Branche zeigt, dass etwa 60 % der Beschäftigten der Aussage zustimmen, im Homeoffice eher dazu zu neigen, sich im Krankheitsfall nicht krankzumelden (Neumann et al. 2021, S. 28), somit gewinnen die positiven Ergebnisse zusätzlich an Beachtung. Auch für den Pflegebereich ist durch die Coronapandemie ein Zuwachs des Präsentimusverhaltens festzustellen, der unter anderem auf die pandemiebedingte Mehrarbeit zurückzuführen ist (Hower und Winter 2021).

5 Fazit

Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, die nicht nur auf das Verhalten der Beschäftigten eingehen, sondern das Unternehmen als Ganzes in den Blick nehmen, sind nicht nur in Zeiten der Pandemie von aller größter Wichtigkeit. Ebenso muss auch im Hinblick auf effiziente Weiterentwicklungen in diesem Bereich die mittel- und langfristige Evaluation von Beginn an mitgedacht und eingeplant werden. In der Praxis unterbleiben leider viel zu häufig tragfähige Evaluationen eingeleiteter Maßnahmen. Dies ist bedauerlich, da mit ihnen auch deutlich gemacht werden kann, dass sich Investitionen in die Gesundheit der Beschäftigten auch langfristig für das Unternehmen rentieren können. Gerade die, wie hier im Projekt, stark verhältnisorientierten Maßnahmen, benötigen einen gewissen Zeitraum, um ihre Wirksamkeit zu entfalten und damit zu messbaren Effekten zu führen.  Ein erster Blick auf die Daten der dritten Erhebung weist in diese Richtung.