Zusammenfassung
Im sechsten Kapitel werden die empirische Befunde genutzt, um den Diskurs zur ästhetisch-kulturellen Bildung theoretisch anzureichern (Kap. 6). Die Befunde zeigen, dass ästhetische Praxis als Form des Selbsterschließens kultureller Teilhabe (Abschn. 6.1), als lebensweltliche Selbstbildungspraxis (Abschn. 6.2) und als selbsttransformatorische Bildungspraxis (Abschn. 6.3) Bedeutung besitzt. Über die lern- und bildungstheoretisch verortete Fragestellung hinaus regen die Befunde Reflexionen zum Eigenwert des Ästhetischen an (Abschn. 6.4): Es werden Perspektiven auf den spezifischen Bildungswert des Ästhetischen und auf den spezifischen Wert der Kunst ausdifferenziert. Die Diskussionsperspektiven werden entlang folgender Logik strukturiert: Nachdem herausgestellt wird, welcher theoretisch anreichernder Aspekt sich empirisch rekonstruieren ließ, werden die Befunde an den jeweiligen Diskurs rückgebunden und das theoretische Anreicherungspotenzial resümiert. Die Kontextualisierung und Diskussion der Befunde zielt auf die Konturierung einer biografieorientierten Theorie ästhetisch-kultureller Bildung ab (Abschn. 6.5).
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Notes
- 1.
Neben zentralen bildungspolitischen Positionspapieren, die das informelle Lernen diskutieren (z. B. BJK 2001, 2002; vgl. Bretschneider 2004), existieren zahlreiche Publikationen, die sich einer grundlagentheoretischen Bestimmung des „informelles Lernens“ widmen. Im Folgenden eine Auswahl an einschlägigen Werken, die sich mit dem informellen Lernbegriff (z. B. Hungerland & Overwien 2004; Overwien 2005; Straka 2000), auch aus internationaler Perspektive auseinandersetzen (z. B. Dohmen 2001; KOM 2001; Overwien 2004a, b) und hinsichtlich der Grenzen (z. B. Rauschenbach 2009) der Verschränkung mit dem formellen Lernbegriff fokussieren (z. B. BMFSFJ 2005; Harring, Rohlfs & Palentien 2007; Otto & Rauschenbach 2008). Zudem wird das informelle Lernen mit Blick auf die Jugend (z. B. Tully 2006; Rauschenbach et al. 2004; Wahler, Tully & Preis 2008) und das Erwachsenenalter lebensphasenspezifisch (z. B. Künzel 2005), mit Blick auf nachhaltige Entwicklung (z. B. Brodowski et al. 2009) oder Sport (Neuber 2010) thematisch oder mit Blick auf berufliche Bildung (z. B. Kirchhöfer 2000; Kirchhof 2007; Wittwer & Kirchhof 2003), die Ganztagsschule (z. B. Derecik & Deinet 2010) und freiwilliges Engagement (z. B. Düx & Sass 2005) kontextbezogen (z. B. Egger et al. 2008) bestimmt. Insgesamt rücken in den Beiträgen einzelne Bereiche und Kontexte selbstbestimmten Lernens in den Blick.
- 2.
Im Diskurs wurde stets eine gesellschaftliche Dimension des ästhetischen Erkenntnispotenzials betont (z. B. Reckwitz, Prinz & Schäfer 2015; Jäger & Kuckhermann 2004b; Fischer 2018) und ein Zusammenhang von Ästhetik und sozialer Positionierung konstatiert. In den vergangenen Jahrzehnten dominieren theoretische Überlegungen zur wachsenden lebensweltlichen Bedeutung ästhetischer Praxis: Mit den zunehmenden Pluralisierungs- und Individualisierungsprozessen in modernen Gesellschaften (z. B. Beck 1996; Huinink & Wagner 1998; Reckwitz 2019, 2020) kommt den ästhetischen (Aus-)Wahlentscheidungen für die Gestaltung der eigenen Biografie zunehmend Relevanz zu (z. B. Welsch 1993a, b; Schulze 1993; Reckwitz 2012). Während im Zuge der alltagstheoretischen Wende in den 1970er Jahren die gesellschaftliche Realität des Alltags zunächst noch räumlich-gegenstandsbezogen (z. B. Bronfenbrenner 1981), mit Blick auf den subjektiv konstruierten Deutungsbezug sowie diese Perspektiven verbindend als Lebensführung (z. B. Braun 2003) konturiert wurde, rückte Ästhetik als soziales Regulativ für die Entwicklung sozialer Identität und Segmentierung (z. B. Bourdieu 1987b) sowie als Gestaltungsleistung individualisierter Existenzlagen (z. B. Beck 1986) in den Blick (vgl. Jäger & Kuckhermann 2004b, 249–259). Schulze, auf den die These der Ästhetisierung der Gesellschaft (1993) zurückgeht, entwickelte Bourdieus Kapitaltheorie (1991) weiter und entkoppelt die sozial regulative Funktion von Lebensstil und Klassenlage (Schulze 1993, 93 ff.). Die regulative Funktion des Ästhetischen bezieht sich nun auf die Entwicklung einer sozialen Identität, die sich zwischen Zugehörigkeits- und Abgrenzungszuschreibungen aufspannt. Dies lässt sich mit der Bastelbiografie (Beck & Beck-Gernsheim 1993; Hitzler 1988) in Beziehung stellen. Aufbauend auf diesen Überlegungen rahmt das Phänomen ästhetische Praxis in modernen Gesellschaften Bildungsbiografien in einer neuen Art und Weise.
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Kühn, C. (2022). Diskussion der Befunde: Konturen einer biografieorientierten Theorie ästhetisch-kultureller Bildung. In: Zur Bedeutung ästhetischer Praxis in Biografien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36863-0_6
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