In Anschluss an die theoretische und empirische Auseinandersetzung wurde in den vorherigen Kapiteln der Wert politisch relevanter Netzwerke konzeptualisiert, Daten zu deren Messung erhoben und diese für die statistische Analyse aufbereitet. Auf dieser Grundlage werden nun die zentralen Annahmen dieser Untersuchung getestet, wobei bezugnehmend auf das einleitende Zitat von einem erweiterten Matthäus-Effekt ausgegangen wird. Wesentlich wird erwartet, dass die unterschiedliche Netzwerkeinbindung differenzieller Statusgruppen politische Beteiligungsunterschiede bedingt und sonach soziale Verzerrungen im politischen Sektor erklärt. Zur statistischen Überprüfung dieser Grundannahme werden zunächst deskriptive Ergebnisse erörtert (vgl. Abschnitt 5.1), die unter anderem als Ausgangspunkt für die nachfolgende hypothesentestende Untersuchung fungieren (vgl. Abschnitt 5.2).Footnote 1

5.1 Deskriptive Ergebnisse

Die deskriptive Auswertung liefert einen prägnanten Überblick über Stichprobenmerkmale, die Ausprägungen zentraler Variablen und Skalen sowie deren Verteilungen. Zudem wird ein erster Vergleich der Primäreinheiten angestrebt. Ausgangspunkt dieser Analysen ist eine Stichprobengröße von N = 314, die sich aus 142 Befragten aus Hahnwald und 172 aus Chorweiler zusammensetzt.

Der Altersdurchschnitt ist mit 57,91 Jahren (SD = 17,45; N = 309; vgl. Abschnitt 4.6.2) vergleichsweise hoch, wobei die Befragten aus Hahnwald im Durchschnitt rund 5 Jahre älter sind als die Befragten aus Chorweiler. Insgesamt weist das Alter eine zweigipflige, flache und deutlich linksschiefe Verteilungskurve auf, was in der weiteren statistischen Analyse zu beachten ist. Die Altersverteilung nach Geschlecht demonstriert ferner, dass die weiblichen Befragten überwiegend aus der hier mittleren Altersklasse (50–59) rekrutiert wurden, wohingegen bei den Männern tendenziell eine Verschiebung in die nächsthöheren Kategorien angezeigt ist (vgl. Abbildung 5.1). Die Tatsache, dass jene Altersklassen grundsätzlich mit einem höheren Freizeitbudget jenseits beruflicher oder anderer zeitlicher Verpflichtungen verbunden sind, scheint demnach für die Männer noch relevanter zu sein als für die Frauen. Insgesamt resultiert die berichtete Rechtssteilheit der Altersverteilung folglich aus der überproportional hohen Beteiligung von Personen im Rentenstatus (vgl. Reuband 2001: 320).Footnote 2 Die Verteilung der Geschlechter offenbart zudem eine leichte Überrepräsentanz weiblicher Befragte (55 %).

Abbildung 5.1
figure 1

Altersverteilung nach Geschlecht (absolute Häufigkeiten)

Sozioökonomische Ressourcen

Im Weiteren werden die Verteilungen der sozioökonomischen Ressourcen Bildung, Einkommen und Berufsprestige inspiziert (vgl. Tabelle 5.1). Die mittlere Bildung liegt zunächst bei 13,8 Ausbildungsjahren. Dieses hohe Bildungsniveau äußert sich in einer starken Linksschiefe der Verteilung und ist maßgeblich auf die überdurchschnittlich hohe Formalbildung der Befragten aus Hahnwald zurückzuführen. Mit rund 77 % Akademikerinnen und Akademikern ist die Bildungsvarianz in diesem Stadtteil vergleichsweise gering, was die weiteren Ergebnisse durchaus beeinflussen könnte. Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch das Bildungsniveau der Befragten aus Chorweiler weit über dem allgemeinen Durchschnitt des Stadtteils liegt (vgl. Abschnitt 4.6.2).

Deutlicher gestalten sich derweil Unterschiede im stadtteilspezifischem Pro-Kopf-Einkommen. Während die Hälfte der Befragten aus Chorweiler ein Einkommen bis maximal 884 € netto aufweist, liegt der Median in Hahnwald bei 3.354 €. Unter Berücksichtigung des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens ordnet sich gar die Hälfte der Befragten aus Hahnwald der höchsten Kategorie zu (> 6.000 €). Insgesamt ergibt sich für diese Stichprobe ein mittleres Äquivalenzeinkommen von 2.159 €. Aufgrund der rechtsschiefen Verteilungskurve ist diese Variable für multivariate Analysen zu logarithmieren.

Tabelle 5.1 Sozioökonomische Ressourcen nach Stadtteil und gesamt (Mittelwerte)

Tabelle 5.1 illustriert zudem das Berufsprestige, dessen mittlere Ausprägungen die stadtteilbezogenen Unterschiede in Bildung und Einkommen anschaulich widerspiegeln. Aufgrund der geringen Fallzahlen ist diese Variable in der weiteren Untersuchung jedoch nicht zu berücksichtigen (N = 110). Das Merkmal Status bezeichnet ferner eine Skala, die sich aus den standardisierten Variablen Bildung und Einkommen zusammensetzt. In Einklang mit den berichteten Befunden ist anhand der relativen Skalenpositionen ein überdurchschnittlich hoher Sozialstatus für die Befragten aus Hahnwald (0,67) und ein unterdurchschnittliches Niveau der Personen aus Chorweiler abzuleiten (−0,56). Es ist im weiteren Verlauf zu prüfen, ob diese Skala sinnvoll zur Hypothesentestung eingesetzt werden kann. Da das Einkommen größere Variationen als die Bildungsvariable aufweist, erscheint an dieser Stelle eine Differenzierung zwischen Bildung und Einkommen informationsreicher als die Verwendung der Skala.

Soziale Netzwerke

Im Rahmen formeller Netzwerke berichten 146 Befragte, Mitglied in einem Verein oder einer Organisation zu sein (46,8 %). Von diesen Personen weisen 27 % multiple Mitgliedschaften auf, sodass sich schließlich ein Stichprobenmittelwert von 1,02 Vereinen je Untersuchungseinheit ergibt (SD = 1,52; N = 312). Während dieser Mittelwert auf einer additiven Skala beruht, ergäbe sich unter Berücksichtigung der Anzahl abgefragter Vereine (Mittelwertskala) ein Durchschnittswert von 0,06 Vereinen pro Person. Obgleich in der hypothesentestenden Analyse Bezug auf den Summenscore genommen wird, ist dieser geringe Wert als weiteres Indiz für eine abnehmende Bedeutung individueller Vereinsmitgliedschaften zu erinnern (vgl. Abschnitt 3.5). Unterstützt wird dieses Argument durch die Tatsache, dass sich nur zwei Drittel der Vereinsmitglieder in irgendeiner Form aktiv am Vereinsgeschehen beteiligen (vgl. Abbildung 5.2). Aufgrund der hohen Anzahl an Nichtmitgliedern (N = 166) weist die Verteilung der formellen Netzwerke eine deutliche Rechtsschiefe auf. Sofern sich in den weiteren Analysen keine methodischen Probleme offenbaren, werden diese realen Ergebnisse aber nicht durch Transformationen manipuliert. Des Weiteren ermöglicht der Blick auf die Verteilungen in den Stadtteilen bereits erste Vermutungen über die behandelten Zusammenhänge. So weisen die Befragten aus Hahnwald analog zur sozioökonomischen Ressourcenausstattung durchschnittlich mehr Vereinsmitgliedschaften auf, in denen sie zudem eher aktiv involviert sind, als die Befragten aus Chorweiler (vgl. Abbildung 5.2). Diese Beobachtungen gilt es im Rahmen der schließenden Statistik zu untermauern.

Abbildung 5.2
figure 2

Vereinsmitgliedschaften und Mitgliedschaftsstatus nach Stadtteil und gesamt (absolute Häufigkeiten)

Die Betrachtung der einzelnen Vereinsformen offenbart indes ein deutliches Übergewicht des expressiven Typus, wobei zahlenmäßig insbesondere die Mitgliedschaften in Sportvereinen herauszustellen sind (N = 68; vgl. Abbildung 5.3). Mit Abstrichen sind aus dieser Kategorie ferner Kultur- und Karnevalsvereine zu nennen, in denen hauptsächlich Personen aus Hahnwald vertreten sind. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Mitgliedschaft in einem Karnevalsverein in Köln nicht nur freizeitbasierten, sondern häufig auch zweckorientierten Motiven unterliegt. Die Zuordnung dieses Vereins zum expressiven Typus erscheint daher durchaus diskussionswürdig und ist im Weiteren aufzugreifen. Darüber hinaus engagieren sich die Befragten aus Hahnwald überproportional häufig in instrumentellen Vereinen, wobei die Mitgliedschaften in Umwelt-, Natur- oder Tierschutzorganisation und Berufsorganisationen vollständig diesem Stadtteil entstammen. Hingegen stellen die Befragten aus Chorweiler den Großteil der Gewerkschaftsmitglieder und sind ebenfalls häufiger in Seniorenvereinen (Gemischter Verein) anzutreffen. Letztere sind allerdings aufgrund der extrem schwachen Besetzung nur wenig relevant. Insgesamt sind die Vereine demnach bis auf wenige Ausnahmen durch eine zum Teil deutliche Überrepräsentanz der Befragten aus Hahnwald gekennzeichnet.

Abbildung 5.3
figure 3

Vereinstypen und -formen nach Stadtteil (absolute Häufigkeiten)

Die eher schwache Vereinstätigkeit bekräftigt ferner das Argument einer notwendigen Verschiebung des Forschungsschwerpunktes hin zu informellen Beziehungsnetzwerken. In dieser Untersuchung nennen die Befragten im Mittel rund 10 Netzwerkkontakte (SD = 8,07; N = 268), von denen etwa die Hälfte schwächere Beziehungen aus dem Freizeitbereich beschreiben (Freizeit und Interessen: x̅ = 5,13; SD = 4,79; N = 252; vgl. Abbildung 5.4). Der quantitative Unterschied zur starken Beziehungsdimension (Rat bei wichtigen Entscheidungen: x̅ = 3,38; SD = 3,37; N = 261) ist durchaus erwartungskonform, da persönliche Angelegenheiten in der Regel nur mit wenigen emotional nahestehenden Personen besprochen werden. Zusätzlich ist in Betracht zu ziehen, dass womöglich nicht alle Befragte in dem Zeitrahmen mit wichtigen Entscheidungen konfrontiert wurden. Damit bestätigt sich aller Voraussicht nach die Perspektive, dass die Namensinterpretatoren sowohl für schwache als auch starke Beziehungskonstellationen greifen (vgl. Abschnitt 4.3.1). Der geringe Durchschnittswert des Teilnetzwerkes Hilfe bei praktischen Arbeiten (x̅ = 1,62; SD = 2,10; N = 255) mag unter Umständen auf das Erhebungsinstrument zurückzuführen sein. Da das Ausfüllen und Erinnern von einigen Befragten als sehr aufwendig beschrieben wurde, ist eine gesunkene Motivation bei dem letzten Namensgenerator ebenso zu bilanzieren wie ein allgemein geringerer Bedarf an praktischer Unterstützung. Alles zusammengenommen weist die Verteilung der Netzwerkpersonen eine deutliche Rechtsschiefe auf, da der Großteil der Befragten kleinere Netzwerke berichtet und sehr große Bekanntenkreise im Gegenzug nur selten beschrieben werden.

Abbildung 5.4
figure 4

Anzahl an Netzwerkpersonen in Gesamt- und Teilnetzwerken nach Stadtteil und gesamt (Mittelwerte)

Darüber hinaus eröffnen auch die informellen Netzwerke augenfällige Mittelwertunterschiede zwischen den Stadtteilen, die in Einklang zu den vorherigen Befunden stehen (vgl. Abbildung 5.4). So benennen die Befragten aus Hahnwald durchschnittlich 12 Personen (SD = 8,93; N = 120), wohingegen die Befragten aus Chorweiler im Durchschnitt lediglich 8 Personen zu ihrem Netzwerk zählen (SD = 6,77; N = 148). Die Angaben zur Netzwerkgröße werden in der weiteren empirischen Auseinandersetzung um qualitative Kriterien der sozialen Integration ergänzt, die an dieser Stelle jedoch nicht deskriptiv erörtert werden (i. E. geografische Reichweite und soziale Zusammensetzung).

Politische Partizipation

Die standardisierte Partizipationsskala bestätigt die nunmehr bekannten Stadtteildifferenzen für den politischen Bereich. Während die politische Beteiligung in Hahnwald überdurchschnittlich hoch ausfällt (x̅ = 0,18; SD = 0,55; N = 124), ist für Chorweiler eine unterdurchschnittliche Beteiligungsrate zu konstatieren (x̅ = −0,19; SD = 0,57; N = 148). Diese Feststellung geht mit den theoretischen Erörterungen wie Stadtteildarstellungen weitestgehend konsistent (vgl. Abschnitt 4.1). Der auch in dem Ausmaß nicht unerwarteten Rechtsschiefe der Verteilung politischer Partizipation wird zunächst nicht mit Transformationen begegnet. Jedoch ist es im Rahmen der regressionsanalytischen Verfahren unabdingbar, potenzielle Verzerrungen in der Residuen-Normalverteilung zu prüfen und gegebenenfalls aufzufangen.

Ein Vergleich der politischen Subskalen illustriert die durchschnittlich häufigste Nutzung konventioneller Teilhabemittel – und zwar in beiden Stadtteilen (vgl. Abbildung 5.5). Dieser Befund ist mit Blick auf die gesellschaftlichen Verteilungsmuster politischer Partizipation wenig überraschend, beinhaltet dieser Typus doch unter anderem die Beteiligungsformen Wählen und Unterschriftensammlung (vgl. Abschnitt 2.1.3). Ebenfalls in Übereinstimmung zu allgemeinen Trends steht die mit Abstand geringste Nutzungshäufigkeit der als unkonventionell charakterisierten Mittel. Es ist anzumerken, dass diese Subskala die einzige nicht-legale Aktivität beinhaltet (Blockade/Besetzung), wodurch die tatsächliche wie auch die berichtete Beteiligung geschmälert werden könnte. Im Stadtteilvergleich stellt diese Skala ferner den einzigen Partizipationstypus dar, in dem die mittleren Werte der Befragten aus Chorweiler, wenn auch nur minimal, über den Beteiligungsraten aus Hahnwald liegen. Gemessen auf der ursprünglichen 4er-Skala liegt die durchschnittliche Partizipation insgesamt bei 1,79 (SD = 0,59; N = 270) und es werden 18 Parteimitgliedschaften gezählt, von denen 15 in Hahnwald angesiedelt sind.

Abbildung 5.5
figure 5

(Anmerkungen: Aus Darstellungsgründen wurden jeweils die unstandardisierten Skalen herangezogen (Wertebereich: 1–4). Demnach ist die Mitgliedschaft in einer politischen Partei nicht in der allgemeinen sowie der traditionellen Partizipation enthalten)

Politische Partizipation und politische Subskalen nach Stadtteil und gesamt (Mittelwerte)

Unter Betrachtung der spezifischen Beteiligungsmöglichkeiten bestätigt sich derweil die generelle Tendenz, dass politische Aktivität stark mit dem verbundenen Aufwand und dem individuellen Einsatz assoziiert ist (vgl. Abbildung 5.6). Darüber hinaus weisen die Zustimmungswerte deutliche Übereinstimmungen zu den Ergebnissen des ALLBUS 2018 auf (vgl. Abschnitt 2.1.3). Exemplarisch seien die Beteiligung an Wahlen (83 %; ALLBUS: 87 %), Unterschriftensammlungen (50 %; 58 %) und die Mitarbeit in einer politischen Partei (13 %; 7 %) genannt. Als auffallend hoch ist in diesem Zusammenhang die Wahlbeteiligung in Chorweiler (68,9 %) zu charakterisieren, welche die Stadtteilquoten der Bundestagswahl 2013 (42,5 %) sowie der Landtagswahl 2017 (31,9 %) deutlich übersteigt. Dies ist zum einen über die hier verwendete Variable zu erklären, die nicht nur die aktuelle, sondern auch die lebenszeitliche Wahlbeteiligung erfasst. Zum anderen spiegelt der Befund die Tatsache, dass für sozialwissenschaftliche Studien vor allem interessierte und engagierte Personen rekrutiert werden, wodurch immer auch Fragen nach der Generalisierbarkeit aufgeworfen werden.

Abbildung 5.6
figure 6

(Anmerkungen: Berichtet werden die relativen Häufigkeiten der Skalenwerte 3 = irgendwann einmal gemacht und 4 = in den letzten 2 Jahren gemacht. Aus Darstellungsgründen reicht der Wertebereich in Chorweiler nur bis 75 %. Die Beteiligung an Wahlen geht mit einer reduzierten Stichprobengröße ein: N = 180; Hahnwald: N = 90; Chorweiler: N = 90)

Politische Partizipationsformen nach Stadtteil und gesamt (in Prozent)

Aufschlussreich gestaltet sich zuletzt ein Vergleich der Parteipräferenzen, wobei sich insgesamt die CDU (35 %) und die SPD (20 %) als die von den Befragten favorisierten politischen Parteien herauskristallisieren (vgl. Abbildung 5.7). Die im Mittel präsentierten Vorlieben beinhalten jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Stadtteilen. So neigen in Hahnwald rund zwei Drittel der Befragten politisch der CDU und rund 20 % der FDP zu, wohingegen in Chorweiler die SPD (34 %) die höchsten Zustimmungswerte erzielt. Besonders häufig wird zudem auf keine Parteipräferenz verwiesen (30 %). Indes werden die hohen Quoten der AfD, die auf Basis der Bundestagswahl 2017 in diesem Stadtteil erwartet wurden, nicht vollständig reproduziert (6 %; 2017: 18 %; vgl. Stadt Köln 2017b). In summa spiegeln die differierenden Parteipräferenzen weitestgehend die spezifischen Lebenswelten der Anwohnenden beider Stadtteile wider.

Abbildung 5.7
figure 7

Politische Parteipräferenzen nach Stadtteil und gesamt (in Prozent)

Zusammenfassend entsprechen die berichteten Häufigkeiten, Mittelwerte und Verteilungen mehrheitlich den erwarteten Annahmen (vgl. Abschnitt 3.5). Eine Beziehung zwischen sozioökonomischen Ressourcen, sozialen Netzwerke und politischer Beteiligung erscheint auf dieser Basis zwar wahrscheinlich, ist anhand der deskriptiven Darstellungen aber nicht zu belegen. Im Folgenden wird daher eine hypothesentestende Untersuchung anhand inferenzstatistischer Verfahren angestrebt. Im Zuge dessen ist stets abzuwägen, inwieweit sich berichtete nicht-normalverteilte Daten als problematisch für die gewählten Analysemethoden erweisen.

5.2 Ergebnisse der Hypothesentests

Die hypothesentestende Untersuchung fokussiert zunächst Individualzusammenhänge zwischen sozialen Statusvariablen und individueller Netzwerkeinbindung (vgl. Abschnitt 5.2.1) und widmet sich daraufhin dem politisch-partizipatorischen Mehrwert sozialen Kapitals (vgl. Abschnitt 5.2.2). Angesicht der geringen Fallzahlen und zugunsten robusterer Ergebnisse wird in diesen Analysen auf eine Gegenüberstellung der Stadtteile verzichtet. Sozialräumliche Einflussfaktoren der sozialen und politischen Einbindung werden schließlich in Abschnitt 5.2.3 behandelt. Anzumerken ist, dass Hypothesen in Querschnittsuntersuchungen nicht kausal getestet werden können, sondern lediglich die Kompatibilität der Daten mit den Annahmen zur Kausalität überprüfbar ist (vgl. Wittenberg et al. 2014: 171).

5.2.1 Sozioökonomische Ressourcen und soziale Netzwerkeinbindung

Entlang der ersten untersuchungsleitenden These wird im Folgenden ein Einfluss der sozioökonomischen Ressourcenausstattung auf die formelle (vgl. Abschnitt 5.2.1.1) sowie informelle Netzwerkeinbindung (vgl. Abschnitt 5.2.1.2) geprüft. Daran anschließend werden die statistischen Ergebnisse zusammengefasst und im Hinblick auf die Bewertung der Hypothesen diskutiert (vgl. Abschnitt 5.2.1.3). In Abhängigkeit des Messniveaus der abhängigen Variable werden zur Hypothesentestung vorwiegend lineare respektive logistische Regressionsverfahren eingesetzt. Im formellen Bereich fungieren die Anzahl an Vereinsmitgliedschaften, die Aktiv- und Passivmitgliedschaften sowie die definierten Vereinstypen als abhängige Variablen. Im informellen Kontext stellen aufeinanderfolgend die Netzwerkgröße, die geografische Reichweite und die soziale Zusammensetzung die zu erklärenden Merkmale dar (vgl. Tabelle 5.2). Die zentralen unabhängigen Variablen bilden jeweils die sozioökonomischen Ressourcen Bildungsjahre und Einkommen, wohingegen das berufliche Prestige nicht zu berücksichtigen ist (vgl. Abschnitt 5.1). Zusätzlich wird ein Einfluss jener Größen überprüft, denen ein theoretischer Erklärungsgehalt auf den Zusammenhang zwischen Ressourcenausstattung und sozialer Vernetzung unterstellt wurde. Diese Merkmale tangieren die erste Erklärungsstrategie und werden im Folgenden unter dem Stichwort Erklärungsfaktoren gefasst (vgl. Abschnitt 3.4.1; Anhang B.1 im elektr. Zusatzmaterial). Darüber hinaus werden verschiedene soziodemografische Hintergrundvariablen, die Einladung zu einer Vereinsmitgliedschaft (Analysen formeller Netzwerke) sowie Vereinsmitgliedschaften und informelle Gruppierungen (Analysen informeller Netzwerke) standardmäßig kontrolliert.

Tabelle 5.2 Deskriptive Statistiken für die Variablen des ersten Untersuchungsmodells

5.2.1.1 Statusabhängigkeit formeller Netzwerkstrukturen

Im Rahmen der deskriptiven Erörterungen wurden bereits erste Vermutungen über statistische Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Ressourcen und formellen Netzwerken hergestellt, die sich auf bivariater Ebene bestätigen lassen. So sind hochsignifikant positive Beziehungen zwischen der Anzahl individueller Vereinsmitgliedschaften und der Bildung (r = ,293; p < 0,001) sowie dem Einkommen (r = ,407; p < 0,001) einer Person nachzuweisen.Footnote 3 Anhand einfaktorieller Varianzanalysen werden nun Unterschiede zwischen Einkommens- und Bildungsgruppen bezogen auf die formelle Vernetzung sowie die theoretisierten Erklärungsfaktoren untersucht. Die Klassierung des Einkommens erfolgt auf Basis annähernd gleicher Gruppengrößen, die Bildung wird anhand des höchsten Schulabschlusses kategorisiert. Die ordinalskalierten Merkmale religiöse Integration und Einladung gehen dichotomisiert in die Analyse ein, um vergleichbar zum vorausgesetzten metrischen Skalenniveau gehandhabt werden zu können. Getestet werden Mittelwertunterschiede, wobei im Falle ungleicher Varianzen auf das robustere Testverfahren nach Welch zurückgegriffen wird (vgl. Bortz/Schuster 2010: 214; Lüpsen 2015: 21 f., 130).Footnote 4 Bei signifikanten Gruppenunterschieden wird anhand von Post-Hoc-Tests überprüft, welche Einkommens- beziehungsweise Bildungsgruppen statistisch bedeutsame Unterschiede aufweisen.

Die Einkommensgruppen unterscheiden sich erwartungsgemäß substanziell im Hinblick auf die Anzahl der Vereinsmitgliedschaften (F = 27,76; p < 0,001). Dieser Zusammenhang gestaltet sich positiv linear (rsEinkommen (klassiert) Mitgliedschaften = ,474; p < 0,001) und alle Kategorien sind durch signifikante Mittelwertunterschiede gekennzeichnet (vgl. Tabelle 5.3). Im Gegensatz dazu sind für die stadtteilbezogene und auch die religiöse Integration keine statistisch relevanten Differenzen in Abhängigkeit des Einkommens nachzuweisen, wobei dieser Befund ihrer Theoretisierung als ressourcenunabhängige Opportunitäten entspricht. Für die Skala Trubel sowie die Wohndauer sind zwar wiederum signifikante Unterschiede aufzuzeigen, jedoch demonstriert der Gruppenvergleich in beiden Fällen nichtlineare Zusammenhänge. In Bezug auf die Wohndauer ist ferner auf die hohe durchschnittliche Ortsgebundenheit der Befragten (20,9 Jahre) zu verweisen, die vornehmlich auf die große Anzahl alter und älterer Befragte zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint die Integration in den eigenen Wohnort weitaus bedeutungsvoller für die soziale Einbindung als die bloße Wohndauer, die überdies nur schwach mit der Stadtteilintegration korreliert (r = ,101). Da sich für die Wohndauer – im Gegensatz zur Skala Trubel – im Weiteren keine statistischen Zusammenhänge zur Anzahl der Vereinsmitgliedschaften aufzeigen lassen (r = 0,34), findet dieses Merkmal zumindest vorerst keine Berücksichtigung mehr. Die übrigen Erklärungsfaktoren weisen erkennbare Abhängigkeiten vom Einkommen auf, sodass sie möglicherweise zwischen der monetären Ressource und einer Vereinstätigkeit interagieren.

Tabelle 5.3 Mittelwertvergleiche der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften und der Erklärungsfaktoren zwischen Gruppen mit geringem, mittlerem und hohem Einkommen

Aufgrund der hohen Anzahl an Befragten mit akademischem Abschluss (N = 158) sind auf Basis der Bildungsressource nur extrem ungleich große Gruppen zu bilden, was die Ableitung haltbarer Aussagen erschwert. Jedoch darf auch hier wenigstens näherungsweise von relevanten Gruppenunterschieden in Bezug auf Vereinsmitgliedschaften, Erwerbstätigkeit, Lebenszufriedenheit und Vereinseinladungen ausgegangen werden (vgl. Anhang C.1 im elektr. Zusatzmaterial). In Einklang mit der Hypothese gestaltet sich der Zusammenhang zwischen Bildungsgruppen (höchster Schulabschluss) und der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften positiv linear wie auch der Rangkorrelationskoeffizient rs = ,283 (p < 0,001) veranschaulicht.

Das Erklärungspotenzial der einzelnen Faktoren und ihr Zusammenspiel ist nun im Rahmen einer linearen Regressionsanalyse zu prüfen. Dabei werden die einzelnen Variablenkomplexe nacheinander in Abhängigkeit ihrer angenommenen Relevanz für die abhängige Variable in das Modell eingefügt (vgl. Tabelle 5.4). Bezüglich der soziodemografischen Merkmale ist zum einen zu erwarten, dass sich Männer häufiger als Frauen in Vereinen engagieren, zum anderen ist eine besonders hohe soziale Beteiligung in den mittleren Altersklassen wahrscheinlich (vgl. Erlach 2005: 37 f.; Putnam 2000: 195). Da bivariate Untersuchungen diese Einschätzungen stützen, geht das Alter mehrfach dummy-kodiert in die Analyse ein.Footnote 5 Ferner ergibt die Residuendiagnose neun Fälle, die mindestens drei Standardabweichungen von der mittleren Anzahl an Vereinsmitgliedschaften abweichen. Diese werden temporär aus der statistischen Analyse ausgeschlossen, wodurch sich die Residuenverteilung einer Normalverteilung annähert.

Tabelle 5.4 Lineare Regression der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren und demografische Merkmale

Das Einkommen übt einen starken positiven Einfluss auf die Anzahl der Vereinsmitgliedschaften aus (β = ,42; p < 0,001), wohingegen sich der Bildungseffekt zwar ebenfalls positiv, aber nicht signifikant gestaltet (β = ,10; Modell 1). Dies bekräftigt im Wesentlichen die gruppenspezifischen Befunde der Varianzanalysen. Bezüglich der theoretisierten Erklärungsfaktoren ist im zweiten Modell insbesondere eine Relevanz der Stadtteilintegration herauszustellen. Die Einbindung in das eigene Wohngebiet besitzt mit β = ,14 (p < 0,05) einen positiven Einfluss auf die Vereinsmitgliedschaften, der auch unter Einbezug aller weiteren Merkmale statistisch signifikant bleibt. Da die Einbindungen in das lokale und religiöse Umfeld sowohl theoretisch als auch empirisch als ressourcenunabhängig zu werten sind, kommt ihnen aber kein Beitrag zur Erklärung einer statusabhängigen Vernetzung zu (vgl. Tabelle 5.3; Anhang C.1 im elektr. Zusatzmaterial). Diese Rolle mag indes der allgemeinen Lebenszufriedenheit zuzuschreiben sein, die in diesem Modell zwar keinen signifikanten Einfluss besitzt, wohl aber auf bivariater Ebene überaus positiv mit dem Einkommen (r = ,533; p < 0,001), der Bildung (r = ,345; p < 0,001) und auch den Vereinsmitgliedschaften (r = ,359; p < 0,001) korreliert. Die übrigen Faktoren sind zur Erklärung individueller Vereinsmitgliedschaften weithin zu vernachlässigen. Auch die soziodemografischen Merkmale erweisen sich im dritten Modell mehrheitlich als bedeutungsschwach, wobei weder ein Einfluss des Geschlechts noch der angenommene umgekehrt U-förmige Verlauf des Alters aufzuzeigen sind. Tatsächlich demonstrieren beide älteren Kategorien tendenziell eine höhere Vereinsaktivität als die jüngste Altersklasse. Neben der Haushaltsgröße (β = ,17; p < 0,05) stellt die Migration schließlich eine der wichtigsten Variablen dar (β = −,17; p < 0,01) und auch die persönliche Einladung zu einer Vereinsteilhabe (Modell 4) ist hochsignifikant positiv mit der Anzahl an Mitgliedschaften assoziiert (β = ,16; p < 0,01). Nichtsdestotrotz verbleibt das Einkommen auch im Gesamtmodell die substanziell stärkste Erklärungsgröße multipler Vereinsmitgliedschaften (β = ,29; p < 0,001), wobei insgesamt rund 30 % der Varianz aufgeklärt werden können. Das Ergebnis der Regressionsanalyse bietet des Weiteren ein belastbares Argument, die Ressourcen Einkommen und Bildung einzeln anstelle der Statusskala zu verwenden.Footnote 6

Ein relevantes Kriterium formeller Netzwerkeinbindung ist weiter die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Mitgliedschaften (vgl. Tabelle 5.2). Diesbezüglich belegen bivariate Analysen eine deutlich stärkere Verknüpfung der sozioökonomischen Ressourcen zu den Aktiv- (r Bildung = ,222; p < 0,001 und r Einkommen = ,274; p < 0,001) als zu den Passivmitgliedschaften (r Bildung = ,015 und r Einkommen = ,098). Um die Erklärungskraft der Ressourcen sowie der Erklärungsfaktoren auf den Mitgliedschaftsstatus bewerten zu können, wird eine multinomiale logistische Regression geschätzt. Im Zuge dieser Analyse gilt zu ermitteln, welche Merkmale die Wahrscheinlichkeit einer aktiven respektive passiven Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zur Referenzkategorie keine Mitgliedschaft beeinflussen. Eine Gegenüberstellung der aktiven und passiven Mitgliedschaften im Rahmen eines binären logistischen Modells wäre an dieser Stelle aufschlussreich, ist in Anbetracht der berichteten Fallzahlen aber nicht zweckmäßig. Aufgrund fehlender Zusammenhänge ist die Variable Erwerbstätigkeit nunmehr ebenso wenig Bestandteil dieser Analyse wie die Wohndauer (vgl. Tabelle 5.5).

Tabelle 5.5 Multinomial-logistische Regression des Mitgliedschaftsstatus auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren und demografische Merkmale

Das erste Modell repliziert die Ergebnisse der vorherigen Analyse für beide Mitgliedschaftsstatus. Während der Bildung nahezu kein Einfluss zukommt, erhöht sich mit dem Einkommen signifikant die Chance, passives oder aktives Vereinsmitglied im Vergleich zu keinem Mitglied zu sein. Dies gilt in der Tendenz deutlicher für die Wahrscheinlichkeit einer aktiven (Exp (B) = 3,81; p < 0,001) denn einer passiven Mitgliedschaft (Exp (B) = 2,41; p < 0,001). Darüber hinaus offenbaren sich in den folgenden Modellen aufschlussreiche Erkenntnisse über die Verknüpfung diverser Befragtenmerkmale und dem Mitgliedschaftsstatus. Zum einen bekräftigt sich im zweiten Modell die Ressourcenunabhängigkeit der wohnortbezogenen und religiösen Einbindungen, die jedoch unterschiedliche Bedeutungen für die individuelle Teilhabe besitzen. So begünstigt die Stadtteilintegration vor allem die Wahrscheinlichkeit einer passiven Mitgliedschaft (Exp (B) = 2,01; p < 0,01), wohingegen sich die Einbindung in religiöse Institutionen positiv auf eine aktive Mitgliedschaft auswirkt (Exp (B) = 2,42; p < 0,01). Diese Zusammenhänge bleiben auch im Gesamtmodell statistisch bedeutungsvoll. Zum anderen sind unterschiedliche Effekte bezüglich soziodemografischer Merkmale hervorzuheben. Für die jüngeren Befragten ist vornehmlich keine Vereinsmitgliedschaft am wahrscheinlichsten, indes mit steigendem Alter die Erwartung einer passiven Mitgliedschaft beachtlich ansteigt und in der höchsten Altersklasse entsprechend am stärksten ausfällt (Exp (B) = 4,94; p < 0,01). Für die aktiven Mitgliedschaften zeigt sich das gleiche Muster, verbleibt in dem Fall aber ohne Signifikanz. Ferner bestätigt sich Putnams Feststellung (2000: 195), dass Männer zwar zu mehr Organisationen gehören, Frauen jedoch mehr Zeit in diesen verbringen, nicht – jedenfalls sofern Zeit gleichbedeutend mit Aktivität gewertet wird. Vielmehr erhöht das Merkmal männlich tendenziell die Wahrscheinlichkeit zu beiden Mitgliedschaftstypen zu gehören. Schlüssig ist darüber hinaus der signifikant negative Einfluss der Migration auf eine aktive Mitgliederrolle. Alles zusammengenommen erklärt das Gesamtmodell 26 % der Varianz des Mitgliedschaftsstatus, wobei das Einkommen den substanziell stärksten Prädiktor einer aktiven Vereinsmitgliedschaft darstellt (Exp (B) = 2,82; p < 0,01). Für eine passive Mitgliedschaft sind darüberhinausgehend maßgeblich ein hohes Alter sowie eine vorherige Mitgliedschaftseinladung relevant für deren Auftreten (Exp (B) = 4,70; p < 0,01).

Neben der Differenzierung in aktive und passive Mitgliedschaften bildet die Analyse unterschiedlicher Vereinstypen einen wesentlichen Aspekt formeller Netzwerke ab. Zu diesem Zweck wurden im Vorfeld drei Vereinstypen gebildet, denen die einzelnen Assoziationen theoriegeleitet zugeordnet wurden. Auf bivariatem Niveau deuten sich zunächst nur geringfügige Unterschiede zwischen instrumentellen und expressiven Mitgliedschaften an, die beide vergleichsweise stark mit den Ressourcen verknüpft sind (Instrumentell: r Bildung = ,245; p < 0,001 und r Einkommen = ,398; p < 0,001; Expressiv: r Bildung = ,241; p < 0,001 und r Einkommen = ,380; p < 0,001). Demgegenüber sind die Beziehungen zwischen der Anzahl gemischter Vereine und der Bildung (r = ,195; p < 0,01) sowie dem Einkommen (r = ,175; p < 0,01) weniger stark ausgeprägt. Im Hinblick auf die multivariate Testung jener Zusammenhänge ist eine multinomiale logistische Regression mit dem Vereinstypus als abhängige Variable an dieser Stelle nicht durchzuführen. Die Kategorien dieser Variable beinhalten jeweils nur Befragte, die eindeutig, überschneidungsfrei und somit ausschließlich einem Vereinstypus zugeordnet werden können. Die daraus resultierenden Gruppengrößen sind für eine angemessene Ergebnisinterpretation nicht ausreichend (vgl. Tabelle 5.2). Zugunsten höherer Fallzahlen werden im Folgenden für jeden Vereinstypen einzelne binäre logistische Regressionsmodelle geschätzt und deren Ergebnisse miteinander verglichen (Referenzkategorien = kein Verein). Da sich nun jedoch die Einflüsse kategorienübergreifender Mitgliedschaften überlagern können, dürfen die Interpretationen bestenfalls näherungsweise erfolgen (vgl. Tabelle 5.6).Footnote 7

Tabelle 5.6 Binär-logistische Regressionen der instrumentellen, expressiven und gemischten Vereinsmitgliedschaften auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren und demografische Merkmale

Grundlegend ist für alle Vereinstypen wiederholt das Muster eines indirekten Bildungs- und eines direkten Einkommenseffektes nachzuweisen. Obgleich monetäre Ressourcen damit die Wahrscheinlichkeiten aller Mitgliedschaftstypen im Vergleich zu keiner Mitgliedschaft signifikant positiv beeinflussen, unterscheiden sich die Modelle erkennbar im Hinblick auf die Anteile aufgeklärter Varianz. Der größte Erklärungsbeitrag ist für die instrumentellen Mitgliedschaften festzustellen (Pseudo-R2 = ,21), wohingegen das Auftreten gemischter Vereinsmitgliedschaften nur zu rund 6 % über die Ressourcen erklärt werden kann. Aufschlussreich gestaltet sich in dieser Analyse ferner die Rolle der sozialen Kompetenzen. Da diese nunmehr die Chancen, Mitglied in einem instrumentellen Verein zu sein, signifikant positiv lenken (Exp (B) = 4,18; p < 0,05), ist diesem Typus eine hohe Bedeutung kommunikativer und prosozialer Fähigkeiten zuzuschreiben. Ebenfalls fällt für diese Vereinsform der negative Einfluss der Migration besonders stark ins Gewicht (Exp (B) = 0,14; p < 0,01). Die unterschiedlichen Effektkoeffizienten des Merkmals Geschlecht erklären indes in Teilen den fehlenden Einfluss dieser Variable auf die Gesamtzahl an Vereinsmitgliedschaften (vgl. Tabelle 5.4). So übt das Merkmal männlich eine überaus positive Wirkung auf die Wahrscheinlichkeit einer instrumentellen Mitgliedschaft aus, während in gemischten Vereinen eher Frauen vertreten sind. Dieser Umstand ist nicht zuletzt auf den Einschluss des Frauenvereins in diese Kategorie zurückzuführen. Da dieser Typus ebenfalls religiöse/kirchliche Organisationen beinhaltet, sind vergleichbare Effekte hinsichtlich des relativ hohen Einflusses der religiösen Integration anzunehmen. Insgesamt übt das Einkommen den stärksten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer instrumentellen im Vergleich zu keiner Mitgliedschaft aus, wobei auch im Gesamtmodell ein hochsignifikanter Effekt angezeigt ist. Ebenfalls positiv gestaltet sich der Einfluss jener Ressource auf den expressiven Typus, wohl aber erweisen sich ein hohes Alter und eine Vereinseinladung nachweisbar als effektstärker. In Bezug auf die gemischt ausgerichteten Vereine nehmen die finanziellen Aspekte indes eine nachgeordnete Stellung hinter der wohnortbezogenen und religiösen Integration ein. Bemerkenswert ist darüber hinaus der geringe Erklärungsbeitrag dieses Modells (Pseudo-R2 = 0,18), der lediglich halb so hoch ausfällt wie im instrumentellen Modell (Pseudo-R2 = 0,34).

Abschließend lassen sich für alle formalen Netzwerkaspekte deutliche Differenzen zwischen den Stadtteilen Hahnwald und Chorweiler feststellen (vgl. Abschnitt 5.1). Diese manifestieren sich in einer durchschnittlich höheren Anzahl an Vereinsmitgliedschaften seitens der Befragten aus Hahnwald, die überdies häufiger aktiv engagiert sind und eher instrumentelle denn freizeitbezogene Interessen verfolgen. Auf Basis der relativen Bedeutung der Stadtteilintegration ist infolgedessen zu vermuten, dass weitere, sozialräumlich bedingte Einflussfaktoren der formellen Vernetzung existieren, die über die individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen hinausgehen.

5.2.1.2 Statusabhängigkeit informeller Netzwerkstrukturen

Analog zur formellen Netzwerkeinbindung weist auch die Anzahl persönlicher Beziehungen hochsignifikant positive Zusammenhänge zu den sozioökonomischen Ressourcen auf. Allerdings korreliert nunmehr die Bildung erkennbar stärker mit der Netzwerkgröße (r = ,251; p < 0,001) als das Einkommen (r = ,172; p < 0,01). Aufgrund der hohen Relevanz in den vorherigen Untersuchungen liegt die Vermutung einer nichtlinearen Beziehung zwischen monetären Ressourcen und der Anzahl informeller Kontakte nahe. Ein Vergleich der durchschnittlichen Netzwerkgröße geringer (≤ 1.010 €), mittlerer (≤ 2.4750 €) und hoher Einkommensgruppen (≤ 7.500 €) im Rahmen einer Varianzanalyse bestätigt diesen Verdacht aber nicht. In Einklang mit der Hypothese nimmt die mittlere Netzwerkgröße zwar linear mit steigendem Einkommen zu (F = 5,54; p < 0,01), wohl aber fallen die Mittelwertunterschiede zwischen den Gruppen mit geringem (x̅ = 8,31) und mittlerem Einkommen (x̅ = 9,00) allenfalls schwach aus (hohes Einkommen: x̅ = 12,11). Auch für die, zahlenmäßig sehr unterschiedlich besetzten, Bildungsgruppen lassen sich statistisch relevante Mittelwertunterschiede nachweisen, wobei die Netzwerkgröße ebenfalls linear mit steigendem Bildungsabschluss zunimmt (F = 5,42; p < 0,01).

Um den Erklärungsbeitrag dieser und weiterer Merkmale auf die Größe informeller Netzwerke schätzen zu können, wird nun eine multiple lineare Regression modelliert. Da das Alter eine (negativ) lineare Beziehung zur Anzahl der Netzwerkpersonen aufweist, findet in diesem Modell die ursprüngliche metrische Altersvariable Berücksichtigung. Zudem werden die Erwerbstätigkeit, die Anzahl an Vereinsmitgliedschaften und die Existenz informeller Gruppierungen kontrolliert, die als weitere Opportunitäten zur Kontaktanbahnung mutmaßlich einen positiven Einfluss auf die individuelle Netzwerkgröße ausüben (vgl. Tabelle 5.7).

Tabelle 5.7 Lineare Regression der Größe informeller Netzwerke auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren, demografische und integrative Merkmale

Das erste Modell bestätigt den signifikant positiven Effekt der Bildung (β = ,26; p < 0,001), verweist nun aber auf fehlende Einflüsse des Einkommens (β = ,05). Damit sind den sozioökonomischen Ressourcen statistisch jeweils unterschiedliche Wirkungen auf die Anzahl der Vereinsmitgliedschaften und der Netzwerkpersonen beizumessen. Zusammengenommen fällt der ressourcenbezogene Erklärungsbeitrag im informellen Bereich (korr. R2 = 7 %) jedoch deutlich geringer als im formellen Kontext aus (korr. R2 = 22 %; vgl. Tabelle 5.4). Angesichts der relativen Zunahme des korrigierten Determinationskoeffizienten ist den theoretischen Erklärungsfaktoren im zweiten Modell insgesamt sogar ein höherer Stellenwert als den Ressourcen zuzuschreiben, wenngleich ein direkter Bildungseffekt weiterhin nachweisbar ist. Besonders herauszustellen ist dabei der Einfluss einer Erwerbstätigkeit (β = ,20; p < 0,01), die erkennbar zu einer höheren Anzahl an Netzwerkpersonen beiträgt und mutmaßlich zwischen Ressourcen und Netzwerkgröße interagiert. Im dritten Modell erweisen sich des Weiteren die Merkmale männlich, ein höheres Alter sowie ein Migrationshintergrund als hemmende Faktoren und die Haushaltsgröße als positiver Prädiktor eines großen sozialen Netzwerkes. An diesen Befund anschließend ist im Rahmen der folgenden Hypothesen unter anderem zu untersuchen, zu welchen Teilen sich das persönliche Netzwerk faktisch aus Mitgliedern des eigenen Haushaltes zusammensetzt. Bezüglich der weiteren sozialen Einbindungen bestätigen sich die Erwartungen indes nur teilweise, da zwar informelle Gruppierungen, nicht aber Vereinsmitgliedschaften die Größe des sozialen Netzwerkes anheben (Modell 4). Jenen informellen Einbindungen (β = ,19; p < 0,01) kommt schließlich gemeinsam mit dem Alter (β = −,26; p < 0,01) und der Migration (β = −,20; p < 0,01) die größte Bedeutung zur Erklärung der Netzwerkgröße zu. Darüber hinaus verzeichnet auch die Bildung weiterhin einen signifikant positiven Effekt auf die abhängige Variable (β = ,13; p < 0,05), sodass schließlich rund 30 % der Varianz aufgeklärt werden.

Zur Erfassung der Netzwerkgröße wurden ferner drei Namensgeneratoren verwendet, die auf unterschiedliche Lebensbereiche und Beziehungsebenen abzielen. Infolgedessen ist nun die Relevanz der jeweiligen Erklärungsfaktoren für die einzelnen Teilnetzwerke zu überprüfen. Zu diesem Zweck wird die vormalige Regressionsanalyse wiederholt und anstelle des Gesamtnetzwerkes jeweils die Größe des Teilnetzwerkes als abhängige Variable eingesetzt (vgl. Tabelle 5.8). Im Rahmen der Residuendiagnostik konnten diverse Ausreißer identifiziert werden, die temporär aus der Analyse ausgeschlossen werden (vgl. Anmerkungen zum Modell).

Ein Vergleich der einzelnen Regressionsmodelle demonstriert deutlich variierende Einflussfaktoren beziehungsweise Effektstärken in Abhängigkeit des jeweiligen Stimulus. So umfasst das erste Teilnetzwerk (Rat bei wichtigen Entscheidungen) primär starke Beziehungen, die durch ein gewisses Maß an Vertrauen und emotionaler Nähe gekennzeichnet sind. Während das Einkommen hier einen sichtbar negativen Einfluss ausübt, wirkt die Bildung hochsignifikant positiv (Modell 1: β = ,24; p < 0,01). Im Gesamtmodell ist indes insbesondere ein negativer Einfluss des Alters hervorzuheben (β = −,41; p < 0,001). Dieser Befund impliziert jedoch nicht zwingend, dass ältere Befragte generell weniger Netzwerkkontakte aufweisen als jüngere Personen, sondern kann ebenso auf einen geringeren Bedarf an Entscheidungshilfen im hohen Alter verweisen. Diese Sichtweise wird durch die Tatsache bekräftigt, dass dem Alter in den übrigen Teilnetzwerken kein äquivalenter Stellenwert zukommt.

Tabelle 5.8 Lineare Regressionen der Größe informeller Teilnetzwerke auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren, demografische und integrative Merkmale

Im zweiten Netzwerk (Freizeit und Interessen) zeichnet sich neben einem positiven Bildungseffekt (β = ,14; p < 0,05) und den auch vormals relevanten Merkmalen männlich und Migrationshintergrund zusätzlich ein positiver Einfluss der Vereinsmitgliedschaften ab. Jene formellen Einbindungen steigern erwartungsgemäß die Menge persönlicher und interessenbasierter Kontakte (β = ,22 p < 0,01). Obgleich nicht signifikant, ist zudem den sozialen Kompetenzen ein gewisser Einfluss auf diese schwächere Beziehungskomponente zuzusprechen. Im dritten Teilbereich (Hilfe bei praktischen Arbeiten) erweisen sich schließlich weder die sozioökonomischen Ressourcen noch die Erklärungsfaktoren als statistisch bedeutsam. In der Tendenz benennen allerdings erwerbstätige, jüngere und weibliche Befragte die meisten Personen, von denen sie in den vergangenen drei Monaten praktische Hilfe erhalten haben. Letztlich scheint die geringe Erklärungskraft dieses Modells (korr. R2 = 8 %) vor allem der Diversität des Stimulus geschuldet zu sein, der äußerst heterogene Tätigkeiten des täglichen Lebens aufgreift. Auch die geringe durchschnittliche Anzahl genannter Alteri deutet auf Probleme mit diesem Instrument hin (vgl. Abschnitt 5.1). Anlässlich der zum Teil sehr unterschiedlichen Effektstärken steht die sinnvolle Verwendung der Gesamtskala in den weiteren Analysen zur Debatte, sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob auf das Gesamt- oder die Teilnetzwerke zurückzugreifen ist.

Im Weiteren stellt sich die Frage, ob ein großes Netzwerk immer auch intendiert sein muss und inwieweit groß tatsächlich gleichbedeutend mit besser ist. So manifestieren sich die (politischen) Wirkungen sozialer Netzwerke mutmaßlich nicht nur entlang quantitativer, sondern ebenso entlang qualitativer Aspekte. In diesem Zusammenhang wird zunächst Bezug auf die geografische Reichweite informeller Netzwerke genommen und diese in Verbindung zur sozioökonomischen Ressourcenausstattung gebracht. Hinsichtlich des Anteils derjenigen Netzwerkpersonen, die im gleichen Wohngebiet wie Ego leben (lokale Alteri), offenbart sich zur Bildung kein linearer Zusammenhang (r = −,063). Zwar benennen die Befragten mit der geringsten Formalbildung deutlich mehr lokale Alteri als Personen höherer Bildung, jedoch weisen die mittleren Bildungskategorien tendenziell die geringsten Durchschnittswerte auf. Der Zusammenhang konstituiert sich folglich umgekehrt U-förmig, wobei sich die Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen gemäß varianzanalytischen Befunden nicht signifikant gestalten (vgl. Tabelle 5.9).

Tabelle 5.9 Mittelwertvergleiche des Anteils lokaler Alteri (mit und ohne Eheperson) zwischen Bildungs- und Einkommensgruppen

Hingegen ist für das Einkommen ein linearer Effekt nachzuweisen, der sich aufgrund der nur geringfügigen Unterschiede zwischen mittlerer und hoher Einkommenskategorie aber weniger stark als vermutet darstellt (r = −,200; p < 0,01). Signifikante Differenzen sind einzig zur unteren Einkommenskategorie aufzuzeigen. Eine Erklärung für die vergleichsweise schwachen Beziehungen ist in dem positiven Zusammenspiel zwischen Sozial- und Heiratsstatus zu suchen (r Status verheiratet = ,290; p < 0,001). Da Eheleute in der Regel im selben Haushalt leben, wird die Reichweite des sozialen Netzwerkes insbesondere bei statushohen Personen systematisch reduziert (vgl. Abschnitt 4.6.3).Footnote 8 Werden die Ehepartnerinnen und Ehepartner aus der Skala lokaler Alteri gefiltert (lokale Alteri ohne Eheperson), verstärken sich erwartungsgetreu die korrelativen Zusammenhänge zu Einkommen (r = −,235; p < 0,001) und Bildungsjahren (r = −,101). Während der mittlere Anteil lokaler Alteri weiterhin signifikant zwischen den Einkommensgruppen variiert, verbleibt die Analyse der Bildungsabschlüsse statistisch nur wenig bedeutsam. In Einklang zur Hypothese offenbaren die Durchschnittswerte nun aber einen linearen Negativzusammenhang zwischen den Variablen (vgl. Tabelle 5.9).

Zusammenfassend kann somit durchaus eine negative Assoziation zwischen sozialem Status und dem Anteil wohnortnaher Kontakte belegt werden. Der Stellenwert sozioökonomischer Ressourcen für die geografische Reichweite ist im Folgenden multivariat im Zuge einer linearen Regressionsanalyse zu prüfen (vgl. Tabelle 5.10). Indem nun die Skala zur geografischen Reichweite als abhängige Variable eingesetzt wird, verschiebt sich der Analysefokus von der Betrachtung des gemeinsamen Wohnortes auf einen größeren räumlichen Radius. Durch die detailliertere Erfassung des Wohnortes der Netzwerkpersonen sollten sich vorherige Befunde voraussichtlich verstärken. Um Verzerrungen durch den Ehestatus auszuschließen, wird die Reichweite exklusive Eheleute erfasst. Durch diese Entscheidung erhöht sich die durchschnittliche Reichweite von 2,64 (SD = 0,68; N = 243) auf 2,84 (SD = 0,70; N = 233) (vgl. Abschnitt 4.6.3). Neben formellen und informellen Gruppierungen, die wohnortnahe Beziehungen begünstigen sollten, wird außerdem die Größe des informellen Netzwerkes einbezogen. Da von differenziellen Effekten starker und schwacher Beziehungen auszugehen ist, finden die einzelnen Subskalen Berücksichtigung.

In Einklang zu den Befunden um den Anteil lokaler Alteri übt das Einkommen auch hinsichtlich der sozialen Reichweite einen hochsignifikanten Einfluss in positiver Richtung aus (β = ,30; p < 0,001). Vergleichbare Bildungseffekte sind indes nicht zu belegen. Im zweiten Modell erweist sich die Stadtteilintegration als starker negativer Prädiktor der individuellen Netzwerkausgedehntheit (β = −,35; p < 0,001), wohingegen den übrigen Erklärungsfaktoren weder eine eigenständige Bedeutung noch ein Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Ressourcen und abhängiger Variable zukommt. Im Weiteren fördert ein Migrationshintergrund tendenziell die lokale Konzentration persönlicher Kontakte (Modell 3: β = −,11) und auch informelle Gruppierungen (Modell 4: β = −,16; p < 0,05), und mit Abstrichen die Vereinsmitgliedschaften (β = −,10), sorgen für ortsnahe Verflechtungen. Die Anzahl an Personen, die bei wichtigen Entscheidungen um Rat gefragt werden, steigert die geografische Reichweite wiederum signifikant (β = ,26; p < 0,01), während die Größe freizeit- und unterstützungsorientierter Netzwerke ohne Erklärungsrelevanz bleibt. Alles zusammengenommen können etwa 25 % der Varianz der Reichweite informeller Netzwerke über die herangezogenen Variablen aufgeklärt werden. Dabei ist dem Einkommen ein zentraler Einfluss zu attestieren, der hinsichtlich der Effektstärke aber von der Stadtteilintegration übertroffen wird.

Tabelle 5.10 Lineare Regression der geografischen Reichweite informeller Netzwerke auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren, demografische und integrative Merkmale

Ein weiteres qualitatives Merkmal informeller Netzwerke besteht in dessen sozialer Zusammensetzung, wobei zunächst Tendenzen sozialer Homophilie betrachtet und in Beziehung zum Sozialstatus gesetzt werden. Zu diesem Zweck wurden fünf Indizes gebildet, welche die Ähnlichkeiten zwischen Ego und deren beziehungsweise dessen Alteri in puncto Geschlecht, Alter, Bildung, beruflicher Tätigkeit und Staatsangehörigkeit ermitteln (vgl. Abschnitt 4.6.3). Zusätzlich erfasst ein Gesamtindex die soziale Homophilie aller Ego-Alter-Beziehungen über alle Merkmale hinweg (0 = nicht homophil bis 1 = homophil). Tabelle 5.11 listet die Mittelwerte der einzelnen Homophilieindizes in Abhängigkeit von Egos Bildungs- und Einkommensstatus. Es ist eine Interpretationsfrage, ab welchen Werten von homophilen Tendenzen ausgegangen wird. Unter strenger Auslegung wären sogar minimale Abweichungen von 1 als heterophil zu werten. Da ein solches Vorgehen jedoch wenig aufschlussreich wäre, werden im Folgenden Werte über 0,5 als (eher) homophil und Werte kleiner oder gleich 0,5 als (eher) heterophil aufgefasst. Anhand eines Binomialtests wird geprüft, wie wahrscheinlich die einzelnen Werte von diesem Trennwert abweichen.

Tabelle 5.11 Tendenzen sozialer Homophilie nach Bildungs- und Einkommensgruppen und gesamt (Mittelwerte)

Der Mittelwert der Gesamtpopulation von 0,57 (p < 0,001) deutet insgesamt eine leichte Tendenz der Befragten zur sozialen Homophilie an, demnach 57 % der Ego-Alter-Beziehungen eher homophil und 43 % eher heterophil sind. Unter detaillierter Betrachtung offenbaren sich zum Teil erhebliche Differenzen zwischen den einzelnen Merkmalen. Während die Gleichheit in Bezug auf die Staatsangehörigkeit erwartungsgemäß am höchsten ausfällt (0,87; p < 0,001), sind für das Alter (0,44; p < 0,05) und die berufliche Tätigkeit (0,39; p < 0,001) eher nicht homophile Tendenzen festzustellen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Bildungsgruppen weisen Personen mit akademischem Abschluss durchschnittlich die stärksten (0,62; p < 0,001) und Personen ohne Schulabschluss (0,39) im Mittel die geringsten Gleichheitsneigungen im Netzwerk auf. Allerdings ist auf die überaus schwache Besetzung der letztgenannten Gruppe zu verweisen (N = 8). Unter Ausklammerung dieser Bildungsgruppe eröffnet sich schließlich eine U-förmige Beziehung zwischen Bildung und Homophilie. Auch in Bezug auf das Einkommen beweist die höchste Kategorie durchschnittlich die stärkste Neigung zur Gleichheit (0,62; p < 0,001), wobei für diese Ressource ein linearer Zusammenhang zur Netzwerkhomophilie nachzuweisen ist. Zusammenfassend ist auf dieser Basis eine Zunahme der sozialen Netzwerkhomophilie mit steigender Ressourcenausstattung zu konstatieren, was durch die positiven Korrelationszusammenhänge zwischen sozialer Homophilie und Einkommen (r = ,254; p < 0,001) sowie Bildungsjahren (r = ,340; p < 0,001) untermauert wird. Da sich die Mittelwertdifferenzen zwischen den Einkommenskategorien weniger deutlich gestalten, äußert die Bildung trotz unvollständiger Linearität letztlich sogar eine stärkere Beziehung zur Homophilie.

Für sich genommen widersprechen die positiven Beziehungen zwischen Homophilie und Ressourcen den theoretischen Erwartungen um eine zunehmende Netzwerkheterogenität. Zur abschließenden Beurteilung der sozialen Zusammensetzung ist jedoch ebenso das Verhältnis von verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen im Netzwerk einzubeziehen. Im Allgemeinen weisen Kontakte aus Schule, Studium, Freizeit oder Beruf eine höhere sozialstrukturelle Ähnlichkeit zu Ego auf als Beziehungen, die einzig auf dem Verwandtschaftsgrad beruhen; insbesondere bei der Freundschaftswahl sind häufig Neigungen zur Homogenität festzustellen (vgl. Haug 2010: 264). Sofern sich nun ein Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Beziehungsart nachweisen lässt, kann dieser Umstand zumindest eine teilweise Erklärung für die vergleichsweise hohe Homophilie höherer Statusgruppen liefern. Unter der Prämisse einer negativen Beziehung zwischen Verwandtenanteil und Homophilie werden nun die Anteile verwandter Beziehungen (verwandte Alteri) varianzanalytisch untersucht. Getestet werden Mittelwertunterschiede zwischen Bildungs- und Einkommensgruppen (vgl. Tabelle 5.12).

Die Ergebnisse der Varianzanalysen demonstrieren einen durchschnittlich höheren Anteil verwandtschaftlicher Beziehungen in den sozialen Netzwerken der unteren Bildungs- und Einkommensgruppen im Vergleich zu den übrigen Kategorien, wobei sich die Unterschiede jeweils linear und statistisch signifikant gestalten.Footnote 9 Im Weiteren ist der Anteil verwandter Alteri erwartungskonform hochsignifikant negativ mit dem Homophilieindex korreliert (r = −,488; p < 0,001), demnach sich Egos Gleichheitstendenzen mit zunehmender Konzentration auf familiäre und verwandte Netzwerkbeziehungen abschwächen. Dieser Befund bekräftigt zumindest vorübergehend die Annahme, dass die unteren Statusgruppen aufgrund ihres verhältnismäßig hohen Verwandtenanteils geringere homophile Neigungen aufweisen als Personen höheren Status.

Tabelle 5.12 Mittelwertvergleiche des Anteils verwandter Alteri zwischen Bildungs- und Einkommensgruppen

Diese Vermutung ist im Rahmen einer multiplen linearen Regressionsanalyse, die Einflussfaktoren der sozialen Homophilie schätzt, statistisch abzusichern (vgl. Tabelle 5.13). Da sich zwischen Bildung und Beziehungsgleichheit kein linearer Zusammenhang nachweisen lässt, geht die Bildung mehrfach dummy-kodiert in die Berechnung ein. Berücksichtigt wird jeweils der höchste Schulabschluss. Die Bestimmung der Bildungsgruppe mit der geringsten durchschnittlichen Homophilie (kein Schulabschluss) als Referenzkategorie erweist sich jedoch als problematisch. Infolge nachweisbarer Multikollinearitäten wird stattdessen der Realschulabschluss als Vergleichskategorie herangezogen. Als voraussichtlich negative Prädiktoren sozialer Homophilie werden zudem die geografische Reichweite und die Netzwerkgröße in die Analyse integriert. Da keine ausgeprägten Unterschiede zwischen den Teilnetzwerken feststellbar sind, wird in diesem Fall die Gesamtgröße berücksichtigt. Zuletzt ist anzunehmen, dass formelle und informelle Einbindungen die Netzwerkhomophilie aufgrund geteilter Vorlieben und Interessen anheben.

Grundlegend bezeugt das erste Modell eine zunehmende soziale Homophilie mit steigender Ressourcenausstattung. Beide Ressourcen weisen einen eigenständigen und signifikanten Effekt auf, gleichwohl die Wirkung des Einkommens wie erwartet weniger stark ausfällt (β = ,17; p < 0,05). Hinsichtlich der Bildung bestätigt sich der vormalige Befund eines nichtlinearen Einflusses auf die abhängige Variable. Mit Ausnahme der Gruppe ohne Schulabschluss, weisen alle Kategorien eine höhere Homophilie als die mittlere Bildungsform auf; besonders herauszustellen ist dabei der akademische Bildungsabschluss (β = ,39; p < 0,001). Indes lassen sich für die theoretischen Erklärungsfaktoren keine substanziellen Einflüsse auf die abhängige Variable belegen. In der Tendenz fördert jedoch eine erwerbsmäßige Beschäftigung die Beziehungsgleichheit im Netzwerk, wobei dieser Faktor im dritten Modell weiter an Bedeutung gewinnt (β = ,19; p = 0,05). Da die abhängige Variable unter anderem die Ähnlichkeit der beruflichen Tätigkeit beinhaltet, ist dieser Effekt ebenso plausibel wie der signifikant negative Einfluss der Migration, der mit der Gleichheit der Staatsangehörigkeit konvergiert (β = −,18; p < 0,05).

Tabelle 5.13 Lineare Regression der sozialen Homophilie informeller Netzwerke auf sozioökonomische Ressourcen, Erklärungsfaktoren, demografische und integrative Merkmale

Insgesamt ist aber weder den Erklärungsfaktoren noch den demografischen Merkmalen eine besondere Gewichtigkeit zur Erklärung der sozialen Homophilie einzuräumen, worauf die kaum vergrößerten Anteile erklärter Varianz verweisen. Im vierten Modell bestätigt sich daraufhin die Netzwerkgröße als negativer Prädiktor sozialer Homophilie (β = −,20; p < 0,01), demnach mit steigender Anzahl an Kontakten zunehmend auch merkmalsunähnliche Personen inbegriffen sind. Die geografische Reichweite bleibt hingegen ohne Einfluss. Als einer der wichtigsten Erklärungsfaktoren kristallisiert sich schließlich der Anteil verwandter Alteri heraus, der einen hochsignifikant negativen Einfluss auf die abhängige Variable ausübt (β = −,45; p < 0,001). Der starke Zusammenhang ist auf Basis der vorangegangenen Befunde auch in seiner Höhe nicht unerwartet. Bemerkenswert ist vielmehr die Tatsache, dass die Bildungseffekte auch unter Konstanthaltung des Verwandtenanteils bestehen bleiben beziehungsweise teils sogar zunehmen. So verzeichnet nun auch das Merkmal Volks-/Hauptschulabschluss eine signifikant höhere Homophilie als der Realschulabschluss (β = ,20; p < 0,01). Der stärkste Bildungseinfluss geht weiterhin von der höchsten Kategorie aus (β = ,43; p < 0,001), sodass sich der bivariat eruierte U-förmige Zusammenhang zwischen Bildung und Homophilie auch auf multivariatem Niveau nachweisen lässt. Ein Einfluss des Einkommens ist hingegen kaum mehr vorhanden. Insgesamt erklärt dieses Modell 39 % der Varianz sozialer Homophilie.

Zuletzt ist auch im Bereich informeller Netzwerke auf deutliche Unterschiede zwischen den Stadtteilen zu verweisen, die sich in einer geringeren Netzwerkgröße, Reichweite und Homophilie sowie eines höheren Verwandtenanteils seitens der Befragten aus Chorweiler äußern (vgl. Abschnitt 5.1). Diese Differenzen werden im weiteren Verlauf der Untersuchung in den Blick genommen und geprüft, inwieweit sie auf eine differenzielle Ressourcenausstattung oder auf sozialräumliche Merkmale verweisen.

5.2.1.3 Diskussion der Hypothesen

Ausgehend von der übergeordneten These des ersten Untersuchungsmodells Die individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen beeinflusst die soziale Netzwerkeinbindung der oder des Einzelnen wurden verschiedene Hypothesen formuliert und anhand statistischer Verfahren analysiert. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden nun zusammenfassend beurteilt und der Wert der Erklärungsstrategien für die gefundenen Zusammenhänge diskutiert.

H1.1::

Je höher die individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen, desto größer ist die Anzahl an Mitgliedschaften in formellen Assoziationen.

Der Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Ressourcen und der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften gestaltet sich auf bivariater Ebene äußerst positiv, ist auf multivariatem Niveau aber nur partiell zu bestätigen. Während die Bildung unter Kontrolle aller relevanten Merkmale schließlich zu vernachlässigen ist, stellt das Einkommen den wichtigsten Prädiktor individueller Mitgliedschaften dar und erklärt einen Großteil der Varianz ebenjener Variable.

Eine direkte Erklärung statusabhängiger Vernetzung findet sich im Rahmen der Fokusthese. So bedürfen Vereinsmitgliedschaften in der Regel eines gewissen finanziellen Einsatzes und sind damit potenziell nicht allen Statusgruppen gleichermaßen zugänglich. Überdies mag eine hohe Formalbildung auf psychologischer Ebene spezifische Gelegenheiten zur Aufnahme einer Vereinstätigkeit erzeugen. Nachweisbar ressourcenunabhängig wirkt hingegen die Integration in den eigenen Stadtteil und das religiöse Umfeld, die ihrerseits relevante Fokusse für eine Vereinsbeteiligung setzen. Eine statistische Verknüpfung zur Größe formaler Netzwerke weist ebenfalls die allgemeine Lebenszufriedenheit auf (Isolationsthese), die zudem zwischen monetären Ressourcen und Vereinsmitgliedschaften interagiert und einen Teil des Zusammenhangs erklärt (r Mitgliedschaften Einkommen. Lebenszufriedenheit = ,265; p < 0,001). Die Annahme, dass eine höhere Vereinstätigkeit darüber hinaus auf eine höhere Interaktionsfreude (Trubel) ressourcenreicher Personen zurückzuführen ist, kann hingegen nicht bestätigt werden. Wohl aber sind statushohe Personen mit höheren Sozialkompetenzen ausgestattet (Defizitthese). Diese fördern zum einen das Erkennen zivilgesellschaftlicher Relevanzstrukturen, welche Vereinstätigkeiten im Allgemeinen begünstigen. Zum anderen werden sozial kompetente Personen erkennbar häufiger zu einer Vereinsmitgliedschaft eingeladen. Diese Einladungen spiegeln rationale Verknüpfungen zum sozialen Status, der im Sinne Bourdieus (1983) den Eindruck strategisch guter Investitionen vermittelt. Letztlich stellt die soziale Rekrutierung einen der bedeutendsten Faktoren des Regressionsmodells dar und entfaltet Effekte, die über die individuelle Verfügbarkeit an sozioökonomischen Ressourcen hinausgehen.

Eine mögliche Erklärung für den Stellenwert des Einkommens bietet ferner die Instrumentalisierungsthese. Demzufolge können bestimmte Vereinsmitgliedschaften statusstabilisierend respektive -steigernd wirken, wobei insbesondere Mitgliedschaften in hochpreisigen, exklusiven und gemeinnützigen Vereinen dem eigenen Ansehen zweckdienlich sind. Wenngleich ein Bezug zum Einkommen intuitiv plausibel erscheint, ist dies anhand der vorliegenden Ergebnisse nicht abschließend zu beurteilen und wird im Rahmen der Hypothese1.3 weiter zu diskutieren sein. Überdies erscheint es schlüssig, dass eine Vereinsmitgliedschaft als institutionalisierter Aspekt des gesellschaftlichen Lebens mit einem eher konventionellen Lebensstandard einhergeht. Die demografischen Merkmale der Vereinsmitglieder legen eine Verknüpfung zwischen der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften und einem sozialen sowie gesellschaftlich-integrativen Status, bezogen auf Einkommen, Lebensalter, Familie, Herkunft und Ortsverbundenheit, nahe. Allerdings verbleibt der Großteil jener Merkmale ohne statistische Signifikanz.

Zusammenfassend ist diese Hypothese nur teilweise zu bestätigen. Nicht die Ressourcenausstattung per se befördert eine Vereinsmitgliedschaft, sondern einzig deren finanzielle Aspekte. Ferner sind die Erklärungsstrategien zwar mehrheitlich inhaltlich überzeugend, werden empirisch aber von anderen Faktoren überlagert. Damit ist auf dieser Basis nicht vollständig zu bewerten, aus welchem Grund ein hohes Einkommen tatsächlich mit einer hohen Vereinstätigkeit assoziiert ist.

H1.2::

Eine hohe individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen wirkt stärker positiv auf die Wahrscheinlichkeit einer aktiven als einer passiven Mitgliedschaft in formellen Assoziationen.

Auf bivariatem Niveau wirken die sozioökonomischen Ressourcen in Einklang mit der Hypothese erkennbar stärker positiv auf die aktiven als auf die passiven Vereinsmitgliedschaften. Tatsächlich ist zwischen Bildung und Passivmitgliedschaften kein statistischer Zusammenhang nachzuweisen. Unter multivariater Testung ist schließlich auch für die Aktivmitgliedschaften kein direkter Bildungseffekt mehr zu belegen, wohingegen sich das Einkommen wiederholt als zentraler Erklärungsfaktor erweist. Obgleich das Auftreten beider Mitgliedschaftsstatus sichtbar durch ein höheres Einkommen begünstigt wird, ist insgesamt eine höhere relative Wichtigkeit für die Aktivmitgliedschaften abzuleiten.

Mit Bezug auf die Erklärungsfaktoren lassen sich unterschiedliche Profile der Befragten in Abhängigkeit ihres Mitgliedschaftsstatus ermitteln, die mit ihrem jeweiligen sozioökonomischen Status korrespondieren. Zunächst sind die Aktiven aufgrund ihrer finanziellen Ressourcen überhaupt erst befähigt, sich engagiert in das Vereinsleben einzubringen und an Aktivitäten und Veranstaltungen teilzuhaben (Fokusthese). Darüber hinaus ist das Einkommen positiv mit der Lebenszufriedenheit verknüpft, die sich wiederum in einer involvierten und regen Vereinsteilhabe äußert (Isolationsthese). Tatsächlich erklärt die allgemeine Lebenszufriedenheit einen relevanten Teil des Zusammenhangs zwischen Einkommen und aktivem Mitgliedschaftsstatus (r Aktivmitgliedschaften Einkommen. Lebenszufriedenheit = ,144; p < 0,05). Zudem werden für eine aktive Beteiligung soziale Kompetenzen benötigt, die ihrerseits mit einer höheren sozioökonomischen Ressourcenausstattung verbunden sind und zu gewissen Teilen ebenfalls zwischen Ressourcen und abhängiger Variable vermitteln (Defizitthese). Jenseits der Ressourcen steigert des Weiteren eine starke Integration in das religiöse Umfeld die Chance einer aktiven Vereinsmitgliedschaft. Damit bestätigt sich ein Transfer religiöser oder kirchlich-organisierter Beteiligung in andere zivilgesellschaftliche Bereiche (vgl. Putnam 2000: 66 f.). Demgegenüber ist eine Passivmitgliedschaft zum einen durch ein hohes Alter, das naturgemäß eine weniger aktive Beteiligung nach sich zieht und zum anderen durch eine starke und dauerhafte Integration in den eigenen Stadtteil bestimmt. In diesem Zusammenhang erscheint es überzeugend, dass Einwirkungen des direkten Umfeldes eine Vereinsmitgliedschaft herausfordern. So mag beispielsweise ein Beitritt zu lokalen Vereinen auf der Grundlage von Pflicht- oder Zusammengehörigkeitsgefühlen gegenüber der Nachbarschaft erfolgen. Übereinstimmend weisen die Stadtteilintegration und die Mitgliedschaften in lokalen Vereinen durchaus positive Assoziationen auf (r = ,223; p < 0,001) und auch den Einladungen kommt eine entscheidende Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit einer passiven Mitgliedschaft zu. Auf dieser Basis ist schließlich eine primär extrinsische Motivation für die Aufnahme einer Passivmitgliedschaft abzuleiten. Dagegen fußt eine aktive Beteiligung vorwiegend auf eigenem Antrieb, persönlichem Interesse und dem sozioökonomischen Status, sodass die soziale Rekrutierung nur eine den personenbezogenen Merkmalen nachgeordnete Stellung einnimmt.

Zusammenfassend ist diese Hypothese ebenfalls nur partiell zu bestätigen, da sich wiederholt nicht die sozioökonomischen Ressourcen, sondern einzig das Einkommen als relevante Einflussfaktoren erwiesen haben. In Übereinstimmung mit der Hypothese wirken die finanziellen Möglichkeiten jedoch nachweisbar stärker positiv auf die Aktiv- als auf die Passivmitgliedschaften. Dabei befördert das Einkommen sowohl die generelle Möglichkeit, überhaupt an Aktivitäten teilnehmen zu können als auch psychologische Dispositionen wie die Lebenszufriedenheit und soziale Kompetenzen, die eine aktive Teilhabe anstoßen. Darüber hinaus ist jedoch zusätzlich ein Einfluss des Einkommens zu konstatieren, der nicht über die theoretischen Erklärungsstrategien abzuleiten ist und demnach auf weiteren Faktoren gründet.

H1.3::

Eine hohe individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen wirkt stärker positiv auf die Wahrscheinlichkeit einer Mitgliedschaft in instrumentellen Assoziationen als auf eine Mitgliedschaft in expressiven Assoziationen.

In Übereinstimmung mit der Hypothese wirken die sozioökonomischen Ressourcen nachweisbar am stärksten positiv auf eine Mitgliedschaft in instrumentellen Vereinen. Allerdings zeigt sich unter Kontrolle des Einkommens kein statistisch bedeutsamer Bildungseffekt, der an dieser Stelle als indirekt zu bewerten ist. Da die Wirkungen der Ressourcen somit weitestgehend auf ihren finanziellen Bestandteil zu reduzieren sind, wird nachfolgend einzig der Einfluss des Einkommens diskutiert.

Eine Erklärung für den unterschiedlichen Stellenwert des Einkommens bietet die individuelle Motivation für eine Mitgliedschaft. In der gemischten Kategorie steht eine Zugehörigkeit primär in Bezug zu sozialstrukturellen Merkmalen und der persönlichen Stellung im Lebensverlauf (u. a. Frauen, Alter, Eltern, Ort, Religion). Da eine Mitgliedschaft an spezifische Gruppenmerkmale gekoppelt ist, bilden sie gemäß Putnam mehrheitlich innenorientierte Vereine ab (vgl. Abschnitt 2.4.5). Wenngleich nicht alle Merkmale im Gesamtmodell statistische Signifikanzen aufweisen, ist ihnen dennoch eine theoretische Bedeutung zuzuschreiben. Folgerichtig bildet nun auch das Einkommen nicht den ausschlaggebenden Faktor für ebenjene Mitgliedschaften. Demgegenüber sind expressive Vereine hauptsächlich freizeitorientiert ausgerichtet, sodass ein Beitritt in der Regel interessengeleitet und auf persönliche Einladung erfolgt, der in diesem Kontext eine hohe statistische Relevanz zukommt. Da in dieser Kategorie zudem Vereine mit kostenpflichtigen Mitgliedschaften, Veranstaltungen und Aktivitäten inbegriffen sind, besitzt das Einkommen eine erkennbar höhere Bedeutung (u. a. Sport, Karneval, Kultur). Zuletzt sind instrumentelle Vereine, deren Mitgliedschaft nicht mit exklusiven Merkmalen verbunden ist, als außenorientierte Gruppierungen aufzufassen. Ein Beitritt zu jenen Vereinen gründet vorwiegend auf einer intrinsischen Motivation und die Mitgliedschaft wird zum Selbstzweck. Ein solcher Zweck kann zum einen in der Darstellung von Status bestehen, was eine Erklärung für den nunmehr hohen Einfluss des Einkommens bietet. So kann die Demonstration von Wohltätigkeit bei einem höheren sozialen Status aus Reputationsgründen notwendig und sogar prestigefördernd sein (u. a. Umweltschutz, Menschenrechte).Footnote 10 Zum anderen verweist die Einbindung in berufsbezogene und zweckorientierte Organisationen auf das Ziel der individuellen Statussicherung (u. a. Berufsorganisation, Interessengemeinschaft). An dieser Stelle wird eine direkte Verbindung zwischen Vereinsinteresse und individuell verfügbarem Einkommen beziehungsweise sozialem Status sichtbar. Eine Mitgliedschaft in instrumentellen Vereinen ist somit insbesondere für Personengruppen mit hohen finanziellen Ressourcen aufgrund prestige- oder zweckorientierter Interessen attraktiv (Instrumentalisierungsthese). Ungeachtet, dass institutionalisiertes wohltätiges Engagement bei einem geringen Finanzbudget generell eher unwahrscheinlich ist. Zusätzlich kann eine hohe Formalbildung maßgeblich die Wahrnehmung von Relevanzstrukturen gemeinnütziger oder berufsbezogener Organisationen fördern und so eine Mitgliedschaft anstoßen (Defizitthese). In dieser Untersuchung wird ein solcher Mechanismus jedoch erst in Verknüpfung mit einem hohen Einkommen wirksam, was mutmaßlich der geringen Varianz in der Bildungsvariable geschuldet ist.Footnote 11

Zusammenfassend ist auch diese Hypothese nur für die Einkommensressource zu bestätigen, die realiter am stärksten mit einer Mitgliedschaft in instrumentellen Vereinen verknüpft ist. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Stichprobengröße keine Untersuchung isolierter Effekte erlaubt. So erscheint es auf Basis vorheriger Ergebnisse wahrscheinlich, dass sozioökonomisch reiche Personen in mehreren Vereinskategorien vertreten sind (multiple Mitgliedschaften) und sich die Einflüsse infolgedessen überschneiden. Des Weiteren ist anzumerken, dass die dargelegten motivationalen Aspekte nur bedingt auf jeweils eine der Kategorien reduziert werden können. Beispielsweise mag dem hochpreisigen und exklusiven Sportclub nicht nur aus persönlichem Interesse, sondern auch aus Prestigegründen beigetreten werden. Damit wäre einer solchen Mitgliedschaft ebenfalls zu Teilen ein instrumentell-zweckrationaler Charakter zuzuschreiben. Ein besonderes Beispiel für die Stadt Köln stellt ferner der Karnevalsverein dar, dessen Zugehörigkeit in hohem Maße dem persönlichen Ansehen förderlich ist. Eine Mitgliedschaft ist oftmals nur einem gewissen Personenkreis gestattet, überdies kostspielig, mit weiteren Auflagen und Fürsprechenden verbunden und damit hervorragend als Mittel der sozialen Distinktion geeignet. An dieser Stelle werden somit Reliabilitätsproblematiken sichtbar, demnach infrage zu stellen ist, inwieweit die einzelnen Vereine die gebildeten Typen angemessen repräsentieren. Schlussendlich ist der Gehalt der Hypothese auf Basis dieser Untersuchung zwar nicht abschließend zu bewerten, jedoch ist zu mutmaßen, dass sich die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Ressourcen und Vereinstypen in größeren Stichproben eindeutiger nachweisen lassen.

H1.4::

Je höher die individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen, desto größer ist das informelle soziale Netzwerk.

Die positiven Korrelationszusammenhänge zwischen Netzwerkgröße und sozioökonomischen Ressourcen bestätigen sich in der multivariaten Analyse nur in Teilen. So ist der Bildung ein statistisch relevanter Einfluss zu attestieren, der auch unter Berücksichtigung sämtlicher Erklärungsfaktoren signifikant bleibt. Hingegen verläuft der Einkommenseffekt indirekt und wird nahezu vollständig über die Bildungsjahre einer Person erklärt (r Netzwerkgröße Einkommen. Bildungsjahre = ,073).

Aufschluss über eine Verbindung zwischen Bildungsressourcen und Netzwerkgröße geben die Merkmale der ersten Erklärungsstrategie. Im Sinne der Fokusthese generieren längere Bildungswege zahlreiche Opportunitäten zum Aufbau sozialer Beziehungen, die häufig über längere Zeiträume Bestand haben. Als relevanter Gelegenheitsraum kristallisiert sich zudem die Erwerbstätigkeit heraus, die nicht nur die Netzwerkgröße nachweisbar stimuliert, sondern auch zwischen Bildung und abhängiger Variable interagiert. Entsprechend erklärt sich ein Teil des Bildungseffektes über den vermehrten Einbezug berufsbedingter Kontakte höher Gebildeter (r Netzwerkgröße Bildungsjahre. Erwerbstätigkeit = ,190; p < 001). Auch individuelle Eingebundenheiten in den eigenen Stadtteil und in informelle Gruppierungen beeinflussen die Netzwerkgröße erkennbar positiv, wirken aber weitestgehend unabhängig der sozioökonomischen Ressourcenausstattung. In Einklang mit der Isolationsthese steigert ein hoher sozialer Status die Anzahl persönlicher Beziehungen aufgrund der mit ihm assoziierten Lebenszufriedenheit. Eine hohe Lebenszufriedenheit wirkt sich dabei primär auf den Zusammenhang zwischen Einkommen und Netzwerkgröße aus (r Netzwerkgröße Einkommen. Lebenszufriedenheit = ,047). Die Defizitthese stellt indes soziale Kompetenzen in den Mittelpunkt, die eine Kontaktaufnahme und -aufrechterhaltung aufgrund prosozialer und aufgeschlossener Verhaltensweisen erleichtern. Obgleich diese Eigenschaften positiv mit dem sozialen Status wie auch der Größe sozialer Netzwerke assoziiert sind, tragen sie nichts zur Erklärung dieses Zusammenhangs bei. Jenseits der definierten Erklärungsstrategien ist im Besonderen das Lebensalter herauszustellen. Dieses ist zum einen naturgemäß negativ mit einer Erwerbstätigkeit verknüpft (r = −,554; p < 0,001), sodass es den Einfluss des Erwerbsstatus auf die abhängige Variable deutlich reduziert. Zum anderen erweist es sich selbst als substanziell stärkster Erklärungsfaktor einer geringen Netzwerkgröße. Negativ und ressourcenunabhängig gestalten sich ebenfalls die Einflüsse der Migration und des männlichen Geschlechts, wohingegen zwischen Haushalts- und Netzwerkgröße ein positives Zusammenspiel angezeigt ist.

Zudem ist auf die unterschiedlichen Bedeutungen der sozioökonomischen Ressourcen für die Teilnetzwerke zu verweisen. Während die Bildung sowohl mit starken (Rat bei wichtigen Entscheidungen) als auch schwächeren Beziehungen (Freizeit und Interessen) hochsignifikant positiv korreliert, kommt dem Einkommen einzig im freizeitorientierten Teilnetzwerk eine Bedeutung zu (r = ,278; p < 0,001). Tatsächlich ist die Aufrechterhaltung interessen- und freizeitbasierter Beziehungen stärker als andere Beziehungsformen mit kostenintensiven Aktivitäten verbunden. Dieser Effekt lässt sich auf multivariatem Level aber nicht bestätigen. Für den dritten Bereich (Hilfe bei praktischen Arbeiten) ist hingegen kein Zusammenhang zu den Ressourcen nachzuweisen. Letztlich können die unterschiedlichen Ressourceneffekte durchaus die Zusammenhänge im Gesamtnetzwerk beeinflussen.

Zusammenfassend ist die Hypothese nicht ohne Einschränkungen zu bestätigen. Zum einen wirkt nur die Bildung, nicht aber das Einkommen positiv auf die Anzahl der Netzwerkpersonen. Diese ist jedoch mit physischen Opportunitäten und psychologischen Dispositionen verknüpft, die eine Kontaktaufnahme und -aufrechterhaltung nachweisbar erleichtern. Zum anderen ist ressourcenunabhängigen Faktoren wie einem hohen Alter und integrativen Merkmalen insgesamt eine höhere Bedeutung zur Erklärung der Netzwerkgröße zuzuschreiben. Darüber hinaus hat sich die Konstruktion der Gesamtskala als problematisch erwiesen. Obgleich die Bildung nicht auf alle Teilbereiche vergleichbare Wirkungen entfaltet, ist in Einklang mit der Hypothese dennoch ein positiver Effekt auf das Gesamtnetzwerk nachzuweisen.

H1.5::

Je höher die individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen, desto höher ist die geografische Reichweite des informellen sozialen Netzwerkes.

Die empirische Analyse bestätigt einen signifikant positiven Einfluss des Einkommens auf die geografische Reichweite sozialer Netzwerke. Demgegenüber ist für die Bildungsressource allenfalls ein moderater korrelativer Zusammenhang nachzuweisen, der sich schließlich in Gänze als einkommensabhängig erweist.

Obwohl es bezüglich bildungsbezogener Ressourcen plausibel erscheint, dass etwa Beziehungen aus dem Studium die Ausdehnung des persönlichen Netzwerkes erhöhen, ist dieser Mechanismus anhand der vorliegenden Stichprobe nicht zu belegen (Fokusthese). Gleichwohl vervielfältigen sich mit finanziellen Möglichkeiten auch die Möglichkeiten der individuellen Freizeitgestaltung über unmittelbare Gegebenheiten hinaus. Die Ausformung des Privatlebens erweitert somit den räumlichen Radius potenzieller und tatsächlicher Kontakte. Neben der Initiierung persönlicher Beziehungen steigt mit den finanziellen Mitteln zudem das Vermögen, überlokale und -regionale Beziehungen zu pflegen. Trotz zahlreicher digitaler Alternativen erscheint eine persönliche Komponente zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte weiterhin zweckdienlich. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass sich vor allem die Netzwerke einkommensschwächerer Personengruppen verstärkt aus lokalen Alteri zusammensetzen, sodass kaum finanzielle Aufwendungen in Form von Anfahrten oder ähnlichem notwendig werden. Folglich gehen finanzielle Möglichkeiten vermehrt mit Kontakten einher, die auch über das eigene Wohngebiet hinausführen. Im Gegensatz dazu beschreiben die Stadtteilintegration und die Einbindung in informelle Gruppierungen wiederholt starke Einflussfaktoren, die unabhängig der sozioökonomischen Ressourcen auf die abhängige Variable wirken. Durch den Fokus auf das direkte Umfeld und die Verdichtung ortsnaher Verflechtungen wie lokaler Interdependenzen bedingen beide Merkmale eine geringe Reichweite informeller Beziehungen. In der Tendenz kommt der Stadtteilintegration sogar ein dem Einkommen übergeordneter Stellenwert zur Erklärung der geografischen Reichweite zu. Die Faktoren der Isolations- und Defizitthese greifen im Kontext der räumlichen Ausgedehntheit indes nicht und bieten entsprechend auch keine Erklärung für die Verknüpfung zwischen Einkommen und abhängiger Variable.

Inhaltlich relevant sind neben den eigentlichen Erklärungsfaktoren ferner die demografischen Merkmale verheiratet und ein großer Haushalt, die den räumlichen Radius persönlicher Netzwerke folgerichtig beschränken. So weist der Familienstand eine hohe Verknüpfung zum Sozialstatus auf und interagiert zwischen Einkommen und Reichweite, angesichts dessen ein Ausschluss der Eheleute aus der Skala für multivariate Analysen sinnvoll erscheint. Die Wirkung der Netzwerkgröße ist im Weiteren in Abhängigkeit der unterschiedlichen Teilnetzwerke zu beurteilen. Relevant und positiv assoziiert erweist sich einzig die Anzahl an Personen, die bei wichtigen Entscheidungen um Rat gefragt werden. Tatsächlich ist diese Art der Beziehung weniger ortsgebunden als Beziehungen, die auf gemeinsamen Freizeitaktivitäten oder praktischen Unterstützungsleistungen beruhen. Da für Ratschläge und nichtkörperliche Hilfe neben der physischen ebenso eine emotionale Nähe ausschlaggebend ist, nimmt mit steigender Netzwerkgröße auch die Wahrscheinlichkeit zu, Personen außerhalb des direkten Wohnumfeldes zu berücksichtigen.

Zusammenfassend ist diese Hypothese in Bezug auf das Einkommen, nicht jedoch die Bildung zu bestätigen. Die Verfügbarkeit monetärer Ressourcen, die für die Aufrechterhaltung eines Netzwerkes über größere und große Distanzen notwendig werden, stellt neben der Stadtteilintegration und der Anzahl starker Beziehungen den wesentlichen Erklärungsfaktor der geografischen Reichweite dar. Die theoretisierten Merkmale sind hingegen kaum geeignet, diesen Zusammenhang näher zu beleuchten. An dieser Stelle mag ein Blick auf die einzelnen Stadtteile weitere Erklärungsansätze liefern.

H1.6::

Je höher die individuelle Ausstattung mit sozioökonomischen Ressourcen, desto heterogener ist die soziale Zusammensetzung des informellen sozialen Netzwerkes.

Bivariate Analysen belegen positive Einflüsse der sozioökonomischen Ressourcen auf die soziale Homophilie, die auch in multivariater Betrachtung unabhängig voneinander auf die abhängige Variable wirken. Unter Kontrolle der weiteren Erklärungsmerkmale kristallisiert sich schließlich die Bildung und nicht das Einkommen als wesentlicher Faktor eines homophilen Netzwerkes heraus. Folglich weisen insbesondere Personen mit einer hohen Formalbildung überproportional viele merkmalsähnliche Alteri auf. Einschränkend ist anzumerken, dass der Bildungseffekt nicht linear verläuft, sondern in der Tendenz einen U-förmigen Zusammenhang beschreibt.

Des Weiteren legen die empirischen Ergebnisse eine differenziertere Bewertung der sozialen Zusammensetzung unter Einbezug des Beziehungsstatus nahe. In Abhängigkeit der sozioökonomischen Ressourcen ist eine zunehmende Beziehungsheterogenität festzustellen, sodass der Anteil familiärer und verwandtschaftlicher Beziehungen in den höchsten Bildungs- und Einkommensgruppen am geringsten ausfällt. Da nichtverwandte Beziehungen im Allgemeinen eine höhere Merkmalsgleichheit als verwandte Beziehungen implizieren, wurde dieser Umstand als Erklärung für die vergleichsweise hohe Homophilie ressourcenstarker Personen erwogen. Diese Vermutung hat sich jedoch nicht bestätigt. So bleibt der Bildungseffekt auch unter Kontrolle des Verwandtenanteil bestehen (r Bildungsjahre Homophilie. Verwandtenanteil = ,307; p < 0,001), weshalb letztlich eine höhere Tendenz Hochgebildeter zu gleichartigen Beziehungen unabhängig der Beziehungsart zu konstatieren ist.

Mit Bezug auf die Fokusthese ist eine Verknüpfung zwischen Bildung und Homophilie wie auch Verwandtenanteil durchaus schlüssig. Denn längere Bildungswege eröffnen zahlreiche Opportunitäten zur Aufnahme sozialer Beziehungen mit eher ähnlichen und in der Regel nichtverwandten Personen. Hinsichtlich der weiteren Erklärungsstrategien weisen die Merkmale Erwerbstätigkeit, Lebenszufriedenheit und soziale Kompetenzen nachweisbar positive Beziehungen zur sozialen Homophilie wie auch den sozioökonomischen Ressourcen auf, vermitteln aber nur geringfügig zwischen diesen Faktoren. Herauszuheben ist die allgemeine Lebenszufriedenheit, die zwischen Ressourcen und Verwandtenanteil interagiert und einen Teil des Bildungs- (r = −,106) und Einkommenseffektes (r = −,160; p < 0,05) erklärt. Argumentativ verantwortet somit eine geringe Ressourcenausstattung eine geringe Lebenszufriedenheit, die sich in einem Rückzug aus Sozialbeziehungen jenseits des Verwandtenkreises ausdrückt. In diesem Kontext ist überdies auf Gefühle von Scham, Selbstzweifeln oder Resignation zu verweisen, die eben jene Isolationstendenzen verstärken können. Darüber hinaus erscheint die Neigung statushoher Personen zur Netzwerkgleichheit mit Blick auf soziale Positionen und ihrer relativen Nützlichkeiten durchaus sinnvoll (Instrumentalisierungsthese). In dieser Sichtweise orientieren sich Personen in ihren Kontakten nur selten nach unten, sondern versuchen ihre eigenen Ressourcen durch Beziehungen zu statusähnlichen Personen zu vermehren. Im Gegenzug bleibt statusschwachen Personen der Zugang zu einflussreichen Netzwerkpositionen und wertvollen Ressourcen aufgrund ihrer sozialen Position häufig versperrt. In der Folge weisen auch sie eine vergleichsweise hohe Homophilie auf (vgl. Blasius et al. 2008; Bourdieu 1983; Wegner 1989).

Zusammenfassend ist die soziale Zusammensetzung des informellen Netzwerkes und damit auch die Gültigkeit der Hypothese auf Basis zweier Aspekte zu bewerten. Einerseits senkt ein hohes Bildungsniveau die Heterogenität des informellen Netzwerkes, da es Tendenzen sozialer Homophilie verstärkt. Andererseits fördern beide sozioökonomischen Ressourcen die Diversität der Beziehungsarten, sodass neben verwandtschaftlichen Beziehungen zunehmend auch Personen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis sowie dem Arbeitsumfeld zum sozialen Netzwerk gezählt werden. Auf dieser Basis ist die Hypothese weder uneingeschränkt zu bestätigen noch vorbehaltlos zu widerlegen.

5.2.2 Soziale Netzwerkeinbindung und politische Partizipation

Bezugnehmend auf die zweite untersuchungsleitende These sind nun Zusammenhänge zwischen politischer Partizipation und formeller (vgl. Abschnitt 5.2.2.1) sowie informeller Netzwerkeinbindung (vgl. Abschnitt 5.2.2.2) zu untersuchen. Im Anschluss an die statistische Erörterung werden die Ergebnisse zusammengefasst und hinsichtlich der zentralen Annahmen begutachtet (vgl. Abschnitt 5.2.2.3). Die Testung der Hypothesen erfolgt primär anhand varianz- und regressionsanalytischer Verfahren, wobei die politische Partizipation jeweils als abhängige Variable eingesetzt wird. Die zentralen unabhängigen Variablen bilden im formellen Netzwerkbereich die Anzahl an Vereinsmitgliedschaften, die Aktiv- und Passivmitgliedschaften sowie die unterschiedlichen Vereinstypen; im Kontext informeller Netzwerke fungieren Größe, Reichweite und soziale Zusammensetzung als erklärende Variablen (vgl. Tabelle 5.14). Zudem werden verschiedene politisierenden Faktoren berücksichtigt, denen in der theoretischen Auseinandersetzung ein Stellenwert zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Netzwerkeinbindung und politischer Partizipation zugesprochen wurde (vgl. Abschnitt 3.3.2; Anhang B.2 im elektr. Zusatzmaterial). Neben klassischen soziodemografischen und -ökonomischen Merkmalen sind ferner verschiedene Einflussgrößen zu kontrollieren, die auf die Komponente der politischen Motivation im Civic Voluntarism Model von Verba et al. (1995) verweisen. Diese werden im Folgenden als politisches Involvement begriffen, wobei im Einzelnen das politische Interesse, die Stärke der Parteibindung, die wahrgenommene politische Wirksamkeit und die Nutzung diverser Medien zur politischen Informierung berücksichtigt werden (vgl. Abschnitt 2.3.2; Anhang B.3 im elektr. Zusatzmaterial). Zuletzt ist eine Beeinflussung der aktuellen politischen Teilhabe durch eine intensive Beschäftigung mit politischen Inhalten in den formativen Jahren zu erwarten. Dieser Umstand wird über die politische Frühsozialisation bemessen.

Tabelle 5.14 Deskriptive Statistiken für die Variablen des zweiten Untersuchungsmodells

5.2.2.1 Politisierung in formellen Netzwerken

Die theoretischen Annahmen um einen politischen Wert formellen Sozialkapitals lassen sich auf bivariatem Niveau zunächst anhand des hochsignifikant positiven Korrelationszusammenhangs zwischen politischer Partizipation und der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften aufzeigen (r = ,242; p < 0,001). Darüber hinaus sollen nun einfaktorielle Varianzanalysen Aufschluss darüber geben, inwieweit sich Vereinsmitglieder und Nichtmitglieder in statistisch relevanter Weise voneinander unterscheiden, wobei sowohl die politische Partizipation als auch die potenziell politisierenden Faktoren sozialer Netzwerke als abhängige Variablen fokussiert werden (vgl. Tabelle 5.15). Da ein besonderer Stellenwert multipler Mitgliedschaften zu erwarten ist, erfolgt überdies eine Differenzierung der Vereinsmitgliedschaften in eine oder mehrere Mitgliedschaften. Infolge dieser theoriegeleiteten Klassierung formeller Netzwerke ergeben sich zum Teil sehr unterschiedliche Gruppengrößen, die bei heterogenen Varianzen durchaus problematisch sein können. Zur Interpretation der Mittelwertdifferenzen wird daher in einem solchen Fall auf den robusteren Welch-Test zurückgegriffen (vgl. Bortz/Schuster 2010: 214; Lüpsen 2015: 24).

Tabelle 5.15 Mittelwertvergleiche der politischen Partizipation und der Erklärungsfaktoren zwischen Nichtmitgliedern, einfachen und multiplen Vereinsmitgliedern

Erwartungsgemäß weisen die Mitgliedschaftsgruppen hochsignifikante Unterschiede in Bezug auf die politische Partizipation (F = 7,51; p < 0,01), aber auch hinsichtlich sämtlicher Erklärungsfaktoren auf. Mit Ausnahme des in der Tendenz umgekehrt U-förmigen Verlaufs des Personenvertrauens gestalten sich die Zusammenhänge jeweils positiv linear. Die durchweg geringsten Mittelwerte der Nichtmitglieder sind für den Vereinskontext nur wenig überraschend, da eine vereinsinterne Sozialisation, Rekrutierung oder Diskussion einzig Vereinsmitgliedern vorbehalten sein sollte.Footnote 13 Bemerkenswerter ist indes die Fortführung dieses Musters im allgemeinen Erklärungsbereich, wodurch sich eine Bestätigung der Lernthese andeutet. Argumentativ trägt das Vereinswesen über die Konfrontation mit positiven Rollenvorbildern zur Internalisierung jener kulturellen Sozialkapitalelemente bei, wobei eine Umsetzung in tatsächliches politisches Verhalten im Weiteren noch zu prüfen ist. Angesichts der korrelativen Zusammenhänge zwischen Partizipation und Vertrauen (r = ,046) sowie Partizipation und Wahlnorm (r = ,067) erscheint dies zumindest fraglich. Zuletzt bestätigt diese Analyse die besondere Relevanz mehrfacher Mitgliedschaften, die vor allem im Bereich der zivilen Fähigkeiten und politischen Informationen sichtbar wird. Dort fallen die Durchschnittswerte jeweils rund dreimal höher aus als bei den einfachen Mitgliedschaften.

Das Politisierungspotenzial formeller Netzwerke soll nun anhand einer multiplen linearen Regression bestimmt werden. Dabei werden die Wirkstärken der einzelnen Erklärungsmerkmale zueinander ins Verhältnis gesetzt und ihr Einfluss auf die politische Partizipation abgeschätzt (vgl. Tabelle 5.16). Auf Basis vorheriger Befunde ist eine Moderation der Mitgliedschaftseffekte durch die sozioökonomischen Ressourcen denkbar (vgl. Abschnitt 5.2.1.1). So korrelieren sowohl Bildungsjahre (r = ,245; p < 0,001) als auch Einkommen (r = ,228; p < 0,001) hochsignifikant positiv mit der politischen Teilhabe und sind in der Analyse entsprechend als Kontrollgrößen zu berücksichtigen. Die Vertrauensarten werden zu einer Vertrauensskala zusammengefasst, wodurch nun ein linearer Zusammenhang zur Anzahl der Vereinsmitgliedschaften angezeigt ist (r = ,260; p < 0,001). Durch diese Abhängigkeit zur zentralen unabhängigen Variable ist eine Berücksichtigung trotz schwacher Beziehungen zur politischen Partizipation zu rechtfertigen. Gleiches gilt für die Wahlnorm.Footnote 14

Die Anzahl an Vereinsmitgliedschaften übt einen signifikant positiven Einfluss auf die politische Partizipation aus (β = ,22; p < 0,01), der sich unter Einbezug der politisierenden Faktoren des Vereinskontextes erwartungskonform als indirekt erweist (Modell 2). Derweil ist nicht allen Merkmalen eine vergleichbare Bedeutung zuzusprechen, sondern insbesondere die civic skills als signifikant positiver Erklärungsfaktor herauszustellen (β = ,23; p < 0,05). Aus dem allgemeinen Bereich sind ferner die Reziprozitätsnormen von statistischem Belang (Modell 3: β = ,19; p < 0,05), wohingegen das Vertrauen und die Wahlnorm entsprechend den bivariaten Befunden keine Effekte auf die abhängige Variable verzeichnen. Auch die soziodemografischen Variablen erweisen sich mehrheitlich als bedeutungsschwach; einzig für das Merkmal Migration ist ein relevanter negativer Einfluss auf die individuelle Beteiligung nachzuweisen (β = −,24; p < 0,01). Darüber hinaus offenbart sich in diesem Modell ein positiver Bildungseffekt (β = ,16; p < 0,05), während dem Einkommen keine eigenständige Bedeutung für die politische Teilhabe zu attestieren ist. Beide sozioökonomischen Ressourcen beweisen im Weiteren eine statistische Abhängigkeit von den Merkmalen des politischen Involvements (Modell 5), sodass ihr Einfluss auf die abhängige Variable stark dezimiert (Bildung) beziehungsweise erkennbar negativ wird (Einkommen).

Gemessen an der relativen Zunahme aufgeklärter Varianz ist jenen motivationalen Faktoren schließlich der größte Stellenwert zur Erklärung politischer Partizipation zu bescheinigen. Durch die Steigerung um 20 Prozentpunkte können insgesamt 36 % der Varianz politischer Beteiligung erklärt werden, wobei sich neben dem Migrationshintergrund ein hohes politisches Interesse (β = ,19; p < 0,05) und die politische Nutzung von Onlinemedien (β = ,27; p < 0,01) als zentrale Erklärungsfaktoren erweisen. Zudem begünstigt die politische Frühsozialisation offenbar habitualisierte politische Einstellungen, die ihren Ausdruck in einer höheren Beteiligung finden. Im Bereich der Erklärungsfaktoren kommt einzig den vereinsbezogenen Informationen eine statistische Bedeutung zu (β = ,16; p < 0,05). Die übrigen Merkmale sind weitestgehend zu vernachlässigen.

Tabelle 5.16 Lineare Regression der politischen Partizipation auf Vereinsmitgliedschaften, Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Skala der politischen Partizipation teils sehr unterschiedliche Beteiligungsformen beinhaltet. Mit Blick auf die fehlende Eindimensionalität der Gesamtskala erscheint eine Nivellierung einzelner Effekte in der Regression vorstellbar (vgl. Abschnitt 4.6.3). Daher wird die Analyse nun für alle Subskalen politischer Teilhabe wiederholt, wobei aus Gründen der Übersichtlichkeit aus den Bereichen demografische Merkmale und politisches Involvement einzig statistisch signifikante Ergebnisse berichtet werden (vgl. Tabelle 5.17).

Tabelle 5.17 Lineare Regressionen der Subskalen politischer Partizipation auf Vereinsmitgliedschaften, Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Einschränkend ist zunächst anzumerken, dass für die unkonventionelle Partizipation aufgrund massiver Verletzungen der Voraussetzungen keine zuverlässigen Ergebnisse produziert werden können. Dies ist unter anderem auf den Einbezug illegaler Einflussmöglichkeiten zurückzuführen, die von den Befragten insgesamt nur selten genutzt werden (vgl. Abschnitt 5.1). Tatsächlich lassen sich auch auf bivariatem Niveau keine Zusammenhänge zur Anzahl der Vereinsmitgliedschaften nachweisen (r = −,032).Footnote 15 Die übrigen Partizipationsskalen stehen hingegen in einem grundsätzlich positiven Verhältnis zur formellen Netzwerkeinbindung, variieren jedoch deutlich hinsichtlich ihrer Effektstärken (Modell 1). Den größten Erklärungsbeitrag leisten die Vereinsmitgliedschaften für die traditionelle Beteiligung (Korr. R2 = 0,12), demgegenüber der Einfluss auf die Online-Beteiligung allenfalls als schwach zu bezeichnen ist.

Die weiteren Unterschiedlichkeiten zwischen den politischen Subskalen können zumindest teilweise die fehlenden oder schwachen Effekte der vereinsbezogenen Erklärungsfaktoren auf die Gesamtskala erklären. So üben etwa die civic skills einen signifikant positiven Einfluss auf die traditionelle Beteiligung aus (β = ,32; p < 0,01), bleiben in den übrigen Modellen aber ohne statistische Relevanz. Da diese Skala organisationsbezogene Teilhabeformate wie die Parteimitgliedschaft und -mitarbeit beinhaltet, welche zivile Kompetenzen im besonderen Maße erfordern und ihrerseits fördern, ist diese Feststellung durchaus schlüssig. Indes stimuliert die vereinsinterne Rekrutierung die konventionelle Beteiligung (β = ,18; p < 0,05) und die politischen Diskussionen beeinflussen die Online-Partizipation signifikant negativ (β = −,17; p < 0,05). Allerdings lassen sich zwischen digitaler Beteiligung und der Häufigkeit politischer Diskussionen weder plausibilitätsgeleitet noch statistisch direkte Zusammenhänge finden (r = ,078), sodass bei diesem Befund von Wechselwirkungen durch weitere Merkmale auszugehen ist. Die Nutzung digitaler Medien für politische Inhalte erweist sich schließlich als die einzige Variable, die auf mehr als eine der abhängigen Variablen wirkt. Entsprechend kommt ihr auch im Modell zur Gesamtpartizipation der höchste Erklärungswert zu. Insgesamt offenbaren die politischen Teilskalen deutliche Unterschiede hinsichtlich der erklärenden Merkmale und demonstrieren somit eine hohe Komplexität politischer Teilhabe. Die Existenz einer einzelnen Erklärungstheorie für das gesamte Spektrum erscheint auf dieser Grundlage überaus zweifelhaft.

Im Rahmen der Vereinsmitgliedschaften wird nun eine qualitative Differenzierung angestrebt und geprüft, inwieweit die politische Teilhabe in Abhängigkeit des Mitgliedschaftsstatus variiert. Angesicht des empirischen Forschungsstandes wird mit Blick auf die politisierenden Funktionen erwartet, dass organisatorische Fähigkeiten erst bei einer aktiven Mitgliederrolle kultiviert werden, wohingegen auch passive Mitglieder über Einladungen oder die Verbreitung relevanter Informationen zu einer politischen Betätigung mobilisiert werden können (vgl. 3.3.1). Korrelative Zusammenhänge zwischen Mitgliedschaftsstatus und civic skills (r aktiv = ,558; p < 0,001; r passiv = ,049) sowie politischer Rekrutierung (r aktiv = ,260; p < 0,001; r passiv = ,156; p < 0,01) stützen diese Sichtweise. Zur Aufdeckung partizipationsrelevanter Unterschiede zwischen keinen, passiven und aktiven Mitgliedern kommen im Folgenden Varianzanalysen zum Einsatz (vgl. Tabelle 5.18).

Tabelle 5.18 Mittelwertvergleiche der politischen Partizipation und der Erklärungsfaktoren zwischen Nichtmitgliedern, passiven und aktiven Vereinsmitgliedern

Die Ergebnisse bezeugen sowohl für die politische Partizipation (F = 7,95; p < 0,001) als auch sämtliche Erklärungsfaktoren hochsignifikante Mittelwertunterschiede zwischen den Mitgliedschaftsgruppen. Allerdings sind die statistischen Signifikanzen weniger auf die Differenzierung des Mitgliedschaftsstatus als auf den Vergleich beider Status zu den Nichtmitgliedern zurückzuführen. Tatsächlich weisen aktive und passive Mitglieder einzig im Bereich der civic skills substanzielle Mittelwertdifferenzen zugunsten der aktiven Gruppierung auf. Demgegenüber werden passive Mitglieder am häufigsten zu einer politischen Mitwirkung eingeladen und diskutieren am häufigsten über politische Themen. Da sich diese Werte aber allenfalls marginal von denen der Aktivmitgliedschaften unterscheiden, bestätigen die Ergebnisse weitestgehend die vormals dargelegte Auffassung. Demnach ist eine vereinsbezogene Politisierung über Einladungen und Informationen – im Gegensatz zu den civic skills – beiden Mitgliedschaftstypen gleichermaßen möglich. In Anbetracht der signifikant höheren Partizipation scheint dieser Prozess jedoch bei einer aktiven Mitgliedschaft im Allgemeinen erfolgreicher zu verlaufen. Übereinstimmend ist für die Anzahl an Aktivmitgliedschaften ein positiver Zusammenhang zur politischen Partizipation nachzuweisen (r = ,209; p < 0,01), wohingegen für die Passivmitgliedschaften keine Beziehung abzuleiten ist (r = ,025). Zur multivariaten Testung der Bedeutung aktiver Mitgliedschaften für die politische Teilhabe wird im Folgenden eine lineare Regression modelliert, wobei die aktiven und passiven Mitgliedschaften jeweils als metrische Variablen berücksichtigt werden (Anzahl aktiver und passiver Vereinsmitgliedschaften). Wiederholt werden ausschließlich signifikante Kontrollvariablen präsentiert (vgl. Tabelle 5.19).

Tabelle 5.19 Lineare Regression der politischen Partizipation auf aktive und passive Vereinsmitgliedschaften, Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Das erste Modell bestätigt die vorherigen Befunde um den positiven Einfluss aktiver (β = ,20; p < 0,01) und den fehlenden Einfluss passiver Mitgliedschaften (β = ,00) auf die politische Partizipation. Infolgedessen ist auch der vormalige Erklärungsbeitrag formeller Netzwerke weitestgehend auf die aktive Mitgliederkomponente zu reduzieren. Abgesehen von der Differenzierung des Mitgliedschaftsstatus wird eben jenes Erklärungsmodell um die Anzahl an Vereinsmitgliedschaften nahezu vollständig reproduziert (vgl. Tabelle 5.16). So sind im zweiten Modell wiederholt die civic skills von Relevanz, die sowohl einen Einfluss auf die abhängige Variable ausüben als auch den Zusammenhang zwischen aktiver Mitgliederrolle und politischer Beteiligung erklären (β = ,22; p < 0,05). Auch mit Blick auf die Reziprozität (β = ,19; p < 0,01) und die weiteren Erklärungs- wie Kontrollvariablen sind nur geringfügig veränderte Effektstärken zum Vorgängermodell festzustellen. Im Gesamtmodell bilden erneut die Migration (β = −,17; p < 0,05), ein hohes politisches Interesse (β = ,20; p < 0,05), keine Frühsozialisation (β = −,18; p < 0,05) und vor allem die digitale Mediennutzung (β = ,29; p < 0,001) statistisch bedeutsame Erklärungsfaktoren ab. Darüber hinaus verzeichnet die Anzahl an Passivmitgliedschaften nunmehr einen signifikant negativen Effekt auf die politische Partizipation (β = −,13; p < 0,05). Insgesamt können schließlich 37,1 % der Varianz aufgeklärt werden.

Die bisherigen Ergebnisse um aktive und passive Vereinsmitgliedschaften lassen sich nun treffend unter Betrachtung der Subskalen politischer Partizipation zusammenfassen (vgl. Anhang C.2 im elektr. Zusatzmaterial)Footnote 16. Zum einen kommt den Aktivmitgliedschaften ein essenzieller Einfluss auf die traditionelle Beteiligung zu (β = ,35; p < 0,001; passiv: β = ,07). Dieser Effekt lässt sich im zweiten Modell nahezu vollständig auf die hohe Relevanz der civic skills zurückführen, die erst bei einer regen Vereinsteilhabe zum Tragen kommen (β = ,30; p < 0,01). Zum anderen ist für die konventionelle Beteiligung kein derart hoher Stellenwert des Mitgliedschaftsstatus nachzuweisen (aktiv: β = ,11; passiv: β = ,06). Für diesen Partizipationstypus bestätigt sich vielmehr die Bedeutung politischer Rekrutierungen (β = ,17; p < 0,05), die entsprechend der vorherigen Befunde gleichermaßen aktive wie passive Mitglieder anbelangen. Zuletzt ist den Aktivmitgliedschaften ein moderater Einfluss auf die Online-Partizipation zuzuschreiben (β = ,16; p < 0,05; passiv: β = −,06), der im Gesamtmodell aber durch die digitale Informationsnutzung überlagert wird (β = ,33; p < 0,001). Die uneinheitlichen Ergebnisse um den Einfluss aktiver Mitgliedschaften betonen letztlich erneut die Vielschichtigkeit politischer Beteiligung.

Neben dem Aktivitätsgrad mag ferner die Art des Vereins einen Einfluss auf die politische Partizipation einer Person ausüben. Obgleich Putnam (1996: 3) grundsätzlich jedem Verein ein Politisierungspotenzial einräumt, erscheint eine besonders hohe Politisierung in instrumentell ausgerichteten Vereinen argumentativ überzeugend. So sind die Mitglieder jener Assoziationen durch überdurchschnittlich hohe Sozialkompetenzen und einem spezifischen Interesse an gesellschaftlicher wie statussichernder Einflussnahme charakterisiert. Darüber hinaus ist eine Mitgliedschaft in instrumentellen Vereinen inklusiv, sodass primär brückenbildendes Sozialkapital generiert und der Aufbau generalisierter Reziprozität und sozialen Vertrauens gefördert wird (vgl. Abschnitt 2.4.5, 5.2.1.1). In Einklang mit der höheren Politisierungserwartung korrelieren instrumentelle Mitgliedschaften nachweisbar stärker positiv mit der politischen Partizipation (r = ,265; p < 0,001) als expressive (r = ,154; p < 0,05) und gemischte Vereine (r = ,145; p < 0,05). Vor der multivariaten Testung dieser Beziehungen soll zunächst untersucht werden, inwieweit die Mitglieder unterschiedlicher Vereine auch unterschiedliche Partizipationsangebote bevorzugen. Tabelle 5.20 liefert einen deskriptiven Überblick über die mittleren Ausprägungen der verschiedenen Beteiligungsformen differenziert nach Vereinstypus. In diesem Zusammenhang ist abermals darauf hinzuweisen, dass die Befragten zum Teil mehreren Vereinstypen angehören, weshalb die Ergebnisinterpretation allenfalls näherungsweise erfolgen kann. Solche Überschneidungen werden aufgrund der geringen Fallzahlen bei disjunkten Kategorien nötig, weshalb auch an dieser Stelle keine signifikanztestenden Verfahren zum Einsatz kommen können.

Tabelle 5.20 Politische Partizipationsskalen und -formen nach Vereinstypus (Mittelwerte)

Die Mitglieder instrumenteller Vereine weisen sowohl in Bezug auf die konventionelle (0,36) als auch die traditionelle (0,35) und digitale Partizipation (0,28) die höchsten Durchschnittswerte auf und beteiligen sich folglich auch insgesamt am häufigsten politisch (0,25). Einzig im unkonventionellen Bereich berichten die Mitglieder gemischt ausgerichteter Vereine eine höhere Beteiligung (0,03). Die Vereinstypen variieren zwar hinsichtlich der Höhe ihrer mittleren Partizipation, jedoch wird in allen Gruppen die gleiche Präferenzreihung der politischen Teilskalen vorgenommen. So favorisieren die Mitglieder aller Vereinstypen im Mittel am stärksten die konventionelle und am wenigsten die unkonventionelle politische Einflussnahme. Im Hinblick auf die einzelnen Teilhabeformate ist zusammenfassend zu konstatieren, dass die Mitglieder instrumenteller Vereine am häufigsten an politische Institutionen spenden, in Parteien mitarbeiten und Politikerinnen wie Politiker kontaktieren. Demgegenüber fokussieren die Mitglieder expressiver Vereine vorwiegend eine elektorale Beteiligung sowie die Meinungsäußerung im Rahmen politischer Diskussionen. Gemischte Vereinsmitgliedschaften scheinen indes stärker als andere mit der Teilnahme an Flashmobs und Demonstrationen in Verbindung zu stehen, wobei sich hier aber kein einheitliches Bild offenbart. Darüber hinaus weisen jene Mitglieder teils massive Unterschiede zu den instrumentellen Assoziationen auf, die sich unter anderem in einer seltenen Parteimitarbeit und Anweisung finanzieller Spenden manifestieren.

In Bezug auf das Partizipationsverhalten ist damit in der Tendenz zu schlussfolgern, dass instrumentelle Vereinsmitglieder direkte und traditionelle Wege politischer Einflussnahme bevorzugen, während die expressiven Mitglieder niedrigschwellige Beteiligungsformen vorziehen und Mitglieder der gemischten Kategorie eine leichte Präferenz hinsichtlich unkonventioneller Wege äußern. Auf dieser Basis lassen sich geringfügig unterschiedliche Partizipationsmuster in Abhängigkeit des Vereinstypus unterstellen. Zur Beurteilung der Bedeutung unterschiedlicher Vereinstypen für die politische Partizipation wird nun die multiple Regression der vorherigen Untersuchungen wiederholt (vgl. Tabelle 5.21). Da sich der Großteil der Erklärungs- und Kontrollfaktoren als weitestgehend unabhängig vom Mitgliedschaftsstatus erwiesen hat, sind auch für das nachfolgende Modell keine substanziellen Veränderungen jener Größen zu erwarten. Tatsächlich besteht das vorrangige Ziel auch nicht in der Aufdeckung neuer Zusammenhänge, sondern in der Offenlegung von Unterschieden zwischen den Vereinstypen, die jeweils als metrische Variablen (Anzahl) aufgenommen werden.

Im ersten Modell offenbart sich in Einklang zu den vorherigen Ergebnissen ein hochsignifikant positiver Einfluss der instrumentellen Vereinsmitgliedschaften auf die politische Partizipation (β = ,23; p < 0,01). Dieser Effekt verbleibt auch im zweiten und dritten Modell signifikant (p < 0,05) und ist demnach nicht vollständig auf die politisierenden Funktionen zurückzuführen. Erst unter Einbezug der demografischen Merkmale (Modell 4) verliert diese Variable ihre statistische Bedeutsamkeit. Hingegen ist weder für die expressiven (β = ,02) noch die gemischten Vereinsmitgliedschaften (β = ,04) ein Zusammenhang zur politischen Beteiligung nachzuweisen. Wohl aber ist mit Blick auf die veränderten Effektrichtungen im zweiten Modell eine gewisse Abhängigkeit dieser Vereinsformen von den Erklärungsfaktoren zu konstatieren. Diesbezüglich erweisen sich wiederholt die kommunikativen und organisationalen Fähigkeiten als wesentliches Erklärungsmerkmal im Vereinskontext (Modell 2: β = ,24; p < 0,05) und die Reziprozität bildet im allgemeinen Bereich die zentrale Größe (Modell 3: β = ,18; p < 0,05). Bemerkenswert ist im Weiteren die zunehmende Effektstärke und statistische Bedeutung der politischen Informationen, denen auch im Gesamtmodell eine statistische Relevanz zuzuschreiben ist (β = ,17; p < 0,05). Insgesamt ist somit den instrumentellen, nicht aber den expressiven und gemischten Mitgliedschaften ein Einfluss auf die politische Partizipation zu attestieren, der jedoch nur partiell über die politisierenden Wirkungen zu erklären ist. Für die übrigen Erklärungsgrößen ergeben sich erwartungsgemäß kaum Veränderungen zu den vorherigen Modellen und auch der Anteil aufgeklärter Gesamtvarianz liegt mit rund 37 % auf dem gleichen Niveau.

Tabelle 5.21 Lineare Regression der politischen Partizipation auf instrumentelle, expressive und gemischte Vereinsmitgliedschaften, Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Aufgrund der dargelegten Partizipationspräferenzen, die wenigstens tendenziell zwischen den Vereinstypen variieren, ist es zwingend notwendig, auch hier die Teilskalen politischer Partizipation in die Betrachtung einzubeziehen. In den einzelnen Regressionsmodellen bestätigt sich zunächst jeweils der positive Einfluss instrumenteller Mitgliedschaften auf die politische Teilhabe, wenn auch mit unterschiedlichen Effektstärken (vgl. Anhang C.3 im elektr. Zusatzmaterial). Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Wirkung auf den traditionellen Typus (β = ,26; p < 0,001), wohingegen der Einfluss auf die konventionellen Beteiligungsformen nicht signifikant ausfällt (β = ,11). Für die übrigen Vereinstypen lassen sich hingegen kaum eindeutige Muster feststellen und die jeweiligen Effekte sind statistisch größtenteils wenig bedeutsam. Mit Blick auf die mittleren Teilhabepräferenzen erweisen sich diese Befunde als durchaus schlüssig (vgl. Tabelle 5.20). So werden konventionelle Beteiligungsmöglichkeiten von allen Vereinsmitgliedern vergleichsweise häufig genutzt, sodass diesbezüglich auch multivariat die geringsten Unterschiede aufzuzeigen sind. Hingegen äußern die Mitglieder instrumenteller Vereine ihren politischen Willen nachweisbar am häufigsten über direkte und zeitintensive Formen. Entsprechend deutlich fallen die vereinsbezogenen Differenzen in der traditionellen Partizipation aus. Im Weiteren wirken im Feld der Erklärungsfaktoren wiederholt die civic skills auf den traditionellen (β = ,25 p < 0,01), die Rekrutierung auf den konventionellen (β = ,18; p < 0,05) und die Nutzung der Online-Medien auf den digitalen Typus (β = ,33; p < 0,001). Somit zeigt sich auch an dieser Stelle eine Verschleierung einzelner Effekte durch den Bezug auf die Gesamtpartizipation. Da sich jedoch infolge der Differenzierung unterschiedlicher Vereinstypen nur geringfügige Unterschiede zu den Vorgängermodellen im Hinblick auf die Erklärungs- und Kontrollfaktoren belegen lassen, ist eine Abhängigkeit dieser Elemente von den qualitativen Vereinsmerkmalen (Status und Typ) grundsätzlich infrage zu stellen.

Zusammenfassend sind in dieser Untersuchung positive Verknüpfungen zwischen institutionalisierten Netzwerken und der politischen Beteiligung zu belegen. In Vereinen gehen nachweisbar Politisierungsprozesse vonstatten, die sich in einer höheren Beteiligungswahrscheinlichkeit der Vereinsmitglieder im Vergleich zu den Nichtmitgliedern äußern. Im Folgenden werden mit der informellen Netzwerkeinbettung umfassende Aspekte alltäglicher Beziehungen thematisiert und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die politische Partizipation beurteilt.

5.2.2.2 Politisierung in informellen Netzwerken

Diese Untersuchung beschreibt in zentraler Position einen zunehmenden Stellenwert informellen Sozialkapitals für die politische Partizipation, der sich unter anderem aus der stetig sinkenden Zahl individueller Vereinsmitgliedschaften speist (vgl. Abschnitt 3.5). Erste Hinweise über die relative Wichtigkeit der persönlichen Netzwerke und der politisch relevanten Ressourcen, die sich aus alltäglichen Beziehungen schöpfen lassen, liefert eine vergleichende Betrachtung der politisierenden Funktionen formeller und informeller Netzwerke (vgl. Anhang C.4 im elektr. Zusatzmaterial). So werden im informellen Bereich durchschnittlich mehr Partizipationsanfragen gestellt, mehr politische Informationen verbreitet und häufiger über politische Inhalte diskutiert als im Vereinsumfeld, wohingegen in beiden Kontexten etwa gleich viele civic skills generiert werden. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die hohe Diversität des informellen Bereichs. Während sich insbesondere familiäre und freundschaftliche Beziehungen als relevante politisierende Instanzen auszeichnen, erfüllen nachbarschaftliche und religiöse Einbindungen diese Funktion nur schwach. Gleichwohl ist mit Blick auf die korrelativen Zusammenhänge zu vermerken, dass sich ein hoher Mittelwert nicht unmittelbar in eine höhere politische Beteiligung übersetzen lässt. Beispielsweise sind die informellen civic skills trotz gleicher Durchschnittswerte erkennbar stärker positiv mit einer politischen Beteiligung assoziiert (r = ,452; p < 0,001) als die formellen Fähigkeiten (r = ,294; p < 0,001) und für die politischen Informationen und Diskussionen ist in der Tendenz jeweils das Gegenteil zu vermerken. Es wäre folglich verfrüht, auf Basis der mehrheitlich höheren Durchschnittswerte partizipationsrelevanter Merkmale eine grundlegend höhere politisierende Wirkung informeller Netzwerke abzuleiten. Um eine gesicherte Einschätzung über die politische Bedeutung formellen und informellen Sozialkapitals treffen zu können, orientiert sich die nachkommende Analyse ausdrücklich am Vorgehen des Abschnittes 5.2.2.1 und ermöglicht auf diese Weise einen direkten Vergleich beider Netzwerkarten.

Beginnend mit der quantitativen Netzwerkkomponente, steht die Größe informeller Netzwerke in einem positiven Korrelationsverhältnis zur politischen Beteiligung (r = ,207; p < 0,01) und auch für die einzelnen Teilnetzwerke sind jeweils positive Zusammenhänge zur Partizipationsskala mit Signifikanzen auf dem 5 %-Niveau herauszustellen. Damit deutet sich an dieser Stelle keine unterschiedliche Politisierungsqualität in Abhängigkeit der Beziehungsstärke an, sodass in die nachfolgende Varianzanalyse die Gesamtgröße informeller Netzwerke einfließen kann. Tabelle 5.22 gibt die Unterschiede zwischen kleinen, mittleren und großen Netzwerken hinsichtlich partizipationsrelevanter Merkmale aus und ermöglicht so einen Blick auf relevante Besonderheiten in den netzwerkbezogenen Verteilungen.

Tabelle 5.22 Mittelwertvergleiche der politischen Partizipation und der Erklärungsfaktoren zwischen Gruppen mit kleinen, mittleren und großen Netzwerken

Bezogen auf die politische Beteiligung sind substanzielle Unterschiede zwischen den Gruppen unterschiedlicher Netzwerkgröße festzustellen (F = 4,84; p < 0,01), die sich in Einklang mit der grundlegenden Annahme in einem positiv linearen Zusammenhang konstituieren. Auch die politisierenden Faktoren des informellen Bereichs differieren jeweils in erwarteter Richtung, demnach die großen Netzwerke mehrheitlich die höchsten Durchschnittswerte aufweisen. Von diesem Muster weicht einzig die politische Rekrutierung ab, die in der mittleren Gruppe am höchsten ausfällt. Statistisch signifikante Differenzen zwischen allen drei Gruppen manifestieren sich derweil einzig für die zivilen Fertigkeiten (F = 37,69; p < 0,001). Im allgemeinen Erklärungsbereich lassen sich zwar für alle Merkmale, abgesehen vom Institutionenvertrauen, vergleichbare lineare Tendenzen aufzeigen, aber nur der Reziprozität ist eine empirische Bedeutung zu attestieren. Insgesamt belegen die Ergebnisse der Varianzanalyse relevante Unterschiede in Abhängigkeit der Netzwerkgröße, die aber überwiegend die politische Partizipation und die informellen Erklärungsfaktoren umfassen. Inwieweit dieser Befund nun tatsächlich ein Politisierungspotenzial informeller Strukturen impliziert, ist im Weiteren anhand multivariater Methoden zu klären.

Zu diesem Zweck wird eine multiple lineare Regressionsanalyse modelliert, welche die politische Partizipation als abhängige und die Netzwerkgröße (Gesamt) als zentrale unabhängige Variable aufnimmt. Im Sinne der angestrebten Vergleichbarkeit werden neben den informellen Erklärungsfaktoren die Erklärungs- und Kontrollgrößen aus den formellen Netzwerkmodellen übernommen. Aus der Berechnung wurden insgesamt zwei Fälle ausgeschlossen, die mehr als drei Standardabweichungen von der mittleren politischen Partizipation abweichen (vgl. Tabelle 5.23).

Tabelle 5.23 Lineare Regression der politischen Partizipation auf Netzwerkgröße, Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Das erste Modell zeigt einen signifikant positiven Einfluss der Netzwerkgröße auf die politische Beteiligung an (β = ,20; p < 0,01), der schließlich vollständig auf die informellen Erklärungsstrategien zurückzuführen ist (Modell 2). Demnach ist mit zunehmender Anzahl an Netzwerkpersonen eine Steigerung der zivilen Fähigkeiten und Partizipationsanfragen assoziiert, die jeweils hochsignifikant positiv auf die individuelle Teilhabewahrscheinlichkeit wirken. Die politischen Informationen und Diskussionen sind hingegen statistisch unbedeutend. Zusammen erklären die politisierenden Merkmale schließlich 23 % der Varianz der politischen Beteiligung und damit einen mehr als doppelt so hohen Anteil als die Faktoren formeller Einbindungen (9 %; vgl. Tabelle 5.16). Im Weiteren gestalten sich die allgemeinen Erklärungsfaktoren als bedeutungsschwach (Modell 3) und auch die demografischen Kontrollmerkmale sind mit Ausnahme eines negativen Migrationseinflusses (β = −,19; p < 0,05) statistisch wenig relevant (Modell 4). Übereinstimmend zu den Erklärungsmodellen des formellen Netzwerkbereiches wirken jedoch das politische Interesse und die Nutzung von Online-Medien signifikant positiv auf die politische Beteiligung, welche an dieser Stelle um die interne Wirksamkeit ergänzt werden (Modell 5). Wiederholt ist die digitale Mediennutzung mit einer Effektstärke von β = ,29 (p < 0,001) als stärkster Prädiktor des gesamten Modells zu charakterisieren. Daneben zeichnen sich weiterhin die civic skills (β = ,19; p < 0,05) und die politische Rekrutierung (β = ,27; p < 0,001) als substanzielle Einflussgrößen aus. Somit ist dem informellen Netzwerkkontext tatsächlich ein bedeutsamer Stellenwert zur Erklärung politischer Partizipation zuzuschreiben, der auch unter Kontrolle aller weiterer Faktoren zum Tragen kommt. Aufgrund der Mehrdimensionalität der Partizipationsskala ist nun eine Überprüfung der Zusammenhänge für die einzelnen Teilskalen angeraten (vgl. Tabelle 5.24).

Die Netzwerkgröße übt zwar keinen signifikanten Einfluss auf die traditionelle Partizipation aus (β = ,14), steigert jedoch maßgeblich die Wahrscheinlichkeit einer digitalen (β = ,14; p < 0,05) und konventionellen Teilhabe (β = ,23; p < 0,01). Des Weiteren erweist sich der Netzwerkeffekt in allen Modellen als indirekt, wird aber jeweils über verschiedene Merkmale erklärt. So ist für die traditionelle (Rekrutierung: β = ,25; p < 0,01) und die digitale Partizipation (civic skills: β = ,26; p < 0,01) jeweils nur einer der Erklärungsfaktoren von Bedeutung, wohingegen die konventionelle Beteiligung durch beide informellen Größen signifikant (p < 0,05) gesteigert wird. Bemerkenswert ist dabei vor allem der fehlende Einfluss der civic skills im traditionellen Partizipationsmodell, stellten doch die formellen Fähigkeiten vormals einen überaus eindrucksvollen Prädiktor dar (vgl. Tabelle 5.17).

Tabelle 5.24 Lineare Regressionen der Subskalen politischer Partizipation auf Netzwerkgröße, Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Schlussfolgernd ist offenbar der Entstehungskontext der zivilen Fähigkeiten für diese Form der politischen Teilhabe von entscheidender Bedeutung, wobei es naheliegend erscheint, dass für die organisationsbezogene Partizipationsform civic skills aus organisierten Vereinsstrukturen relevanter sind als informell generierte Fähigkeiten. Jenseits der Erklärungsfaktoren sind zudem einige Unterschiedlichkeiten hinsichtlich soziodemografischer Merkmale und den Variablen des politischen Involvements festzustellen, die aber jeweils unabhängig von der Netzwerkgröße auf die einzelnen Beteiligungsformen wirken. Zusammenfassend sind demnach auch im Bereich nichtinstitutionalisierter Beziehungen teils deutliche Differenzen zwischen den einzelnen Formen politischer Beteiligung nachzuweisen.

Als qualitativer Aspekt informeller Netzwerke ist weiter ein partizipationsfördernder Einfluss der geografischen Reichweite zu prüfen, die unter anderem mit der Bereitstellung heterogener und nichtredundanter Informationen in Verbindung gebracht wurde. Bezüglich des Zusammenhangs zur politischen Partizipation (r = ,181; p < 0,01) ist mit Blick auf vorherige Befunde zunächst ein Ausschluss der Ehepartnerinnen und Ehepartner aus der Skala der Reichweite zu erwägen (vgl. Abschnitt 5.2.1.2). Tatsächlich verstärkt sich der Korrelationszusammenhang durch diesen Schritt (r = ,262; p < 0,001), sodass in der weiteren Analyse auf die angepasste Skala zurückgegriffen wird. Abgesehen von den civic skills (r = ,239; p < 0,001) und der Wahlnorm (r = ,218; p < 0,01) weisen die Erklärungsfaktoren keine Beziehungen zur geografischen Reichweite auf. Eine Erklärung für fehlende Verknüpfungen wären etwa nichtlineare Zusammenhänge, die sich mithilfe eines Mittelwertvergleiches aufdecken lassen. Zu diesem Zweck wird die geografische Reichweite in Gruppen geringer, mittlerer und hoher Ausgedehntheit gesplittet, wobei die Bildung annähernd gleich großer Gruppen anvisiert wird (vgl. Tabelle 5.25).

Tabelle 5.25 Mittelwertvergleiche der politischen Partizipation und der Erklärungsfaktoren zwischen Gruppen mit geringer, mittlerer und hoher Netzwerkreichweite (ohne Eheperson)

Die Ergebnisse der Varianzanalysen bestätigen zum einen eine Abhängigkeit der zivilen Fähigkeiten sowie der Wahlnorm von der geografischen Reichweite, die sich in positiv linearen Beziehungen äußert. Zum anderen bewahrheitet sich für den Großteil der übrigen Merkmale die Vermutung nichtlinearer Zusammenhänge. Einzig die Diskussionshäufigkeit und das Vertrauen nehmen mit steigender Netzwerkausgedehntheit zu, jedoch unterscheiden sich die Gruppen allenfalls moderat voneinander. Obgleich die politisierenden Faktoren mehrheitlich keine bemerkenswerten Differenzen aufweisen, unterscheiden sich die Gruppen geringer und hoher Reichweite signifikant im Hinblick auf die politische Partizipation (F = 6,37; p < 0,01). Insgesamt lassen sich die erwarteten Effekte somit nur in Teilen nachweisen, wobei mit der Informationsvielfalt und der Rekrutierungsquantität insbesondere jene Merkmale ohne Einfluss bleiben, denen in der Theorie explizit ein Zusammenhang zur räumlichen Ausgedehntheit unterstellt wurde.

Möglicherweise ist für die Bereitstellung partizipationsrelevanter Ressourcen weniger die räumliche Reichweite sozialer Netzwerke als vielmehr deren Zusammensetzung ausschlaggebend. So wurde eine heterogene Netzwerkstruktur mit der Verbreitung verschiedenartiger Informationen und Meinungsbilder, dem Aufbau vielfältiger Fertigkeiten und sonach dem Anstoß politischer Beteiligung in Verbindung gebracht. Allerdings fordern die Ergebnisse aus Abschnitt 5.2.1.2 eine Reformulierung dieser Annahmen heraus. Aufgrund der positiven Verknüpfung zwischen sozialem Status und sozialer Gleichheit erscheint nunmehr eine partizipationsfördernde Wirkung homophiler Tendenzen denkbar, die sich in Form eines positiven Korrelationszusammenhangs bestätigt (r Homophilie Partizipation (stand.) = ,209; p < 0,01). Auf gleichem Niveau, nur mit umgekehrten Vorzeichen, gestaltet sich die Beziehung zwischen politischer Beteiligung und dem Anteil verwandter Beziehungen (r = −,210; p < 0,01). Hingegen sind für den Großteil der politisierenden Merkmale abermals kaum statistisch relevante Zusammenhänge zur sozialen Homophilie und zum Verwandtenanteil im Netzwerk zu belegen. Einzig die zivilen Fähigkeiten und das Institutionenvertrauen weisen zu beiden Faktoren Beziehungen mit Signifikanzen auf dem 5 %-Niveau auf. Aufschluss über die schwachen oder fehlenden Zusammenhänge liefern Mittelwertvergleiche zwischen geringen, mittleren und hohen Ausprägungen homophiler respektive verwandter Beziehungen. Diese demonstrieren für die Mehrheit der Merkmale in der Tendenz umgekehrt U-förmige Zusammenhänge und allenfalls geringfügige Differenzen in Abhängigkeit der qualitativen Netzwerkelemente. Auf die Ergebnisse soll an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden (vgl. Anhang C.5, Anhang C.6 im elektr. Zusatzmaterial). Festzuhalten sei aber der Befund, dass die Merkmale der sozialen Zusammensetzung zwar keine bemerkenswerten Bezüge zu den politisierenden Faktoren aufweisen, sich aber trotzdem signifikant hinsichtlich der politischen Teilhabe unterscheiden. Inwieweit sich diese Zusammenhänge multivariat bestätigen, ist im Weiteren zu prüfen. Dazu werden die geografische Reichweite und die soziale Homophilie jeweils als zentrale unabhängige Variablen in die nachfolgenden linearen Regressionsanalysen integriert. Um einen direkten Vergleich der qualitativen Netzwerkkomponenten zu ermöglichen, werden die einzelnen Modelle in gekürzter Form einander gegenübergestellt (vgl. Tabelle 5.26).

Im ersten Modell ist ein hochsignifikant positiver Einfluss der geografischen Reichweite auf die politische Beteiligung einer Person nachzuweisen (β = ,23; p < 0,01). In Einklang zu den vorherigen Feststellungen ist dieser Effekt aber nur zu einem gewissen Anteil über die politisierenden Merkmale zu erklären und bleibt somit auch im zweiten Modell statistisch signifikant (β = ,15; p < 0,05). Der Einfluss der sozialen Homophilie gestaltet sich zwar ebenfalls positiv, ist insgesamt aber allenfalls als moderat zu bezeichnen (β = ,12) und klärt lediglich 0,9 % der Varianz auf. Abgesehen von den unterschiedlichen Effektstärken der zentralen unabhängigen Variablen äußern sich zwischen den Regressionsmodellen nur geringfügige Unterschiede. Dieser Umstand verweist nun wiederholt auf eine vergleichsweise schwache Bedeutung der qualitativen Netzwerkelemente für die theoretisierten Erklärungsfaktoren. Darauf deutet auch die nahezu vollständige Replikation des Modells zur sozialen Homophilie hin, wenn stattdessen der Verwandtenanteil berücksichtigt wird. In den Gesamtmodellen erweisen sich schließlich jeweils die civic skills und die Rekrutierung als bedeutsame Indikatoren politischer Teilhabe, wohingegen die Erklärungsfaktoren des allgemeinen Bereichs weitestgehend bedeutungslos bleiben. Einzig im Modell zur Homophilie erweist sich überraschend die Wahlnorm als signifikant negativer Prädiktor der politischen Partizipation (β = −,15; p < 0,05). Auch in Bezug auf die weiteren Erklärungsmerkmale sind lediglich graduelle Unterschiede zwischen den Modellen nachzuweisen. Auf dieser Basis zeichnet sich insgesamt nur eine begrenzte Abhängigkeit der theoretischen Erklärungsfaktoren von den qualitativen Netzwerkmerkmalen ab, sodass ihnen letztlich nur eine geringe Politisierungsqualität zu unterstellen ist.

Tabelle 5.26 Lineare Regressionen der politischen Partizipation auf qualitativ-informelle Netzwerkelemente (geografische Reichweite oder soziale Homophilie), Erklärungsfaktoren, demografische Merkmale und politisches Involvement

Um auszuschließen, dass die größtenteils schwachen beziehungsweise fehlenden Effekte auf die Heterogenität der Partizipationsskala zurückzuführen sind, werden wiederholt separate Regressionsanalysen für die politischen Subskalen geschätzt (vgl. Anhang C.7, Anhang C.8 im elektr. Zusatzmaterial). Die Ergebnisse zusammenfassend sind für die Reichweite signifikant positive Zusammenhänge zur digitalen (β = ,16; p < 0,05) und konventionellen Teilhabe (β = ,22; p < 0,01), nicht aber zu den traditionellen Beteiligungsformen (β = ,11) nachzuweisen. Die soziale Homophilie offenbart hingegen, analog zum Gesamtmodell, keine signifikanten Beziehungen zu den Subskalen. Auffallend schwach gestaltet sich derweil der Zusammenhang zur Online-Partizipation (β = ,01), infolgedessen der korrigierte Determinationskoeffizient für alle praktischen Zwecke bei 0 liegt (ausgewiesen wird ein korrigiertes R2von −,01). In Bezug auf die weiteren Kontrollgrößen bestätigen sich im Wesentlichen jene Tendenzen, die im Zusammenhang mit der Netzwerkgröße dargelegt wurden (vgl. Tabelle 5.24). Somit liefert die Differenzierung der politischen Partizipation keine neuen Erkenntnisse und belegt lediglich den relativ geringen statistischen Stellenwert der qualitativen Aspekte informeller Vernetzung.

Abschließend sind auch in Bezug auf das politische Partizipationsverhalten grundlegende Unterschiede zwischen den Befragten aus Chorweiler und Hahnwald zu konstatieren, die sich in einer höheren Beteiligungsrate seitens der Personen aus Hahnwald manifestieren (vgl. Abschnitt 5.1). In den folgenden Analyseschritten liegt die Priorität auf der Herstellung einer Verbindung zwischen stadtteilspezifischer politischer Partizipation und sozialer Netzwerkeinbindung jenseits der sozioökonomischen Ressourcenausstattung. Dem vorangestellt werden nun die empirischen Ergebnisse dieses Abschnittes diskutiert und im Hinblick auf die Hypothesen bewertet.

5.2.2.3 Diskussion der Hypothesen

Entlang der übergeordneten These des zweiten Untersuchungsmodells Die individuelle Einbindung in soziale Netzwerke beeinflusst die politische Partizipation der oder des Einzelnen wurden verschiedene Hypothesen abgeleitet und statistisch analysiert. Die empirischen Ergebnisse werden nun zusammenfassend bewertet und mit Blick die Bedeutung der Erklärungsstrategien diskutiert.

H2.1::

Je größer die Anzahl an Mitgliedschaften in formellen Assoziationen, desto höher ist die individuelle politische Partizipation.

Der Zusammenhang zwischen der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften und politischer Partizipation gestaltet sich auf bivariater Ebene erkennbar positiv und erweist sich auf multivariatem Niveau erwartungsgetreu als indirekt. Die empirischen Befunde bestätigen partizipationsfördernde Mechanismen einer institutionalisierten Netzwerkeinbettung, die im Folgenden zu diskutieren sind.

Als potenzielle Erklärungen für diesen Zusammenhang wurden verschiedene politisierende Wirkungen formeller Netzwerke theoretisch erörtert und in die statistische Analyse integriert. Im Sinne der Sozialisationsthese stoßen Vereine deshalb eine politische Beteiligung an, weil sie ihren Mitgliedern eine Plattform zur Kultivierung ziviler Fähigkeiten bieten. Jene Kompetenzen ermöglichen im Weiteren eine fähige sowie kosten- und aufwandseffiziente politische Einflussnahme. Tatsächlich ist empirisch nicht nur ein deutlicher Einfluss der civic skills auf die politische Partizipation nachzuweisen, sondern diese stellen auch den wesentlichen Erklärungsfaktor der Beziehung zwischen formellen Mitgliedschaften und politischer Beteiligung dar (r Partizipation Mitgliedschaften. Civic skills = ,088). Überdies lässt sich in diesem Zusammenhang ein kumulativer Effekt der Vereinsmitgliedschaften belegen. So verfügen Personen mit multiplen Mitgliedschaften über rund dreimal so viele kommunikativ-organisationale Kompetenzen und entsprechend auch über eine höhere politische Teilhabe als Mitglieder einzelner Vereine. Diese Wirkungen äußern sich wesentlich für traditionelle Beteiligungsformen. Daneben werden Vereinsmitglieder gemäß der Rekrutierungsthese in ihren Vereinen mit politischen Anfragen konfrontiert, die zu einer individuellen Teilhabe am politischen Geschehen mobilisieren. Nachweisbar entfalten jene Partizipationseinladungen jedoch einzig im konventionellen Bereich politisierende Wirkungen. Insgesamt nehmen sie eher eine nachgeordnete Stellung ein und tragen kaum zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Vereinsmitgliedschaften und politischer Beteiligung bei (r Partizipation Mitgliedschaften. Rekrutierung = ,213; p < 0,01). Weitere partizipationsrelevante Mechanismen wurden in der vereinsinduzierten Ausstattung mit politisch relevanten Informationen und notwendigem Wissen identifiziert (Informationsthese). Obgleich die Informations- und Diskussionsvielfalt bivariat mit der Anzahl an Vereinen und auch der Höhe politischer Beteiligung verknüpft ist, lässt sich multivariat einzig ein Beitrag politischer Informationen belegen (r Partizipation Mitgliedschaften. Informationen = ,153; p < 0,05). Im Zusammenhang mit der Lernthese bestätigen sich ferner eine verstärkte Internalisierung reziproker Werte, partizipationsrelevanter Normen sowie ein höheres Vertrauen der Mitglieder im Vergleich zu den Nichtmitgliedern. Wider Erwarten stehen jedoch weder die Vertrauensarten noch die Wahlnorm in einer statistischen Verbindung zur politischen Beteiligung. Die Reziprozität entfaltet zwar partizipationsrelevante Effekte, jedoch sind diese nur bedingt auf eine Vereinsmitgliedschaft zurückzuführen. Dies ist unter anderem damit zu begründen, dass diese Werte nicht für den Vereinskontext zu separieren sind, sondern auf einer allgemeinen Ebene gemessen wurden.

Darüber hinaus ist eine Vereinsmitgliedschaft hochsignifikant mit Variablen des politischen Involvements assoziiert, welche die politische Partizipation als zentrale Faktoren stimulieren. Infolgedessen ist zu argumentieren, dass Vereine auch deshalb politisierend auf ihre Mitglieder wirken, weil sie das politische Interesse und Selbstbewusstsein steigern und eine diskursive Beschäftigung mit politischen Themen anregen. Allerdings ist auch an dieser Stelle nicht zwingend eine Kausalität vorauszusetzen. Insgesamt erscheint es zwar überzeugend, dass Vereine politisierende Wirkungen entfalten und darüber eine Teilhabe anstoßen (Sozialisationseffekt). Jedoch ist ebenso plausibel, dass Vereinsmitgliedschaften von politisch wie sozial interessierten, engagierten und kompetenten Menschen in besonderem Maße angestrebt werden (Selbstselektionseffekt). Auf Grundlage der Daten erscheint es jedoch zumindest wahrscheinlich, dass in Vereinen gewisse Politisierungsprozesse vonstattengehen.

Zusammenfassend ist die Hypothese im Rahmen dieser Untersuchung formal zu bestätigen. Insbesondere multiple Vereinsmitgliedschaften stimulieren eine politische Teilhabe, wobei sich die Sozialisation ziviler Fähigkeiten als wesentlicher Erklärungsmechanismus für diesen Zusammenhang erwiesen hat. Einschränkend ist jedoch den Variablen des politischen Involvements insgesamt eine höhere Relevanz als den vereinsbezogenen Faktoren einzuräumen. Darüber hinaus manifestieren sich partiell unterschiedliche Einflüsse in Abhängigkeit des Partizipationstypus. Es erscheint auf dieser Basis problematisch, die politische Beteiligung auf einzelne Erklärungsmerkmale zu reduzieren.

H2.2::

Eine aktive Mitgliedschaft in formellen Assoziationen wirkt stärker positiv auf die individuelle politische Partizipation als eine passive Mitgliedschaft in formellen Assoziationen.

Auf bivariater Ebene ist in Übereinstimmung mit der Hypothese eine deutlich stärkere Beziehung der politischen Partizipation zu den aktiven als zu den passiven Vereinsmitgliedschaften nachzuweisen. Tatsächlich offenbart sich zu den Passivmitgliedschaften keinerlei statistischer Zusammenhang. In der multivariaten Analyse bestätigt sich der Einfluss der Aktivmitgliedschaften, die im Weiteren eine hohe Abhängigkeit von vereinsbezogenen Erklärungsfaktoren demonstrieren.

Die unterschiedlichen Wirkungen der Aktiv- und Passivmitgliedschaften können wesentlich auf die civic skills zurückgeführt werden, die erst bei einer aktiven Vereinsteilhabe trainiert, verinnerlicht und schließlich in die politische Arena transferiert werden (Sozialisationsthese). Jene Kompetenzen beschreiben in Gänze den Zusammenhang zwischen Aktivmitgliedschaften und politischer Partizipation (r Partizipation Aktivmitgliedschaften. Civic skills = ,018). Hingegen werden auch passive Mitglieder mit vergleichsweise vielen Partizipationsanfragen aus dem Vereinskontext konfrontiert, für die eine physische Anwesenheit und soziale Vereinsinteraktion offenbar nicht zwingend erforderlich sind (Rekrutierungsthese). Allerdings impliziert eine bloße Einladung noch keine politische Aktivität. Nach eigenen Angaben verliefen solche Mobilisierungsprozesse bei keinem der passiven Mitglieder, jedoch immerhin bei 25 % der aktiven, erfolgreich. Auch im Zusammenhang mit der Informationsthese ist festzuhalten, dass politische Informationen nunmehr über vielfache Wege und Medien vermittelt werden und Diskussionen ebenfalls keine körperliche Vereinspräsenz voraussetzen. Entsprechend gering fallen hier die Unterschiede zwischen aktiven und passiven Mitgliedern aus. Nichtsdestotrotz erklärt die politische Informiertheit in Teilen den Zusammenhang zwischen Aktivmitgliedschaften und politischer Beteiligung (r = ,142; p < 0,05). Im Gegensatz dazu sind die Unterschiede im Hinblick auf die Merkmale der Lernthese nicht nur bestenfalls als moderat zu bezeichnen, sondern ihnen kommt auch kein Mehrwert zur Erklärung der höheren politischen Teilhabe aktiver Mitglieder zu.

Insgesamt differiert der Großteil der politisierenden Funktionen zwar nur geringfügig in Abhängigkeit des Mitgliedschaftsstatus, weist aber offenbar eine unterschiedliche Politisierungsqualität für beide Mitgliedschaftstypen auf. Die höhere politische Beteiligung der Aktiven verweist damit wiederholt auf die Möglichkeit von Selbstselektionseffekten. So ist auch das politische Interesse deutlich mit den aktiven (rs = ,264; p < 0,001), nicht aber den passiven Mitgliedschaften assoziiert (rs = ,078). Demgegenüber stellt die hohe Bedeutung der civic skills, die einzig über eine aktive Mitgliederrolle erworben werden, ein starkes Argument für die Sozialisationsfunktion institutioneller Netzwerke dar. Inwieweit die Verknüpfung aktiver Mitgliedschaften und politischer Beteiligung auf die Vereinstätigkeit oder auf grundlegende personale und motivationale Merkmale der Aktiven zurückzuführen ist, kann diese Untersuchung nicht abschließend beurteilen.

Zusammenfassend ist auf Basis der statistischen Ergebnisse zu bestätigen, dass aktive Mitgliedschaften in Einklang mit der Hypothese stärker mit einer politischen Teilhabe assoziiert sind als passive Mitgliedschaften. So erklärt sich der Einfluss der Vereinsmitgliedschaften auf die politische Beteiligung beinahe ausschließlich über die Aktivmitgliedschaften, die über die vereinsinterne Kultivierung von civic skills in hohem Maße politisiert werden. Aber auch passive Mitglieder können in einem begrenzteren Umfang über vereinsspezifische Rekrutierungsprozesse mobilisiert werden, sodass ihre Beteiligung letztlich nachweisbar höher ausfällt als bei den Nichtmitgliedern.

H2.3::

Eine Mitgliedschaft in instrumentellen Assoziationen wirkt stärker positiv auf die individuelle politische Partizipation als eine Mitgliedschaft in expressiven Assoziationen.

Die statistischen Analysen belegen positive Verknüpfungen der politischen Partizipation mit allen definierten Vereinstypen, stellen jedoch in Übereinstimmung zur Hypothese die stärkste Beziehung zu den instrumentellen Vereinigungen heraus. Da dieser Einfluss in der multivariaten Testung auch unter Kontrolle der theoretisierten Erklärungsfaktoren bestehen bleibt, ist eine vereinsbezogene Politisierung in instrumentellen Vereinen grundsätzlich diskussionswürdig.

Im Rahmen der vorherigen Untersuchungen haben sich die zivilen Fähigkeiten als zentrale Erklärungsfaktoren einer vereinsinduzierten politischen Teilhabe erwiesen (Sozialisationsthese). Auch in diesem Kontext beschreiben jene Kompetenzen vollständig die Zusammenhänge zwischen politischer Partizipation und expressiven (r Partizipation Expressive. Civic skills = ,013) sowie gemischten Vereinen (r Partizipation Gemischte. Civic skills = ,002), leisten für die instrumentellen Mitgliedschaften aber nur einen geringen Erklärungsbeitrag (r Partizipation Instrumentelle. Civic skills = ,171; p < 0,01). Vergleichbares ist für die Partizipationsanfragen (Rekrutierungsthese), die Höhe politischen Wissens und die Anzahl politischer Diskussionen (Informationsthese) sowie die Reziprozität (Lernthese) zu vermerken. Die empirischen Ergebnisse stützen damit die Schlussfolgerung, dass sich in expressiven und gemischten Vereinen durchaus politisierende Wirkungen vollziehen, die eine politische Beteiligung ihrer Mitglieder begünstigen. Im Gegenzug tragen instrumentelle Vereine deutlich weniger zu einer politischen Mobilisierung und Informierung ihrer Mitglieder bei. Dessen ungeachtet weisen letztere nun aber nachweisbar die höchste politische Beteiligung auf, die folglich weniger mit vereinsbezogenen als vielmehr mit personellen und motivationalen Merkmalen zu begründen ist. Diesem Argument folgend stellen Vereine zivilgesellschaftlicher Einflussnahme ein Sammelbecken engagierter Menschen dar, wodurch eine Politisierung im Verein größtenteils überflüssig wird. Übereinstimmend ist eine instrumentelle Mitgliedschaft mit einem hohen politischen Interesse und einer hohen Selbstwirksamkeit verbunden.

Angelehnt an die Diskussion zur Hypothese1.3 mag eine zweckrationale Grundorientierung somit nicht nur das zentrale Motiv einer instrumentellen Vereinsmitgliedschaft sein, sondern weiter auch einen Anreiz zur politischen Teilhabe bieten. Demzufolge wollen jene Mitglieder in verschiedenen Bereichen Veränderungen herbeiführen, ihre Bedürfnisse ausdrücken und Interessen durchsetzen, wozu sie sich vor allem direkter Mittel politischer Einflussnahme bedienen. Aufgrund der Größe und Beschaffenheit dieser Stichprobe können jedoch lediglich Vermutungen über die erwähnten Zusammenhänge angestellt werden. Beispielsweise korrelieren instrumentelle und expressive Vereinsmitgliedschaften überaus stark miteinander (r = ,423; p < 0,001), wodurch sich naturgemäß die Unterschiede zwischen den einzelnen Formen reduzieren. Infolgedessen ist auch kein abschließendes Urteil über die Verknüpfungen der Formen sozialen Kapitals mit der politischen Teilhabe zu fällen. In der Tendenz ist das generalisierte Vertrauen aber erwartungsgetreu am stärksten mit dem instrumentellen und am geringsten mit dem gemischten Typus verknüpft.

Zusammenfassend ist die Gültigkeit dieser Hypothese nicht abschließend zu bewerten. Auf der einen Seite ist allen Vereinen ein gewisses Politisierungspotenzial zuzusprechen, sodass die Hypothese unter diesem Gesichtspunkt zu bestätigen wäre: Instrumentelle Mitgliedschaften wirken stärker positiv auf die politische Partizipation als andere Mitgliedschaften. Auf der anderen Seite ist jedoch fraglich, inwieweit die höhere Teilhabe instrumenteller Mitglieder ursächlich auf die Vereinsstrukturen zurückzuführen ist. So kommt den theoretisierten Erklärungsfaktoren insgesamt nur eine geringe Erklärungsrelevanz zu und eine Verknüpfung zu persönlich-motivationalen Merkmalen erscheint in diesem Zusammenhang wahrscheinlich. Insofern wäre die Hypothese nicht zu bestätigen: Gesellschaftlich relevante Vereine ziehen politisch involvierte Menschen an. Schlussendlich erweist sich der Stichprobenumfang als zu gering für eine isolierte Analyse der Effekte und demnach auch für ein endgültiges Urteil. Darüber hinaus könnten weitere Politisierungspotenziale existieren, die in dieser Untersuchung nicht erfasst wurden und vor allem in instrumentellen Vereinen wirksam werden.

H2.4::

Je größer das informelle soziale Netzwerk, desto höher ist die individuelle politische Partizipation.

Die Größe informeller Netzwerke und die Höhe politischer Beteiligung stehen in einem linearen Positivverhältnis, welches sich im Rahmen der multivariaten Testung entsprechend der zentralen Annahmen als indirekt erweist. Als Erklärungen für den partizipationssteigernden Effekt großer Netzwerke fungieren primär die theoretisierten Merkmale des informellen Kontextes.

So tragen persönliche Beziehungen wesentlich zur Kultivierung und Internalisierung ziviler Fähigkeiten bei, wobei dem beruflichen Umfeld ein gesonderter Stellenwert aufgrund der direkten und regelmäßigen Abrufung jener Kompetenzen zuzuschreiben ist (Sozialisationsthese). Jene informellen civic skills begünstigen zum einen unmittelbar die politische Teilhabe und erklären zum anderen vollständig den Zusammenhang zwischen Netzwerkgröße und politischer Partizipation (r Partizipation Größe. Civic skills = ,019). Die empirischen Befunde demonstrieren des Weiteren relevante Unterschiede zwischen formellen und informellen civic skills im Bereich traditioneller Teilhabemöglichkeiten. Während formelle Fähigkeiten einen substanziellen Einfluss auf diese Formate ausüben, bleibt die informelle Variante in diesem Kontext ohne statistischen Einfluss. Als wichtigster Prädiktor politischer Beteiligung erweisen sich jedoch Partizipationsanfragen durch Personen des alltäglichen Umgangs (Rekrutierungsthese). Im Gegensatz zu den zivilen Fähigkeiten, welche über die zunehmende Befähigung und sinkende Hürden primär intrinsische Motivationsstrukturen begünstigen, stimuliert die persönliche Einladung die politische Teilhabewahrscheinlichkeit als extrinsische Motivation. Zusammen bilden diese Merkmale die zentralen partizipationsrelevanten Ressourcen, die sich aus dem informellen Netzwerk schöpfen lassen. Gleichwohl steht die Anzahl politischer Rekrutierungen in einem nichtlinearen Zusammenhang zur Anzahl der Netzwerkpersonen und trägt schließlich auch nicht wesentlich zur Erklärung des Zusammenspiels zwischen Netzwerkgröße und politischer Partizipation bei (r Partizipation Größe. Rekrutierung = ,169; p < 0,05). Bezogen auf die weiteren Erklärungsmerkmale ist ein großes Netzwerk zwar sowohl mit einer höheren Anzahl politischer Informationen und Diskussionen (Informationsthese) als auch reziproker Normen (Lernthese) assoziiert, die eine politische Teilhabe wenigstens in Teilen begünstigen. Jedoch nehmen diese Faktoren im Gesamtmodell eine nachgeordnete Stellung ein und erklären überdies kaum die partizipationssteigernden Wirkungen großer Netzwerke.

Zusammenfassend ist die Hypothese auf dieser Basis formal zu bestätigen, wobei der positive Zusammenhang zwischen Netzwerkgröße und politischer Beteiligung primär auf die verstärkte Sozialisierung ziviler Fähigkeiten zurückzuführen ist. Als wichtigster Erklärungsfaktor politischer Teilhabe haben sich indes die persönlichen Partizipationsanfragen herauskristallisiert, wobei diesbezüglich ein Grenznutzen der Netzwerkpersonen angezeigt ist. Da aus einem Mehr an Beziehungen nicht automatisch ein Mehr an Partizipationseinladungen folgt, rücken neben quantitativen Aspekten verstärkt auch qualitative Überlegungen ins Zentrum. Die Bedeutung der räumlichen Nähe wie auch der Beziehungsart sind im Zuge der nachfolgenden Hypothesen zu diskutieren. An dieser Stelle deutet sich mit Blick auf die einzelnen Teilnetzwerke eine zunehmende Rekrutierungsquantität mit steigender Beziehungsstärke an. Weitere relevante Unterschiede im Politisierungs- und Partizipationsverhalten sind indes nicht festzustellen, sodass eine Differenzierung der Teilnetzwerke nicht zwingend notwendig erscheint.

H2.5::

Je höher die geografische Reichweite des informellen sozialen Netzwerkes, desto höher ist die individuelle politische Partizipation.

In Einklang mit der Hypothese wirkt die geografische Reichweite positiv auf die politische Beteiligung der oder des Einzelnen. Jedoch ist dieser Effekt nicht vollständig auf die theoretisierten Erklärungsfaktoren zurückzuführen, sodass eine Politisierung infolge einer hohen Netzwerkausgedehntheit zumindest diskutabel erscheint.

In der Theorie wurde eine höhere geografische Reichweite mit einer zunehmenden Anzahl an sozialen Fähigkeiten, Beteiligungsaufforderungen, nichtredundanten Informationen und unterschiedlichen Meinungs- und Rollenbildern verknüpft. Diese Annahmen lassen sich empirisch größtenteils nicht bestätigen. Einzig die civic skills stehen in einem positiv linearen Verhältnis zur Reichweite und klären einen Teil des Effektes auf die politische Partizipation auf (r Partizipation Reichweite. Civic skills = ,165; p < 0,05). Da der Zusammenhang zwischen Reichweite und politischer Beteiligung aber weiterhin signifikant bleibt, ist dessen Rückführung auf die Sozialisierung ziviler Fähigkeiten nur bedingt gegeben (Sozialisationsthese). Ferner beschreiben die geografische Reichweite und politische Teilhabeaufforderungen (Rekrutierungsthese) sowie politische Informationen (Informationsthese) jeweils einen U-förmigen Zusammenhang, demnach politisierende Impulse entweder aus dem direkten Umfeld oder aber aus größerer Entfernung entsendet werden. Bezüglich der politischen Informationen ist anzumerken, dass ausschließlich Angaben über konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten erhoben wurden, sodass eine lokale Informationsverbreitung durchaus plausibel ist. Beide Faktoren liefern jedoch ebenso wenig einen Erklärungsbeitrag zum untersuchten Zusammenhang wie die Merkmale der Lernthese. In der multivariaten Testung deuten sich derweil Assoziationen zwischen der Reichweite sozialer Netzwerke und den Variablen des politischen Involvements an. Infolgedessen erscheint es an dieser Stelle weniger wahrscheinlich, dass Menschen infolge einer hohen Netzwerkausgedehntheit politisiert werden, sondern dass politisch involvierte Menschen parallel eine höhere Reichweite aufweisen. Beispielsweise begünstigen einkommensbezogene Prozesse eine höhere Reichweite (vgl. Hypothese1.5) und konvergieren ebenfalls positiv mit der politischen Motivationsdimension (vgl. Verba et al. 1995).

Schlussendlich ist diese Hypothese nicht vollends zu bestätigen. Wie angenommen ist die geografische Reichweite zwar durchaus positiv mit der politischen Beteiligung einer Person assoziiert, weist zum Großteil der politisierenden Funktionen aber nur geringfügige Zusammenhänge auf. Somit stellen die empirischen Befunde eine Kausalität der Beziehungen infrage und relativieren eine Politisierung über besonders ausgedehnte Netzwerke. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass die Interpretation durch die Verfügbarkeit von maximal fünf Alteri-Informationen allgemein begrenzt ist. Da dies aufgrund der Fragekonstruktion primär jene Netzwerkpersonen sind, die Ego kognitiv und emotional als erstes zugänglich sind, sind Verzerrungen durch starke Beziehungskonstellationen wahrscheinlich. Folglich ist auf dieser Basis nicht abschließend zu klären, inwieweit eine hohe Reichweite persönlicher Netzwerke tatsächlich mit einer politischen Beteiligung verbunden ist.

H2.6::

Je heterogener die soziale Zusammensetzung des informellen sozialen Netzwerkes, desto höher ist die individuelle politische Partizipation.

Ein Einfluss der sozialen Zusammensetzung wurde anhand der sozialen Homophilie und des Verwandtenanteils untersucht. Während die Netzwerkgleichheit in signifikant positiver Beziehung zur politischen Partizipation steht, ist für den Anteil familiärer Beziehungen erwartungsgetreu ein negativer Zusammenhang zu belegen. In der multivariaten Analyse erweist sich jedoch keines der Merkmale als statistisch bedeutsames Erklärungsmerkmal.

Analog zur geografischen Reichweite wurde eine sozialstrukturelle Vielfalt mit Politisierungsprozessen in Verbindung gebracht, die auf multiplen Kommunikations- und Informationskanälen beruhen. So generiere eine heterogene Netzwerkzusammensetzung vorwiegend brückenbildendes Sozialkapital, während Neigungen zur sozialen Homophilie vor allem eine bindende Sozialkapitalvariante kreieren (vgl. Abschnitt 2.4.5). Die angenommene Überlegenheit brückenbildender Netzwerke lässt sich für den politischen Bereich nicht ausnahmslos bestätigen. So sind es in dieser Stichprobe vorwiegend homophile und nicht heterophile Beziehungen, die eine politische Teilhabe begünstigen. Ein partizipatorischer Mehrwert zunehmender Diversität ist hingegen für den Bereich der Beziehungsheterogenität festzustellen, wo ein enger Fokus auf den eigenen Familienkreis politische Tätigkeiten nachweisbar begrenzt. Einschränkend sind signifikante Zusammenhänge einzig auf bivariatem Niveau aufzuzeigen und die theoretisierten Erklärungsmerkmale erweisen sich statistisch als wenig bis gar nicht bedeutsam für den untersuchten Zusammenhang.

Eine Erklärung für den Effekt sozialstruktureller Gleichheit liefert indes das Bildungsniveau der Befragten, welches nachweisbar positiv mit der Homophilie informeller Netzwerke assoziiert ist (vgl. Hypothese1.6). Tatsächlich erweist sich die Bildung als Moderatorvariable zwischen Partizipation und Homophilie (r Partizipation Homophilie. Bildungsjahre = ,120), jedoch gestaltet sich dieser Effekt erwartungskonträr. So sind für die Bildungsgruppe mit akademischem Abschluss keinerlei Partizipationsgewinne durch merkmalsähnliche Personen im Netzwerk nachzuweisen (r Partizipation Homophilie = −,037; N = 110). Die Vorteile, die sich etwa in Bezug auf die berufliche Karriere durch statusgleiche Netzwerkpersonen und deren Ressourcen schöpfen lassen, sind demnach nicht in die politische Sphäre zu transferieren (vgl. Bourdieu 1983, Wegener 1989). Demgegenüber können Personen ohne akademischen Abschluss durchaus von der Netzwerkgleichheit profitieren; in diesem Bereich ist ein hochsignifikanter Einfluss der sozialen Homophilie auf die politische Partizipation zu belegen (r = ,276; p < 0,01; N = 100). Argumentativ nimmt mit der Ähnlichkeit einer Beziehung in der Regel auch deren Stärke zu (vgl. Wegener 1989: 292). Da starke und geschlossene Netzwerkkonstellationen weiter durch eine hohe soziale Kontrolle charakterisiert sind, eignen sie sich in Form bindenden Sozialkapitals hervorragend zur Durchsetzung sozialer wie auch partizipationsrelevanter Normen (vgl. Coleman 1991: 415 f.; Abschnitt 2.4.1.2). Für die Merkmale der Lernthese (Vertrauen, Reziprozität, Wahlnorm) ist diese Annahme jedoch nicht zu bestätigen und auch den übrigen Erklärungsthesen kommt in diesem Zusammenhang wiederholt kein substanzieller Einfluss zu. Für den Anteil verwandter Beziehungen lassen sich indes vergleichbare, wenn auch deutlich schwächere, Muster in Abhängigkeit des Bildungsniveaus feststellen.

Insgesamt ist die Hypothese auf Basis der empirischen Befunde nicht zu bestätigen. Partizipatorische Vorteile durch soziale Vielfalt sind einzig für die Beziehungsart, nicht aber für die Merkmalsgleichheit nachzuweisen. Zudem sind die Ergebnisse in multivariaten Analysen nicht zu reproduzieren, zeigen zwischen Homophilie und Partizipation nur näherungsweise eine Linearität an und können statistisch kaum in Verbindung zu den politisierenden Merkmalen sozialer Netzwerke gebracht werden. Die soziale Zusammensetzung übt folglich keinen eigenständigen Einfluss auf die politische Partizipation aus, sondern scheint mehrheitlich auf das Bildungsniveau der Befragten zurückzuführen sein. Jedoch sei auch an dieser Stelle angemerkt, dass die Bewertung dieser Hypothese durch die begrenzte Anzahl an Alteri-Informationen eingeschränkt ist.

5.2.3 Sozialräumliche Einflüsse auf das soziale und politische Verhalten

Ausgehend von der dritten untersuchungsleitenden These verschiebt sich die Analyseperspektive nun von individuellen Zusammenhängen auf gebietsbezogene Einflussfaktoren. Unter der Annahme, dass sozialstrukturell ähnliche Personen in sozialstrukturell unterschiedlichen Umfeldern unterschiedlich agieren, ist ein Einfluss des sozialen Kontextes auf die soziale Netzwerkeinbindung (vgl. Abschnitt 5.2.3.1) sowie die politische Partizipation (vgl. Abschnitt 5.2.3.2) zu prüfen. Daraufhin werden die Ergebnisse zusammenfassend diskutiert und die Gültigkeit der Hypothesen abgeschätzt (vgl. Abschnitt 5.2.3.3). Vorangestellt sei angemerkt, dass neben der generellen Kausalitätsproblematik von Querschnittsuntersuchungen sowohl die geringe Stichprobengröße als auch der Bezug auf lediglich zwei Stadtteile die Ableitung von haltbaren Aussagen schmälern. Entsprechend dürfen auf Basis der nachfolgenden Berechnungen allenfalls Deutungen über die Kölner Stadtteile Hahnwald und Chorweiler erfolgen. Die empirische Analyse zielt somit weniger auf die Bestätigung statistischer Zusammenhänge als vielmehr auf die Aufdeckung grundlegender Strukturen.

5.2.3.1 Sozialer Kontext und soziale Netzwerke

In der deskriptiven Auseinandersetzung wurden bereits erste Befunde über die Ausgestaltung sozialer Netzwerke in Hahnwald und Chorweiler berichtet, die auf eine deutliche Differenz zwischen den Stadtteilen hinsichtlich quantitativer und qualitativer Elemente verweisen (vgl. Abschnitt 5.1). Zur Einordnung ihrer statistischen Relevanz werden die netzwerkrelevanten Kennzahlen zuerst systematisch einem Mittelwertvergleich unterzogen (vgl. Anhang C.9 im elektr. Zusatzmaterial). Die Ergebnisse der Varianzanalysen belegen zusammenfassend, dass die Befragten aus Hahnwald durchschnittlich in mehr Vereinen organisiert sind, sich überdies eher aktiv in diesen engagieren und zudem häufiger in gesellschaftlich relevanten Vereinen vertreten sind als Personen aus Chorweiler. Darüber hinaus zeichnen sie sich durch größere informelle Netzwerke aus, die sich anteilig aus weniger lokalen und verwandten Alteri zusammensetzen. Mit Ausnahme der Anzahl an Passivmitgliedschaften, die tendenziell das gleiche Muster für beide Einheiten darbieten, und des Verwandtenanteils erweisen sich alle Mittelwertdifferenzen als hochsignifikant. Da mit Hahnwald und Chorweiler zwei Stadtteile ausgewählt wurden, deren Sozialstrukturen durch erhebliche Ungleichheiten gekennzeichnet sind, sind diese Ergebnisse uneingeschränkt erwartungskonform.

In einem ersten Schritt bieten die in Abschnitt 5.2.1 ermittelten positiven Assoziationen zwischen sozioökonomischer Ressourcenausstattung und sozialen Netzwerken eine Erklärung für die im Sinne dieser Studie günstigere soziale Vernetzung der Hahnwald-Anwohnenden. In einem zweiten Schritt müssen nun aber eben jene Einflüsse gefiltert werden, um sozialräumliche Verschiedenheiten jenseits ressourcenbezogener Merkmale zu prüfen. Zu diesem Zweck werden nachfolgend Kovarianzanalysen berechnet, welche die Ressourcen Bildungsjahre und Einkommen einzeln wie auch gemeinsam als Kovariaten integrieren (vgl. Tabelle 5.27). Verglichen werden die Mittelwertunterschiede der Stadtteile im Hinblick auf formelle wie informelle Netzwerkelemente, wobei auf die Darstellung der Passivmitgliedschaften wie auch der expressiven und gemischten Vereinskategorien an dieser Stelle verzichtet wird.

Unter Kontrolle der Bildungsjahre sind nur geringfügige Veränderungen der einzelnen Mittelwerte festzustellen, die sich weiterhin hochsignifikant zwischen den Stadtteilen unterscheiden. In der Konsequenz ist der Bildungsressource kein beachtlicher Einfluss auf jene stadtteilspezifischen Differenzen der sozialen Vernetzung zu attestieren. Vergleichbares ist für das Einkommen im Hinblick auf die Aspekte formeller Netzwerke sowie der Anzahl persönlicher Beziehungen zu konstatieren. Einzig der qualitativ-informelle Bereich ist durch eine Einkommensabhängigkeit geprägt, infolgedessen sich unter Konstanthaltung finanzieller Einflüsse nunmehr nichtsignifikante Mittelwertunterschiede dartun. Nichtsdestotrotz sind für die Befragten aus Chorweiler nach wie vor durchschnittlich höhere Anteile lokaler und verwandter Alteri zu belegen. Sämtliche Muster sind bemerkenswerterweise auch unter Kontrolle beider sozioökonomischer Ressourcen nachzuweisen. Somit liefern diese Ergebnisse Hinweise für die Existenz stadtteilspezifischer Differenzen, die nicht auf sozialstrukturelle Ungleichheiten zu reduzieren sind, sondern mutmaßlich auf das soziale Umfeld rekurrieren.

Tabelle 5.27 Mittelwertvergleiche der formellen und informellen Netzwerke zwischen Hahnwald und Chorweiler, kontrolliert für Bildung und Einkommen

Aufschluss über potenzielle Kontexteinflüsse soll nun eine multiple Korrespondenzanalyse liefern, die maßgebende Strukturen zwischen den Stadtteilen, soziodemografischen Merkmalen und den Netzwerkelementen veranschaulicht. Darüber hinaus werden die Faktoren der ersten Erklärungsstrategie in die Berechnung einbezogen, die in aggregierter Form externe Effekte für das gesamte Wohngebiet implizieren. Die Bildung wird über den höchsten Schulabschluss berücksichtigt und die finanziellen Ressourcen werden in Einkommensquintile zerlegt. Die inhaltliche Interpretation erfolgt anhand der grafischen Ergebnisdarstellung der HOMALS-Prozedur. Diese illustriert einen zweidimensionalen Projektionsraum, in dem sich die einzelnen Merkmale anhand ihrer Distanzen zum Ursprung und ihrer relationalen Ähnlichkeiten beschreiben lassen (vgl. Abbildung 5.8). Den Diskriminationsmaßen zufolge reflektiert die erste Achse diverse soziodemografische Charakteristika, die sich figurativ zwischen den Polen traditionell und modern anordnen (λ1 = 0,134). Da das Lebensalter am stärksten strukturgebend wirkt, wird diesem nachfolgend ein besonderer Stellenwert zuteil. Die zweite Dimension wird primär über die Stadtteile und das Einkommen repräsentiert und entsprechend als Chorweiler-Hahnwald beziehungsweise ökonomisch schwach-ökonomisch reich interpretiert (λ2 = 0,267). Auf dieser Basis gliedert sich der soziale Raum in die vier Quadranten I: Hahnwald/modern, II: Hahnwald/traditionell, III: Chorweiler/traditionell, IV: Chorweiler/modern. Die Darstellung reproduziert damit wesentlich das klassische Bild lebensweltlich orientierter Sozialstrukturuntersuchungen.

Abbildung 5.8
figure 8

(Anmerkungen: Grafische Ausgabe der multiplen Korrespondenzanalyse. Die ursprünglichen Achsen wurden transponiert und um 10° gegen den Uhrzeigersinn rotiert. Kleines Netzwerk: ≤ 5 Alteri, mittleres Netzwerk: ≤ 12 Alteri, großes Netzwerk: > 12 Alteri; keine lokalen/verwandten Alteri: 0, einige lokale/verwandte Alteri: ≤ 0,40, viele lokale/verwandte Alteri: ≤ 1. Die Erklärungsfaktoren wurden jeweils anhand des Medians in wenig(er) ausgeprägt (−) und ausgeprägt(er) (+) dichotomisiert. Zur besseren Lesbarkeit wurden einzelne Elemente minimal verschoben; deutliche Verschiebungen sind gegebenenfalls durch Führungslinien kenntlich gemacht. N = 314)

Soziale Netzwerke in sozialräumlicher Verteilung

Die deskriptiven Befunde über die sozioökonomische Ressourcenverteilung werden zunächst anschaulich entlang der zweiten Achse abgetragen. So finden sich im negativen Achsenbereich (Chorweiler) nicht nur die unteren Einkommensgruppen wieder, sondern auch jene Bildungskategorien, die unterhalb des (Fach-)Hochschulabschlusses liegen. Die Formalbildung divergiert zudem entlang der Altersachse und demonstriert Einflüsse der Bildungsexpansion der 1960er Jahre: Sofern Personen aus Chorweiler eine höhere Bildung (Abitur) aufweisen, sind vornehmlich jüngere Altersgruppen anbelangt, wohingegen älteren Befragten (60 + ) in erster Linie Haupt- und Realschulabschlüsse zugeordnet sind.Footnote 17 Für die Befragten aus Hahnwald sind indes ein akademischer Bildungsgrad und ein hohes Nettoeinkommen am wahrscheinlichsten. Darüber hinaus manifestieren sich weitere soziodemografische Unterschiede zwischen den Stadtteilen. Während Personen aus Hahnwald in der Regel verheiratet sind und in Zwei- (älter) oder Mehrpersonenhaushalten (jünger) leben, sind die Befragten aus Chorweiler vorherrschend als alleinstehend (jünger) und alleinlebend (älter) charakterisiert. Im Quadranten Chorweiler/modern gruppieren sich zudem die Merkmale Migration und nichtchristliche Religionszugehörigkeiten. Die größere Entfernung zum Achsenkreuz symbolisiert an dieser Stelle eine hohe Differenzierung zwischen den Stadtteilen, wobei orthodoxe, jüdische und islamische Glaubensrichtungen in dieser Untersuchung tatsächlich ausschließlich von Befragten aus Chorweiler genannt werden. Demgegenüber sind Personen aus Hahnwald eher durch eine der christlichen Konfessionen und keinen Migrationshintergrund gekennzeichnet.

Die sozialkapitalrelevanten Merkmale ordnen sich in Abhängigkeit des Organisationsgrades sozialer Netzwerke tendenziell entlang verschiedener Dimensionen an. Zunächst verteilen sich die Elemente formeller Netzwerke eindeutig entlang der vertikalen Achse. Bezogen auf deren quantitativen Aspekt gruppieren sich Nichtmitglieder nahe dem ökonomisch schwachen Pol (Chorweiler), singuläre Mitgliedschaften sind etwa in der Achsenmitte und multiple Vereinsmitgliedschaften bei den hohen Einkommensklassen (Hahnwald) zu finden. Damit bleibt der vormals ermittelte Individualzusammenhang zwischen Einkommen und der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften im Projektionsraum erhalten (vgl. Abschnitt 5.2.1.1). Angesichts der Ergebnisse der Kovarianzanalysen ist jedoch zu mutmaßen, dass diese Struktur nicht ausschließlich über die ökonomischen Ressourcen bestimmt wird, sondern ebenso ein sozialräumlicher Einfluss einzubeziehen ist (vgl. Tabelle 5.27). Die Alters-/Modernitätsdimension wirkt im formellen Bereich insofern strukturgebend, als dass sie die Anordnung der Vereinstypen im Stadtteil Hahnwald formt. Ältere und traditionellere Befragte betätigen sich vorwiegend in expressiven und sozialstrukturell assoziierten Vereinen, wobei absteigend nach dem Alter beispielhaft Senioren-, Heimat-, Kultur-, und Frauenvereine zu nennen sind; jüngere Befragte engagieren sich prioritär in instrumentellen und gesellschaftlich relevanten Organisationen (e. g. Friedens- und Menschenrechtsorganisationen, Wohltätigkeits- sowie Umwelt-, Natur-, und Tierschutzvereine). Besteht indes in Chorweiler eine Vereinsmitgliedschaft, ist es relativ betrachtet am wahrscheinlichsten eine Gewerkschaftstätigkeit, die insbesondere ältere Befragte innehaben. Hinsichtlich des Mitgliedschaftsstatus positioniert sich eine aktive Vereinstätigkeit eindeutig am Stadtteil Hahnwald, wohingegen der Wohnort erkennbar weniger zur Vorhersage der passiven Mitgliedschaften beiträgt, die sich vergleichsweise nahe am Ursprung befinden.

Demgegenüber formieren sich die informellen Netzwerkelemente vorrangig entlang der horizontalen Achse. In Einklang mit den Ergebnissen der Individualuntersuchungen offenbart sich hier ein Zusammenspiel zwischen Alter und Netzwerkgröße, demzufolge die größten Netzwerke bei den jüngeren und die kleinsten entsprechend bei den älteren Befragten zu finden sind.Footnote 18 Ebenfalls bestätigen sich Abhängigkeiten zwischen Netzwerkgröße und Formalbildung, demnach große Netzwerke eine hohe räumliche Nähe zum akademischen Bildungsgrad aufweisen, mittlere Netzwerke strukturell dem Abitur und kleine Netzwerke dem Realschulabschluss nahestehen (vgl. Abschnitt 5.2.1.2). Divergenzen zwischen den Stadtteilen demonstriert insbesondere die Gegenüberstellung von Verheirateten mit Kindern aus Hahnwald (große Netzwerke; Quadrant I) und Alleinlebenden aus Chorweiler (kleine Netzwerke; Quadrant III). Letztere scheinen im hohen Alter in besonderem Maße von sozialer Isolation betroffen zu sein. Gestützt wird diese Annahme über die Erklärungsfaktoren sozialer Vernetzung, die in diesem Quadranten ausnahmslos die Ausprägungen gering (−) annehmen. Dagegen sind die jeweils höheren Ausprägungen (+) der Merkmale Lebenszufriedenheit, Stadtteilintegration, Trubel und Sozialkompetenz ausschließlich bei den jüngeren Befragten aus Hahnwald lokalisiert, bei denen sich Interaktionsfreude und soziale Fähigkeiten in großen sozialen Netzwerken und einer höheren Sozialkapitalausstattung niederschlagen. Auf dieser Basis ist zu vermuten, dass jene Faktoren in den vorherigen Analysen unter Differenzierung der Stadtteile eine höhere Erklärungskraft für die Netzwerkgröße entfaltet hätten.

Die qualitativen Merkmale der Reichweite und sozialen Zusammensetzung stehen indes in keiner linearen Anordnung zur Alters- oder Stadtteildimension. Die höchsten Anteilswerte lokaler und verwandter Alteri sind im mittleren Alter in Chorweiler zu finden und die älteren Befragten dieses Stadtteils benennen am wahrscheinlichsten keine benachbarten oder familiären Kontakte. Es wäre jedoch falsch, aus letztgenannter Feststellung eine besonders hohe soziale Heterogenität und Reichweite ihrer Netzwerke abzuleiten, da diese Altersgruppe insgesamt nur wenige Beziehungen aufweist. Vielmehr treffen diese Qualitätsmerkmale auf die jüngeren Befragten aus Hahnwald zu, die bei großen sozialen Netzwerken nur einige lokale und verwandte Alteri zu ihren Kontakten zählen und demnach eine gewisse soziale Durchmischung in puncto Beziehungsformen erkennen lassen.Footnote 19 Dieser Befund bietet schließlich eine Erklärung für die insgesamt eher bedeutungsschwachen Beziehungen zwischen Ressourcenausstattung und der Reichweite sowie des Verwandtenanteils sozialer Netzwerke (vgl. Abschnitt 5.2.1.2). Einerseits besitzen die Älteren aus Chorweiler durchschnittlich nur wenige Kontakte und verzerren dadurch die qualitativen Netzwerkelemente, andererseits weisen die Jüngeren aus Hahnwald mehrheitlich eine Familie auf und beschreiben allein deshalb räumlich begrenztere und familiär geprägte Netzwerke. Die Ergebnisse sprechen dafür, einige verwandte und lokale Alteri als qualitativ günstige Ausprägung informeller Netzwerke zu werten.

Insgesamt verdeutlicht die grafische Darstellung eine höhere finanzielle denn bildungsbezogene Ungleichheit zwischen den Stadtteilen. Entsprechend dem klassischen Bias schriftlicher Umfragen ist das Bildungsniveau der Teilnehmenden aus Chorweiler, bezogen auf die Gesamtpopulation des Stadtteils, zwar überproportional hoch, nicht aber deren Einkommen. Aufgrund struktureller Gegebenheiten ist es gewiss auch eine Frage finanzieller Mittel, inwiefern ein Wohnen und Leben in diesem oder dem anderen Stadtteil möglich ist. Dies erklärt schlüssig die derart hohe Kopplung zwischen Stadtteil und Pro-Kopf-Einkommen (r = ,749; p < 0,001), welche schließlich vor allem die institutionalisierten Netzwerkaspekte beeinflusst. Gleichwohl verweist die empirische Auswertung auf die Existenz weiterer Unterschiedlichkeiten zwischen den Stadtteilen, die nicht über die ökonomische Kapitalausstattung der Anwohnenden zu erklären sind. So wird die Gestaltung informeller Netzwerke primär durch Differenzen in der Modernitäts-/Altersdimension geprägt. In diesem Sinne gibt der Einbezug einer sozialräumlichen Perspektive Aufschluss über fehlende beziehungsweise schwache Individualzusammenhänge zwischen Ressourcen, Elementen sozialer Netzwerke und den assoziierten Erklärungstheorien. Mögliche Begründungen sowie die Bedeutung sozialer Kontexteffekte werden in Abschnitt 5.2.3.3 diskutiert. Im Folgenden wird zunächst das politische Partizipationsverhalten in sozialräumlicher Perspektive betrachtet.

5.2.3.2 Sozialer Kontext und politische Partizipation

In der politischen Arena ist den Befragten aus Hahnwald zunächst ein deutlich aktiveres Partizipationsverhalten als den Personen aus Chorweiler zu attestieren, wobei sich der Unterschied zwischen den Stadtteilen als hochsignifikant erweist (F = 28,23; p < 0,001). Mit Blick auf die Teilskalen politischer Teilhabe bestätigen Varianzanalysen das Muster signifikanter Mittelwertdifferenzen für traditionelle, digitale und konventionelle Beteiligungsformen. Eine Ausnahme bilden unkonventionelle Mittel politischer Willensäußerung, die eine geringfügig höhere Beteiligung seitens der Befragten aus Chorweiler anzeigen (vgl. Abschnitt 5.1; Anhang C.10 im elektr. Zusatzmaterial). Inwiefern aus diesem Befund nun aber eine höhere Neigung dieser Personen zu protestorientierten Beteiligungsmöglichkeiten abzuleiten ist, ist im weiteren Verlauf zu diskutieren. Ein Indiz für diese Sichtweise bietet an dieser Stelle die digitale Partizipation, die ebenfalls politische Protestformen umschließt und für Chorweiler in der Tendenz höhere Durchschnittswerte im Vergleich zu anderen Formen offenbart. Zuvor soll jedoch eine Abhängigkeit der Partizipationsdifferenzen von sozialen Statusvariablen geprüft werden. Dazu werden die Ressourcen Bildungsjahre und Einkommen einzeln und gemeinsam als Kovariaten in den nachfolgenden Kovarianzanalysen berücksichtigt, welche Stadtteilunterschiede im Hinblick auf die Höhe politischer Partizipationsformen testen (vgl. Tabelle 5.28).

Die Ergebnisse dieser Analysen belegen teils unterschiedliche Beziehungen zwischen den Subskalen politischer Beteiligung und den sozioökonomischen Ressourcen. Auf der einen Seite beweisen traditionelle und konventionelle Formen eine hohe Ressourcenunabhängigkeit, demzufolge sich die Stadtteilmittelwerte unter Kontrolle von Bildungsjahren und Einkommen weiterhin hochsignifikant unterscheiden. Vergleichbar stabil gestalten sich die Durchschnittswerte der unkonventionellen Partizipation, welche somit gleichfalls eine Autonomie von sozioökonomischen Einflüssen begründen. Auf der anderen Seite wird die Online-Beteiligung in hohem Maße sowohl durch Bildungs- als auch Einkommensressourcen bedingt. Unter Kontrolle beider Merkmale sind nur noch minimale Differenzen zwischen Hahnwald und Chorweiler festzustellen. Mit Blick auf potenzielle sozialräumliche Einflüsse erscheint ein geringerer Standortbezug digitaler Partizipationsformen im Gegensatz zu nichtdigitalen Möglichkeiten intuitiv schlüssig. Alle Formen zusammengenommen unterscheidet sich die Gesamtpartizipation schließlich weiterhin signifikant zugunsten der Personen aus Hahnwald (F = 6,10; p < 0,05). Damit legen die Kovarianzanalysen grundlegende Verschiedenheiten zwischen den Stadtteilen nahe, die sich in Partizipationshöhe sowie präferierten Formen äußern und nur partiell auf die ungleiche Ressourcenausstattung rekurrieren.

Tabelle 5.28 Mittelwertvergleiche der politischen Partizipationsskalen zwischen Hahnwald und Chorweiler, kontrolliert für Bildung und Einkommen

Inwieweit diese Unterschiede auf sozialräumlichen Faktoren beruhen, ist im Folgenden auf der Grundlage multipler Korrespondenzanalysen zu diskutieren. Dazu modelliert eine erste Analyse Beziehungen zwischen politischer Beteiligung, politisierenden Funktionen, Parteipräferenzen und soziodemografischen Hintergrundvariablen, wobei die standardisierte Partizipationsskala in Terzile zergliedert wird (gering, mittel, hoch). Darüber hinaus werden das politische Interesse und die interne politische Wirksamkeit in die Untersuchung aufgenommen, da sich jene Merkmale vormals als relevante Erklärungsfaktoren politischer Beteiligung erwiesen haben (vgl. Abbildung 5.9). Eine zweite Analyse integriert zusätzlich die Merkmale formeller und informeller Netzwerke und vervollständigt somit das Bild partizipationsrelevanter Faktoren (vgl. Abbildung 5.10). Stadtteilspezifische Unterschiede und Besonderheiten werden jeweils anhand der grafischen Ausgabe erörtert.

Abbildung 5.9
figure 9

(Anmerkungen: Grafische Ausgabe der multiplen Korrespondenzanalyse. Die ursprünglichen Achsen wurden transponiert und um 15° gegen den Uhrzeigersinn rotiert. Die gestrichelten Linien symbolisieren die interpretierten Dimensionen. Geringe Partizipation: ≤ −0,38, mittlere Partizipation: ≤ 0,20, hohe Partizipation: > 0,20; kleines Netzwerk: ≤ 5 Alteri, mittleres Netzwerk: ≤ 12 Alteri, großes Netzwerk: > 12 Alteri; keine lokalen/verwandten Alteri: 0, einige lokale/verwandte Alteri: ≤ 0,40, viele lokale/verwandte Alteri: ≤ 1. Die Erklärungsfaktoren wurden jeweils anhand des Medians in wenig(er) ausgeprägt (−) und ausgeprägt(er) (+) dichotomisiert. Zur besseren Lesbarkeit wurden einzelne Elemente minimal verschoben; deutliche Verschiebungen sind gegebenenfalls durch Führungslinien kenntlich gemacht. Aus Darstellungsgründen fehlt in dieser Ansicht das Merkmal Blockade/Besetzung (2,44|1,97). N = 314)

Politische Partizipation in sozialräumlicher Verteilung

Abbildung 5.10
figure 10

(Anmerkungen: Grafische Ausgabe der multiplen Korrespondenzanalyse. Die ursprünglichen Achsen wurden transponiert und um 15° gegen den Uhrzeigersinn rotiert. Geringe Partizipation: ≤ −0,38, mittlere Partizipation: ≤ 0,20, hohe Partizipation: > 0,20; kleines Netzwerk: ≤ 5 Alteri, mittleres Netzwerk: ≤ 12 Alteri, großes Netzwerk: > 12 Alteri; keine lokalen/verwandten Alteri: 0, einige lokale/verwandte Alteri: ≤ 0,40, viele lokale/verwandte Alteri: ≤ 1. Die Erklärungsfaktoren wurden jeweils anhand ihres Medians in wenig(er) ausgeprägt (−) und ausgeprägt(er) (+) dichotomisiert. Zur besseren Lesbarkeit wurden einzelne Elemente minimal verschoben; deutliche Verschiebungen sind gegebenenfalls durch Führungslinien kenntlich gemacht. Aus Darstellungsgründen fehlen in dieser Ansicht die Merkmale 90 + (1,73|1,39), Bürgerhaushalt (2,23|1,57), Flashmob (2,54|1,71) und Blockade/Besetzung (3,25|1,75). N = 314)

Soziale und politische Merkmale in sozialräumlicher Verteilung

In der ersten Darstellung weist die geografische Verortung der sozioökonomischen und -demografischen Merkmale deutliche Parallelen zur Netzwerkanalyse des vorherigen Abschnittes auf (vgl. Abschnitt 5.2.3.1) auf. Abermals wird die vertikale Achse des zweidimensionalen Raumes maßgeblich durch die Stadtteile und das Einkommen der Befragten bestimmt und als Kontinuum zwischen den Polen Chorweiler/ökonomisch schwach und Hahnwald/ökonomisch reich interpretiert (λ2 = 0,259). Die horizontale Achse wird übereinstimmend durch das Alter und weitere soziodemografische Merkmale repräsentiert, die unter die Dichotomie traditionell-modern subsumiert werden (λ1 = 0,153). Folgerichtig ergeben sich in dieser Analyse wiederholt die Quadranten I: Hahnwald/modern, II: Hahnwald/traditionell, III: Chorweiler/traditionell, IV: Chorweiler/modern, in die sich die sozialen Eigenschaften wie folgt einordnen. Zusammenfassend gruppieren sich die höheren Bildungs- und Einkommenskategorien zum Stadtteil Hahnwald, während die geringeren Ausprägungen jeweils am gegenüberliegenden Achsenende lokalisiert sind. Zudem weisen die als traditionell interpretierten Merkmale tendenziell eine höhere räumliche Nähe zu diesem Stadtteil auf. Gemäß der Traditionalismusannahme sind jene Personen älter (60 + ), verheiratet, leben in Zweipersonenhaushalten, weisen eine christliche Konfession und keinen migrantischen Hintergrund auf. Dagegen sind die ledigen Befragten (Chorweiler) sowie jene aus Mehrpersonenhaushalten (Hahnwald) auch aufgrund ihres jüngeren Alters als weniger traditionell einzustufen. Nicht-christliche Glaubensrichtungen sowie die Merkmale Migration und Single-Haushalt positionieren sich indes unzweideutig zum Stadtteil Chorweiler. Die beschriebenen sozialstrukturellen Merkmale finden im Weiteren Ausdruck in den partei- und partizipationsbezogenen Elementen.

Das Niveau politischer Teilhabe ist erwartungsgetreu prioritär entlang der Stadtteil-/Ressourcendimension zu interpretieren, wobei neben den finanziellen ebenso bildungsbezogene Mittel zu beachten sind. Da dem ressourcenschwachen Achsenbereich eine geringe und dem ressourcenstarken gleichsam eine hohe politische Beteiligung zugeordnet ist, illustriert der Projektionsraum anschaulich den empirisch vielfach nachgewiesenen Positivzusammenhang zwischen sozialem Status und politischer Teilhabe. Derweil deuteten die kovarianzanalytischen Befunde an, dass diese Struktur nicht vollständig auf die objektive Höhe von Bildung und Einkommen zu reduzieren ist, sondern mutmaßlich durch subjektive beziehungsweise strukturelle Gegebenheiten der Stadtteile mitgeprägt wird (vgl. Tabelle 5.28). Dabei wurden besondere Stadtteilunterschiede für das traditionelle und konventionelle Spektrum politischer Willensäußerung identifiziert, die auch in dieser Darstellung durch eine hohe Differenzierung charakterisiert sind. Mit Ausnahme des Wählens positionieren sich zwar sämtliche Teilhabeformen im Positivbereich der vertikalen Achse, jedoch sind insbesondere parteiorientierte und tradierte problemspezifische Partizipationsmöglichkeiten durch eine spezifische Nähe zum Stadtteil Hahnwald gekennzeichnet.

Demzufolge werden traditionell-konventionelle Formen wie Spenden, Parteimitgliedschaft, -mitarbeit und -kontakt deutlich häufiger von den Hahnwald-Anwohnenden als von den Befragten aus Chorweiler genutzt, während digitale und protestbezogene Beteiligungsmöglichkeiten wie Demonstrationen, Online-Protest und Besetzungen erkennbar näher zur Achsenmitte rücken. Nun implizieren diese Befunde aber nicht, wie eingangs vermutet, eine höhere Protestorientierung seitens der Befragten aus Chorweiler, sondern sie verweisen auf eine relativ ausgeglichene Nutzung dieser Angebote zwischen den Stadtteilen. Damit widersprechen diese Ergebnisse grundlegend der Annahme, dass die soziale Ungleichverteilung politischer Aktivität im konventionellen Bereich noch am geringsten ausgeprägt ist (vgl. Abschnitt 2.1.4). Im Gegenteil ist der politische Protest wesentlich egalitärer verteilt als beispielsweise partei- oder spendenbezogene Teilhabeformen – was jedoch keine Rückschlüsse auf die absolute Nutzungshäufigkeit beinhaltet. Die Höhe politischer Partizipation divergiert darüber hinaus entlang der Alters-/Modernitätsdimension, wobei ein höheres Alter mit einer geringeren Teilhabe einhergeht und zudem die Anordnung der einzelnen Beteiligungsformen bestimmt. Absteigend nach Alter beziehungsweise dem Grad des Traditionalismus formieren sich beispielsweise Wählen (konventionell), Unterschriftensammlung (konventionell), Spenden (traditionell), Online-Protest (digital) und Blockade/Besetzung (unkonventionell) im Projektionsraum.

Im Vergleich zu den politischen Partizipationsformen streuen die Parteipräferenzen wesentlich breiter im sozialen Raum und sind unter Berücksichtigung beider Dimensionen zu interpretieren. Eindeutig ordnen sich zunächst die politischen Neigungen zur CDU und FDP (Hahnwald) sowie zur SPD und keiner Partei (Chorweiler) zwischen den Stadtteilen an. Diese Verteilung spiegelt anschaulich die amtlichen Wahlergebnisse der Bundestagswahl 2017 in den betreffenden Stadtteilen wider (Stadt Köln 2017b). Ferner streben diese Parteien erkennbar in Richtung des traditionellen Pols, wobei insbesondere die CDU und die FDP im Bereich christlicher Konfession und konventionellem beziehungsweise statushohem Leben lokalisiert sind. Unter Rückgriff auf die Etablierung und den Traditionalismus jener Parteien, den verknüpften Parteiwerten und Merkmalen ihrer Wählerschaften, wie zum Beispiel dem Erwerbsstatus, wird ihre Lage im traditionellen Bereich dieser Dimension erklärbar. Hingegen sind die GRÜNEN, die AfD und die LINKE durchweg im vierten Quadranten (Chorweiler/modern) angesiedelt, wobei sich in diesem Fall vorrangig die Alters-/Modernitätsdimension als strukturgebend erweist und in der Tendenz geringere Stadtteilbezüge zu konstatieren sind. Insbesondere die Präferenz für die LINKE ist mit einem weniger traditionellen Lebensstil assoziiert und weist analog eine hohe räumliche Nähe zu protestorientierten und unkonventionellen Beteiligungsmöglichkeiten auf. Weniger charakteristisch sind indes die Positionen der AfD und der GRÜNEN, wobei die letztgenannten drei Parteien insgesamt nur selten von den Befragten beider Stadtteile herangezogen werden (vgl. Abschnitt 5.1). Im Folgenden werden nun die Merkmale sozialer Netzwerke in die Analyse aufgenommen und Zusammenhänge zu den partizipationsbezogenen Elementen überprüft (vgl. Abbildung 5.10).

Vorweg ist unter der Integration der Netzwerkelemente zum einen der Erhalt der räumlichen Struktur festzuhalten, sodass die Dimensionen in üblicher Weise interpretiert werden können. Zum anderen wird die geografische Lage der Vernetzungsindikatoren aus Abschnitt 5.2.3.1 weitestgehend reproduziert, infolgedessen die formellen Aspekte primär entlang der Stadtteildimension und die informellen Merkmale tendenziell auf beiden Achsen divergieren. Diese Befunde indizieren eine hohe Konsistenz der sozialräumlichen Strukturen. Bemerkenswert ist des Weiteren, dass sich die jeweils hohen Ausprägungen der Erklärungsmerkmale sowie sämtliche Vereins- und Partizipationsformen ausnahmslos dem Stadtteil Hahnwald zuordnen. Davon abgesehen offenbaren sich jedoch essenzielle Unterschiede zwischen sozialer und politischer Beteiligung in Abhängigkeit der Modernisierungsdimension. So sind eine hohe zivilgesellschaftliche Teilhabe (multiple Mitgliedschaften) und nahezu alle Vereinsformen im traditionellen Achsenbereich verortet, wohingegen die politischen Pendants fast durchgängig im modern-jüngeren Sektor lokalisiert sind. Ein Bezug zu jeweils unterschiedlichen Lebensabschnitten und den verknüpften Eigenschaften, Zielen und Erwartungen der Personen erscheint an dieser Stelle wahrscheinlich.

Ferner sind die günstigen Ausprägungen informeller Netzwerke durch eine vergleichsweise hohe strukturelle Nähe zur politischen Aktivität gekennzeichnet, sodass sowohl große Netzwerke mit einigen lokalen und verwandten Alteri als auch eine hohe Partizipation bei jüngeren und weniger traditionellen Personen aus Hahnwald zu finden sind. An dieser Stelle wird wiederholt deutlich, warum sich auf individueller Ebene nur geringfügige Effekte in Folge des Anteils lokaler und verwandter Alteri nachweisen ließen. Mit Bezug auf die verknüpfte Netzwerkgröße wirken entgegen der theoretischen Annahmen nicht die geringsten, sondern jeweils die mittleren Ausprägungen dieser Merkmale partizipationssteigernd (vgl. Abschnitt 5.2.3.1). Auf dieser Grundlage ist eine Bedeutung der qualitativen Netzwerkelemente für die politische Teilhabe nicht grundsätzlich auszuschließen. Der hohe Stellenwert informeller Netzwerke wird ferner über die geografische Verortung der civic skills sichtbar. Jene partizipationsrelevanten Fähigkeiten, die sich als zentrales Erklärungselement politischer Beteiligung erwiesen haben, sind im relationalen Raum unmittelbar neben einem großen sozialen Netzwerk platziert. Diese Position betont eine höhere Bedeutung informeller denn formeller Kontexte für die Kultivierung ziviler Kompetenzen (vgl. Abschnitt 5.2.2).

Betreffs der weiteren Erklärungsmerkmale gruppieren sich ein hohes politisches Interesse und eine hohe interne Wirksamkeit eindeutig zum Stadtteil Hahnwald und einem hohen politischen Partizipationsniveau. Demgegenüber sind politische Rekrutierungen, politische Informationen und die Reziprozität durch geringere Differenzen auf der vertikalen Dimension charakterisiert. Im Rahmen vorheriger Analysen konnte eine relative Unabhängigkeit dieser Faktoren von ressourcen- und vernetzungsbezogenen Merkmalen aufgezeigt werden, die sich in dieser Darstellung weitestgehend bestätigt. Durch den Fokus dieser Items auf konkrete Aktivitäten sowie spezifische Austausch- und Unterstützungsbeziehungen wird zudem die angezeigte negative Verknüpfung zum Lebensalter der Befragten erklärbar. Auf die weiteren partizipationsrelevanten Merkmale soll an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden. Ihre räumliche Lage zusammenfassend finden sich die negativen Ausprägungen ausnahmslos im Quadranten Chorweiler/traditionell und die positiven Ausprägungen jeweils auf Seiten Hahnwalds (traditionell und modern) wieder. Überdies demonstrieren sie in der Tendenz eine höhere Nähe zu den informellen als zu den formellen, und damit ressourcenverknüpften, Netzwerkstrukturen.

Insgesamt bestätigt die grafische Darstellung einen strukturellen Zusammenhang zwischen politischer Teilhabe, den ausgewählten Stadtteilen, soziodemografischen und -ökonomischen Merkmalen sowie den sozialen Netzwerken. Eine hohe Ressourcenausstattung ist in Hahnwald mit multiplen Vereinsmitgliedschaften und zahlreichen informellen Beziehungskonstellationen verbunden, die sich in einer höheren und hohen politischen Beteiligung widerspiegeln. Zudem sind Verbindungen zu konventionellen und traditionellen Aspekten des persönlichen Lebens ablesbar, die jene Ausprägungen zusätzlich begünstigen. In Chorweiler scheinen sich indes gegenläufige Tendenzen darzutun, wobei konventionelle Aspekte in diesem Stadtteil eher partizipationshemmend wirken. Eine Verbindung zu den theoretischen Erklärungsstrategien wird im anschließenden Abschnitt hergestellt und auf Basis dieser Befunde diskutiert.

5.2.3.3 Diskussion der Hypothesen

Basierend auf der übergeordneten These des dritten Untersuchungsmodells Der soziale Kontext beeinflusst die soziale Netzwerkeinbindung sowie das politische Partizipationsverhalten der oder des Einzelnen wurden drei Hypothesen formuliert und mit Hilfe statistischer Verfahren analysiert. Infolge der geringen Fallzahlen wurden dazu überwiegend deskriptive Methoden eingesetzt, sodass die Gültigkeit der Hypothesen faktisch nicht zu bestimmen ist. Gleichwohl liefern auch beschreibende Verfahren relevante Erkenntnisse über den Untersuchungsgegenstand, die nun vor dem Hintergrund der dritten Erklärungsstrategie diskutiert werden.

H3.1::

Unabhängig der sozioökonomischen Ressourcenausstattung sind Personen aus sozial privilegierten Stadteilen häufiger und eher aktiv in Vereinen engagiert als Personen aus sozial benachteiligten Stadtteilen.

Im Rahmen kovarianzanalytischer Verfahren konnten Differenzen hinsichtlich der formellen Vernetzung zwischen den Stadtteilen nachgewiesen werden, die über die sozioökonomische Ressourcenausstattung der Anwohnenden hinausgehen. Auch unabhängig ihrer durchschnittlich höheren Bildung und monetären Möglichkeiten weisen die Befragten aus Hahnwald signifikant mehr Vereinsmitgliedschaften auf als die Befragten aus Chorweiler. Überdies nehmen sie innerhalb dieser Vereine eher eine aktive Mitgliederrolle ein und engagieren sich häufiger in instrumentell ausgerichteten Organisationen.

Zur Begründung dieser Zusammenhänge sind strukturelle Effekte, die eine Vernetzung auf das Vereinsangebot im Wohngebiet zurückführen, zunächst auszuschließen (Strukturthese). Zwar sind die Befragten aus Hahnwald (N = 40) in mehr lokale Vereine eingebunden als ihre Pendants aus Chorweiler (N = 14), jedoch ist dieser Umstand kaum auf die stadtteilinterne Vereinsdichte zurückzuführen. Konzipiert als reines Wohngebiet, besitzt Hahnwald sogar eine deutlich kargere Vereinslandschaft als Chorweiler. Kontextuelle Effekte sind somit nicht auf (fehlende) Opportunitäten des Stadtteils, sondern auf die Aggregation sozialer Merkmale zurückzuführen. Idealtypisch weisen vereinsaktive Personen folgendes Individualprofil auf: Hahnwald, hohe Bildung, hohes Einkommen, mittleres Alter, erwerbstätig, verheiratet und nicht alleinlebend, christliche Konfession, keine Migration, lebenszufrieden, interaktionsfreudig, stadtteilintegriert, sozial kompetent. Diese Eigenschaften reflektieren wesentlich die Zuordnung der Anwohnenden in die sozialen Milieus der Konservativ-Etablierten, der Liberal-Intellektuellen und der Performer (vgl. Abschnitt 4.1.2). Demgegenüber beweist die Anwohnerschaft in Chorweiler eine größere kulturelle, religiöse und demografische Durchmischung, die sich unter anderem in einer hohen Anzahl alleinstehender, alleinlebender und nicht sozialkapitalrelevant integrierter Personen äußert (Traditionelle, Prekäre und Hedonisten). Unter der Prämisse, dass das Vereinswesen aufgrund seiner immanenten Charakteristika einen eher konventionellen Aspekt des gesellschaftlichen Lebens abbildet, mag das etablierte und gut situierte Hahnwald durchaus den Nährboden für eine rege Vereinskultur bilden. Die Frage ist, über welche Mechanismen sich diese kontextuellen Bedingungen überindividuell verbreiten.

Argumentativ begünstigt eine starke Integration in den eigenen Stadtteil die Entstehung sozialer Ressourcen. Sind die Personen des direkten Wohnumfeldes einander bekannt, unterstützen sie sich gegenseitig und unternehmen gemeinsame Aktivitäten, so ist auch eine wechselseitige Animierung zu einer aktiven Vereinstätigkeit denkbar (Soziale Ansteckungsthese). Für diese Sichtweise sprechen die jeweils höheren Ausprägungen der Erklärungsfaktoren im Stadtteil Hahnwald (u. a. Stadtteilintegration, Sozialkompetenz). Eine hohe Stadtteilintegration intensiviert überdies den inneren Zusammenhalt und die Zusammenarbeit und ist somit als stadtteilspezifisches Sozialkapital zu betrachten. Vertrauensvolles Verhalten und Normen der Gegenseitigkeit bilden im Weiteren den Rahmen für eine partizipative (Vereins-)Kultur. Auf dieser Basis ist eine wechselseitige Sozialisation der Hahnwald-Anwohnenden in Richtung vereinsrelevanten Verhaltens anzunehmen. Die Effekte des Stadtteils beruhen demnach auf Möglichkeiten, die sich die Menschen gegenseitig eröffnen sowie der Existenz positiver Rollenvorbilder, die soziale Lernprozesse anregen und Kooperation anstoßen. Auf der Grundlage einer schwächeren Stadtteilintegration sind für Chorweiler indes gegensätzliche Mechanismen zu vermuten, wobei sich die soziale Passivität einzelner Personen in einer lokalen Kultur verdichtet, die zivilgesellschaftlicher Partizipation tendenziell entgegensteht.

Im Weiteren können stadtteilbezogene Reputationen die individuelle Aufnahme einer Vereinstätigkeit über Stigmatisierungsprozesse positiv steuern oder aber den Zugang zu bestimmten Vereinen a priori versperren (Reputationsthese). Dieses Argument tangiert beispielsweise Mitgliedschaften in exklusiven Golf- und Tennisclubs oder – speziell in Köln – die Mitgliedschaft in Karnevalsvereinen, die primär privilegierten Personengruppen offenstehen. In diesen Fällen geht es auch um das Sehen und Gesehen werden, um symbolische Distanz zu anderen sozialen Schichten und um profitable Verbindungen. In dieser Lesart kann eine Vereinstätigkeit den eigenen Zielen durchaus zweckdienlich sein. Die Instrumentalisierung von Vereinen zur sozialen Distinktion wurde bereits im Kontext der Individualzusammenhänge diskutiert (vgl. Abschnitt 5.2.1.3). Dabei wird demonstrativer Konsum zwecks Repräsentation und Aufrechterhaltung von Status umso notwendiger, je mehr Menschen des unmittelbaren Umfelds einen vergleichbar hohen Status aufweisen. Aufgrund dieser Eigenarten kann sich eine solche Kultur einzig in gut situierten Stadtteilen wie Hahnwald etablieren und auch zivilgesellschaftliches Engagement gleichsam zur sozialen Pflicht machen. Demgegenüber stehen den Befragten aus sozioökonomisch schwächeren Bezirken für teure und dadurch distinktive Mitgliedschaften in der Regel nicht genügend finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Vereinsmitgliedschaften beruhen in Chorweiler damit eher auf persönlichem Interesse oder hedonistischen Motiven und Statusdemonstration erfolgt über andere Wege. Zusätzlich vermindert der ausstrahlende Ruf des Stadtteils ihre Mitgliedschaftschancen in distinktionsrelevanten Assoziationen und schränkt ihre Handlungsmöglichkeiten unabhängig objektiver Eigenschaften ein.

Zusammenfassend weisen die Stadtteile relevante Unterschiede in Bezug auf formelle Netzwerkaspekte auf, die nicht ausschließlich über sozioökonomische Gegebenheiten erklärt werden können. Als mögliche Kontexteffekte wurden eine Prädestination der Befragten aus Hahnwald für das Vereinswesen aufgrund ihrer sozialstrukturellen Eigenschaften, soziale Ansteckungseffekte basierend auf reziproker Sozialisation und statusstabilisierende Maßnahmen diskutiert. Insbesondere bei letztgenannter Erklärungsstrategie werden Überschneidungen zu finanziellen Gegebenheiten offenbar, sodass diese nicht losgelöst vom Einkommen zu bewerten ist. Tatsächlich ist unter Kontrolle des Stadtteils weiterhin ein Zusammenhang zwischen der Anzahl an Vereinsmitgliedschaften und dem Einkommen zu belegen (r = ,137; p < 0,05). Damit ist der Einfluss des Einkommens auf die formellen Netzwerke zwar zu einem nicht unerheblichen Teil, jedoch nicht vollständig auf den Stadtteil zurückzuführen. Insgesamt erscheint auf dieser Basis eine Bestätigung der Hypothese im Rahmen weiterer Untersuchungen nicht ausgeschlossen.

H3.2::

Unabhängig der sozioökonomischen Ressourcenausstattung sind die sozialen Netzwerke von Personen aus sozial privilegierten Stadteilen größer und weisen weniger lokale und verwandte Alteri auf als die sozialen Netzwerke von Personen aus sozial benachteiligten Stadtteilen.

Analog zu den formellen Netzwerken sind auch im Kontext der informellen Beziehungen relevante und ressourcenunabhängige Unterschiede zwischen den Stadtteilen zu bekunden. Diese äußern sich in signifikant größeren Netzwerken seitens der Hahnwald-Anwohnenden, die sich anteilig aus weniger lokalen und verwandten Alteri zusammensetzen. Einschränkend sind für die qualitativen Elemente lediglich tendenzielle Zusammenhänge aufzuzeigen.

Als Begründung für diese Unterschiede zentriert die Strukturthese Auswirkungen über die stadtteilspezifische Bereitstellung von Freizeitarrangements. Da den Anwohnenden Hahnwalds keine regelmäßigen Gelegenheiten außerhalb des Privaten offeriert werden, bietet dieses Argument zwar keine Erklärung für ihre größeren Netzwerke, veranschaulicht aber die lokale Konzentration der Netzwerke in Chorweiler (jünger). Angesichts der relativ hohen Entfernung zum Kölner Stadtzentrum hält dieser Wohnbezirk diverse strukturelle Opportunitäten des täglichen Lebens bereit, welche gleichfalls die Kontaktfrequenz zu nichtlokalen Personen einschränken. In der Konsequenz bleiben die Netzwerke räumlich und zahlenmäßig begrenzt. Individuelle Chancen der Kontaktaufnahme können ferner über stereotype Beurteilungen des Stadtteils begünstigt oder beschnitten werden (Reputationsthese). In der Fremdwahrnehmung distanzieren sich außenstehende Personen vom vermeintlich negativen Ansehen sozial benachteiligter Stadtteile; in der Selbstwahrnehmung verinnerlichen die Anwohnenden selbst die Überzeugung, in der Öffentlichkeit einem negativen Ruf ausgesetzt und von der Mainstream-Gesellschaft isoliert zu sein. Im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden Kontakte außerhalb des direkten Wohnumfeldes unwahrscheinlich. Dagegen mögen Personen aus Hahnwald aufgrund ihres sozialen Status auch außerhalb ihres eigenen Wohngebietes attraktiv für die Aufnahme einer sozialen Austauschbeziehung erscheinen, wodurch sich Quantität und Radius sozialer Beziehungen erweitern (vgl. Bourdieu 1983).

Eine alternative Erklärung stadtteilspezifischer Netzwerkunterschiede gründet auf sozialen Lernprozessen, die sich wechselseitig innerhalb der Nachbarschaft vollziehen (Soziale Ansteckungsthese). Basierend auf hohen Arbeitslosen- und Sozialleistungsquoten sowie mangelnden Rollenvorbildern hat sich in Chorweiler eine Kultur der Zurückgezogenheit und Passivität sozialisiert. Auf dem Fundament einer geringeren Lebenszufriedenheit und Interaktionsfreude ist dieses Argument als Kollektivierung der Isolationsthese zu verstehen, wobei der individuelle Rückzug ins Private auf andere Anwohnerinnen und Anwohner ansteckend wirkt und sich überindividuell im Stadtteil verfestigt. Diese Prozesse kulminieren schließlich in einer vollständigen Distanz von sämtlichen Sozialbeziehungen (älter) respektive einer Konzentration auf Verwandte und Statusgleiche des eigenen Stadtteils (jünger). Der Mangel an stadtteilspezifischem Sozialkapital verhindert auf diese Weise zunehmend die Zusammenarbeit und den internen Zusammenhalt im Stadtteil und kann sich langfristig in einer habitualisierten Apathie der Anwohnenden zuspitzen. Auch im Lichte dieser Erklärungsstrategie sind für Hahnwald gegenteilige Prozesse angezeigt, die einen lebendigen Austausch im Stadtteil fördern und ihren Ausdruck in größeren, weitläufigeren und beziehungsheterogeneren Netzwerken finden.

Neben den Effekten des sozialen Kontextes bieten soziale Merkmale wie die Haushaltsgröße und die Erwerbstätigkeit grundlegend eine Erklärung für die Größe und Zusammensetzung persönlicher Beziehungsnetzwerke, die maßgeblich mit dem Lebensalter der Befragten kohärieren. Da der Zusammenhang zwischen Alter und Netzwerkgröße in Chorweiler (r = −,435; p < 0,001) deutlich negativer als in Hahnwald (r = −,341; p < 0,001) ausfällt, ist in diesem Stadtteil in besonderem Maße von Vereinsamungstendenzen im höheren Alter auszugehen. Strukturelle Effekte in Form fehlender Angebote für ältere Personen erscheinen in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Damit entfällt den Betroffenen das Wohnumfeld als letzter Fokus, während in Hahnwald mindestens noch die Ehe und der Verein als Bezugsorte verbleiben. Darüber hinaus sind die Netzwerke der mittleren Alterskategorien durch anteilig viele lokale und verwandte Alteri gekennzeichnet (Chorweiler). Zusätzlich zu den bereits dargelegten Erklärungsmustern ist der strukturell nahegelegenen Migration eine gewisse Relevanz in diesem Feld zu unterstellen. So weisen insbesondere türkischstämmige Personen, die eine der größten ethnischen Gruppierungen im Stadtteil repräsentieren, informelle Netzwerke auf, die von einer besonderen sozialen Homogenität und Geschlossenheit geprägt sind (vgl. Abschnitt 4.1.3). Solche bindenden Beziehungen sind zwar nicht grundsätzlich negativ zu bewerten, wohl aber erscheint es in Bezug auf die politische Partizipation denkbar, dass sie unter anderem als Informationsbremsen fungieren und das politische Verhalten im Stadtteil negativ beeinflussen.

Zusammenfassend weisen die Befragten aus Hahnwald auch jenseits ihrer Ressourcenausstattung größere soziale Netzwerke auf als die Personen aus Chorweiler, die sich zudem heterogener in Bezug auf Reichweite und Beziehungsart gestalten. Tatsächlich ist der Individualzusammenhang zwischen Netzwerkgröße und Einkommen vollständig (r = −,039) und der zwischen Netzwerkgröße und Bildungsjahren (r = ,157; p < 0,05) zu einem nicht unerheblichen Anteil über den Stadtteil zu erklären. Als mögliche Kontexteffekte wurden strukturelle Opportunitäten, soziale Stigmatisierungen und die wechselseitige Verbreitung spezifischer Netzwerkbedingungen herangezogen. Demnach haben sich in den Stadtteilen unterschiedliche Traditionen sozialisiert, die prägend auf das informelle Sozialkapital wirken. Auf dieser Grundlage ist ein Einfluss des sozialen Kontextes auf das Handeln und Verhalten der Anwohnerschaft abzuleiten, der sich im Falle einer günstigen sozialen Durchmischung positiv auf die Elemente informeller Netzwerke äußert und umgekehrt. Insgesamt deutet die sozialräumliche Gegenüberstellung eine Bestätigung dieser Hypothese an, deren formaler Nachweis aber noch zu erbringen ist.

H3.3::

Unabhängig der sozioökonomischen Ressourcenausstattung beteiligen sich Personen aus sozial privilegierten Stadteilen häufiger politisch als Personen aus sozial benachteiligten Stadtteilen.

Im politischen Feld verweisen kovarianzanalytische Befunde auf ein differenzielles Partizipationsverhalten in den untersuchten Stadtteilen, das nicht ausschließlich über soziale Statusmerkmale abzuleiten ist. Auch unter Kontrolle von Bildung und Einkommen weisen die Personen aus Hahnwald insgesamt eine höhere politische Beteiligung auf als die Befragten aus Chorweiler. Diese Unterschiede gestalten sich hinsichtlich der Gesamtpartizipation sowie den traditionellen und konventionellen Formen signifikant, nicht aber in Bezug auf digitale und unkonventionelle Beteiligungsmöglichkeiten. Die Ergebnisse kontrastieren somit die grundlegende Perspektive empirischer Partizipationsforschung, demnach soziale Verzerrungen der politischen Teilhabe im konventionellen Sektor noch am geringsten ausfallen.

Zur Erklärung potenzieller Kontexteffekte ist auf den Erkenntnissen zur sozialen Vernetzung aufzubauen. In diesem Rahmen wurde für Chorweiler die Annahme diskutiert, die geografische Lage des Stadtteils (Strukturthese) sowie dessen stereotyper Ruf (Reputationsthese) führten zu einer objektiven und subjektiv gefühlten Benachteiligung unter den Anwohnenden, die sich am Rande von Köln ausgegrenzt und von den Lebenswelten der Mainstream-Gesellschaft sowie der Politik im Allgemeinen ausgeschlossen wähnen (vgl. Abschnitte 4.1.3, 4.5.3). Derartige Wahrnehmungen verstärken ohnehin vorhandene Tendenzen sozialer Isolation, die sich in kleineren Netzwerken sowie einer geringeren Reziprozität und Vertrauen manifestiert. Entsprechend ist das stadtteilbezogene Sozialkapital begrenzt und gemeinschaftliches Handeln unter diesen Umständen nur schwer realisierbar, wobei sich jene Wahrnehmungen und schwachen Solidaritäten interindividuell im Stadtteil verfestigen (Soziale Ansteckungsthese). Übertragen auf die politische Beteiligung mangelt es in Chorweiler gleichermaßen an externen Impulsen wie interner Mobilisierung, sodass die subjektiven Kosten für politisches Engagement vergleichsweise hoch ausfallen. In der Tat werden in diesem Stadtteil kaum civic skills kultiviert, die Diffusion politischer Informationen ist gering, gegenseitige Animierungen und fruchtbare Diskussionen ihrerseits rar. Analog zu jenen netzwerkinduzierten Politisierungen liegt auch die individuelle Motivation zur Teilhabe, operationalisiert über politisches Interesse und Selbstwirksamkeit, nur auf einem mäßigen Niveau. Die hohen Zustimmungswerte zur Aussage Es bringt ja eh nichts, sich politisch zu beteiligen (rund 50 %) deuten eine verbreitete Resignation an, wobei der Eindruck der eigenen Machtlosigkeit durch die lokale Konzentration sozial Benachteiligter verstärkt wird. Zusammengenommen scheinen sich allgemeine Frustrationen, aktuelle Unsicherheiten und eine geringe soziale Integration in diesem Stadtteil zu einer basalen Politikverdrossenheit zu verdichten, die sich teils gegenteiliger Interpretationen zum Trotz nicht partizipationssteigernd auswirkt.Footnote 20 Eine Ursache für das geringe Teilhabeniveau ist demnach mutmaßlich in der geringen Ausstattung des Stadtteils mit Sozialkapital zu suchen.

Demgegenüber hat sich in Hahnwald eine lokale Kultur entwickelt, die ihren Ausdruck in einer vergleichsweise hohen Anzahl an formellen und informellen Beziehungen findet. Diese lassen sich gemeinsam mit internalisierten Reziprozitätsnormen und dem Vertrauen zu einem hohen stadtteilspezifischem Sozialkapital aggregieren. Gemäß der sozialen Ansteckungsthese haben sich die Anwohnenden somit selbst ein Umfeld geschaffen, in dem sich sozialkapitalrelevante Einstellungen verstärken und in dem sie sich wechselseitig zu einer politischen Teilhabe motivieren. So werden im Rahmen der sozialen Netzwerke zahlreiche Politisierungsprozesse in Gang gesetzt, die sich direkt in eine politische Beteiligung übersetzen lassen, wobei insbesondere civic skills und politische Rekrutierungen eine zentrale Rolle übernehmen. Daneben sind das hohe politische Interesse und Selbstbewusstsein als weitere Triebfedern politischer Teilhabe zu charakterisieren. Aufgrund ihrer spezifischen Lage im sozialen Raum sind überdies positive Rückkopplungen zwischen den motivationalen und netzwerkbasierten Faktoren zu erwarten. Beispielsweise kann das politische Interesse eine diskursive Auseinandersetzung mit politischen Inhalten in sozialen Beziehungskonstellation anregen, welche wiederum zivile Fähigkeiten und politisches Selbstvertrauen steigert. Auf dieser Grundlage ist für Hahnwald ein hohes stadtteilspezifisches Sozialkapital abzuleiten, das kooperatives Miteinander fördert und aktiv zur Lösung von Kollektivgutproblematiken – auch in der politischen Arena – beiträgt.

Des Weiteren manifestiert sich die positive Verbindung zwischen sozialer und politischer Partizipation in besonderem Maße bei traditionellen und konventionellen Beteiligungsformen, die gleichfalls am stärksten mit sozialen Statusvariablen assoziiert sind. Anknüpfend an den sozialen Lebensstandard in Hahnwald ist eine solche politische Aktivität als strategisches Mittel zur Aufrechterhaltung des Status quo zu formulieren. Dazu werden in der Regel keine protestorientierten Methoden notwendig, die weniger auf Erhalt als vielmehr auf Veränderung der bestehenden Verhältnisse zielen. Diese Sichtweise erklärt schlüssig die geringere Nutzung digitaler und vor allem unkonventioneller Beteiligungsmöglichkeiten in diesem Stadtteil und bietet zugleich eine Begründung für die höhere soziale Gleichheit jener Beteiligungsformate. Diese ist eben nicht auf eine höhere unkonventionelle Teilhabe in Chorweiler, sondern maßgeblich auf die geringere Protestorientierung in Hahnwald zurückzuführen.

Zusammenfassend reflektieren die sozialräumlichen Untersuchungen relevante Stadtteildifferenzen hinsichtlich der politischen Partizipation, die nicht allumfassend auf soziale Statusvariablen zurückgeführt werden können. Tatsächlich bleibt unter Kontrolle von Einkommen und Bildungsjahren ein relevanter Zusammenhang zwischen Stadtteil und politischer Teilhabe bestehen (r = ,171; p < 0,01). Demnach beteiligen sich die Befragten aus Hahnwald auch jenseits ihrer privilegierten Stellung häufiger politisch als die Befragten aus Chorweiler. Als möglicher Kontexteffekt wurde das stadtteilspezifische Sozialkapital als Schlüsselressource politisch-partizipativer Teilhabe zentriert. Angelehnt an Putnams Italienstudie ist Hahnwald pointiert mit den nördlichen und Chorweiler mit den südlichen Regionen gleichzusetzen. Während im Norden Vertrauen, Toleranz und Solidarität eine assoziativ und kollektiv engagierte Bürgerschaft ermöglichen, hat sich im Süden eine Kultur des Misstrauens und der Unsicherheit verbreitet, die einem effektiven Miteinander entgegensteht (vgl. Abschnitt 2.4.2). Obgleich eine Bestätigung dieser Hypothese argumentativ überzeugend erscheint, sind zu einem abschließenden Urteil zwingend weitere Fälle notwendig. Eine formale Bestätigung kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht erfolgen.