Abschließend sollen die zentralen Unterschiede zwischen den drei untersuchten Ausdrücken zusammengefasst werden:

Geflüchtete_r bezeichnet zumeist eine Person mit Fluchterfahrung, die bereits in Deutschland angekommen ist. Die (physische) Nähe an der Lebenswelt wurde insofern über eine Frame-Analyse ermittelt, als Prädikationen extrahiert wurden, die jeweils Ausdruck einer selektiven Näherbestimmung / Perspektivierung / Fokussierung des Frames, den dieser Ausdruck evoziert, sind. Zugleich wurde durch die Bildung von Prädikationsklassen aus formalen Prädikationsmustern das Konzept Integration als das zentrale Konzept, von dem dieser Ausdruck begleitet wird, herausgearbeitet; ein Ergebnis, das unter Zuhilfenahme eines größeren Korpus bestätigt wurde. Dies kann mit der Lokalisierung der Fluchterfahrung in die Vergangenheit vereinbart werden, denn: Mehr als bei Flüchtling oder Migrant_in werden prospektive, konstruktive Einstellungen gegenüber den bezeichneten Subjekten vertreten, die zugleich eine (deontische) Bedeutungskomponente des Ausdrucks darstellen dürften. Die sprachlichen Daten zeigen also, dass der Ausdruck Geflüchtete_r nicht nur mit einer eher positiven Einstellung gegenüber den Bezeichneten verbunden wird, sondern tatsächlich auch in dieser Lesart gebraucht wird. Hier liegt ein Unterschied zum Ausdruck Flüchtling vor, für den eine, ob der ihm nachgesagten negativen Konnotation womöglich zu erwartende, Einbettung in eine dezidiert negativ behaftete Umgebung zwar nicht festgestellt werden konnte; jedoch erfährt diese Bezeichnung eine breite Verwendung unabhängig von Einstellungen der Sprecher_innen zum Referenzobjekt.

Durch die Herausarbeitung diskursrelevanter Leerstellen wurden spezifische semantische Fokussierungen mittels Frame-Analyse erarbeitet: Steht bei Geflüchtete_r der Umgang der Aufnahmegesellschaft mit den bezeichneten Subjekten im Zentrum des „Sprechens über sie“, wird bei Flüchtling zumeist der Umgang politischer Institutionen wie der Europäischen Union, Staatsregierungen als auch einzelner Akteur_innen thematisiert.

Das Herkunftsland und das Zielland der Menschen in Bewegung spielen bzgl. aller Ausdrücke im Untersuchungskorpus eine marginale Rolle. Erklärbar ist dies womöglich zum einen dadurch, dass diese bereits im vorausgehenden Text genannt oder im Kontext des Gesamtartikels deutlich werden. Zum anderen zeigen die Kookkurrenzen des Ausdrucks Flüchtling, die als saliente Wissenselemente (Leerstellen und Füllwerte) zu betrachten sind, dass syrisch als kognitiv verfestigte, deshalb keiner Explizierung bedürfende Standard-Herkunftsangabe festgehalten werden kann.

Dasselbe gilt für den Ausdruck Migrant_in, denn dieser hat bereits zu einem hohen Grad die Bedeutung eines seit dem sog. Sommer der Migration 2015 flüchtenden und geflüchteten Menschen angenommen. Dies zeigt sich an einer im Großteil der Fälle im Vergleich zu Flüchtling modal gleichartigen Kontextualisierung des Ausdrucks. Aufgrund der „älteren“, nach wie vor anzunehmenden, konkurrierenden Bedeutung „Menschen, die auf freiwilliger Basis und ungezwungen ihr Heimatland verlassen“ ist der Gebrauch dieses Ausdrucks zur Bezeichnung der obengenannten Subjekte kritisch zu sehen. Dabei vermag es für die kognitive Verfestigung des Konzepts bei den Rezipient_innen keine Rolle zu spielen, ob der Gebrauch auf für sich genommen unproblematische Motivationen der Produzent_innen, wie Wörter in einem Text abzuwechseln, zurückgeht.

Politischen Reden dagegen sind ideologische Motivationen inhärent: Während die in Joachim Gaucks Rede aufgezeigten Bezeichnungspraxen einem Framing gleichgesetzt werden können, das in der deutschen, multikulturellen Bevölkerung einen Gemeinschaftssinn zu stiften sucht, stellt Heiko Maas’ Rede ein Gegenbeispiel dafür dar, dass Flüchtling negativ konnotiert werde: Ohne die bezeichneten Subjekte zu problematisieren, perspektiviert Maas das Konzept hinsichtlich Chancen und Perspektiven in der Aufnahmegesellschaft und verbindet dies mit politischen Handlungen. Betreffs beider Reden ist jedoch der übergeordnete situative Rahmen, in dem sie gehalten wurden, zu bedenken.

Bei der Frame-Analyse wurden im Anschluss an Fillmore Valenzstellen bzw. Argumentstrukturen, sowie im Anschluss an Barsalou ein sich insbesondere hinsichtlich der Frame-Rekursivität von Fillmore unterscheidendes Konzept-Frame-Modell berücksichtigt. Das methodische Vorgehen bestand des Weiteren aus der Extraktion expliziter Prädikationen, wurde jedoch um das Prozedere der Substitutionsprobe erweitert. Implizite Prädikationen und Schlüsse, die aus solchen gezogen wurden, wurden gekennzeichnet und reflektiert. Es bedarf weiterer Forschung, wie genau Inferenzen einbezogen werden können, ohne den Anspruch an „Objektivität“ des_der Forschenden aufzugeben, sind sie, wie deutlich wurde, zweifelsohne zumindest mit Elementen des Frames verbunden, wenn nicht Teil des Frames selbst. Ferner sollte die angewandte Frame-Forschung die Konzipierung neuer bzw. praktische Umsetzung bereits bestehender experimenteller Untersuchungsmethoden in den Blick nehmen, um die neuropsychologische Realität von Frames zu erforschen. Da assoziative Netzwerke als ein Typ von Frame-Systemen bzw. -Netzen begriffen werden können (Busse 2018: 82), könnten bspw. Assoziationsexperimente darüber Aufschluss geben, wie dicht bestimmte Frames einander im kognitiven Netzwerk repräsentiert werden. Daran angeschlossen ist das auf prozessuale Aspekte zielende Desiderat, ein integriertes Modell zur frame-basierten Analyse konzeptueller Integration zu entwickeln.

Die Studie zeigte, dass in der kognitionslinguistischen Frame-Analyse ein theoretisch wie methodologisch fundiertes Instrumentarium zur Untersuchung von Diskursen vorliegt. Maßgeblich hierfür ist nicht zuletzt die Verankerung des Frame-Konzepts in der Erfahrung der eine Sprachgemeinschaft bildenden Sprachteilhaber_innen; Frames sind zu betrachten als gebrauchs- und erfahrungsbasierte Netzwerke, deren epistemischer Gehalt (d. h. die Beschaffenheit ihrer Leerstellen inklusive der Bedingungen, die diese an die Beschaffenheit der Füllwerte stellen, und die Beschaffenheit der Füllungen selbst) aus der Interaktion mit der Welt und Wahrnehmung der Welt durch die Sprachteilhaber_innen emergiert. Diese Interaktion mit und Wahrnehmung der Welt bezieht sich nicht nur, aber vor allem hinsichtlich politisch relevanter Themenkomplexe auf sprachliche und diskursive Aushandlungsprozesse. Verfestigtes, prototypisches Wissen ist in Form der Standardwerte, die die Erwartbarkeit bestimmter Aspekte hinsichtlich eines Sachverhalts, eines Ereignisses oder einer Personengruppe produzieren wie reproduzieren, in einem Frame gespeichert. In der Analyse der differenzkonstruierenden, Othering reflektierenden wie vollziehenden und zum Teil Lebensrollen verkörpernden Ausdrücke Flüchtling, Geflüchtete_r und Migrant_in wurde sich zudem kritisch mit der Rolle, die Sprache in der medialen und öffentlichen Aushandlung eines soziopolitisch brisanten Themas spielt, auseinandergesetzt.