Skip to main content

Kommunikation – der Stoff, aus dem Krisen sind. Eine konstruktivistische Betrachtung der kommunikativen Modellierbarkeit und (De-) Konstruktion von Krisen

  • Chapter
  • First Online:
Risiken, Krisen, Konflikte

Zusammenfassung

Kathrin Westhölter und Andreas Bock liefern in ihrem Beitrag eine konstruktivistische Betrachtung der medialen Modellierbarkeit von Krisen. Sie beschreiben Krisen als konstruierte kommunikative Szenarien und verdeutlichen durch drei Fallanalysen, wie selbst Kommunikationsprofis in Krisenfallen tappen können. Ihre brisante These lautet: Die Qualität einer Krise zeichnet sich weniger durch den Auslöser aus, als vielmehr durch den kommunikativen Umgang mit diesem Stimulus. Pragmatisch formuliert: Die Kommunikation über ein Ereignis – und eben nicht das Ereignis selbst – entscheide letztlich über das krisenhafte Ausmaß eines Ereignisses.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 64.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 84.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Salienz meint hier, dass ein Reiz aufgrund seiner Auffälligkeit leichter memoriert (McArthur & Ginsberg, 1981) und einfacher als Referenz (Jervis 1985) zur Bewertung und Einordnung neuer Informationen verwendet wird.

  2. 2.

    „People perceive what they expect to be present“ (Jervis, 1976, S. 68). Das heißt umgekehrt aber natürlich auch, dass wir das nicht sehen, was wir nicht zu sehen erwarten (Duelfer & Dyson, 2011; Mack, 2003).

  3. 3.

    Dass Krisen kommunikative Krisen sind, die nicht einmal einen Auslöser (Stimuli) im herkömmlichen Sinne brauchen, musste die Unternehmserbin Verena Bahlsen im Mai 2019 feststellen. In ihrem Vortrag auf der Online Marketing Rockstars (OMR) Konferenz in Hamburg hatte sie erklärt: „Ich bin Kapitalistin. Mir gehört ein Viertel von Bahlsen, das ist toll. Ich will mir’ne Segel-Yacht kaufen und solche Sachen.“ (Kapalschinski, 2019). Eine Aussage, die Bahlsen zunächst Kritik und den Vorwurf einbrachte, ihr Reichtum gründe sich auch auf die Ausbeutung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich (Zörner, 2019). Mit nur einem weiteren Satz konstruierte Bahlsen dann aus dieser Kritik eine Krise: „Das war vor meiner Zeit, und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.“ (Zörner, 2019) Diese Aussage löste internationale Kritik aus, der britische Telegraph und die New York Times berichteten über Bahlsen (Zeit Online, 2019). In den sozialen Medien trendete der Hashtag #bahlsenboykott, und der SPD-Politiker Christopher Lauer rief eine Petition ins Leben, die fordert, dass Verena Bahlsen ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren solle (Zörner, 2019).

  4. 4.

    Die Mechanismen der kommunikativen Skandalisierung bzw. Nicht-Skandalisierung haben Pörksen und Detel (2012), Kepplinger (2012) und Pörksen (2019) detailliert dargelegt.

  5. 5.

    Als die neue A-Klasse von Mercedes Benz beim sogenannten Elchtest während der Fahrt kippte, war dies der GAU für den Automobilhersteller (Frankfurter Rundschau, 2017). Als Hersteller von Fahrzeugen im Premiumsegment hatte sich die Daimler-Tochter als Garant für hohe Qualität und vor allem Sicherheit gesehen. Dass sich ein neues Auto im Test als nicht straßenverkehrstauglich herausstellt, schien mit dem Unternehmensimage unvereinbar. Das Echo in den Medien und der Autobranche war gewaltig. Daimler kommunizierte besonnen und einsichtig und setzte, nach anfänglicher Zurückhaltung, auf einen offenen Umgang mit dem Fehler. Die Produktion der A-Klasse wurde zunächst gestoppt, und der Konzern entschied sich für die Aufrüstung der Fahrzeuge. Das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) wurde serienmäßig verbaut (Kohlert, 2009). Zudem bewies der Autohersteller Humor und gab den Fehler öffentlich zu: die Kunden bekamen Stofftier-Elche geschenkt, und in einer Werbekampagne erklärte Tennisspieler Boris Becker: „Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt.“ (Automobilwoche, 2017) Am Ende nutzte Daimler den Elchtest positiv, um sich als Innovator im Bereich aktiver automobiler Sicherheit darzustellen, denn seit 2011 sind in der EU alle neu zugelassenen Pkw-Modelle mit ESP ausgestattet.

  6. 6.

    Dem gesprochen oder geschriebenen Wort (Sachebene) – und noch vielmehr dem nonverbalen und zum Teil unbewusst wahrgenommenen, aber prägenden Teil der Kommunikation (Watzlawick et al., 1967) gebührt eine Macht, die stärker sein kann, als Macht, die qua Amt, Status oder Reputation ausgeübt werden kann. Das gerät sogar hinter dem Amt des Bundespräsidenten oft in Vergessenheit: Auch das Staatsoberhaupt in Deutschland, das gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts im „Krisenfall […] zu politischen Leitentscheidungen berufen“ ist (BVerfG, 2014), regiert (allein) mit der Macht des Wortes.

Literatur

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Kathrin Westhölter .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2022 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Westhölter, K., Bock, A. (2022). Kommunikation – der Stoff, aus dem Krisen sind. Eine konstruktivistische Betrachtung der kommunikativen Modellierbarkeit und (De-) Konstruktion von Krisen. In: Beuthner, M., Bomnüter, U., Kantara, J.A. (eds) Risiken, Krisen, Konflikte. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36195-2_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-36195-2_3

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-36194-5

  • Online ISBN: 978-3-658-36195-2

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics