Das folgende KapitelFootnote 1 zeigt auf, wie sich die Fachmittelschule (FMS) respektive ehemalige Diplommittelschule (DMS) als Zubringerin zur tertiarisierten Lehrpersonenbildung etablieren konnte, obwohl das Gymnasium (und ab 1995 insbesondere das musisch-pädagogische Profil) als «Königsweg» galt, die DMS/FMS immer wieder Kritik ausgesetzt war und der Zugang von DMS/FMS-Absolvierenden in die Ausbildung von Primarlehrpersonen mehrmals zur Debatte stand. Entlang von drei besonders von Unsicherheit geprägten Situationen als «kritischen Momenten» (Boltanski und Thévenot 2011, S. 55) wird aufgezeigt, welche Dynamiken und Prozesse letztendlich zur Institutionalisierung der FMS Pädagogik als Zubringerin zur Ausbildung von Primarlehrpersonen an Pädagogischen Hochschulen (PH) führten. Diese drei kritischen Momente sind:

  1. 1.

    Die Ausarbeitung und Verabschiedung des PH-Anerkennungsreglements für die Studiengänge Vorschul- und Primarstufe 1999 (Abschn. 5.2)

  2. 2.

    Die Einführung des FMS-Profils und der Fachmaturität Pädagogik 2002/2003 (Abschn. 5.3)

  3. 3.

    Die Revision des PH-Anerkennungsreglements für die Studiengänge Vorschul- und Primarstufe im Jahr 2005 (Abschn. 5.4)

Dazu werden in einem ersten Schritt die historische Ausgangslage und die bildungspolitischen Kontextfaktoren der untersuchten Entwicklungen skizziert. Dies umfasst erstens einen Überblick über die Konstitution und Entwicklung der Steuerung und Koordination der Lehrpersonenbildung im (bildungs-)föderalistischen System der Schweiz (Abschn. 5.1). Zweitens werden der Prozess der Auflösung der seminaristischen Lehrpersonenbildung und die damit in Zusammenhang stehenden Reformen und Transformationen im schweizerischen Bildungssystem erläutert, da sie wichtige Kontextbedingungen für den Institutionalisierungsprozesses der FMS Pädagogik darstellen (Abschn. 5.1.4). In den Abschn. 5.2 bis 5.4 wird anschließend der Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik entlang der drei oben aufgeführten kritischen Momente analysiert und erklärt.

5.1 Steuerung und Koordination der Lehrpersonenbildung im föderalistischen Bildungssystem Schweiz

Wird über die schweizerische Bildungspolitik im Allgemeinen und über die Lehrpersonenbildungspolitik im Besonderen gesprochen, ist das Schlagwort Bildungsföderalismus und der Verweis auf die schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) jeweils nicht weit. Mit Bildungsföderalismus ist gemeint, dass in der Schweiz die einzelnen Kantone die Hauptverantwortung für ihr kantonales Bildungssystem tragen. Die jeweiligen Vorsitzenden der Erziehungsdepartemente (im Ausland oft Bildungsminister*innen genannt) koordinieren sich auf nationaler resp. interkantonaler Ebene im Rahmen der schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Sie entspricht in ihrer Funktion und Zusammensetzung der Kultusministerkonferenz (KMK) in Deutschland.

Die EDK bezeichnet sich als «Koordinationsbehörde», welche gemeinsame Lösungen zur Harmonisierung wichtiger Strukturen und Ziele der verschiedenen Bildungsstufen erarbeitet und subsidiär Aufgaben übernimmt, welche die einzelnen Kantone nicht wahrnehmen können (EDK 2017). Die Stabsstelle der EDK ist das Generalsekretariat, welches Geschäfte der politischen Organe vorbereitet und Arbeitsgruppen, Kommissionen und Fachkonferenzen der EDK führt (ebd.). Das oberste Entscheidungsorgan der EDK ist die Plenarversammlung, in welcher die Vorstehenden aller 26 kantonalen Erziehungsdepartemente vertreten sind (ebd.). Die zu behandelnden Geschäfte werden vom EDK-Vorstand vorbereitet, der aus zwölf der 26 Erziehungsdirektionen besteht (ebd.).

Der EDK stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Das verbindlichste dieser Instrumente ist das Konkordat. Konkordate haben rechtsverbindlichen Charakter und die Kantone entscheiden jeweils über einen Beitritt oder Nicht-Beitritt. Zu Konkordaten und anderen verbindlichen Instrumenten führt die EDK Vernehmlassungen bei den Kantonen und den jeweils betroffenen Institutionen und Verbänden durch, welche daraufhin Stellung beziehen können.Footnote 2 Zudem äußert sich die EDK in sogenannten Erklärungen zu aktuellen Bildungsfragen, erlässt Empfehlungen an die Kantone und führt Fach- oder Koordinationsgremien, die im Rahmen des EDK-Tätigkeitsprogramms eingesetzt werden (ebd.).

Im folgenden Kapitel wird die These aufgestellt und erläutert, dass die EDK im Kontext der Steuerung und Koordination der Lehrpersonenbildung als bildungspolitisches Konstrukt verstanden werden kann, welches sich unter anderem aus historischen Gründen vor allem auf drei Konventionen stützt. Wie anhand von drei kritischen Momenten als Situationen der Handlungskoordination gezeigt wird, fundieren diese Konventionen die bildungspolitische Handlungskoordination im Rahmen der EDK sowie die daraus folgenden Übereinkünfte respektive Kompromisse. Diese drei Konventionen – die häusliche, die staatsbürgerliche sowie die industrielle Konvention – und ihre Bedeutung in der bildungsföderalistischen Handlungskoordination der EDK werden im Folgenden erläutert, um die anschließend analysierten bildungspolitischen Prozesse besser verstehen und einordnen zu können.

5.1.1 Kantonale Hoheit, traditionelle Zugänge, Praxisorientierung und Charakterbildung – die häusliche Konvention in der Lehrpersonenbildung

Die Ausbildung von Lehrpersonen sowohl des KindergartensFootnote 3 als auch der Primarstufe liegt und lag in der Schweiz traditionell in der Verantwortung und Hoheit der Kantone. Heute koordinieren die Kantone die Ausbildung ihrer Lehrpersonen zwar im Rahmen der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), und die Pädagogischen Hochschulen sind seit Inkrafttreten des Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetzes (HFKG) im Jahr 2015 stärker denn je in eine gesamtschweizerische, kantonsübergreifende Hochschullandschaft eingebunden. Das grundlegende Selbstverständnis, dass im Kern die Kantone für ihr jeweiliges Bildungssystem und die Ausbildung der entsprechenden Lehrpersonen zuständig sind, ist aber auch heute noch tief verankert (Rosenmund 2011, S. 34).

Diese hohe Wertigkeit kantonaler Autonomie in der Lehrpersonenbildung ist auf die Entstehungsgeschichte der Schweiz zurückzuführen, welche sich über einen jahrhundertelangen Integrationsprozess von immer mehr Kantonen vollzog, bis der so entstandene, lose Staatenbund 1848 als Bundesstaat institutionalisiert wurde (ebd.). Dies erklärt, warum bis heute – ganz besonders in bildungspolitischen Fragen – ein starker Souveränitätsanspruch das Selbstverständnis der einzelnen Kantone begründet (ebd.). In verschiedenen Politikbereichen wurden zunehmend Kompetenzbereiche an den Bundesstaat übergeben. Die Hoheit über Schule, Bildung, und insbesondere die Lehrpersonenbildung wird aber bis heute vehement von den Kantonen gehütet und gegen zentralstaatliche Vorgaben verteidigt (ebd.).

Traditionell bildete jeder Kanton entsprechend kantonaler oder regionaler Bedürfnisse, Bildungssysteme und Lehrpläne seine Lehrpersonen für das eigene kantonale Schulwesen aus, und die kantonale Lehrpersonenbildung verstand sich als «Teil der lokalen und regionalen Kultur» (Criblez 2010, S. 24). Dementsprechend waren Lehrdiplome lediglich kantonal anerkannt, das heisst sie besassen nur kantonale Gültigkeit.

Dieses tief verankerte Selbstverständnis der kantonalen Hoheit über die Lehrpersonenbildung, die hohe Wertigkeit kantonaler Traditionen und Eigenheiten sowie die Ausrichtung an einer regional bedarfsgerechten Ausbildung stellt eine Wertigkeit der häuslich-regionalistischen Konvention dar. Die regionalistische Konvention wurde von Michael Storper in Anlehnung an das Konzept der Produktionswelten eingeführt und damit auf regionale Organisationsstrukturen verwiesen (Storper und Salais 1997, zit. nach Vogel 2015, S. 10). Diaz-Bone verwendet die regionalistische Konvention etwa zur Analyse der Strukturierung des Deutschen Weinmarkts (2015, S. 331).

Von hoher Wertigkeit ist in dieser Konvention eine Bezugnahme auf regionale Eigenheiten und Bedürfnisse, eine Vertrautheit mit der regionalen Tradition sowie Verbindungen zwischen «Produzenten und Konsumenten» bzw. im vorliegenden Falle Institutionen der Lehrpersonenbildung und die ihnen vor- und nachgelagerten Zulieferer (Schulen) und Abnehmer (Arbeitsmarkt), welche historisch gewachsen sind (Diaz-Bone 2015, S. 331; Vogel 2015, S. 10). Die betreffenden Wertigkeiten decken sich weitgehend mit denjenigen der häuslichen Konvention (wie etwa Tradition, Abstammung und Beständigkeit) (Boltanski und Thévenot 2007, S. 230 f.). In der regionalistischen Konvention wird Tradition aber nicht als Familien- sondern «an einen Ort gebundene Lokaltradition» verstanden (Vogel 2015, S. 10).

Ebenfalls keine Einheit bildete früher die (heutzutage gemeinsam stattfindende) Ausbildung von Vorschul- und Primarlehrpersonen. Bei der Ausbildung von Vorschullehrpersonen bzw. KindergärtnerinnenFootnote 4 und derjenigen für Primarlehrpersonen handelte es sich um in ihrer historischen Genese klar voneinander getrennte Institutionen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Zielsetzungen, Funktionen und Vorbildungen (Witzig 2013; Bosshart 2008; Wannack 2008).Footnote 5 Gemeinsam war ihnen jedoch die seminaristische Ausbildung auf der nachobligatorischen Sekundarstufe II.

Kindergarten- bzw. Vorschullehrpersonen wurden hauptsächlich in sogenannten «Kindergärtnerinnenseminaren» von meist drei Jahren Dauer ausgebildet (Schuh-Custer 1969; Bosshart 2008; Wannack 2008). Als «minimale Schulbildung» wurde mindestens der Abschluss der obligatorischen Schulzeit verlangt, faktisch besuchte aber insbesondere in urbanen Gegenden ein Großteil der Anwärterinnen für das Kindergartenseminar eine Diplommittelschule (DMS)Footnote 6 – die Vorgängerinstitution der FMS. Auch für weitere erzieherisch-sozialpädagogische Berufe wie etwa Kleinkindererzieherin oder Fachlehrkräfte für Handarbeit und Hauswirtschaft war die Diplommittelschule die hauptsächliche Zubringerschule (Kantonsschule Zürcher Unterland- Diplommittelschule 2004; Rothen 2013; KDMS 1993, S. 8; EDK-Kommission DMS 1996, S. 63; Ad-hoc-Arbeitsgruppe Diplommittelschulen 1983). Dies hing u. a. damit zusammen, dass für viele dieser Berufsausbildungen ein Mindesteintrittsalter von 18 Jahren vorgesehen war. Die Zeit zwischen der obligatorischen Schule und Beginn der Ausbildung konnte durch den Besuch der DMS überbrückt werden, welche eine diesen Berufen entsprechende inhaltliche Ausrichtung aufwies (E1; E2).

Primarlehrpersonen wurden in den meisten Kantonen in sogenannten «Primarlehrer*innenseminaren» ausgebildet. Viele von ihnen waren Mitte des 20. Jahrhunderts gänzlich auf der nachobligatorischen Sekundarstufe II angesiedelt, und Voraussetzung zum Eintritt war das Absolvieren der obligatorischen Schulzeit (Badertscher 1993). Einzelne Kantone wie Zürich, Basel-Stadt, Genf, Aargau und Schaffhausen gingen allerdings schon früh zu einer tertiarisierten Konzeption über, welche eine (Lehramts-)Maturität zur Eintrittsbedingung hatte (siehe hierzu ausführlich Criblez und Hofstetter 2000; Criblez 2010; Criblez und Lehmann 2016). In diesen Kantonen – etwa im Kanton Zürich – besuchten am Lehrberuf interessierte Jugendliche auf Sekundarstufe II das sogenannte «Unterseminar» respektive die Lehramtsschule, die zu einer sogenannten Lehramtsmatur führte (Criblez und Hofstetter 2000, S. 316 f.). Diese galt in Zürich beispielsweise als kantonaler Hochschulzulassungsausweis für bestimmte Studiengänge an der kantonalen Universität. In der Regel erfolgte aber nach Besuch des Unterseminars der Eintritt in das «Oberseminar» auf Tertiärstufe, das sich über eineinhalb bis drei Jahre erstreckte (ebd.). Der Eintritt in das Oberseminar und damit die Komplettierung der Berufsausbildung als Primarlehrperson erfolgte also über eine gymnasiale oder Lehramtsmaturität (ebd.). In den Kantonen Basel-Landschaft und Waadt hingegen war der Eintritt in ein Primarlehrer*innenseminar auch aus einer dreijährigen DMS möglich (Badertscher 1993).

Ein sowohl damals als auch heute immer wieder hervorgehobenes Merkmal der seminaristischen Lehrpersonenbildung (sowohl für Lehrpersonen des Kindergartens als auch der Primarstufe) war die starke Orientierung an der Berufspraxis bzw. Einbindung von berufspraktischen Elementen und handwerklichen Tätigkeiten (Musizieren, Basteln, Turnen) sowie die Vermittlung praxisorientierter Handlungskompetenzen in der Ausbildung – etwa im Rahmen ausgedehnter Praktika und methodisch-didaktischer Fächer (Schuh-Custer 1969, S. 134 f.; Müller 1975, S. 65; Criblez und Hofstetter 2000, S. 322 f.). Die Seminarlehrpersonen wurden als Rollenvorbilder im Sinne von Modellen betrachtet, durch deren Beobachtung und Nachahmung man guten Unterricht lernen konnte (Müller 1975, S. 42, 309).

Die praktische Vermittlung von erfahrungsbasiertem Wissen durch Vor- und Nachahmen verweist in hohem Masse auf Wertigkeiten und Vermittlungslogiken der häuslichen Konvention (Boltanski und Thévenot 2007, S. 239 f.; Diaz-Bone 2018, S. 143). Ihr entspricht auch die starke Ausrichtung an Persönlichkeits- und Charakterbildung (Derouet 1992, S. 101) und an der Formung einer ‘Lehrerpersönlichkeit’, wie sie als Aufgabe der seminaristischen Lehrpersonenbildung betrachtet wurde. Vielerorts wurde dies im häuslichen Setting eines Internats vollzogen, welches für diesen Ausbildungszweck besonders geeignet schien. Criblez und Hofstetter (2000, S. 14) sprechen in diesem Zusammenhang von «paternalistischen Seminarstrukturen», einem «engen Verhältnis von Berufsbildung und erziehender Persönlichkeitsbildung» und der «Koppelung beider Merkmale mit der Internatserziehung» (ebd., S. 14), was auf eine hohe Bedeutung häuslicher Wertigkeiten verweist.

Obwohl sie institutionell noch voneinander getrennt waren, verbindet die vor 1990 noch überwiegend seminaristisch organisierte Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Primarlehrpersonen folglich die gemeinsame Fundierung durch Wertigkeiten der häuslichen (inklusive häuslich-regionalistischer Ausprägung) Konvention.

5.1.2 Die EDK als Gremium des kooperativen Föderalismus für das staatsbürgerliche Anliegen des Allgemeininteresses

Die häuslich-regionalistische Wertigkeit der starken Orientierung an regionalen Bedürfnissen und Traditionen in der Lehrpersonenbildung wurde bereits im 19. Jahrhundert herausgefordert. Nach Institutionalisierung des schweizerischen Bundesstaats 1848 wurde nicht nur im Bildungssystem allgemein, sondern auch in der Lehrpersonenbildung immer wieder versucht, kantonale Varianzen zu überwinden und die Ausbildung schweizweit zu vereinheitlichen (Rosenmund 2011, S. 35). Verschiedene Versuche scheiterten aber immer wieder an der starken kantonalen bzw. häuslich-regionalistischen Logik.Footnote 7 Zwar gelang es, 1874 eine obligatorische und unentgeltliche Primarschulbildung in der Bundesverfassung zu verankern, davon abgesehen koordinierten sich die Kantone bzw. die jeweils zuständigen Erziehungsdirektionen wenn nötig aber weiterhin in bildungsföderalistischer Manier (ebd.).

Nach einer positiven Erfahrung mit einem gemeinsamen Antrag an die Bundesregierung bezüglich Subventionierung der Volksschule (Grunder 1997, S. 26 f.) beschlossen die Erziehungsdirektionen der Kantone im Jahr 1898 aber dennoch, sich formell als «Konferenz der schweizerischen Erziehungsdirektoren» (EDK) zusammenzuschließen (Weisser 1997, S. 61). Die Bestrebungen zur interkantonalen Koordination bzw. zum gemeinsamen Einsatz in Anliegen des Allgemeininteresses (in diesem Falle des Bildungswesens) als «Willen, sich zu organisieren» (Boltanski und Thévenot 2007, S. 254) können als Ausdruck von Handlungslogiken der staatsbürgerlichen Konvention gedeutet werden. Dem entspricht auch das Vorgehen, im Rahmen von breiten Vernehmlassungen die betroffenen Kantone und Institutionen in die Entwicklung von Beschlüssen, Reglementen und gesetzlichen Grundlagen mit einzubeziehen. Die EDK-Plenarversammlung und die von ihr ins Leben gerufenen Konkordate können folglich auch als Forminvestitionen der staatsbürgerlichen Konvention bezeichnet werden.

Mit der Institutionalisierung der EDK erlangte also neben der häuslichen respektive häuslich-regionalistischen eine zweite Gemeinwohlorientierung an Relevanz für die interkantonale Handlungskoordination: die staatsbürgerliche Konvention. Zentrale Objekte dieser Konvention sind etwa gesetzliche Dokumente, und Prüfungen erfolgen hier insbesondere dadurch, dass «Gerechtigkeit durch Berufung auf das Gesetz gefordert wird» (Vogel 2018, S. 92). Wichtige Größen dieser Konvention sind Legalität und Rechtmäßigkeit (Boltanski und Thévenot 2007, S. 255). Die Zusammenarbeit der Kantone im Rahmen der EDK beruht zwar weitgehend auf freiwilliger Kooperation, es werden aber dennoch gesetzes-ähnliche Formen wie etwa Vereinbarungen und Konkordate produziert, deren Inhalte für die jeweils beigetretenen Kantone durchaus rechtlich verbindlich sind. Auch rechtlich unverbindliche Dokumente wie Beschlüsse und Empfehlungen haben wegen des zugrundeliegenden Mehrheitsbeschlusses oft eine stark normative Wirkung (Rosenmund 2011, S. 37).

Darüber hinaus stehen der EDK seit ihrer Gründung weitere Instrumente zur Verfügung (Badertscher 1997, S. 196): Sie kann Kommissionen, Arbeitsgruppen, Expert*innengruppen, Gremien und Subgremien gründen und einsetzen sowie Studien und Berichte in Auftrag geben und veröffentlichen. Aus konventionentheoretischer Sicht können diese verschiedenen Instrumente als Objekte oder Intermediäre, als sowohl materielle als auch immaterielle Formen und somit als Teil eines «Dispositivs» verstanden werden (Diaz-Bone 2017, S. 84), welches die bildungspolitischen Debatten resp. die entsprechenden Kognitionen und Evaluationen beeinflusst und den zugrundeliegenden Konventionen Reichweite verleiht.

Wie bisher dargelegt wurde, waren in der Lehrpersonenbildungspolitik im Rahmen der EDK bis Mitte des 20. Jahrhunderts die häusliche (sei es mit Fokus auf kantonale Traditionen oder die häuslich-praktische Ausbildung der Lehrer*innenseminare) und die staatsbürgerliche Konvention von hoher Bedeutung. Die hohe Wertigkeit kantonal bedarfsgerechter und traditioneller (Lehrpersonen-)bildungssysteme verlieh der DMS als Zubringerin sowohl für den Bereich der Kindergärtnerinnenausbildung als auch in einzelnen Kantonen als Vorbereitung für die Primarlehrpersonenbildung eine eigene Existenzberechtigung und Legitimität.

5.1.3 Standardisierung, Professionalisierung und Wissenschaftlichkeit für «Morgen» – industrielle Wertigkeiten im Aufwind

Neue Dynamik in das das bisherige Gefüge brachte die Einführung des Schulkonkordats von 1970 (EDK 1970). Es stellte aus juristischer Sicht ein «Vertragswerk» dar (Rosenmund 2011, S. 37) und war für diejenigen Kantone rechtlich bindend, die dem Konkordat beitraten – was faktisch 25 der 26 der Schweizer Kantone betraf. Sie konstituierten sich damit als «interkantonale, öffentlich-rechtliche Einrichtung zur Förderung des Schulwesens und zur Harmonisierung des entsprechenden kantonalen Rechts» (EDK 1970, Art. 1).

Die EDK verfolgte – nun gesetzlich per Forminvestition festgehalten – die Aufgabe der Harmonisierung des Bildungswesens. Der Begriff Harmonisierung ist aus konventionentheoretischer Sicht offen und bedarf der konventionenbasierten Interpretation durch die Akteur*innen (Diaz-Bone 2018, S. 211, 247). Im Rahmen der EDK wurde der Begriff der Harmonisierung überwiegend als Standardisierung, Systematisierung und Vereinheitlichung zur langfristigen Planung und Optimierung des Bildungswesens gedeutet und somit Wertigkeiten der industriellen Konvention umgesetzt (Boltanski und Thévenot 2007, S. 278). Dies zeigt sich unter anderem auch an den von der EDK im Anschluss an das Schulkonkordat erarbeiteten Berichte «Mittelschule von Morgen (MIMO)» (EDK 1972) oder «Lehrerbildung von Morgen (LEMO)» (Müller 1975). Diese Formulierung mit Fokus auf eine langfristige Planung in die Zukunft hinein entspricht aus konventionentheoretischer Perspektive der industriellen Konvention.Footnote 8 Dieser auf industriellen Wertigkeiten basierende Grundton und die Bestrebungen nach der Harmonisierung des Bildungswesens mit «Straffung der Organisation» und «Effizienzsteigerung» als «arbeitslenkende Begriffe der EDK» (Badertscher 1997, S. 226) prägte sodann ihre weitere bildungspolitische Arbeit, speziell im Bereich der Lehrpersonenbildung.

Die EDK investierte auf verschiedenen Ebenen Arbeit in die Vereinheitlichung und Systematisierung der Lehrpersonenbildung, wie etwa im Rahmen des erwähnten Berichts «Lehrerbildung von Morgen» (Müller 1975) und darauf basierenden Beschlüssen und Empfehlungen zuhanden der Kantone (EDK 1978). Unterstützt wurde die Legitimität dieser Arbeiten durch die staatsbürgerliche Form des Schulkonkordats von 1970, in welchem sich die 25 beigetretenen Kantone u. a. zur gegenseitigen «Anerkennung von Examensabschlüssen und Diplomen, die in gleichwertigen Ausbildungsgängen erworben wurden» sowie zur «gleichwertigen Lehrerausbildung» verpflichteten (EDK 1970, Art. 3e & g). Sie stellten später eine wichtige Grundlage zur Legitimation der Diplomanerkennungsvereinbarung von 1993 (siehe Abschn. 5.1.4.6) und der fortschreitenden Harmonisierung der Lehrpersonenbildung in den 1990ern dar.

Bereits in dieser Zeit wurde von Seiten der EDK in Form von Leitideen und Empfehlungen die Maxime der «Professionalisierung» der Lehrpersonenbildung im Sinne einer Ausrichtung an wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie einer dafür vorausgesetzten «Allgemeinbildung auf Maturitätsniveau» formuliert (EDK 1978, S. 59). Auch der Begriff der Professionalisierung kann je nach Konvention unterschiedlich interpretiert werden. Die EDK machte aber bereits früh deutlich, dass aus ihrer Perspektive ein auf der industriellen Konvention basierendes Verständnis handlungsleitend war. Aus EDK-Sicht meinte Professionalisierung eine «auf einer breiten fachwissenschaftlichen Basis» beruhende Lehrpersonenbildung, ein Herunterbrechen von Kompetenzen im Sinne einer «objektivierenden Versachlichung», der Erwerb «wissenschaftlicher Kompetenzen» und Fähigkeiten, durch welche die Lehrperson ihr eigenes Handeln der «Analyse und Kontrolle» unterziehen kann (Müller 1975, S. 35 f.).

Ziel einer solch professionalisierten Ausbildung war aus Sicht der EDK eine «Ausbildung zur systematischen Planung, Durchführung und Beurteilung von Unterricht», wofür eine «verbesserte Allgemeinbildung» nötig sei (ebd., S. 334). Mit Betonung von Kompetenz, Technik, Methode, Ausbildung als Aneignung einer Kompetenz oder Fertigkeit, Funktionalität und wissenschaftlicher Expertise professioneller Subjekte (Boltanski und Thévenot 2007, S. 271, 279, 348) valorisierte die EDK also insbesondere Wertigkeiten der industriellen Konvention.

Diese Ausrichtung stieß bei vielen Institutionen der Lehrpersonenbildung um 1975 noch nicht auf viel Gehör. Denn mit dem Fokus auf Standardisierung der Ausbildung sowie «Professionalisierung» im Sinne von Ausrichtung an wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprach sie der traditionell seminaristischen, kantonal beliebig organisierten Lehrpersonenbildung und ihren häuslichen Wertigkeiten.Footnote 9 Dennoch verdeutlichte die Bestrebung zur Harmonisierung und Professionalisierung die zukünftige Stoßrichtung der EDK in Fragen der Lehrpersonenbildung und beeinflusste die weitere Arbeit sowohl in materieller (Beschlüsse, Empfehlungen, Arbeitsgruppen, Gremien) als auch kognitiver Form. Wie im nächsten Kapitel dargestellt wird, erhielten Argumente und Wertigkeiten der industriellen Konvention ab 1990 vom europäischen Umfeld einen entscheidenden Anstoß, welcher letztendlich zur Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung führte (siehe Abschn. 5.1.4.1).

5.1.4 Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung ab 1990

Mit den bisher skizzierten Entwicklungen und der steigenden Bedeutung der industriellen Konvention war die Grundlage für einen bildungspolitischen Reformprozess gelegt, welcher sich in den 1990-er Jahren unerwartet rasch vollzog. Er resultierte in einer vollständigen TertiarisierungFootnote 10 der Lehrpersonenbildung, also der Auflösung der Lehrer*innenseminare und der Ansiedlung jeglicher Ausbildungsgänge der Lehrpersonenbildung im Hochschulbereich. Bisher waren die auf der industriellen Konvention basierenden Forderungen nach Standardisierung, Systematisierung und Professionalisierung der Lehrpersonenbildung immer wieder an der häuslich-regionalistischen Tradition der kantonalen Hoheit über die Lehrpersonenbildung gescheitert. Anfang der 1990er begann jedoch ein Prozess, welcher den Wertigkeiten der industriellen Konvention starken Auftrieb und Legitimität verlieh, die häuslich-regionalistische Logik schwächte und zur Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung führte.Footnote 11

5.1.4.1 Europäische Diplomanerkennung

War die schweizerische Bildungspolitik wie in Abschn. 5.1.1 erläutert lange Zeit von einer kantonalen, stark föderalistischen Logik geprägt, zeigten die Bestrebungen der EDK nach Standardisierung und Systematisierung der kantonalen Bildungssysteme seit den 1970ern langsam Wirkung. Zu Beginn der 1990-er Jahre begann sich die Schweiz gegenüber internationalen bildungspolitischen Entwicklungen zu öffnen: sie ließ ihre Bildungspolitik einer OECD-Analyse unterziehen, übernahm OECD-Indikatoren für die Statistiken im Bildungsbereich und nahm in den 1990ern zum ersten Mal an internationalen Schulleistungsvergleichen teil (Criblez 2010, S. 31). Diese können als Formate und Prüfungen der industriellen Konvention bezeichnet werden (wissenschaftliche Analyse, Indikatoren für Statistiken, Schulleistungsvergleiche) und verliehen der industriellen Logik durch die Verknüpfung mit dem europäischen Bildungsraum mehr Bedeutung und Reichweite.

Die Öffnung gegenüber dem europäischen Raum im Rahmen der Entstehung eines europäischen Wirtschaftsraums verursachte zudem einen Anpassungsdruck auf die schweizerische Bildungspolitik (ebd., S. 31 f.; Rosenmund 2011, S. 43 f.). Dies hing unter anderem damit zusammen, dass trotz Ablehnung des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durch das Schweizer Stimmvolk die Personenfreizügigkeit mittels bilateraler Verträge eingeführt wurde – und somit auch die internationale Mobilität der Lehrkräfte betraf (Criblez 2010, S. 32). Ein europäisch geöffneter Arbeitsmarkt verlangte eine grundsätzliche Vergleichbarkeit bzw. mindestens gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen und -diplomen (ebd.). Zu diesem Zweck definierte die Europäische Gemeinschaft für verschiedene Berufe Anerkennungsbedingungen und führte ein «allgemeines System zur Anerkennung von Diplomen» für nicht speziell geregelte Berufe – wie zum Beispiel den Lehrberuf – ein (ebd., S. 33). Der Lehrberuf wurde dem obersten Niveau zugeordnet. Dies bedeutete, dass zum Eintritt ein Mittelschulabschluss mit anschließendem dreijährigen Hochschulabschluss («bac + 3») nötig war (Zbinden 1990, S. 20 zit. nach Criblez 2010, S. 32).

Daraus ergab sich erheblicher Reformdruck auf die schweizerische Lehrpersonenbildungspolitik: Es sollten nicht nur Schweizerische Lehrdiplome im Ausland und ausländische Lehrdiplome in der Schweiz anerkannt werden können. Auch die bisher lediglich kantonal anerkannten Lehrdiplome bedurften nun formal der gegenseitigen Anerkennung in einem anderen Kanton (Criblez 2010, S. 32). Ohne diese Maßnahme wäre aufgrund der Einführung des freien Personenverkehrs eine außerkantonale Lehrkraft gegenüber einer ausländischen Lehrkraft aus dem EWR-Raum benachteiligt gewesen (EDK 1993a, S. 6).Footnote 12 Mit dem Ziel der Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt und dem Ermöglichen geografischer Mobilität ohne Diskriminierungseffekte erhielt in der Steuerung und Koordination der Lehrpersonenbildung erneut die staatsbürgerliche Konvention (Leemann 2018, S. 860) Bedeutung. Für eine Anpassung an europäische Strukturvorgaben sowie eine gleichzeitige gesamtschweizerische Harmonisierung ohne Diskriminierung der schweizerischen Lehrkräfte war die Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung also die einzig denkbare Lösung.Footnote 13

5.1.4.2 Gründung von Fachhochschulen

Als weitere Folge der europäischen Diplomanerkennungsdynamik wurde vom Bund 1995 die Schaffung von Fachhochschulen (FH) beschlossen (Criblez 2010, S. 34). Dies verstärkte den Reformdruck auf die Lehrpersonenbildung. Denn die von der FH-Schaffung betroffenen Berufe respektive die neu an FH auf Tertiärstufe angesiedelten Berufsausbildungen erfuhren einen Statusaufstieg (ebd.). Wäre die Lehrpersonenbildung beim seminaristischen Modell auf Sekundarstufe II verblieben, wäre sie gegenüber diesen Berufen mit Statuseinbußen und folglich mit Nachwuchs- und Rekrutierungsproblemen konfrontiert gewesen (EDK 1993, S. 6). Die damals zuständige Person des EDK-Generalsekretariats beschreibt diese Sorge um den Nachwuchsmangel im Lehrberuf:

Und was natürlich auch dazu gekommen ist […] das ist die Entwicklung von den Fachhochschulen […] Haben wir gemerkt, wir können nicht/ich sage es jetzt ein bisschen brutal, den Sozialarbeiter über eine Fachhochschulausbildung haben, und der Primarlehrer, die Kindergärtnerin, im Grunde genommen immer noch als höhere Berufsschule verkaufen. [...] Ich habe gesagt: «Wenn Ihr das macht. Wenn die bleiben, die Primarlehrer, die Kindergärtnerinnen, auf dem Niveau ausbilden [...] dann habt ihr in zehn, fünfzehn [Jahren, S.H.] keine mehr. (E3)

Mit der Sorge um Nachwuchssicherung und -rekrutierung erhalten in dieser Argumentation erneut Wertigkeiten der industriellen Konvention an Bedeutung. Es geht um die Sicherung einer Zufuhr von Lehrpersonen, um das Aufrechterhalten einer funktionalen ‘Produktion’ von Nachwuchs und um langfristige Planung und Sicherstellung des benötigten Lehrpersonals. Bezüglich der Ausbildung dieses (zukünftigen) Lehrpersonals bedurfte es aber – so der damalige EDK-Diskurs – «im Zusammenhang mit der Forderung nach verbesserter Schulqualität» einer Professionalisierung des Lehrberufs (EDK 1993, S. 6). Diese wurde wie in Abschn. 5.1.3 dargelegt vor allem auf Grundlage der industriellen Konvention als an Wissenschaftlichkeit orientierte berufliche Expertise interpretiert. Diese Bestrebungen sprachen ebenfalls für eine Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung, wie sie ausführlich in den «Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen» (EDK 1993) erläutert und begründet wurde.

5.1.4.3 Forderung nach Professionalisierung, Wissenschaftlichkeit und gymnasialer Maturität – die «Thesen» der EDK 1993

Im Zuge der Diskussionen um die Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung und der europäischen und interkantonalen Diplomanerkennungsthematik wurde eine Studiengruppe geschaffen und damit beauftragt, ein ‘Robotbild’ einer Pädagogischen Hochschule zu skizzieren (EDK 1993). Sowohl die Beauftragung dieser Studiengruppe wie auch das angestrebte ‘Robotbild’ stellen Forminvestitionen dar, welche die Wahrscheinlichkeit einer tertiarisierten Lehrpersonenbildung im Sinne einer «imagined future» (Beckert 2016) erhöhten. Die von der Studiengruppe anschließend ausgearbeiteten «Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen» (EDK 1993) forderten eine Ansiedlung der Lehrpersonenbildung im Hochschulbereich, einen verstärkten Wissenschaftsbezug, die gesamtschweizerische Harmonisierung der Ausbildung und die Abstützung auf der Vorbildung gymnasiale Maturität (EDK 1994a). Die Thesen setzten also konsequent die seit langem von der EDK verfolgten Bestrebungen zur Professionalisierung, Systematisierung und Tertiarisierung des Lehrberufs fort und brachten sie ‘in Form’.

Diese Stoßrichtung wurde vom Berufsverband der Lehrpersonen (LCH)Footnote 14 unterstützt, welcher zur gleichen Zeit ein sogenanntes «Berufsleitbild» mit ähnlichen Forderungen veröffentlichte (LCH 1993). Die Ausbildung aller Lehrpersonen sollte in Zukunft nicht mehr seminaristisch auf Sekundarstufe II, sondern wissenschaftsgestützt an einem Hochschultypus zwischen Universitäten und Fachhochschulen im Tertiärbereich stattfinden und sich auf die Vorbildung der gymnasialen Maturität abstützen. Als Gründe für eine hochschulische Ausbildung von Lehrpersonen und die Voraussetzung einer gymnasialen Maturität als Zulassungsausweis wurden veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen und die sich daraus ergebende steigende Komplexität der Berufsaufgaben (EDK 1993, S. 6; LCH 1993, S. 18) genannt. Lehrpersonen müssten als «Fachleute für Bildung und Erziehung» über entsprechende Kompetenzen verfügen, um «wissenschaftlich gestützten Unterricht zu erteilen» und außerdem «berufsfeldbezogene Entwicklung und Forschung» betreiben zu können (EDK 1993, S. 7).

Mit dem explizit formulierten Anspruch an Professionalität, wissenschaftliche Expertise bzw. Wissenschaftlichkeit als «wesentliche Grundhaltung von Lehrerinnen und Lehrern» (EDK 1993, S. 7) und der zukunftsgerichteten Verbindung zwischen Professionalität, Wissenschaftsbezug und (optimierter) Schulqualität wurden wiederum Wertigkeiten der industriellen Konvention valorisiert. Die zukünftig tertiär ausgebildete Lehrperson wird hier mit Bezugnahme auf Wertigkeiten der industriellen Konvention als berufliche Expertin oder Spezialistin konstruiert, welche mit Hilfe wissenschaftlich geprüften Wissens komplexe Berufsaufgaben bewältigen und zu besserer Schulqualität beitragen kann. Als dafür nötige Voraussetzung wurde die gymnasiale Maturität erachtet, da angesichts dieser komplexen Anforderungen eine «hohe Problemlösefähigkeit» und dafür die «Bereitschaft und Fähigkeit zur Analyse» (ebd., S. 15) als erforderlich erachtet wurden.

Um der bereits erwähnten Sorge um Nachwuchsrekrutierung nachzukommen, sollten neben der gymnasialen Maturität auch andere Zugangswege in die Lehrpersonenbildung möglich sein. Aus der Perspektive der EDK wiesen Absolvierende der Diplommittelschule (DMS) im Vergleich zu Gymnasiast*innen aber Lücken in Bereichen auf, die für eine professionalisierte, wissenschaftsbasierte Lehrpersonenbildung als wichtig erachtet wurden. DMS-Absolvierenden wurde damit auf dem Bewertungsmaßstab der industriellen Konvention weniger Größe zugesprochen:

Ich sage jetzt einmal, von den wissenschaftlichen Fächern. Beispielsweise Sprachfächer, oder mathematisch. […] Man musste ja immer ein bisschen vergleichen mit der Matur. (E3, Herv. S.H)

[…] und an der [...] Anzahl Stunden, und einfach, wenn man einfach den Maßstab angelegt hat, von den Anforderungen, die ein Maturand erfüllen muss, in ein paar, ich sage jetzt einmal in vier, fünf zentralen Fächern, ist die höher. (E3, Herv. S.H.)

[…] teils war es die Naturwissenschaft, die plädiert hat für mehr, für mehr noch ein bisschen Grundlage. Und auf der anderen Seite […] auch im Zusammenhang mit Argumentation und sprachlicher Ausdrucksform, wo noch mehr verlangt wurde. Also präzise ausdrücken in den Sprachen. (E4, Herv. S.H.)

Die gymnasiale Maturität wurde als «Standard» positioniert, welche die oben beschriebenen Wertigkeiten der industriellen Konvention wie Wissenschaftlichkeit und Problemlösefähigkeit garantieren sollte, die für die zukünftig tertiarisierte Lehrpersonenbildung als bedeutsam erachtet wurden. Aufgrund ihrer kritisierten «Lücken» in der Allgemeinbildung sollten DMS-Absolvierende eine mindestens einjährige Zusatzausbildung in allgemeinbildenden Fächern absolvieren und damit die allgemeine Hochschulreife erwerben, um zur hochschulischen Lehrpersonenbildung zugelassen zu werden (EDK 1993, S. 16).

Die «Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen» (EDK 1993) wurden im Anschluss an ihre Ausarbeitung in die Vernehmlassung bei den Kantonen gegeben, welche dazu inhaltlich Stellung beziehen konnten. Die Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung wurde überwiegend begrüßt, aber auf Basis der häuslichen Konvention Kritik an der Akademisierung, Wissenschaftlichkeit (EDK 1994a, S. 9) und insbesondere von Seiten der ‘Seminarkantone’ an der Aufhebung der seminaristischen Ausbildung (ebd., S. 13) geübt.

Die in den Thesen vorgeschlagenen Zulassungsvoraussetzungen zur tertiarisierten Lehrpersonenbildung – dass der Standard eine gymnasiale Maturität zu sein habe und DMS-Absolvierende eine einjährige Zusatzausbildung zur Hochschulreife absolvieren müssten – stieß einerseits auf breite Zustimmung (ebd., S. 12). Andererseits äußerte sich eine substanzielle Mehrheit der Befragten dahingehend, dass entweder eine Ausbildung von Kindergärtnerinnen nicht an eine PH resp. in den Hochschulbereich gehöre, oder dann für den Eintritt in die hochschulische Ausbildung auf keinen Fall ein gymnasiales Maturitätszeugnis notwendig sei (ebd., S. 13). Auch diese Kritik lässt sich in der häuslichen Konvention verorten: Wissenschaftlichkeit und Akademisierung der Lehrpersonenbildung wurde im Falle der Kindergartenlehrpersonen als Feindbild der traditionell-bewährten ‘praktischen’ und ‘handwerklichen’ Seminarausbildung konstruiert, und wurde als nicht notwendig für die erzieherische Tätigkeit als Kindergärtnerin erachtet.

5.1.4.4 Beschluss zur Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung: die «Empfehlungen» der EDK 1995

Auf Basis der «Thesen» und der dazu eingegangenen Vernehmlassungsantworten wurden schließlich «Empfehlungen zur Lehrerbildung und Pädagogischen Hochschulen» ausgearbeitet und von der EDK-Plenarversammlung im Oktober 1995 verabschiedet (EDK 1995a). Die Erziehungsdirektionen der Kantone entschieden, dass die Ausbildung von Lehrpersonen künftig auf Tertiärstufe zu erfolgen habe – und beschlossen somit ihre Tertiarisierung. Indem sie die Lehrpersonenbildung auf Tertiärstufe ansiedelte und sich für die gymnasiale Maturität als Hauptzulassungsausweis entschied, bestätigte die Plenarversammlung die von der EDK seit längerem verfolgten industriellen Wertigkeiten.

Die häusliche (und häuslich-regionalistische) Kritik respektive Forderung nach kantonaler Autonomie, die Wertschätzung des traditionellen DMS-Zugangs in die Ausbildung von Kindergartenlehrpersonen und die Kritik an Verwissenschaftlichung (siehe oben) wurde jedoch in die «Empfehlungen» integriert und Kompromisse geschlossen:

  • Wurde in den Thesen noch das Promotionsrecht für Pädagogische Hochschulen gefordert, war der Hochschultypus PH in den Empfehlungen nun klar als Fachhochschule definiert. Die Klassifizierung der PH als stärker praxisorientierte FH integrierte Wertigkeiten der häuslichen Konvention.

  • Über die Zulassung von Inhaberinnen anderer Diplome als der gymnasialen Maturität sollten die Kantone selbst entscheiden dürfen. Damit wurde auch die häuslich-regionalistische Wertigkeit der kantonalen Autonomie respektive der Aufrechterhaltung kantonaler Traditionen und regionaler Eigenheiten integriert.

  • Für die Zulassung zur Ausbildung von Kindergarten- bzw. Vorschullehrpersonen wurde ein DMS-Diplom als ausreichende Voraussetzung definiert. Zudem wurde erlaubt, dass die Ausbildung von Kindergartenlehrpersonen an «besonderen Institutionen» (EDK 1995a, S. 3) stattfinden könne – was faktisch ein Aufrechterhalten der seminaristischen Ausbildung in diesem Bereich erlaubte. Diese Zugeständnisse integrierten Wertigkeiten der häuslichen (Kindergärtnerinnen benötigen eher erzieherische Fähigkeiten als wissenschaftliche Expertise; praxisorientierte und charakterbildende seminaristische Ausbildung) sowie der häuslich-regionalistischen (Aufrechterhalten kantonal gepflegter Ausbildungsinstitutionen und Zugänge in die Ausbildung von Kindergartenlehrpersonen) Konvention.

Die «Empfehlungen zur Lehrerbildung und Pädagogischen Hochschulen» (EDK 1995a) integrierten die in den Vernehmlassungsantworten der Kantone formulierte häusliche Kritik und stellten einen Kompromiss zwischen industriellen (akademisch-wissenschaftliche Lehrpersonenbildung auf Hochschulniveau, Harmonisierung/Standardisierung) und häuslichen Wertigkeiten dar.

Das EDK-Generalsekretariat versuchte die mit den «Empfehlungen» beschlossene Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung nicht nur mit der Integration von Kritik, sondern auch durch Abstützen auf bereits getätigte Form(investition)en zu legitimieren:

Die Empfehlungen zur Lehrerbildung und zu den Pädagogischen Hochschulen stützen sich auf Art. 3, lit. e und g, des Schulkonkordats ab. Im Ingress wird auch auf das Grundlagendokument (Dossier 24) sowie auf die Vernehmlassungsergebnisse verwiesen. Nicht direkt erwähnt sind die Verweise auf zurückliegende Beschlüsse und Empfehlungen der EDK zur Lehrerbildung sowie auf die Diplomvereinbarung. Sie bilden aber zusammen mit den Prospektivstudien die Grundlage für die geplante Neuausrichtung der Lehrerbildung, wie sie in den Empfehlungen zum Ausdruck kommen. (EDK 1995a, Herv. S.H.)

So gelang mit den «Empfehlungen» und dem zugrundeliegenden Beschluss zur Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung einerseits eine Harmonisierung und Standardisierung der Lehrpersonenbildung im Vergleich zur bis anhin großen Varianz an Ausbildungsformen und -institutionen. Andererseits wurde mit der Integration der häuslichen Kritik (siehe oben) und der Möglichkeit, Kindergartenlehrpersonen weiterhin a) seminaristisch auf Sekundarstufe II auszubilden und b) DMS-Absolvierende zur Ausbildung zuzulassen, weiterhin eine kognitive Trennung zwischen Vorschul- und Primarstufenausbildung aufrechterhalten.

Damit wurde die sogenannte ‘Stufendifferenzierung’ eingeführt. Sie bezeichnet unterschiedliche Zulassungsbedingungen in die Lehrpersonenbildung für unterschiedliche Zielstufen des Unterrichts. Sie beruhte auf der zur damaligen Zeit breit vertretenen (häuslichen) Auffassung, dass entweder für die Kindergärtner*innenausbildung keine Hochschulbildung nötig sei, oder zumindest keinesfalls eine gymnasiale Maturität Zulassungsvoraussetzung sein müsse. In diesem Zusammenhang erscheint die genau in diesem Zeitraum vom EDK-Generalsekretariat angestoßene Diskussion um die sogenannte «Basisstufe»Footnote 15 wenig zufällig. Denn sie begegnete exakt dieser häuslichen Kritik und stand der kognitiven Trennung von Kindergarten und Primarstufe diametral entgegen.

5.1.4.5 Diskussion um die Einführung einer Basisstufe

Schon die Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung wurde substanziell mit der «Europakompatibilität» begründet bzw. von dieser beschleunigt (siehe Abschn. 5.1.4.1). Der Blick in den europäischen Bildungsraum stieß aber auch die Diskussion über Funktion und Berufsauftrag der Kindergärtner*innen an. Auch sie seien aufgrund «veränderter gesellschaftlicher Ansprüche» (EDK 1994b, S. 8) immer höheren und komplexeren Anforderungen ausgesetzt. Der Grundtenor des Diskurses war analog zu demjenigen der übrigen Lehrpersonenbildung stark an Wertigkeiten der industriellen Konvention wie Standardisierung, Systematisierung und Wissenschaftlichkeit ausgerichtet: im statistischen Vergleich mit der EU wurde das Schuleintrittsalter in der Schweiz als relativ hoch beurteilt (ebd., S. 12); ebenso sei der Kindergarten als «Stufe im Gesamtprozess der Bildung und Erziehung der Kinder» zu sehen (ebd., S. 8).

Auch hier investierte das EDK-Generalsekretariat Kräfte und Arbeit in Formen, welche eine stärker wissenschaftliche Perspektive auf die vorschulische Erziehung und die Einführung einer Basisstufe vorantrieben. Eine Studiengruppe «Bildung und Erziehung der vier- bis achtjährigen Kinder» wurde ins Leben gerufen und erhielt den Auftrag, sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu «Schulfähigkeit», «diagnostischen Abklärungen» und «aktuellen entwicklungspsychologischen Forschungsergebnissen» (EDK 1997) auseinanderzusetzen. Die Studiengruppe plädierte in der Folge auf Basis dieser (wissenschaftlichen) Logiken der industriellen Konvention für die Einführung einer sogenannten «Basisstufe» für 4-8jährige Kinder.

Aus konventionentheoretischer Perspektive kann bereits die Benennung der Studiengruppe und des Mandats als Forminvestition verstanden werden, welche das Ergebnis quasi vorwegnimmt. Im von der Studiengruppe verfassten Bericht wurde sodann auch die Ausbildung der Lehrpersonen für die zu konzipierende Basisstufe thematisiert. Die Studiengruppe hob hervor, dass «besondere pädagogische und psychologische, förderdiagnostische, sonderpädagogische Kompetenzen», «Kompetenzen zur Individualisierung der Lernangebote» und Kompetenzen in der «Förderung elementarer sozialer Verhaltensweisen» für Lehrkräfte dieser Stufe erforderlich seien (EDK 1997, S. 49 ff.). Diese Argumente können insbesondere mit Verweis auf den Kompetenzbegriff in der industriellen Konvention verortet werden. Konsequenz war für die Studiengruppe die Forderung nach einer Grundausbildung mit gemeinsamen Inhalten und gleichen Zulassungsbedingungen für alle Lehrpersonenkategorien (EDK 1997, S. 50).

Obwohl die Basisstufe bildungspolitisch letztendlich nie durchgesetzt werden konnteFootnote 16, weichte diese Debatte und die getätigten Investitionen (Studiengruppe, Mandat, Bericht) die historisch gewachsene, institutionelle und kognitive Trennung der beiden Bildungsstufen sowie die Klassifizierung in ‘Kindergarten’ und ‘Primarstufe’ langsam auf. Der Kindergarten wurde zunehmend als Teil der Volksschule und Kindergärtnerinnen als deren Lehrpersonen wahrgenommen.

Die DMS bereitete in dieser Wahrnehmung nicht mehr auf einen abgetrennten erzieherischen Bereich, sondern auf einen Unterrichtsberuf vor. Dies bedeutete allerdings auch, dass sich die Ausbildungsgänge für die Vorschulstufe und deren zukünftige Studierende nun am gleichen, industriellen respektive an wissenschaftlicher Expertise und Fachkompetenz orientierten Maßstab messen lassen musste – auf dessen Basis bisher Kritik an den «Lücken» in der Allgemeinbildung der DMS-Absolvierenden geübt worden war (siehe oben).

In den «Empfehlungen zur Lehrerbildung und Pädagogischen Hochschulen» (EDK 1995a) wurde also einerseits eine Stufendifferenzierung und Unterscheidung in Kindergarten/Vorschule und Primarstufe aufrechterhalten, um häusliche Kritik zu integrieren. Andererseits investierte die EDK im Anschluss in die kognitive Form einer Basisstufe, welche die bestehenden Forderungen nach gleichen Zulassungsbedingungen und gleichwertiger Ausbildung von Lehrpersonen aller Zielstufen zusätzlich verstärkte.

5.1.4.6 Diplomanerkennungsvereinbarung als rechtliche Grundlage

Wie bisher dargelegt wurde, gewannen Wertigkeiten der industriellen Konvention (Nachwuchsrekrutierung, Professionalisierung, Systematisierung, Wissenschaftlichkeit) zunehmend an Bedeutung, und die EDK-Plenarversammlung beschloss mit den Empfehlungen die Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung. Diese konnte aber aufgrund der traditionell kantonalen Hoheit in diesem Bereich (siehe Abschn. 5.1.1) nicht einfach zentralstaatlich und rechtlich bindend durchgesetzt werden, auch wenn die normative Kraft der Empfehlungen erheblich war.

Im Rahmen der Diskussionen um die europäische und internationale Diplomanerkennung hatte die EDK jedoch ein Instrument geschaffen, welche es ihr ermöglichte, auch für die Lehrpersonenbildung verbindliche Vorgaben zu machen. Nachdem der EDK-Vorstand den Kantonen zuerst lediglich empfohlen hatte, ihre Lehrdiplome gegenseitig anzuerkennen (EDK 1990), beschloss die EDK-Plenarversammlung 1993 die sogenannte «Diplomanerkennungsvereinbarung» («Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen» (EDK 1993b)). Dieser Vereinbarung waren alle Kantone beigetreten. Damit war die EDK berechtigt, Eckwerte zu definieren, damit eine Ausbildungsinstitution statt eines bisher kantonal anerkannten (wie etwa ein Lehrdiplom) ein gesamtschweizerisch anerkanntes Diplom abgeben konnte.Footnote 17

Dafür sollten in Zukunft sogenannte Anerkennungsreglemente geschaffen werden, in welchen die entsprechenden Eckwerte für gesamtschweizerisch anerkannte Diplome festgehalten waren. Mit der Diplomanerkennungsvereinbarung stand der EDK nun ein Instrument zur Verfügung, um im Rahmen der auszuarbeitenden PH-Anerkennungsreglemente gesamtschweizerische Vorgaben für die zukünftig tertiarisierte Lehrpersonenbildung zu machen. Obwohl die Diplomanerkennungsvereinbarung per se nicht explizit vorschrieb, dass die PH-Anerkennungsreglemente auch Zulassungsrichtlinien zur Ausbildung enthalten müssten, wurde dies – zumindest in den für die vorliegende Studie analysierten Dokumenten – nie hinterfragt. Es wurde in selbstverständlicher Weise davon ausgegangen, dass die zu definierenden Eckwerte auch PH-Zulassungsbedingungen umfassen würden. Die entsprechenden Aushandlungsprozesse sind Gegenstand von Abschn. 5.2.

Mit Beschluss der Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung, den Bestrebungen zur Einführung einer Basisstufe und der zunehmenden Wahrnehmung von Kindergärtnerinnen als Lehrpersonen der Volksschule war klar, dass die angestoßenen Reformprozesse Konsequenzen für die DMS und ihre bisherige Vorbereitungsfunktion auf die Ausbildung von Lehrpersonen des Kindergartens, der Handarbeit und Hauswirtschaft haben würden. Dies erzeugte eine Situation der Unsicherheit für DMS-Akteur*innen.

5.1.4.7 Das Entwicklungsprojekt DMS: Unsicherheit angesichts der Tertiarisierungsreform in der Lehrpersonenbildung

Die Schaffung von Fachhochschulen und die Anhebung der bisher seminaristisch organisierten Lehrpersonenbildung auf Tertiärstufe löste auf Sekundarstufe II rund um die DMS erhebliche Dynamik aus. In den Kantonen mit bis anhin seminaristischer Lehrpersonenbildung stellte sich die Frage, was mit den seminaristischen Ausbildungsinstitutionen geschehen sollte. Viele der Lehrer*innenseminare wurden an bestehende Gymnasien angegliedert oder in solche umgewandelt (Criblez und Lehmann 2016, S. 55; Criblez 2010).

Mit der Revision der Maturitätsanerkennungsverordnung von 1995, mit welcher eine typenlose Maturität mit der Möglichkeit zur individuellen Profilwahl mittels Schwerpunkt- und Ergänzungsfächern geschaffen wurde, gab es neu auf Sekundarstufe II die Möglichkeit, eine gymnasiale Maturität mit musisch-gestalterischem oder psychologisch-pädagogischem Schwerpunkt zu absolvieren. Damit war ein funktionales (wenn auch nicht 1:1 inhaltliches) Äquivalent zu den ehemaligen Lehrer*innenseminaren geschaffen (ebd.) (siehe ausführlicher Abschn. 2.2.1).

Mit dem musisch-pädagogischen Gymnasialprofil stand nun auf Sekundarstufe II eine bereichsspezifische Vorbildung für die Ausbildung von Lehrpersonen an PH zur Verfügung, welche die Existenzberechtigung der DMS als ehemaliger Zubringerin zur (zukünftig tertiarisierten) Ausbildung zur Kindergarten-, Hauswirtschafts- und HandarbeitslehrpersonFootnote 18 in Frage stellte. Die DMS hatte im tertiarisierten Szenario nicht mehr ihren ‘eigenen’ Bereich, auf den sie vorbereitete, sondern trat in eine Situation der Konkurrenz zu den Gymnasien.

Zusätzlich wurden mit der Einführung von Fachhochschulen (FH) die Berufsmittelschulen zu Berufsmaturitätsschulen weiterentwickelt und die Berufsmaturität (fachgebundende Fachhochschulreife) als Regelzugang zu den Fachhochschulen definiert (ebd., S. 51). Für Universitäten gab es also die gymnasiale Maturität (allgemeiner Hochschulzulassungsausweis) und für FH die Berufsmaturität als Regelzugang – was die Diplommittelschule ‘ohne’ eine Maturität zusätzlich unter Reformdruck setzte und «eine Überarbeitung des DMS-Profils erforderlich» machte (P0, S. 72). Die Kommission DMS der EDK beauftragte eine Arbeitsgruppe damit, gemeinsam mit Vertretern der Konferenz der Rektoren schweizerischer Diplommittelschulen (KDMS) «mögliche und wünschbare Zukunftsperspektiven und Entwicklungsrichtungen der DMS» zu erarbeiten (ebd.). Dies resultierte unter anderem im sogenannten «Entwicklungsprojekt DMS» welches als «interne Wegleitung» für die zukünftige Entwicklung dieses Schultyps dienen sollte (ebd., S. 73).Footnote 19

Im Bericht zu diesem «Entwicklungsprojekt» zeigt sich die große Unsicherheit, mit der die DMS-Akteur*innen bezüglich Zugang zur zukünftig tertiarisierten Lehrpersonenbildung konfrontiert waren: mit der Schaffung Pädagogischer Hochschulen und der Anhebung der Ausbildung aller Lehrberufe auf Tertiärstufe mussten die entsprechenden Zulassungsbedingungen neu ausgehandelt werden. Insbesondere aufgrund der Diskussionen um die Basisstufe für 4-8jährige Kinder, der in diesem Zusammenhang geforderten gemeinsamen Grundausbildung aller Lehrpersonen und dem starken Fokus auf die Vorbildung der gymnasialen Maturität in den Thesen und Empfehlungen sah sich die DMS mit der Gefahr konfrontiert, ihre bisherige Zubringerfunktion zu den traditionell belieferten Ausbildungsgängen zu verlieren (ebd., S. 31). Durch diese Konfrontation sahen sich die Vertreter*innen der DMS herausgefordert, die Wertigkeit dieses Schultyps zu demonstrieren und darzustellen, warum die DMS auch zukünftig eine geeignete Zubringerin zur Lehrpersonenbildung sein sollte. Wie in den folgenden Abschnitten gezeigt wird, stützten sich die DMS-Akteur*innen bei dieser Wertigkeitskonstruktion vor allem auf die staatsbürgerliche und die häusliche Konvention.

Wie in Abschn. 5.1.4.4 skizziert, können die Empfehlungen als Kompromiss verstanden werden, welcher Wertigkeiten der häuslichen Konvention integrierte und der DMS trotz Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung erlaubte, als Zubringerin zu den Vorschulausbildungen erhalten zu bleiben. Darauf stützten sich die DMS-Vertretungen in der Arbeitsgruppe des Entwicklungsprojekts in hohem Masse. Sie riefen immer wieder in Erinnerung, dass die in den Empfehlungen von 1995 formulierte Klausel gelten müsse, wonach die DMS Zulassung zur Vorschulstufe biete (ebd., S. 30 f.). Sie forderten mit Bezugnahme auf diese ‘Gesetzesgrundlage’ eine staatsbürgerliche Prüfung der künftig auszuarbeitenden Zulassungsklausel. Auf der staatsbürgerlichen Konvention basiert auch die Kritik, dass eine Nichtzulassung von DMS-Absolvierenden vor allem jungen Frauen den Bildungsaufstieg in qualifizierte Berufe verwehren würde (ebd., S. 31). Ebenso sollte nach dem Erststudium an der PH auch ohne gymnasialen Maturitätsausweis eine weitere Ausbildung für eine andere Schulstufe möglich sein, um «Sackgassenberufe» zu vermeiden (ebd., S. 33).

Die in den Thesen formulierte (und industriell begründete) Forderung, dass DMS-Absolventinnen nur mit einer einjährigen Zusatzausbildung in allgemeinbildenden Fächern zum Studium zugelassen werden können, wiesen die DMS-Vertreter*innen mit Berufung auf die häusliche Konvention zurück. Sie argumentierten mit der bisherigen Tradition der DMS als Vorbereitung für die Kindergärtner*innenausbildung sowie mit der Bewährtheit, Anerkanntheit und Wertschätzung dieses Zugangs und des Schultyps DMS an sich (ebd., S. 31). Ebenso sei ein zusätzlicher Praxisteil statt zusätzlicher Allgemeinbildung «sinnvoller» (ebd., S. 32), womit sie mit dem Fokus auf Praxis/Handwerk erneut häusliche Wertigkeiten valorisierten. Dieser Forderung verliehen die DMS-Akteur*innen zusätzliche Legitimität, indem sie auf bestehende Formen wie die Berufsmaturität verwiesen: war diese als Zugangsbedingung für FH definiert und Pädagogische Hochschulen in den Empfehlungen als FH klassifiziert worden, plädierte man auch bei PH für einen «fachspezifischen Praxisteil» im Sinne einer «Fachmaturität» (ebd.). Erklärtes Ziel all dieser Forderungen war, den bisherigen Zugang von DMS-Absolvierenden in die Ausbildung zur Kindergartenlehrperson zu sichern und im Weiteren die Zulassung zur Primarlehrpersonenbildung zu prüfen.

Die Vernehmlassung zum Entwicklungsprojekt DMS resultierte schließlich in «Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Diplommittelschulen» (EDK 1999a). Bezüglich des Zugangs zur Lehrpersonenbildung wurde allerdings nur knapp vermerkt, dass es für den Zugang einer entsprechenden Zusatzausbildung bedürfe, und diese in Zusammenarbeit mit den betreffenden Abnehmerinstitutionen zu definieren sei (ebd., S. 2). Diese Vagheit kann so interpretiert werden, dass zu diesem Zeitpunkt die PH-Anerkennungsreglemente für die geplanten Studiengänge der Vorschule und der Primarstufe bereits in Arbeit waren und die EDK die Ausarbeitung der Zulassungsrichtlinien den entsprechenden EDK-Arbeitsgruppen überlassen wollte. Diese Ausarbeitungen des ersten PH-Anerkennungsreglements für die Vorschul- und Primarstufe sind Gegenstand des folgenden Kapitels und stellen den ersten kritischen Moment im Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik dar.

5.2 Kritischer Moment I: PH-Anerkennungsreglement Vorschul- und Primarstufe

5.2.1 Vorarbeiten und Vernehmlassungen

Seit 1996 waren zeitgleich verschiedene Arbeitsgruppen damit beschäftigt, die auf der Diplomanerkennungsvereinbarung (siehe Abschn. 5.1.4.6) beruhenden Anerkennungsreglemente für die verschiedenen PH-Studiengänge auszuarbeiten. Für die Studiengänge Vorschule und Primarstufe waren zwei getrennte Reglemente geplant (P1, S. 1). Dies kann als Ausdruck der damals immer noch vorhandenen, kognitiven Trennung von Vorschul- und Primarstufe interpretiert werden. Dennoch achteten die Arbeitsgruppen aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits angestoßenen Diskussion um eine Basisstufe für 4-8jährige Kinder (siehe Abschn. 5.1.4.5) auf eine inhaltliche und formale Koordination beider Reglemente (P2, S. 2).

Die vorangegangenen Investitionen der EDK in eine Basisstufe wirkten sich merklich auf die Ausarbeitung der PH-Anerkennungsreglemente für die Vorschule und Primarstufe aus. Dies lässt sich auch den Rückmeldungen der Kantone und Institutionen der Lehrpersonenbildung zur Vernehmlassung der beiden Reglemente entnehmen. Eine Mehrheit sprach sich – unter anderem explizit wegen der geplanten Einführung von Basisstufenlehrkräften – dafür aus, die PH-Anerkennungsreglemente für die Vorschul- und Primarstufe in einem gemeinsamen Reglement zusammenzuführen (P3, S. 2).

Die daraufhin vorgenommene Zusammenlegung beider Reglemente verschärfte allerdings die Frage nach der Zugangsregelung in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung. Denn die DMS war nun nicht nur herausgefordert, ihre Wertigkeit (die sich vorwiegend auf Argumente der häuslichen, häuslich-regionalistischen und staatsbürgerlichen Konvention stützte, siehe Abschn. 5.1.4.7) als Zubringerin zur Ausbildung von Lehrpersonen des Kindergartens, der Handarbeit und Hauswirtschaft angesichts deren industriell begründeter Tertiarisierung zu konstruieren. Mit einer Zusammenlegung beider Anerkennungsreglemente musste die Zulassung von DMS-Absolvierenden in die Lehrpersonenbildung zudem im gleichen Format bzw. im gleichen Reglement wie diejenige der Primarlehrpersonenbildung geregelt werden. In den ersten Reglementsentwürfen für die Primarlehrpersonenbildung war allerdings zur Zulassung eine strikte Aufnahmeprüfung auf dem Niveau der gymnasialen Maturität für sämtliche Bewerber*innen ohne dieses Diplom gefordert worden (P1, S. 5).

Bis der EDK-Plenarversammlung schließlich ein gemeinsamer Reglementsentwurf zur Verhandlung und Verabschiedung vorgelegt wurden konnte, waren mehrere Entwurfsversionen, Rückmeldeschlaufen des EDK-Vorstands und Vernehmlassungen bei den Kantonen sowie Institutionen der Lehrpersonenbildung nötig. Dies verweist nicht nur auf die hohe Bedeutung dieses ersten PH-Anerkennungsreglements für die Ausbildung von Vorschul- und Primarstufenlehrpersonen, sondern auch auf sehr unterschiedliche Haltungen der verschiedenen Akteur*innen. Der weitaus größte Disput entbrannte hierbei um die vollständige Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung respektive die Auflösung der seminaristischen Ausbildung (siehe auch Wyss 1996; Criblez 2010, S. 37). Insbesondere Kantone mit traditionell seminaristischer Lehrpersonenbildung kämpften mit Berufung auf die häusliche und häuslich-regionalistische Konvention (siehe Abschn. 5.1.1) für die Aufrechterhaltung der Lehrer*innenseminare.

Aber auch die Zulassungsbedingungen für die neu zu konzipierenden Hochschulstudiengänge gaben Anlass zu Diskussionen und spitzten sich in der Frage zu, ob und zu welchen Bedingungen neben Inhaber*innen einer gymnasialen Maturität auch DMS-Absolvierende zu den PH zugelassen werden können. Die Vernehmlassungen zu den Entwurfsversionen des PH-Anerkennungsreglements widerspiegeln die beiden einander gegenüberstehenden Grundhaltungen, wie sie bereits in den vergangenen Kapiteln rekonstruiert wurden: im Sinne der «Thesen» (siehe Abschn. 5.1.4.3) forderten viele Kantone und Vertreter von Institutionen der Lehrpersonenbildung auf Basis von Wertigkeiten der industriellen Konvention eine Allgemeinbildung auf dem Niveau der gymnasialen Maturität, welche sie als einziges geeignetes Zulassungsdiplom für eine wissenschaftlich-professionalisierte Lehrpersonenbildung valorisierten. Vertreter*innen einer möglichst direkten Zulassung von DMS-Absolvierenden in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung hoben Wertigkeiten der häuslichen Konvention wie die traditionelle Funktion des Schultyps und dessen Wertschätzung, Bewährtheit sowie die Bedeutung kantonaler Autonomie in der Lehrpersonenbildung hervor. Sie beriefen sich dabei auf das Format der Empfehlungen zur Lehrerbildung und zu den Pädagogischen Hochschulen 1995, welche die Zulassung via DMS-Diplom zumindest für den Studiengang Vorschulstufe festgehalten hatte (siehe Abschn. 5.1.4.4).

5.2.2 Die Koordinationssituation der EDK-Plenarversammlung 1999

Im Anschluss an kontrovers geführte Diskussionen und die Vernehmlassungen bei den Kantonen und Institutionen der Lehrpersonenbildung musste das neue PH-Anerkennungsreglement für die Vorschul- und Primarstufe beschlossen und verabschiedet werden. Dies geschah in den beiden EDK-Plenarversammlungen vom 25. Februar sowie vom 10 Juni 1999. Diese Plenarversammlungen stellten eine konkrete Koordinationssituation zwischen (kantonalen) Akteur*innen angesichts einer Situation der Unsicherheit dar, in welcher sie abgestützt auf die ihnen als Handlungs- und Bewertungslogiken zur Verfügung stehenden Konventionen zu einem gemeinsamen Beschluss – bzw. zur Handlungskoordination (Diaz-Bone 2018, S. 200, 324) – gelangen mussten.

Die Protokolle der Plenarversammlungen zeigen den Disput um das angemessene Gemeinwohl in der Lehrpersonenbildung. Während manche Kantonsvertreter*innen das industrielle Gemeinwohl von Effizienz, wissenschaftlicher Expertise und der dafür nötigen Standardisierung und Tertiarisierung der Lehrpersonenbildung vertraten, verteidigten die Vertretungen von Kantonen mit traditionell seminaristischer Lehrpersonenbildung das Gemeinwohl der häuslichen Konvention. In der Koordinationssituation der EDK-Plenarversammlung stützten sie sich insbesondere auf das häuslich-regionalistische Argument der traditionell kantonalen Autonomie in der Lehrpersonenbildung: «Es wäre wichtig, den Kantonen einen großen kreativen Spielraum für die Gestaltung ihrer Lehrerbildung zu gewährleisten» (P4, S. 7). Und obwohl der Zugang für DMS-Absolvierende nicht hauptsächlicher Diskussionsgegenstand der Plenarversammlungen war, kam exakt diese Forderung nach kantonaler Autonomie den DMS-Vertretungen entgegen. Denn kantonale Spielräume würden auch das Aufrechterhalten kantonal gepflegter Zugänge und Zulassungsbedingungen (wie die Zulassung von DMS-Absolvierenden zur Ausbildung von Lehrpersonen der Vorschul- oder Primarstufe) erlauben.

Gleichzeitig herrschte Konsens darüber, dass für eine gesamtschweizerische Anerkennung und mit dem europäischen Bildungsraum kompatible Lehrpersonenbildung deren Tertiarisierung notwendig war. Diese Orientierung am industriellen Gemeinwohl (Systematisierung, Kompatibilität) wurde ergänzt durch die Forderung nach genügender Allgemeinbildung, welche den DMS-Absolvierenden abgesprochen und ihnen aus industrieller Perspektive diesbezüglich «Lücken» zugeschrieben wurden (siehe Abschn. 5.1.4.3). Eine Vertretung eines traditionellen DMS-Kantons beantragte zwar, die Klausel «Allfällige Mängel an Allgemeinbildung müssen behoben werden» (P5, S. 4) zu streichen, da diese Formulierung die DMS in Frage stellen würde (P6, S. 7). Dennoch waren 23 der 26 Kantonsvertreter dafür, diese Formulierung beizubehalten (ebd.). Dies verweist auf die hohe Bedeutung des industriellen Gemeinwohls in Form der Forderung nach einem Allgemeinbildungsniveau, welches für eine wissenschaftlich-professionalisierte Lehrpersonenbildung als genügend erachtet wurde.

In der Plenarversammlung entbrannte im Weiteren ein Disput darüber, ob Kantone, welche einzig die gymnasiale Maturität als Zulassungsausweis akzeptieren würden, gezwungen wären, bei Bewerbungsverfahren für offene Lehrpersonenstellen Absolvierende Pädagogischer Hochschulen mit niedrigeren Zulassungsbedingungen zuzulassen. Diesen Disput beendete das damalige EDK-Präsidium vorübergehend mit der Drohung, dass bei einer Nicht-Einigung «Vorstösse beim Bund» zu erwarten seien (P6, S. 6). Und obwohl diese Drohung höchstwahrscheinlich kaum verwirklicht worden wäreFootnote 20, verstärkte sie doch den «Zwang zur freiwilligen Zusammenarbeit» (Lehmann 2013) der Kantone. Denn eine zentralstaatliche Bundeslösung hätte jeglicher traditionell bildungsföderalistischen Kantonsautonomie als Wertigkeiten der häuslich-regionalistischen Konvention in höchstem Masse widersprochen.

Insgesamt erwies sich erneut das Abstützen auf die staatsbürgerliche Form der Empfehlungen zur Lehrerbildung und zu den Pädagogischen Hochschulen 1995 als zentraler Referenzpunkt für die Akteur*innen. Stellten bereits die Empfehlungen einen Kompromiss zwischen industrieller (Beschluss der Tertiarisierung, gymnasiale Maturität als Standardvorbildung) und häuslich-regionalistischer Konvention (Kantone entscheiden über Zulassung DMS zur Primarstufenausbildung, für Vorschulstufe müssen DMS-Absolvierende akzeptiert werden) dar, beriefen sich die Vertreter der jeweiligen Positionen nun exakt auf diese Regelungen: «Il ne faut surtout pas remettre en cause les recommandations concernant la formation des enseignants»Footnote 21 (P4, S. 8).

Die Datengrundlage lässt schlussfolgern, dass die vorgebrachten Argumente in der EDK-Plenarversammlung als Situation der Handlungskoordination vor allem auf den drei in Abschn. 5.1.1 rekonstruierten, für die interkantonale Koordination der EDK bedeutsamen Konventionen beruhen:

Die staatsbürgerliche Konvention kommt darin zum Ausdruck, dass in dieser Situation ein Minimalkonsens angestrebt wurde – welcher die unterschiedlichsten kantonalen Haltungen und vorgebrachten Wertigkeiten integrieren und auf die Bevorzugung von Partikularinteressen einzelner Kantone verzichten musste. Dies stellte sich in dieser Situation als besonders schwierig dar, da sich mit a) vehementen Vertretern der seminaristischen Tradition, b) den Befürworter*innen eines Zugangs über die DMS in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung und c) Vertreter*innen einer dezidiert wissenschaftlich-akademisierten Ausbildung von Lehrpersonen sehr gegensätzliche Haltungen gegenüberstanden. Zudem war aus staatsbürgerlicher Perspektive die Übereinstimmung des Anerkennungsreglements mit der rechtlichen Grundlage der Empfehlungen von 1995 zentral. Die Problematik bestand allerdings darin, dass diese bereits einen Kompromiss darstellten und Argumentationen in jedwede Richtung unterstützten.

Zweitens musste in diesem Minimalkonsens mit Blick auf Wertigkeiten der häuslich-regionalistischen Konvention bzw. die Tradition des Bildungsföderalismus und der kantonalen Hoheit über die Lehrpersonenbildung trotzdem eine gewisse kantonale Freiheit und eine Berücksichtigung kantonaler Bedürfnisse und Traditionen gewährleistet werden. Diesen kantonalen Traditionen schrieben insbesondere Befürworter*innen der seminaristischen Lehrpersonenbildung oder eines Zugangs aus der DMS in die Lehrpersonenbildung hohe Wertigkeit zu, was im erbitterten Einsatz für ihr jeweiliges Anliegen zum Ausdruck kommt.

Drittens war mit dem Ziel der Tertiarisierung und der Diplomanerkennungsthematik im europäischen Raum unbestritten, dass Wertigkeiten der industriellen Konvention wie Tertiarisierung, Wissenschaftlichkeit, Professionalisierung und die dafür nötigen intellektuellen Kompetenzen entsprechendes Gewicht erhalten würden und das PH-Anerkennungsreglement in einer gewissen Standardisierung resultieren würde.

Schließlich gelang es, eine allen Forderungen entsprechende Formulierung zu finden. Das erste Anerkennungsreglement für die Vorschul- und Primarstufe wurde mit folgendem Wortlaut verabschiedet (Abb. 5.1):

Abb. 5.1
figure 1

(Quelle: EDK 1999b, Herv. S.H.)

PH-Anerkennungsreglement Vorschul- und Primarstufe 1999, Zulassungsvoraussetzungen.

Ähnlich wie bereits die Empfehlungen kann auch dieses erste PH-Anerkennungsreglement bzw. die formulierten Zulassungsbedingungen als Kompromiss(-objekt) der industriellen, der häuslich(-regionalistischen) und der staatsbürgerlichen Konvention interpretiert werden.

Die industriellen Forderungen nach Standardisierung, Professionalisierung und wissenschaftlich ausgerichteter Lehrpersonenbildung sowie der dafür als geeignet erachteten Vorbildung der gymnasialen Maturität wurden mit dem Reglement an sich sowie mit Art. 5 Abs. 1 erfüllt. Das Reglement besiegelte den Beschluss, dass sämtliche Lehrpersonenbildung von nun an hochschulisch an PH zu erfolgen hatte, und Art. 5 Abs. 1 definierte die gymnasiale Maturität als Regelzugang. Im Falle einer Zulassung von DMS-Absolvierenden zur Primarlehrpersonenbildung mussten die aus der industriellen Perspektive kritisierten «Lücken» in der Allgemeinbildung kompensiert werden (Abs. 3).

Die häuslich(-regionalistische) Forderung nach kantonaler Autonomie und dem Aufrechterhalten wertgeschätzter, traditioneller und kantonal gepflegter Zugänge wie demjenigen über die DMS wurde mit der Regelung integriert, dass DMS-Absolvierende zum PH-Studiengang Primarstufe zugelassen werden können (Abs. 3), zum Studiengang Vorschulstufe zugelassen werden müssen (Abs. 2). Dies ermöglichte einerseits kantonale Spielräume in der Zulassung zur Primarlehrpersonenausbildung, andererseits wurde damit der traditionelle Zugang der DMS in die Ausbildung von Kindergarten- respektive Vorschullehrpersonen gesichert. Mit diesen unterschiedlichen Zulassungsregelungen (Primarstufe, Vorschulstufe) wurde zudem die sogenannte Stufendifferenzierung (unterschiedliche Zulassungsbedingungen je nach Zielstufe)Footnote 22 rechtlich verbindend eingeführt. Hier erwies sich zum ersten, aber nicht zum letzten Mal im Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik eine sogenannte «kann-Formulierung» als wichtige Kompromissformel in der interkantonalen Koordination der Lehrpersonenbildung.

Zudem entsprach das verabschiedete Anerkennungsreglement in weiten Teilen den Empfehlungen zur Lehrerbildung und zu den Pädagogischen Hochschulen 1995. Dies entspricht nicht nur der staatsbürgerlichen Wertigkeit der rechtlichen Gültigkeit, sondern verdeutlicht erneut die Relevanz der Vernetzung mit bereits getätigten Forminvestitionen (Thévenot 1984).

Den Akt des Ausbalancierens zwischen den verschiedenen Wertigkeiten beschreibt die damals zuständige Person des EDK-Generalsekretariats treffend:

Das sind so verschiedene Etappen des Kompromisses, oder des Aufeinanderzugehens gewesen. Und man muss immer wissen: Es müssenFootnote 23 26 Kantone zustimmen. Das Anerkennungsreglement mussten 26 Kantone akzeptieren. Und es hat keinen Widerspruch zu den Empfehlungen haben dürfen. (E3)

Das war manchmal ein bisschen verrückt, bis man […] so Formulierungen herausgetüftelt hat, wo man gesagt hat: «Das könnte zu einer großen Mehrheit»/ Wenn sich ein paar enthalten, ist das ja egal, aber es ist fatal, wenn man ein Anerkennungsreglement mit Widerstand erlässt. Dann ist es gestorben. (E3)

Aus konventionentheoretischer Perspektive ist dies Ausdruck des Aufwands oder der Arbeit, die bei einer Forminvestition (wie in das PH-Anerkennungsreglement) unter anderem daraus besteht «sich auf einen passenden Begriff zu verständigen» (Boltanski und Thévenot 2007, S. 373) – bzw. im vorliegenden Fall auf eine passende Formulierung.

5.2.3 Zwischenfazit I

Die Diplommittelschule blieb als Zugangsweg zur zukünftig tertiarisierten Lehrpersonenbildung also vorerst erhalten und die Zulassung zum Studiengang Kindergarten respektive Vorschulstufe war im Format des PH-Anerkennungsreglements rechtlich abgesichert. Damit war ein erster und grundlegender Meilenstein im Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik als Zugangsweg zur Lehrpersonenbildung gelegt. Als Zwischenfazit lassen sich an dieser Stelle drei Erklärungen hierfür festhalten:

Wie oben dargelegt, konnten erstens alle drei die bildungspolitische Koordinationsarbeit der EDK fundierenden Konventionen (häuslich, industriell, staatsbürgerlich) bzw. die zentralen daraus entspringenden Ansprüche an die Lehrpersonenbildung berücksichtigt und ins Anerkennungsreglement integriert werden.

In diesem Prozess beriefen sich die Befürworter*innen der seminaristischen Lehrpersonenbildung mit Forderungen nach kantonaler Autonomie, dem Bestreben zur Beibehaltung bisheriger Traditionen in der Lehrpersonenbildung sowie der Valorisierung praxisnaher Charakterbildung auf Wertigkeiten der häuslichen Konvention. Damit stützten sie sich – unbeabsichtigt – auf die gleiche Konvention wie die Befürworter*innen eines direkten Zugangs von DMS-Absolvierenden in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung. Damit erhielt die häusliche Konvention zweitens mehr Gewicht und eine größere Lobby. Zugeständnisse an die Forderungen nach kantonaler Autonomie kamen auch der DMS als kantonal gepflegtem Zugangsweg in die Lehrpersonenbildung entgegen. Die im Reglement angewendete «kann-Formulierung» kann als kognitives Format der häuslich-regionalistischen Konvention und bedeutende Kompromissformel in der interkantonalen Koordination der Lehrpersonenbildung interpretiert werden, welche das Aufrechterhalten kantonaler Eigenheiten erlaubt(e).

Als bedeutsam erwies sich drittens auch die Bezugnahme auf eine quasi-rechtliche Grundlage respektive das Abstützen auf eine bereits vorhandene und materialisierte Form – die Empfehlungen zur Lehrerbildung und zu den Pädagogischen Hochschulen von 1995. Der Wortlaut des Anerkennungsreglements entspricht in weiten Teilen den Empfehlungen, obwohl diese rechtlich nicht bindend waren.

Mitte 1999 war beschlossen und im Format des PH-Anerkennungsreglement für die Vorschul- und Primarstufe festgehalten, dass DMS-Absolvierende zum den Studiengang Vorschulstufe zwingend zugelassen werden müssen, zum Studiengang Primarstufe zugelassen werden können. Wie im folgenden Kapitel erläutert wird, musste die DMS deshalb bei ihrer Umwandlung in die Fachmittelschule (FMS) in den Folgejahren ihre Existenzberechtigung im Erziehungsbereich nicht mehr grundlegend unter Beweis stellen. Trotzdem führten die Entwicklungen um die Einführung einer Fachmaturität zu einer Situation, in der die Zugangsberechtigung von DMS/FMS-Absolvierenden zur tertiarisierten Lehrpersonenbildung erneut zur Debatte stand (siehe Abschn. 5.3.2).

5.3 Kritischer Moment II: Die Einführung des Profils und der Fachmaturität Pädagogik

Nach Beschluss des PH-Anerkennungsreglements für die Vorschul- und Primarstufe (sowie weiterer PH-Studiengänge) 1999 wurden in unterschiedlichem Tempo die Pädagogischen Hochschulen aufgebaut (siehe dazu Criblez 2010). Gleichzeitig wurden auch die Entwicklungsarbeiten an der Diplommittelschule (DMS) resp. der späteren Fachmittelschule (FMS) fortgesetzt. Die EDK gab den «Bericht Entwicklungsprojekt DMS» (P0) in die Vernehmlassung und formulierte 1999 auf seiner Basis die «Empfehlungen zur Weiterentwicklung der DMS» (EDK 1999a). Auf der Grundlage dieser Empfehlungen arbeiteten die Arbeitsgruppe DMS, die Konferenz der Rektor*innen von DMS sowie das EDK-Generalsekretariat ab 2000 an einem Konzept, einem neuen Rahmenlehrplan sowie am DMS- bzw. späteren FMS-Anerkennungsreglement und dessen Richtlinien (Kiener 2004, S. 31; EDK-Generalsekretariat 2002, S. 1).

Maßgeblich beeinflusst waren diese Entwicklungen und Konzeptarbeiten von der gleichzeitig auf Bundesebene stattfindenden Revision des Berufsbildungsgesetzes. Es übertrug die bisher kantonal geregelten Berufsausbildungen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Kunst in die Regelungskompetenz des Bundes. Damit stellte das Berufsbildungsgesetz die bisher mit der Vorbereitung auf diese Berufe betraute DMS in Frage, und Vertreter*innen der Berufsbildung nahmen die DMS als Konkurrenz wahr (EDK-Generalsekretariat 2002, S. 1; Kiener 2004).

Auf diese Entwicklungen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass die Verhandlungen, Prozesse und Dynamiken in dieser Phase der Institutionalisierung der DMS/FMS stark von den Entwicklungen im Berufsbildungsbereich geprägt waren (siehe Esposito 2022), und zu diesem Zeitpunkt der Bereich der Lehrpersonenbildung angesichts der Entwicklungen im Berufsbildungssystem nicht von zentraler Dringlichkeit erschien. Der begleitende Bericht zur Vernehmlassungsvorlage zum neu ausgearbeiteten DMS-Anerkennungsreglement (P7) fokussierte sodann auch stark auf die Entwicklungen im Berufsbildungsbereich sowie die Beziehung zwischen DMS und Berufsbildung. Die Lehrpersonenbildung hingegen wurde nicht erwähnt.

5.3.1 Einführung des Profils ‘Erziehung’ und der Fachmaturität

Anfang 2002 gab die EDK schließlich einen Entwurf des neu konzipierten DMS-Anerkennungsreglements sowie das «Konzept DMS» in die Vernehmlassung. Der Entwurf hielt die Mindestanforderungen fest, welche eine DMS erfüllen musste, um von der EDK anerkannt zu werden bzw. um ein gesamtschweizerisch anerkanntes DMS-Diplom abgeben zu können (P8, S. 1). Die Neukonzeption der DMS sah unter anderem die Einführung von «Berufsfeldern» – in der vorliegenden Studie «Profile» genannt – vor. Das heutige Profil Pädagogik wurde im Konzept noch als Profil «Erziehung» bezeichnet. Dies kann als Ausdruck davon interpretiert werden, dass die DMS bis anhin auf erzieherische Tätigkeiten wie etwa diejenige der Kindergärtnerin vorbereitete, deren Beruf erst Ende 1990er langsam als Lehr- oder Unterrichtsberuf wahrgenommen wurde (siehe Abschn. 5.1.4.5).

Noch in der Vernehmlassung zum Entwicklungsprojekt DMS (siehe Abschn. 5.1.4.7) machten Vertreter*innen der Schweizerischen Gesellschaft für Lehrer/innenbildung auf den Unterschied zwischen erzieherisch-sozialpädagogischen Tätigkeiten und Unterrichtsberufen aufmerksam. Die DMS biete zwar mit ihrem praktischen Fokus für erstere eine spezifische Vorbildung – nicht jedoch für die sachbezogenen Anforderungen des Studiums für einen Unterrichtsberuf (P29). Die Benennung des pädagogischen Profils als Profil ‘Erziehung’ kann vor diesem Hintergrund als mögliche Strategie gedeutet werden, auf die traditionelle und lokale Verankerung der DMS im erzieherisch-pädagogischen Tätigkeitsbereich aufmerksam zu machen, der häuslich-regionalistischen Konvention mehr Reichweite und Gewicht zu verleihen und potenzieller Kritik von Verfechter*innen der gymnasialen Maturität als Zulassungsausweis zur Lehrpersonenbildung vorzubeugen.

In der Vernehmlassung des neukonzipierten DMS-Anerkennungsreglements war für die Vernehmlassungsteilnehmenden der Bereich der Lehrpersonenbildung eher nebensächlich. Im Fokus stand das Verhältnis und die Positionierung der DMS gegenüber der Berufsbildung in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Kunst (P9). Da gemäß EDK-Auskunft die entsprechenden Vernehmlassungsunterlagen im Archiv verloren gegangen sind, können die Argumentations- und Legitimationsmuster der Befürworter*innen und Gegner*innen des neu zu schaffenden Profils ‘Erziehung’ nicht rekonstruiert werden. Der zusammenfassende Auswertungsbericht zur Vernehmlassung (P9) zeigt aber, dass das Profil ‘Erziehung’ im Gegensatz zu den Profilen Gesundheit, Soziales und Kunst kaum umstritten gewesen zu sein scheint. Niemand der Vernehmlassungsteilnehmenden äußerte sich gegen die Einführung eines Profils ‘Erziehung’.

Angesichts der im vorhergehenden Kapitel skizzierten, teils heftigen Diskussion um den Zugang von DMS-Absolvierenden zur tertiarisierten Lehrpersonenbildung mag dies erstaunen. Die ausbleibende Kritik kann aber als Folge davon interpretiert werden, dass mit den Empfehlungen zur Lehrerbildung und zu den Pädagogischen Hochschulen (Abschn. 5.1.4.4), dem Entwicklungsprojekt DMS (Abschn. 5.1.4.7) und ganz grundlegend mit der Kompromissschließung im PH-Anerkennungsreglement von 1999 viel Arbeit in die Zulassung von DMS-Absolvierenden zur Lehrpersonenbildung investiert worden war.

Eine Ablehnung des geplanten Profils Erziehung hätte diese Investitionen und die dafür aufgewendete Arbeit in Frage gestellt (E1). Wie die damals zuständige Person für den Bereich der Sekundarstufe II bei der EDK berichtet, «konnte man darlegen, dass das eben ein Feld ist, das bis jetzt beackert worden ist, und es sich sicher lohnt, dass man das nicht aufgibt» (E4). Die Existenz von bzw. die Vernetzung mit bestehenden Form(investition)en kann vor diesem Hintergrund als zentrale Voraussetzung dafür interpretiert werden, dass das Profil Erziehung in dieser für die DMS wichtige Phase kaum umstritten war.

Ende 2002 beauftragte der EDK-Vorstand das Generalsekretariat damit, basierend auf den Vernehmlassungsergebnissen einen überarbeiteten Entwurf für das neue Diplommittelschul- bzw. Fachmittelschul-Anerkennungsreglement auszuarbeiten. Da der Begriff «Diplom» neu für Abschlüsse der Tertiärstufe vorbehalten war, wurden die Diplommittelschulen im Rahmen ihrer Neukonzeption in Fachmittelschulen umbenannt (P7). Der überarbeitete Entwurf sah vor, dass der Fachmittelschulausweis (das ehemalige Abschlussdiplom der Diplommittelschule) zu Höheren Fachschulen führen sollte. Geplant war zusätzlich auch die Einführung einer Fachmaturität. In Form eines Praktikums und einer Fachmaturitätsarbeit sollte sie den Zugang zu FH-Studiengängen etwa in den Bereichen Gesundheit und Soziales eröffnen. In Form einer «ergänzten Allgemeinbildung» sollte die Fachmaturität auch zu «Pädagogischen Hochschulstudiengängen» Zugang bieten (P10).

5.3.2 Die Koordinationssituation der EDK-Plenarversammlung 2003

Dieser Entwurf, der die Einführung einer Fachmaturität vorsah, wurde an die Leitung des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT) geschickt, da das damalige EDK-Präsidium sich bezüglich der Entwicklungen im Berufsbildungsbereich (Überführung der Ausbildung in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Kunst in die Bundeskompetenz) mit dem BBT absprechen wollte (P11). Die Antwort des BBT auf Einführung einer Fachmaturität fiel allerdings negativ aus. Kritisiert wurde, dass die Fachmaturität Angebote aus Bereichen der bereits etablierten gymnasialen Maturität und Berufsmaturität mache (P12, S. 2). Diese Konzeption von Schultypen als konkurrierenden Bildungsangebote kann als Ausdruck einer marktlichen Argumentationslogik interpretiert werden, welche die generelle Haltung der Akteur*innen der Berufsbildung gegenüber der FMS in diesem Zeitraum widerspiegelt (siehe Esposito 2022); Esposito, Leemann & Imdorf (2019). Die Schaffung eines «eigenständigen Profils» der Fachmittelschule würde durch ein solches Mischangebot aus gymnasialer und Berufsmaturität erschwert (P12, S. 2). Auch dieses Argument betont Wertigkeiten der marktlichen Konvention, in welcher ein eigenständiges, unverwechselbares Profil oder Bildungsangebot eine Qualität darstellt, und eine wahrgenommene Überschneidung mit anderen Bildungsangeboten kritisiert wird. Auf Basis dieser Argumentation wurde der FMS in einem zweiten Brief der BBT-Leitungsperson lediglich ein Zugang zu kantonalen Höheren Fachschulen zugestanden (P13, S. 2).

Die Diskussion des Entwurfs des neuen FMS-Anerkennungsreglements inklusive Fachmaturität (welche für die Zulassung zu den PH aus ergänzter Allgemeinbildung bestehen sollte) war Traktandum der EDK-Plenarversammlung Anfang 2003 (P14). Zusammen mit der Sitzungseinladung erhielten die kantonalen Erziehungsdirektionen auch den oben erwähnten Brief des BBT mit der Kritik an der Fachmaturität (ebd.). Dieser Brief, welcher als materielle Objektivierung von Wertigkeiten der marktlichen Konvention interpretiert werden kann, schien derselbigen in der EDK-Plenarversammlung Reichweite und Gewicht zu verleihen. So wurde in der Plenarversammlung auf den Brief Bezug genommen und ebenfalls Argumente der Konkurrenzierung von gymnasialer und Berufsmaturität oder zu hoher Kosten vorgebracht (P15). Befürworter*innen der Einführung einer Fachmaturität argumentierten, dass man sich im eigenen Kanton bereits dazu entschieden habe, die FMS aufrechtzuerhalten und dass sie eine wichtige Zubringerin zur Lehrpersonenbildung sei (häuslich-regionalistische Konvention), dass es für manche FH-Studiengänge gar keine entsprechende Vorbildung auf Sekundarstufe II gäbe, und der Verzicht auf die FMS zu Nachwuchsmangel im Lehrberuf führen könnte (industrielle Konvention) (ebd.).

Das Protokoll der Plenarversammlung legt die Vermutung nahe, dass sich letztendlich die marktlichen Argumente durchsetzen. Mit 14:9 Stimmen entschied die EDK-Plenarversammlung, die Fachmaturität und damit auch die direkte Zulassung von FMS-Absolvierenden zur PH restlos aus dem Reglement zu streichen (ebd.). Mit Blick auf dieses Resultat kann die Hypothese formuliert werden, dass die zu dieser Zeit ohnehin sehr präsente Ablehnung von Akteur*innen der Berufsbildung gegenüber der FMS zusätzlich dadurch Gewicht bekam, dass sie in objektivierter Form des Briefs in der Koordinationssituation anwesend war und somit die Ablehnung der Fachmaturität beförderte.

Das Stimmenverhältnis von 14:9 lässt jedoch auch eine Opposition erkennen. Insbesondere die Erziehungsdirektion eines Nordwestschweizer Kantons mit einer Tradition des Zugangs von DMS-Absolvierenden in die Lehrpersonenbildung kündigte an, für die zweite Lesung des Entwurfs des FMS-Anerkennungsreglements einen entsprechenden Antrag stellen zu wollen (P16). Die Person setzte dies um und investierte damit ebenfalls in eine Form, welche die zweite Lesung möglicherweise in ähnlicher Art wie der Brief des BBT beeinflussen würde. Sie versandte einen Antrag auf Wiederaufnahme der Fachmaturität (welche in Form ergänzter Allgemeinbildung zur PH führen sollte) in den Reglementsentwurf an die EDK (ebd.). Zusätzlich versandte sie diesen Antrag auch an die übrigen kantonalen Erziehungsdirektionen der Nordwestschweiz mit der Bitte, den Antrag in der zweiten Lesung der Plenarversammlung zu unterstützen bzw. zumindest «nicht zu blockieren» (P17).

In ihrem Plädoyer stützte sich besagte Erziehungsdirektion auf ein breit gefächertes Register an Argumenten. Mit dem Verweis auf den Fachkräftemangel in Unterrichts-, Pflege- und Sozialberufen, auf das Bestreben zur optimalen Nutzung von Nachwuchs- und Begabungsressourcen und der ausgleichenden Funktion der FMS bei Lehrstellenknappheit oder einer zu hohen Gymnasialquote stützte sie sich auf Wertigkeiten der industriellen Konvention. Zusätzlich rief die Erziehungsdirektion mit dem Argument der Verbesserung von Bildungschancen für Migrant*innen und junge Frauen sowie dem Verhindern von bildungsbiografischen Sackgassen durch die FMS auch das staatsbürgerliche Gemeinwohl an.

Die staatsbürgerliche Logik wurde unterstützt durch ein Schreiben der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, welche den Antrag der Nordwestschweizer Erziehungsdirektion ausdrücklich unterstützte. Sie hob ebenfalls die Bedeutung einer Fachmaturität und den entsprechenden hochschulischen Anschlussmöglichkeiten für benachteiligte soziale Gruppen (bezüglich Migrationshintergrund, Geschlecht oder sozialer Herkunft) hervor (P18). Mit dem Verweis auf kantonale Autonomie im Sinne unterschiedlicher kantonaler Bedürfnisse, Bildungskonzepte und soziodemografischer Strukturen integrierte die initiierende Erziehungsdirektion auch Wertigkeiten der häuslich-regionalistischen Konvention in ihr Argumentarium. Eine Ablehnung der Fachmaturität würde – so die Nordwestschweizer Erziehungsdirektion – dem föderalistischen Prinzip widersprechen (P16; P17).

5.3.3 Zwischenfazit II

Die initiierende Erziehungsdirektion des Nordwestschweizer Kantons stützte sich also mit Unterstützung durch die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten auf ein breites Spektrum industrieller, staatsbürgerlicher und häuslich-regionalistischer Argumente, um die Einführung der Fachmaturität zu legitimieren und den in der Sitzung davor noch dominanten marktlichen Handlungslogiken zu begegnen. Damit berief sie sich auf diejenigen drei Konventionen, die sich in den bisherigen Analysen als grundlegend für die Handlungskoordination im Rahmen der EDK erwiesen haben. Die Erziehungsdirektion objektivierte diese Argumente in der materialisierten Form eines schriftlichen Plädoyers, welches den übrigen Erziehungsdirektoren vorlag und in der EDK-Plenarversammlung als Objekt physisch anwesend war. Es lässt sich die Hypothese formulieren, dass der Vorab-Versand des schriftlichen Plädoyers an die EDK-Plenarversammlung deren Kognition entsprechend vorstrukturierte und den häuslich-regionalistischen, industriellen und staatsbürgerlichen Argumenten in Form eines in der Koordinationssituation ‘anwesenden’ Objekts mehr Materialität und Reichweite verlieh.

Das anschließend in der Plenarversammlung noch einmal mündlich vorgetragene Plädoyer (P19) traf damit auf eine bereits kognitiv vorstrukturierte Situation. So lässt sich erklären, dass nach dem Beschluss zur Streichung der Fachmaturität in der ersten Lesung in der zweiten Lesung vom 12. Juni 2003 das FMS-Anerkennungsreglement von der EDK-Plenarversammlung MIT Einführung der Fachmaturität verabschiedet wurde – und dies ohne eine einzige Gegenstimme (P19). Somit war nicht nur beschlossen, dass mit dem neuen FMS-Anerkennungsreglement eine Fachmaturität eingeführt werden würde, welche den Zugang zu Fachhochschulen im Bereich Gesundheit, Soziales oder Kunst eröffnen sollte. Sie sollte im Bereich der Lehrpersonenbildung als «ergänzende Allgemeinbildung entsprechend den Anerkennungsreglementen der EDK betreffend die Ausbildung von Lehrpersonen den Zugang zu Pädagogischen Hochschulstudiengängen» gewährleisten (P20). Brisant war hierbei, dass im Gegensatz zum PH-Anerkennungsreglement von 1999 keine Stufendifferenzierung im Sinne einer Beschränkung auf einzelne Studiengänge in Betracht gezogen wurde, sondern allgemein vom Zugang zu «Pädagogischen Hochschulstudiengängen» die Rede war. Damit hätte die Fachmaturität im Bereich Erziehung/PädagogikFootnote 24 in dieser ursprünglichen Form direkten Zugang zu sämtlichen PH-Studiengängen gewährt.

Als zentrale Forminvestition musste das neue FMS-Anerkennungsreglement mit einer Fachmaturität, welche in Form ergänzter Allgemeinbildung Zugang zu den PH eröffnen sollte, in der Folge beim Aufbau der PH berücksichtigt werden. Wie die EDK im Rahmen der bildungsföderalistischen Handlungskoordination mit dieser neuen Herausforderung umging, ist Gegenstand des nächsten Kapitels und stellt die Ausgangslage für den dritten kritischen Moment im Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik dar.

5.4 Kritischer Moment III: PH-Anerkennungsreglement revisited: können oder müssen?

5.4.1 Aufbau der Pädagogischen Hochschulen und Folgeprobleme eines Kompromisses

Für die Pädagogischen Hochschulen, welche sich nach Verabschiedung des Anerkennungsreglements 1999 und zur Zeit der oben skizzierten Fachmittelschulentwicklungen gerade im Aufbau befanden, stellte diese neue Forminvestition der Fachmaturität eine zusätzliche Herausforderung i.S. einer «Koordinationserfordernis» (Diaz-Bone 2018, S. 375) dar.

Zur Erinnerung: bei der Verabschiedung des PH-Anerkennungsreglements von 1999 kamen insbesondere zwei Positionen zum Ausdruck. Vertreter*innen einer wissenschaftlich-tertiarisierten und professionalisierten Lehrpersonenbildung wollten – gestützt auf Koordinationsprinzipien der industriellen Konvention – nur die gymnasiale Maturität als Zulassungsausweis anerkennen. Befürworter*innen einer direkten Zulassung von FMS-Absolvierenden in die Lehrpersonenbildung (besonders Kantone mit einer DMS-Tradition in der Lehrpersonenbildung sowie die Konferenz der Rektor*innen der DMS) beriefen sich auf die lange Tradition, die Wertschätzung und die regionale Bedeutung (häuslich-regionalistische Konvention)Footnote 25 dieses Schultyps sowie dessen Beitrag zum Bildungsaufstieg benachteiligter sozialer Gruppen (staatsbürgerliche Konvention). Im PH-Anerkennungsreglement für die Vorschul- und Primarstufe wurde schließlich ein Kompromiss geschlossen, indem den Kantonen mittels einer «kann-Formulierung» freigestellt wurde, wie sie die Zulassung von Personen ohne gymnasiale Maturität handhaben wollen (siehe Abschn. 5.2.2).

Diesen Spielraum nutzten die Kantone beim Aufbau ihrer PH in hohem Maße aus. Das bestätigt die konventionentheoretische Annahme, dass Institutionen im Sinne von (in diesem Fall besonders flexiblen) Regeln aufgrund ihrer Unvollständigkeit einer konventionenbasierten Auslegung und Interpretation bedürfen (Diaz-Bone 2018, S. 211, 325 f.). So wie ihnen das Reglement es zugestand, setzten die im Aufbau befindlichen PH sehr unterschiedliche Zulassungsregelungen um. Auch die Formulierung «Allfällige Mängel in der Allgemeinbildung müssen behoben werden» (EDK 1999b) wurde unterschiedlich interpretiert. In diesem Zusammenhang kam es bereits im Rahmen des allerersten Anerkennungsgesuchs einer PH für Lehrdiplome der Vorschul- und Primarstufe zu einer «heiklen Auseinandersetzung» (P21, S. 83), die gemäß Aussage eines beteiligten Akteurs zum Streit zwischen Vertretern einzelner PH und der mit der PH-Anerkennung betrauten EDK-Kommission führte (E3).

Die EDK als Gremium der interkantonalen Koordination mit dem Ziel der Harmonisierung der Ausbildungssysteme nahm die kantonal bzw. regional unterschiedliche Handhabung des PH-Anerkennungsreglements als Problem wahr. War das Zugeständnis kantonaler Spielräume eine wichtige Voraussetzung dafür gewesen, dass das PH-Anerkennungsreglement im Sinne eines Kompromisses überhaupt verabschiedet werden konnte, führte die daraus folgende Flexibilität des Reglements und dessen unterschiedliche Auslegung nun direkt zu Folgeproblemen – zumindest aus einer industriellen Perspektive der Standardisierung und Vereinheitlichung, wie sie die EDK im Bereich der Lehrpersonenbildung verfolgte.

In der Folge nutzte der EDK-Vorstand das ihm zur Verfügung stehende Dispositiv an Instrumenten, um die Angleichung und Standardisierung der PH und deren Zulassungsbedingungen zu erreichen. So wurde beispielsweise die Informationsstelle der EDK (IDES) damit beauftragt, einen Bericht (Banz Schubiger und Stauffer 2002) zu erstellen, in welchem die verschiedenen Zulassungsbedingungen an den bestehenden oder im Aufbau befindlichen PH thematisiert, inventarisiert und damit die vorhandenen Unterschiede materiell sichtbar gemacht wurden.

Zudem wurde EDK-intern ein Diskussionspapier zur Thematik erstellt (P22). Es war Grundlage für weitere Zulassungsverhandlungen mit der Schweizerischen Konferenz der Rektor*innen der Pädagogischen Hochschulen (SKPH) sowie Sitzungsunterlage für eine EDK-Vorstandssitzung im Frühjahr 2003. Das Diskussionspapier sowie der im Anschluss an die Vorstandssitzung publizierte Beschluss (P23) zeigen die zentralen Kritikpunkte an den kantonal unterschiedlichen Zulassungsbedingungen zur Lehrpersonenbildung und verdeutlichen die damaligen Ziele der EDK:

Als «Gefahr» wahrgenommen wurde die Möglichkeit, dass sich Absolvierende einer gymnasialen Maturität aufgrund niedrigerer Zulassungsbedingungen von der Ausbildung weniger angesprochen fühlen würden (P22, S. 1) und somit – lässt sich vermuten – Nachwuchsprobleme entstehen würden. Auch Schwierigkeiten im Ablauf der PH-Anerkennungsverfahren, bei der Integration der PH in die Hochschullandschaft der Schweiz sowie bezüglich der Anerkennung der Lehrdiplome im europäischen Ausland wurden problematisiert (P23). Mit Fragen der Nachwuchsrekrutierung sowie der Valorisierung von standardisierten sowie gesamtschweizerisch und international anerkannten Abschlüssen valorisierte das Generalsekretariat der EDK hier einmal mehr Wertigkeiten der industriellen Konvention. Außerdem sollte Konkurrenz zwischen den einzelnen PH unbedingt vermieden werden (P23).Footnote 26

Da drei Monate vor dieser EDK-Vorstandssitzung in der ersten Lesung des FMS-Anerkennungsreglements die Fachmaturität gestrichen worden war (siehe Abschn. 5.3.2), ging der EDK-Vorstand zu diesem Zeitpunkt von einem ungeklärten «Delta» (P22; P23) zwischen dem Fachmittelschulausweis (ehemaliges DMS-Diplom) und dem PH-Eintritt aus (P23). Der Vorstand forderte diesbezüglich eine «Klärung und allenfalls Präzisierung der Reglemente» (ebd.).

Aus den bisher unterschiedlich gehandhabten Zulassungspraktiken beim Aufbau der neuen PH resp. einer tertiarisierten Primar- und Vorschullehrpersonenbildung leitete der EDK-Vorstand zudem das Bedürfnis einer präziseren «Definition der Anforderungen für die Aufnahme eines Studiums an einer Pädagogischen Hochschule» ab (ebd.). Mögliche Optionen waren für den Vorstand etwa ein spezifischer «Vorbereitungskurs» oder eine «Prüfung der Allgemeinbildung» (ebd.). Dabei handelte es sich um Formen, die seit den Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen 1993 immer wieder von Vertreter*innen eines PH-Zugangs einzig über die gymnasiale Maturität (oder einem äquivalenten Ausbildungsniveau) gefordert worden waren.

An dieser Stelle zeigt sich erneut die Relevanz bereits existierender Formen. Denn als Vorbild für einen solchen «Vorbereitungskurs» oder eine «Prüfung der Allgemeinbildung» wurde die inzwischen geschaffene Passerelle Berufsmaturität – universitäre HochschulenFootnote 27 herangezogen. Die Passerelle ist eine Ergänzungsprüfung für Personen mit einer Berufsmaturität, die beim erfolgreichen Absolvieren als allgemeiner Hochschulzulassungsausweis gilt und damit den Zugang zu universitären Studiengängen eröffnet. Diese Passerelle nahm der EDK-Vorstand als sinnvolle und legitime Vorlage für eine ähnliche Konstruktion im Bereich der Lehrpersonenbildung wahr, da das Passerellen-Examen eine einheitliche Prüfung der Allgemeinbildung vorsah (EDK Generalsekretariat 2003).

Aufgrund der als problematisch wahrgenommenen Situation bezüglich Zulassungspraktiken zur Lehrpersonenbildung der im Aufbau befindlichen PH fasste der EDK-Vorstand Beschlüsse für die weitere Stoßrichtung der EDK im Bereich der Lehrpersonenbildung (P23):

Erstens sollte der Regelzugang zu PH weiterhin über die gymnasiale Maturität führen. Personen ohne gymnasiale Maturität sollten ihre Studierfähigkeit für die PH nachweisen müssen, «ohne aber eine gymnasiale Matura nachzuholen» (ebd.).

Zweitens hielt der Vorstand weiterhin an der ‘Stufendifferenzierung’ fest (ebd.), wie sie im PH-Anerkennungsreglement festgehalten war. Es wurde also keine Vereinheitlichung der Zulassungsbedingungen der unterschiedlichen PH-Studiengänge angestrebt. Dies bedeutete, dass für die Studiengänge Sekundarstufe I und Logopädie/Psychomotoriktherapie ein Allgemeinbildungsniveau auf dem Niveau der gymnasialen Maturität bereits bei Eintritt in die Ausbildung nachgewiesen werden musste, während in den Studiengängen Vorschul- und Primarstufe «allfällige Mängel» auch noch im Verlauf der Ausbildung behoben werden konnten.

Drittens beschloss der Vorstand, dass die EDK gesamtschweizerisch für die drei PH-Studiengänge Vorschul- und Primarstufe, Sekundarstufe I sowie Logopädie/Psychomotoriktherapie die Anforderungen an das Allgemeinbildungsniveau für die Zulassung zur PH erlassen sowie geeignete Maßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung dieser Zulassungsrichtlinien in der Praxis ausarbeiten würde (ebd.).

5.4.2 Regelung der Zulassung zu den PH für Personen ohne gymnasiale Maturität – Überarbeitung des PH-Anerkennungsreglements

Entsprechend den obigen Beschlüssen stellte das Generalsekretariat der EDK gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe der Schweizerischen Konferenz der Rektor*innen der Pädagogischen Hochschulen (SKPH) Überlegungen dazu an, wie das Niveau der Allgemeinbildung bei PH-Eintritt geprüft und gegebenenfalls während der Ausbildung nachgeholt werden könnte.

Zu diesem Zweck rief das EDK-Generalsekretariat das Projekt «Regelung der Zulassung zu den Pädagogischen Hochschulen für Personen ohne gymnasiale Maturität» (P24) ins Leben. Im Rahmen dieses Projekts wurden Lösungen für die Problematik der ungeklärten und vagen Zulassungsregelungen erarbeitet, auf deren Basis ein Reglementsentwurf für eine Überarbeitung des ersten PH-Anerkennungsreglements von 1999 verfasst wurde (P25).

Der Entwurf für diese Überarbeitung orientierte sich an der Passerelle (siehe oben), wobei im Gegensatz zu dieser von Beginn an keine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung, sondern lediglich ein spezifisch für Pädagogische Hochschulstudiengänge zugeschnittenes Zulassungsprogramm erarbeitet werden und «gezielt zu denjenigen Kompetenzen hingeführt werden [sollte, S.H.], die für die Ausbildung zu einem Lehrberuf relevant sind» (P25, S. 2). «Im Hinblick auf die spätere Lehrtätigkeit» waren dies vor allem (fremd-)sprachliche Fähigkeiten (ebd.; E4) sowie musische Fächer.Footnote 28 Es ging beim zu erreichenden Allgemeinbildungsniveau um genau diejenigen Fächer und das zu erreichende Niveau, welches für die weitere Ausbildung zur Lehrperson als funktional beurteilt wurde. Diese Wertigkeiten wie Funktionalität, Kompetenz und Effizienz verweisen einmal mehr auf Handlungslogiken der industriellen Konvention.

In den Erläuterungen zum Reglementsentwurf wird sichtbar, dass die Einführung einer Fachmaturität (im Rahmen des neuen FMS-Anerkennungsreglements, siehe Abschn. 5.3.2) nicht erwartet worden war – erst recht nicht, dass sie Zugang zu «Pädagogischen Hochschulstudiengängen» (P20) ohne Beschränkung auf einzelne Studiengänge bieten sollte. Da der EDK-Vorstand aber bereits vor Einführung der Fachmaturität beschlossen hatte, die Stufendifferenzierung und somit unterschiedliche Zulassungsbedingungen für die PH-Studiengänge beizubehalten (siehe oben), wurde der Zugang über die neu verabschiedete Fachmaturität in die PH dergestalt interpretiert, dass dieser lediglich für die Studiengänge Vorschul- und Primarstufe gelten würde. Der Reglementsentwurf sah folglich vor, dass neben der gymnasialen Maturität auch eine Fachmaturität Pädagogik zur Zulassung zu den Studiengängen Vorschul- und Primarstufe an PH berechtigen sollte (P25).

Der Reglementsentwurf sah zur Prüfung der notwendigen Kompetenzen für den Eintritt ins PH-Studium eine «Ergänzungsprüfung» vor, welche alle Personen ohne gymnasiale Maturität für die Zulassung zu den Studiengängen Vorschul- und Primarstufe ablegen können sollten. Die noch auszuarbeitende Fachmaturität Pädagogik sollte inhaltlich deckungsgleich mit dieser Ergänzungsprüfung sein. Der Unterschied zwischen beiden Formen war, dass die PH laut Reglementsentwurf zur Zulassung von Absolvierenden der Fachmaturität Pädagogik verpflichtet gewesen wäre – nicht aber zur Zulassung von Absolvierenden der «Ergänzungsprüfung» (ebd.).

Die Ergänzungsprüfung (und somit auch die Fachmaturität Pädagogik) sollte den Nachweis einer für das Studium zur Vorschul- oder Primarlehrperson genügenden Allgemeinbildung erbringen und aus einer Prüfung in den Fächern lokale Landessprache, zweite Landessprache, dritte Sprache oder Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie einem musischen Fach bestehen. Zudem sollte die bisher vom PH-Anerkennungsreglement noch erlaubte, direkte und prüfungsfreie Zulassung von FMS-Absolvierenden ohne Fachmaturität (aber mit Fachmittelschulausweis resp. dem ehemaligen DMS-Diplom) in den PH-Studiengang Vorschule/Kindergarten ersatzlos gestrichen werden (ebd.).

Diese Vorschläge für das neue bzw. überarbeitete PH-Anerkennungsreglement verdeutlichen, dass es den FMS-Akteur*innen (insbesondere der Initiative der Nordwestschweizer Erziehungsdirektion) gerade zum richtigen Zeitpunkt gelungen war, eine Zugangsberechtigung (Fachmaturität, festgehalten im FMS-Anerkennungsreglement 2003) in die PH zu sichern. In der Überarbeitung des PH-Anerkennungsreglements von 1999 musste die Fachmaturität in irgendeiner Art und Weise berücksichtigt werden. Dies erweist sich angesichts der geplanten Streichung des bisher immer als unantastbar geltenden direkten Zugangs von Absolvierenden eines Fachmittelschulausweises (ehemals DMS-Diplom) in die Ausbildung von Vorschul- oder Kindergartenlehrpersonen als umso bedeutsamer. Dies verdeutlicht erneut die Relevanz von Forminvestitionen im Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik, wobei in diesem Falle vor allem der Beschluss zur Einführung einer Fachmaturität und der entsprechenden Zugangsberechtigung zu PH (siehe Abschn. 5.3.2) von Bedeutung war.

Der Entwurf für die Überarbeitung des PH-Anerkennungsreglements wurde Ende 2003 in die Vernehmlassung bei den Kantonen und den Institutionen der Lehrpersonenbildung gegeben. In den Vernehmlassungsantworten dominierte inhaltlich ein Fokus auf spezifisch für den Lehrberuf notwendige Kompetenzen und Fächer, die im Rahmen einer Fachmaturität Pädagogik zu vermitteln seien (P26) – was auf die Bewertungsgrundlage der industriellen Konvention verweist. Zudem forderten viele Vernehmlassungsteilnehmende eine Abschaffung der Stufendifferenzierung, also der unterschiedlichen Zulassungsbedingungen für die verschiedenen PH-Studiengänge (ebd.). Daraus folgerte das EDK-Generalsekretariat, dass die Frage der Stufendifferenzierung neu beurteilt werden müsse und kündigte folgende Konsequenzen an (P26, S. 5):

  1. a)

    Im Falle einer Beibehaltung der Stufendifferenzierung sollte die neu auszuarbeitende Fachmaturität Pädagogik zur Zulassung zu den Studiengängen Vorschul- und Primarstufe berechtigen.

  2. b)

    Im Falle der Abschaffung der Stufendifferenzierung bzw. der unterschiedlichen Zulassungsbedingungen zu verschiedenen PH-Studiengängen sollte die Fachmaturität Pädagogik entweder inhaltlich ein allgemeiner Hochschulzulassungsausweis sein und darin der Passerelle als Äquivalent zur gymnasialen Maturität entsprechen – oder gar keinen Zugang mehr zur Pädagogischen Hochschule bieten.

  3. c)

    Zudem sollte wie im Reglementsentwurf angekündigt der prüfungsfreie Zugang von FMS-Absolvierenden (ehemals DMS-Diplom) zum Studiengang Vorschule/Kindergarten aufgehoben werden.

Anfang 2005 stellte der EDK-Vorstand schließlich einen Antrag auf Abschaffung der Stufendifferenzierung und schuf so die Ausgangslage für den dritten kritischen Moment des Zugangs von FMS-Absolvierenden in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung.

5.4.3 Die Koordinationssituation der EDK-Plenarversammlungen 2005: Stufendifferenzierung und Überarbeitung des PH-Anerkennungsreglements

Diese Ausgangslage kann als kritisch bezeichnet werden, da eine Abschaffung der Stufendifferenzierung nämlich wie oben erläutert (Punkt b) zur Folge gehabt hätte, dass die Fachmaturität Pädagogik entweder gar keinen Zugang zu den PH mehr geboten und ihre traditionelle Zubringerfunktion zur Lehrpersonenbildung komplett verloren hätte, oder bezüglich Anforderungsniveau der Passerelle als einem allgemeinen Hochschulzulassungsausweis und somit der gymnasialen Maturität hätte entsprechen müssen (da Absolvierende auch zu anderen PH-Studiengängen wie z. B. der Sekundarstufe I zugelassen gewesen wären). Da der Eintritt in die FMS ein weniger hohes Leistungsniveau als das Gymnasium erfordert, hätte eine Angleichung der Fachmaturität Pädagogik an ein gymnasiales Anforderungsniveau mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass viele Fachmittelschüler*innen daran gescheitert wären.

Der EDK-Vorstand stellte in der EDK-Plenarversammlung März 2005 den Antrag, die Stufendifferenzierung abzuschaffen. Der Antrag wurde von der Plenarversammlung allerdings unerwartet und deutlich abgelehnt (P27).

Die im Protokoll der entsprechenden Sitzung festgehaltenen Argumente der kantonalen Erziehungsdirektionen stützten sich fast ausschließlich auf den ‘Sachzwang’ bereits existierender Forminvestitionen (Knoll 2014, S. 60) im Bildungssystem. Das PH-Anerkennungsreglement von 1999 sei gerade erst in Umsetzung und es wäre «falsch, schon jetzt die Spielregeln ändern zu wollen» (P27, S. 6). Die eben erst beschlossene Fachmaturität dürfe nicht blockiert oder gefährdet werden. Alles sei nun «für die Fachmaturität aufgegleist. Niemand würde es verstehen, wenn man diese Möglichkeit abschaffen würde» (ebd., S. 7).

Aufkommende Kritik an kantonaler Beliebigkeit sowie die Befürchtung eines Niveauverlusts in der Lehrpersonenbildung konnte sich angesichts des beschriebenen Sachzwangs nicht durchsetzen. Die Abschaffung der Stufendifferenzierung – welche faktisch eine Abschaffung der Fachmaturität Pädagogik oder deren Gleichsetzung mit der Passerelle bedeutet hätte – wurde mit 17:9 Stimmen abgelehnt (ebd.). Damit musste die Fachmaturität Pädagogik als Zulassungsberechtigung zu den PH-Studiengängen Vorschul- und Primarstufe in die Überarbeitung des PH-Anerkennungsreglements von 1999 aufgenommen werden.

Dies bedeutete aber noch kein Ende der Dispute. Es stellte sich im Anschluss nämlich die Frage, ob die Pädagogischen Hochschulen per Anerkennungsreglement dazu verpflichtet werden können, die Fachmaturität Pädagogik als Zulassungsausweis zu akzeptieren resp. Absolvierende der Fachmaturität Pädagogik prüfungsfrei zum Studium der Vorschul- und Primarstufe zuzulassen. Der überarbeitete Entwurf des PH-Anerkennungsreglements, welcher die Fachmaturität Pädagogik nun als Zulassungsberechtigung zu den PH-Studiengängen Vorschul- und Primarstufe vorsah, wurde der EDK-Plenarversammlung im Sommer 2005 zur Diskussion und Verabschiedung vorgelegt.

Bei der Verabschiedung des ersten PH-Anerkennungsreglements der Vorschul- und Primarstufe im Jahr 1999 waren Zugeständnisse an kantonale Autonomie in der Lehrpersonenbildung im Format der «kann-Formulierung» wichtige Voraussetzungen für die gesamtschweizerische Harmonisierung der Lehrpersonenbildung gewesen (siehe kritischer Moment I, Abschn. 5.2.2). Im Kontext der Überarbeitung dieses Reglements im Jahr 2005 stellten sich kantonal unterschiedliche Bedürfnisse jedoch als Hindernis für die Harmonisierung der PH-Zulassungsrichtlinien dar. Mehrere kantonale Erziehungsdirektionen wollten sich nämlich nicht verpflichten lassen, Absolvierende der Fachmaturität Pädagogik prüfungsfrei zur Ausbildung von Vorschul- und Primarlehrpersonen zuzulassen.

Diese Gegner*innen einer verpflichtenden Zulassung stützten sich in ihrer Argumentation auf häuslich-regionalistische Wertigkeiten: eine Verpflichtung der PH zur Anerkennung der Fachmaturität Pädagogik als Zulassungsausweis würde der kantonalen Hoheit in der Lehrpersonenbildung widersprechen und verunmöglichen, bei regionalem Lehrpersonenmangel oder einem Überschuss an PH-Studierenden entsprechend via flexibler Zulassungsbedingungen reagieren zu können (P28). Auch industrielle Begründungen der nationalen und internationalen Kompatibilität der Bildungssystematik wurden angeführt und davor gewarnt, durch die verpflichtende Zulassung von Absolvierenden der Fachmaturität Pädagogik Anerkennungs- und Durchlässigkeitsprobleme gegenüber dem europäischen Ausland sowie gegenüber den Universitäten zu provozieren (ebd.).

Die Befürworter*innen einer gesamtschweizerisch verpflichtenden Zulassung von Absolvierenden der Fachmaturität Pädagogik zu den Studiengängen Vorschul- und Primarstufe stützen sich erneut auf den Sachzwang bereits getätigter Forminvestitionen wie das 2003 beschlossene FMS-Anerkennungsreglement und die in diesem Rahmen geschaffene Fachmaturität. Diese würde durch eine optionale «kann-Formulierung» in Frage gestellt und «diskriminiert» (P28, S. 12). Ihr Berufen auf eine (quasi-)rechtliche Verankerung des Zugangs über die FMS in die PH, die Kritik an einer Diskriminierung verweisen auf staatsbürgerliche Wertigkeiten, gestützt durch das ‘Sachzwang’-Argument der bereits beschlossenen Fachmaturität.

Diese Begründungen erwiesen sich allerdings gegenüber den häuslich-regionalistischen Argumenten der kantonalen Autonomie in der Lehrpersonenbildung sowie den industriellen Logiken der (inter-)nationalen Anerkennungsproblematik als weniger gewichtig. So stimmten letztendlich zwei Drittel der Kantone für eine «kann-Formulierung» im überarbeiteten PH-Anerkennungsreglement. Dies bedeutete, dass den Pädagogischen Hochschulen weiterhin optional freigestellt war, ob sie Absolvierende der FMS – mit einer noch auszuarbeitenden Fachmaturität Pädagogik – zum Studium der Vorschul- und Primarstufe zulassen oder nicht.

Auch die direkte, prüfungsfreie Zulassung von FMS-Absolvierenden ohne Fachmaturität Pädagogik zum Studiengang Kindergarten/Vorschule gab Anlass zur Diskussion. Einerseits sei diese direkte Zulassung durch die Stufendifferenzierung beschlossen worden (Sachzwang-Argument), andererseits sei ihre Aufrechterhaltung mit der Einführung einer Basisstufe (siehe Abschn. 5.1.4.5) am Horizont wenig sinnvoll bzw. würde sich in diesem Falle mittel- oder langfristig von selbst ‘erledigen’ (ebd., S. 13). Auch hier griff man zur Lösung des Problems auf eine «kann-Formulierung» zurück und stützte damit die häuslich-regionalistische Logik der kantonalen Autonomie. Auch bei Inhaber*innen eines Fachmittelschulausweises (ohne Fachmaturität) sollten die PH selbst entscheiden können, ob sie diese prüfungsfrei zum Studiengang Kindergarten/Vorschulstufe zulassen.

5.4.4 Zwischenfazit III

Bei der Verabschiedung des ersten PH-Anerkennungsreglements der Vorschul- und Primarstufe im Jahr 1999 erwiesen sich Zugeständnisse an kantonale Autonomie in der Lehrpersonenbildung im Format der «kann-Formulierung» als wichtige Voraussetzung für die gesamtschweizerische Harmonisierung der Lehrpersonenbildung. Die im Anschluss kantonal bzw. regional sehr unterschiedliche Handhabung dieses PH-Anerkennungsreglements nahm die EDK als Gremium der interkantonalen Koordination mit dem Ziel der Harmonisierung im Bildungswesen als Problem wahr. Aus der Perspektive der EDK – fundiert durch eine industrielle Logik der (strukturellen) Harmonisierung, Standardisierung und Vereinheitlichung insbesondere im Bereich der Lehrpersonenbildung – waren uneinheitliche, lediglich kantonal gepflegte Zugänge (häuslich-regionalistische Konvention) problematisch.

Der EDK-Vorstand aktivierte das ihm zur Verfügung stehende Dispositiv an Instrumenten, um die Angleichung und Standardisierung der PH und ihrer Zulassungsbedingungen zu erreichen. Dies umfasste u. a. eine Überarbeitung des PH-Anerkennungsreglements der Vorschul- und Primarstufe, wobei die unerwartet eingeführte Fachmaturität Pädagogik (siehe Abschn. 5.3) berücksichtigt werden musste.

Der vom EDK-Generalsekretariat daraufhin erarbeitete Entwurf für ein überarbeitetes PH-Anerkennungsreglement verweist in hohem Masse auf Logiken der industriellen Konvention: Die Zulassung von Personen ohne gymnasiale Maturität sollte im Rahmen einer Ergänzungsprüfung geregelt werden, welche formal der Fachmaturität Pädagogik entsprechen und sich an der bereits existierenden Form der Passerelle orientieren sollte. Mit dieser Prüfung (und somit auch mit der Fachmaturität Pädagogik) sollten Anwärter*innen «gezielt zu denjenigen Kompetenzen hingeführt werden, die für die Ausbildung zu einem Lehrberuf relevant» seien (P25).

Da in der Vernehmlassung dieses Reglementsentwurfs viele Kantone die Abschaffung der Stufendifferenzierung (unterschiedliche Zulassungsbedingungen für verschiedene Zielstufen) forderten, stellte der EDK-Vorstand einen entsprechenden Antrag in der Plenarversammlung. Eine Abschaffung hätte jedoch bedeutet, dass die FMS Pädagogik entweder gar keinen Zugang mehr zur PH gewährleistet, oder aber in ihrem Anforderungsniveau einem allgemeinen Hochschulzulassungsausweis hätte entsprechen müssen (da Absolvierende dann auch zu anderen PH-Studiengängen zugelassen gewesen wären). Dies hätte dazu geführt, dass Absolvierende der FMS Pädagogik entweder nicht mehr oder nur bei einem entsprechend hohen Leistungsniveau in die PH eintreten hätten können und die traditionell ‘garantierte’ Zubringerfunktion der FMS Pädagogik aufgehoben worden wäre.

Die Ablehnung der EDK-Plenarversammlung dieses Antrags auf Abschaffung der Stufendifferenzierung mit Berufung auf das ‘Sachzwang’-Argument einer bereits geschaffenen Fachmaturität Pädagogik verweist erneut auf die hohe Bedeutung bereits bestehender Forminvestitionen i.S.v. Mechanismen der Pfadabhängigkeit. Die Stufendifferenzierung und damit die unterschiedlichen Zulassungsbedingungen blieben bestehen und die Fachmaturität Pädagogik sollte Zugang zum Studium der Vorschul- und Primarstufe bieten.

Dennoch war wiederum zu klären, ob die kantonalen PH zu einer Zulassung dieser Absolvierenden einer Fachmaturität Pädagogik verpflichtet werden konnten. Trotz der dominanten industriellen Logik innerhalb des EDK-Vorstands und des Generalsekretariats erwiesen sich in dieser Aushandlung wiederum häuslich-regionalistische Argumente der kantonalen Hoheit über die Lehrpersonenbildung und Ausrichtung an regionalen Bedürfnissen als gewichtige und letztendlich matchentscheidende Argumente. Zur Lösung wurde ebenso wie im Jahr 1999 ein Kompromiss zwischen häuslich-regionalistischen, staatsbürgerlichen (Minimalkonsens, Verzicht auf Bevorzugung einzelner Kantone) und industriellen Logiken (Vereinheitlichung und Standardisierung der Zulassungsbedingungen, Festlegen von notwendigen Kompetenzen für die hochschulische Lehrpersonenbildung) geschlossen und erneut über die Kompromissformel einer «kann-Formulierung» stabilisiert, welche schließlich Eingang ins verabschiedete Reglement fand.

5.5 Weitere Entwicklungen

2007 wurde schließlich die Fachmaturität Pädagogik eingeführt (EDK 2007), welche – wie bereits in den Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen 1993 angestrebt – aus einer Zusatzausbildung in allgemeinbildenden Fächern besteht. Seit Einführung der Fachmaturität Pädagogik entwickelte sich die FMS Pädagogik trotz der «kann-Formulierung» im PH-Anerkennungsreglement zu einer quantitativ immer bedeutenderen Zubringerin zur Ausbildung von Primarlehrpersonen (siehe Abschn. 2.3.2.3) und trägt seit ihrer Institutionalisierung in wesentlichem Ausmaß zum Wachstum der PH-Studierendenzahlen bei (Denzler 2018).

Eine unerwartete Wendung nahm der Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik mit dem Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG), welches 2011 verabschiedet wurde und 2015 in Kraft trat. In diesem Gesetz wurde die Fachmaturität Pädagogik neu rechtlich bindend als Zulassungsberechtigung zu den PH-Studiengängen Vorschul- und Primarstufe definiert. Mit Inkrafttreten des HFKG am 1. Januar 2015 waren somit alle PH dazu verpflichtet, Inhaber*innen einer Fachmaturität Pädagogik zum Studium der Vorschul-und Primarstufe zuzulassen.

Wie es dazu kam, dass der Bundesstaat hier in das traditionell kantonale Hoheitsgebiet der Lehrpersonenbildung eingriff und auf welchen Handlungs- und Koordinationslogiken die Argumente der entsprechenden Verhandlungen beruhten, ist nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Studie. Wie ein Blick auf die entsprechenden bildungspolitischen Verhandlungen auf Bundesebene aber zeigt, wurde die Fachmaturität Pädagogik bei der Ausarbeitung des HFKG nicht mehr hinterfragt. Vielmehr stand die Zulassung von Absolvierenden einer Berufsmaturität im Fokus. Diese Bestrebungen konnten sich letztendlich nicht durchsetzen.

Die verpflichtende Zulassung von Absolvierenden einer Fachmaturität Pädagogik wurde aber mit industriellen Wertigkeiten der Systematisierung, Harmonisierung und Sicherstellung von Lehrkräftenachwuchs sowie häuslichen Argumenten der Stärkung praxisbezogener Ausbildungswege (wie der Fach- oder Berufsmaturität und mit Letzterem auch der dualen Berufsausbildung) begründet. Der Eingriff in das traditionell kantonale Hoheitsgebiet der Lehrpersonenbildung wurde zudem damit legitimiert, dass die verpflichtende Zulassung von Absolvierenden der Fachmaturität Pädagogik ohnehin bereits von den meisten Pädagogischen Hochschulen praktiziert werde.

Aufgrund der bundesrechtlichen Regelung im HFKG sah sich die EDK in der Folge gezwungen, das PH-Anerkennungsreglement für die Vorschul- und Primarstufe entsprechend erneut zu überarbeiten und die nur fakultative Zulassung von Inhaber*innen einer Fachmaturität Pädagogik via «kann-Formulierung» aufzuheben.Footnote 29 Seit 2015 ist die Fachmaturität Pädagogik eine gesamtschweizerisch anerkannte Zulassungsberechtigung zur Ausbildung von Primarlehrpersonen an PH. Da das HFKG außerdem keine prüfungsfreie Zulassung von Inhaber*innen eines Fachmittelschulausweises (ehemaliges DMS-Diplom) zum Studiengang Kindergarten/Vorschule vorsieht, wurde auch diese Regelung ins überarbeitete PH-Anerkennungsreglement übernommen. So besteht für Fachmittelschüler*innen ohne Fachmaturität Pädagogik mittlerweile keine direkte Anschlussmöglichkeit an PH mehr (EDK 2019).

5.6 Fazit: Die Institutionalisierung der FMS Pädagogik aus konventionentheoretischer Perspektive

In den 1990ern wurde die seminaristische Ausbildung von Lehrpersonen aufgelöst und die Lehrpersonenbildung auf Hochschulstufe angesiedelt. Im Rahmen dieser Tertiarisierungsreform sollten die neu eingeführten gymnasialen Schwerpunktfächer Musik, Bildnerisches Gestalten und Philosophie/Pädagogik/Psychologie (musisch-pädagogisches Gymnasialprofil) die in Auflösung befindlichen Lehrer*innenseminare funktional ersetzen. Das Gymnasium wurde in der Folge und der Tradition der meisten Kantone entsprechend als Königsweg in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung positioniert. Die FMS bzw. ehemalige DMS hatte bis dahin zwar traditionell auf erzieherisch-pädagogische Berufe vorbereitet und bot vielerorts Zugang zur Ausbildung von Lehrpersonen des Kindergartens resp. Vorschule, der Hausarbeit und der Handwirtschaft. Dieser Zugang wurde aber im Kontext der Reform der Lehrpersonenbildung in Frage gestellt und die Position und Zugangsberechtigung der FMS in die neu tertiarisierte Lehrpersonenbildung musste geklärt werden. Gegenstand des Kap.  5 war dieser Prozess der Infragestellung und der umkämpften Institutionalisierung der FMS Pädagogik, der aus konventionentheoretischer Perspektive als bildungspolitischer Koordinationsprozess verstanden werden kann.

Es stand die Frage im Zentrum, wie sich die Fachmittelschule mit Profil und Fachmaturität Pädagogik trotz wiederholter Kritik und in Anbetracht des gymnasialen «Königswegs» als Zugangsweg in die Ausbildung von PrimarlehrpersonenFootnote 30 institutionalisieren konnte und welche Prozesse und Dynamiken im Sinne von Kritiken, Disputen und Kompromissen dabei ausschlaggebend waren. Es interessierte, auf welche Konventionen sich welche Akteur*innen in der Handlungskoordination stützten, wie auftretende Konflikte handlungspraktisch gelöst wurden und wie die gegebenenfalls gefundenen Kompromisse stabilisiert wurden. Es wurde untersucht, in welche Formen die beteiligten Akteur*innen mit welchen Begründungen investierten, und wie sich im Zusammenspiel dieser Dynamiken die (erfolgreiche, aber umkämpfte) Institutionalisierung der FMS Pädagogik erklären lässt.

Entlang dreier kritischer Momente oder Situationen der Handlungskoordination, in denen der Zugang von der FMS in die tertiarisierte Lehrpersonenbildung zur Debatte stand und aufgelöst hätte werden können, wurde aufgezeigt und erklärt, wie sich die FMS trotz Kritik als Zubringerin zur Ausbildung von Primarlehrpersonen institutionalisieren konnte. Die Ausgangslage stellte dabei die Erkenntnis dar, dass bei der Steuerung der Lehrpersonenbildung im Rahmen der EDK insbesondere

  • Die häuslich-regionalistische (kantonale Autonomie und traditionell-regional gepflegte Zugänge in die Lehrpersonenbildung),

  • die industrielle (Harmonisierung, Standardisierung, Nachwuchssicherung, Professionalisierung, Fachkompetenz Wissenschaftlichkeit) und punktuell auch

  • die staatsbürgerliche Konvention (Partizipation, Chancengleichheit, Bildungsaufstieg, rechtliche Gültigkeit)

von Bedeutung waren. Es bestätigte sich die eingangs formulierte These, dass die EDK im Kontext der Steuerung und Koordination der Lehrpersonenbildung als bildungspolitisches Konstrukt verstanden werden kann, welches sich u. a. aus historischen Gründen vor allem auf diese drei Gemeinwohlorientierungen stützt.

Die Analyse legt die Schlussfolgerung nahe, dass die EDK in Situationen der Handlungskoordination jeweils Wertigkeiten der häuslich-regionalistischen, der industriellen und der staatsbürgerlichen Konvention integrieren muss, um beschlussfähige Kompromisse zu finden und zu einer Übereinkunft zu kommen. Es wurde allerdings auch aufgezeigt, wie hierbei jeweils nur vorübergehend eine Lösung in Form eines Kompromisses zwischen den drei Gemeinwohlorientierungen gefunden wurde, welcher im Nachgang zu Folgeproblemen und -konflikten führte.Footnote 31 Dies erforderte eine erneute Koordination der beteiligten Akteur*innen und setzte den Zulassung von FMS-Absolvierenden in die Ausbildung von Primarlehrpersonen neuen Infragestellungen aus.

Zusammenfassend lassen sich einige zentrale Mechanismen identifizieren, die zum erfolgreichen Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik beigetragen haben. Erstens musste aufgrund des föderalistischen Prinzips der Bildungssteuerung in der Lehrpersonenbildung im Rahmen der interkantonalen Koordination immer wieder ein Minimalkonsens zwischen den verschiedenen kantonalen Forderungen und Ansprüchen hergestellt werden. Dafür mussten Kompromisse zwischen der häuslich-regionalistischen (regionale Traditionen der Lehrpersonenbildung), der industriellen (Standardisierung, Professionalisierung) und der staatsbürgerlichen (Kohärenz mit Gesetzen/Regelungen; Durchlässigkeit und gleiche Bildungschancen) Konvention geschlossen werden.

Der EDK-Vorstand stützte sich mit seinen Bestrebungen zur Harmonisierung, Standardisierung und Professionalisierung der Lehrpersonenbildung ausgeprägt auf Handlungslogiken der industriellen Konvention. Dennoch erschien aufgrund der historischen Entstehungsgeschichte des schweizerischen Bildungsföderalismus der ‘Höhepunkt’ der industriellen Standardisierungslogik – eine zentralstaatliche, einheitliche Regelung durch den Bund – als zu vermeidendes Schreckgespenst. Die hohe Bedeutung resp. Valorisierung kantonaler Autonomie in der Lehrpersonenbildung führte dazu, dass selbst bei grundlegenden Disputen innerhalb der EDK das ‘kleinere Übel’ eines Kompromisses gewählt wurde, um einer zentralstaatlichen Regelung vorzubeugen. Diese Kompromisse ermöglichten letztendlich die Etablierung der FMS als Zubringerin zur tertiarisierten (Primar-)lehrpersonenbildung.

Als zentrale Kompromissformel erwies sich in diesem Zusammenhang zweitens die sogenannte «kann-Formulierung», welche als kognitives Format der häuslich-regionalistischen Konvention interpretiert werden kann. Sie ermöglichte wiederholt das Aufrechterhalten kantonaler Zulassungslogiken. Dies erlaubte Befürworter*innen der Zulassung von FMS-Absolvierenden in die Primarlehrpersonenbildung ein Beibehalten ebendieser Tradition und stärkte dadurch die FMS Pädagogik.

Hierbei zeigten sich drittens auch unintendierte Effekte der interkantonalen Handlungskoordination: der erbitterte Kampf um die Auflösung der seminaristischen Lehrpersonenbildung führte dazu, dass auch Befürworter*innen der seminaristischen Ausbildungstradition sich für kantonale Autonomie einsetzten. Damit valorisierten sie genau wie die FMS-Akteur*innen häuslich-regionalistische Wertigkeiten und verliehen dieser Logik in der bildungspolitischen Handlungskoordination erhebliches Gewicht. Ebenso kann auch die Einführung der Fachmaturität Pädagogik als unintendierter und unerwarteter Effekt der Verhandlungen des (umkämpften) FMS-Zugangs zu den Fachhochschulstudiengängen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Kunst interpretiert werden.

Im Weiteren verwirklichte die Fachmaturität Pädagogik Vorstellungen (imagined future) einer «ergänzten Allgemeinbildung», wie sie bereits 1993 im Rahmen der Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen für Absolvierende der DMS für den Zugang zur Primarlehrpersonenbildung gefordert worden waren. Heute umfasst der Lehrgang zur Fachmaturität Pädagogik gemäß EDK-Richtlinien die Fächer Erstsprache, eine zweite Landessprache oder Englisch, Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften, das Verfassen einer Fachmaturitätsarbeit zu einem frei gewählten Thema sowie ein Examen in den genannten Fächern (EDK 2018). Diese Fächer werden explizit als diejenigen Fachbereiche valorisiert, «die für die weiterführende pädagogische Ausbildung relevant sind» (ebd., S. 18).

Mit dieser inhaltlichen Ausgestaltung kann die Fachmaturität Pädagogik viertens letztlich als Kompromiss interpretiert werden. Durch die Aufrechterhaltung eines traditionellen, kantonal oder regional gepflegten Zugangs integriert dieser Kompromiss Wertigkeiten der häuslich-regionalistischen Konvention. Durch den inhaltlichen Fokus auf Fächer, welche die PH-Studierfähigkeit im Sinne von für die Ausbildung nötigen Fachkompetenzen funktional sicherstellen sollen, werden aber auch Wertigkeiten der industriellen Konvention integriert.

Mit der Fachmaturität Pädagogik ist fünftens ein weiterer zentraler Mechanismus im Institutionalisierungsprozess der FMS Pädagogik angesprochen: die bildungspolitische Bedeutung von Forminvestitionen im Sinne der Pfadabhängigkeit. Die Analyse zeigte, inwiefern in der Vergangenheit getätigte Investitionen in materielle und immaterielle bildungspolitische Formen für zukünftige Entwicklungen von Relevanz waren (Thévenot 1984). So stellten die – rechtlich nicht (!) bindenden – Thesen zur Entwicklung Pädagogischer Hochschulen 1993, die Empfehlungen zur Lehrerbildung und Pädagogischen Hochschulen 1995, das PH-Anerkennungsreglement für Lehrkräfte der Vorschul- und Primarstufe 1999 sowie das Anerkennungsreglement FMS 2003 wichtige Forminvestitionen und bildungspolitische Objekte dar, auf welche sich sowohl Gegner*innen als auch Befürworter*innen der FMS Pädagogik in ihrer Argumentation im Sinne eines ‘Sachzwangs’ immer wieder argumentierend beriefen.

Wie die Analyse zeigt, stützten sie sich dabei teilweise auf unterschiedliche Konventionen zur Interpretation dieser quasi-rechtlichen Grundlagen. Damit bestätigt sich die konventionentheoretische Annahme, dass Institutionen im Sinne von Regeln einer konventionenbasierten Interpretation durch Akteur*innen bedürfen. Die situative und handlungspraktische Relevanz von Objekten in der Handlungskoordination zeigte sich eindrücklich in der unerwarteten (Wieder-)einführung der Fachmaturität. Die initiierende Erziehungsdirektion integrierte sowohl häuslich-regionalistische, industrielle als auch staatsbürgerliche Begründungen in ihr Argumentarium und konnte somit potenzieller Kritik basierend auf diesen drei – für die Handlungskoordination im Kontext der EDK wichtigen – Gemeinwohlorientierungen begegnen. Das Argumentarium in materialisierter Form eines schriftlichen Plädoyers wurde vorab an die übrigen Erziehungsdirektionen versandt. Das in der EDK-Plenarversammlung dann in Briefform physisch anwesende und mündlich vorgetragene Plädoyer traf damit auf eine kognitiv vorstrukturierte Koordinationssituation, womit sich die Wiedereinführung der Fachmaturität nach deren initialer Ablehnung erklären lässt.

Die Analysen legen die Schlussfolgerung nahe, dass sowohl die jeweils situative Kompromissfindung zwischen den drei die interkantonale Koordination der EDK fundierenden Konventionen als auch die Verknüpfung mit bereits existierenden Form(investition)en die Institutionalisierung der FMS Pädagogik ermöglichte. Gleichzeitig behinderte insbesondere die Bedeutung der häuslich-regionalistischen Konvention aber auch eine gesamtschweizerisch einheitlich geregelte und für alle Pädagogischen Hochschulen verpflichtende Zulassung von Absolvierenden der Fachmaturität Pädagogik. Dafür spricht ein Blick auf das bildungspolitische Argumentarium im Kontext des Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetzes (HFKG). Erst das auf Bundesebene anders gewichtete Arrangement von Konventionen und ihren Wertigkeiten ermöglichte eine gesamtschweizerisch gesetzlich verpflichtende Zulassung von Inhaber*innen einer Fachmaturität Pädagogik zum PH-Studiengang Primarstufe.