Schlüsselwörter

1 Einführung

Der sozio-demografische und der kulturelle Wandel in Deutschland verändern die Bedarfslagen in Hinblick auf gesellschaftliche Dienste. So steigt mit zunehmender Alterung der Gesellschaft z. B. die Nachfrage nach Gesundheits- und speziell nach Pflegeleistungen. Gleichzeitig wächst auch die Nachfrage nach frühkindlichen Betreuungsangeboten aufgrund der zunehmenden Berufstätigkeit beider Elternteile. Dieser Wandel vollzieht sich regional sehr unterschiedlich: Sowohl zwischen ländlichen und städtischen Räumen als auch innerhalb der Städte sind zum Teil große Unterschiede zu erkennen (vgl. BBSR 2020).

Parallel hierzu ist festzustellen, dass viele Städte, insbesondere die Orts- und Nebenzentren, oftmals durch Leerstände geprägt sind und ein Versorgungsdefizit bei gesellschaftlichen Diensten vor Ort besteht. Ursächlich hierfür sind ein verändertes Konsumverhalten, u. a. durch einen steigenden Online-Handel oder die Inanspruchnahme von Einkaufszentren aufseiten der Kund*innen, eine zunehmende Angebotszentralisierung in die innerstädtischen Lagen oder auf die „grüne Wiese“ sowie das Beibehalten hoher Gewerbemietpreise trotz zunehmenden Leerstands (inklusive eines Investitionsstaus) vonseiten der Immobilieneigentümer*innen (Reink 2019). Dies betrifft insbesondere strukturschwache Quartiere, die oftmals geprägt sind durch multiple Herausforderungen, wie hohe Arbeitslosigkeit, geringes Einkommensniveau oder hohe Fluktuation der Bevölkerung. Die Folgen fehlender Angebote vor Ort machen sich nicht nur in dauerhaften Leerständen, Sanierungsstau und weiten Wegen für zum Teil immobile Personenkreise bemerkbar. Es können sich Abwärtsspiralen (Trading-Down-Effekte) entwickeln, die zu einer dauerhaften Abwertung des Quartiers führen, Neuansiedlungen von gesellschaftlichen Diensten erschweren und die multiplen Herausforderungen weiter erhöhen. Doch auch in strukturschwachen Quartieren mit unterschiedlichen Herausforderungen lassen sich endogene Potenziale heben. So sind Versorgungslücken, der geplante Abriss einer Immobilie oder auch Leerstand oftmals Anstoß für gesellschaftliches Engagement. Chance und Herausforderung für Kommune ist es, dieses Engagement zu stützen, zu beraten und zu begleiten, denn nur auf Ebene des Quartiers wird sichtbar, welche individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Ressourcen für neue Dienstleistungsarrangements bestehen und nutzbar gemacht werden können.

Neue Organisationsmodelle gesellschaftlicher Dienste für die Quartiersentwicklung erfordern eine Neuausrichtung des beteiligungsorientierten Zusammenspiels von Kommunen, Unternehmen, Kapitalgebenden und Bürgerschaft. Neue Kooperationsformen, die Stärkung bürgerschaftlichen Engagements und (neue) Unterstützungs- und Begleitstrukturen von Seiten der Kommunen – auch in Hinblick auf alternative Finanzierungs- und Organisationsmodelle – können dazu beitragen, gesellschaftliche Dienstleistungen im Quartier zu erhalten und/oder (wieder)aufzubauen.

Hier knüpfte das von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms „Kommunen innovativ“ geförderte Projekt „Quartierslabore – Kultur- und demografiesensible Entwicklung bürgerschaftlich getragener Finanzierungs- und Organisationsmodelle für gesellschaftliche Dienstleistungen im Quartier“Footnote 1 an. Ziel des Vorhabens war es, Kommunen praxisnahe Lösungswege für den Aufbau und Erhalt gesellschaftlicher Dienste im Quartier aufzuzeigen und sie zu befähigen, neue, auch bürgerschaftlich getragene Finanzierungs- und Organisationsmodelle aufzubauen. Leitende Fragen waren u. a.:

  • Wie können im Zusammenspiel zwischen Kommune, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Versorgungslücken bei gesellschaftlichen Dienstleistungen im Quartier aufgedeckt und geschlossen werden?

  • Wie müssen Förder- und Finanzierungsinstrumente ausgestaltet sein, damit sie auch in beteiligungsorientierten – wirtschaftlich schwach oder wirtschaftlich unrentierlichen – Vorhaben nutzbar sind?

  • Welche Akteure (Zivilgesellschaft, Unternehmen etc.) sind aktiv bzw. können (wie) aktiviert werden? Welche (neuen) Formen der Zusammenarbeit und welche Organisationsstrukturen bieten sich hierfür an?

  • Welche Instrumente sind in der Umsetzung, Organisation und Finanzierung gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen im Quartier erforderlich?

  • Welches Wissen muss in der Kommune aufgebaut und kommuniziert werden, um nachhaltige Unterstützungsstrukturen für bürgerschaftlich getragene Dienstleistungen zu organisieren?

2 Gesellschaftliche Dienste im Quartier

2.1 Begriffsklärung und theoretischer Rahmen

Zu unterscheiden ist zwischen den Begrifflichkeiten „gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen“, „Daseinsvorsorge“ und „soziale Dienste“. Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen werden verstanden als Dienste, die für „die Lebensgestaltung und Entwicklung einer Gesellschaft unverzichtbar“ (vgl. Leimeister und Peters 2012, S. 6) sind, für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens sorgen und damit zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beitragen. Folgende Bereiche fallen hierunter (vgl. Leimeister und Peters 2012, S. 6; Hilbert et al. 2013, S. 11 ff.):

  • soziale Dienstleistungen aus den Bereichen Bildung, Gesundheit/Pflege, Betreuung etc.,

  • Dienstleistungen zur Nahversorgung, Finanzdienste, Kultur und Wohnen, Mobilität, Verwaltung,

  • technische Infrastrukturleistungen aus den Bereichen Verkehr, Ver- und Entsorgung, Energie, Kommunikation und IT etc. sowie

  • sicherheitsfördernde Dienste.

Die Bereiche entsprechen damit weitgehend dem allgemeinen Verständnis der Daseinsvorsorge, jedoch unterscheiden sich die dahinterliegenden Konzepte voneinander. Während in dem Konzept der Daseinsvorsorge in Anlehnung an Forsthoff dem Staat die Aufgabe zukommt, Daseinsvorsorge zu gewähren (vgl. Neu 2009, S. 10), knüpft das Konzept gesellschaftlich (notwendiger) Dienste eng an die Idee des aktivierenden Staats (vgl. von Bandemer und Hilbert 2005) und des Konzepts der sozialen Innovationen an. Soziale Innovationen – verstanden als „mit sozialem Wandel einhergehende Neuerungen […], die die positive Beeinflussung der Möglichkeiten und Lebenssituationen einer Gesellschaft zum Ziel haben“ (Leimeister und Peters 2012, S. 7) – beziehen immer schon alle gesellschaftlichen Akteure mit ein, um Teilhabe und Teilhabebereitschaft zu erhöhen. Verwaltung agiert hier nicht allein, sondern in Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Akteuren (vgl. von Bandemer und Hilbert 2005, S. 26–35).

Da im Rahmen von KuDeQua ein breites, an den Bedarfen der Bürger*innen orientiertes Vorgehen genutzt wurde, wurde statt des Begriffs gesellschaftlich notwendiger Dienste der Begriff „gesellschaftliche Dienste“ gewählt. Hierfür wurden im Projekt die Bereiche Bildung und Erziehung, Nahversorgung, Mobilität, haushaltsnahe Dienstleistungen und Gesundheit/Pflege definiert und in den beiden Modellquartieren untersucht. Als wichtige Querschnittsbereiche wurden zudem die Themen Integration und Inklusion betrachtet.

2.2 Folgen des sozio-demografischen und kulturellen Wandels für gesellschaftliche Dienste im Quartier

Die Alterung der Gesellschaft und die zunehmende kulturelle Vielfalt verändern die Bedarfslagen der Bevölkerung. Tendenziell ist zu beobachten, dass Angebote für die jüngere Bevölkerung aufgrund des sinkenden Bevölkerungsanteils zurückgehen, während Angebote für Senior*innen ausgebaut werden. Für viele Kinder haben sich aufgrund von Grundschulschließungen die Wegezeiten stark erhöht. Der Anstieg der Zahl hochbetagter Menschen führt zu einer erhöhten Nachfrage nach medizinischer und pflegerischer Versorgung. Dies gilt ebenfalls für die Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund, denn auch hier brechen familiale Strukturen auf und es wird zunehmend auf professionelle Pflegedienste zurückgegriffen. Hier besteht oftmals eine zusätzliche Nachfrage bspw. nach kultursensiblen Pflegeangeboten (vgl. Bölük et al. 2017), die in den letzten Jahren auch vermehrt entstanden sind. Trotz des kontinuierlichen Anstiegs bei den Pflegediensten kann das Angebot mit dem wachsenden Bedarf durch die steigende Anzahl an Pflegebedürftigen nicht Schritt halten. Versorgungslücken ergeben sich also nicht nur aus Schließungen (insbesondere in dünn besiedelten Regionen), sondern auch durch einen nicht ausreichenden (schnellen) Ausbau von Angeboten.

Die Bedarfslagen ändern sich jedoch auch in Hinblick auf Qualität und Angebotsvielfalt. Die Zentrierung von Angeboten entlang Zentraler OrteFootnote 2 bieten Vorteile in Hinblick auf Vielfalt, Rentierlichkeit sowie personelle Bündelung von Fachkräften, die oftmals in Randbereichen nicht mehr zu rekrutieren sind. Dies gilt zum Beispiel für Supermärkte, aber auch für Medizinische Versorgungszentren, die mehrere Ärzt*innen und ggf. auch andere Gesundheitsdienste unter einem Dach bündeln. Das Wegbrechen von gesellschaftlichen Diensten ist oftmals Auslöser für zunehmenden Leerstand und ein Fehlen von fußläufig vorhandenen Angeboten (insbesondere für immobile Menschen) und kann den Beginn einer „Abwärtsspirale“ – des sogenannten Trading-Down-Effekts – darstellen. Dieser wiederum führt zum Rückzug weiterer Frequenzbringer und zur Schließung kultureller und sozialer Einrichtungen (vgl. Sperle 2012, S. 12). Als Folge solcher Entwicklungen kommt es zu einer sinkenden Attraktivität und zu Imageverlusten (vgl. Henckel et al. 2007, S. 4), die wiederum einen vermehrten Wegzug von einkommensstärkeren Bevölkerungsgruppen bewirken.

2.3 Auswirkungen auf die soziale Funktion des Quartiers

Für die Bewohner*innen ist das Quartier nicht nur Ort der Versorgung, sondern der Ort, an dem Lebensentwürfe umgesetzt und Chancen auf Teilhabe im Sinne der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gewährt werden sollten (vgl. FES 2016, S. 4; Bayerischer Landtag 2018). Das Quartier dient damit als wichtiger Ausgangspunkt: Die Wohnung und ihre unmittelbare Umgebung, die Ausgestaltung öffentlicher Räume inklusive Sicherheit, Mobilitätsangeboten und Anbindungen, Bildungsmöglichkeiten sowie Versorgungsstrukturen bestimmen maßgeblich die Lebensqualität und Entwicklungschancen der Bewohner*innen (vgl. FES 2016, S. 4). Die Sicherung bzw. Wiederansiedlung von Angeboten der Daseinsvorsorge im Quartier bildet somit den „Motor der sozialen und territorialen Integration“ (vgl. Vogel 2019, S. 6). Im Rahmen der Quartiersentwicklung geht es somit nicht nur um den Aufbau gesellschaftlicher Dienste, sondern darum, ob und wie die soziale Funktion des Quartiers als Ort der Begegnung und Ort der (sozialen) Teilhabe erhalten bzw. neu aufgestellt werden kann. Damit einher geht nicht nur die Frage, wie die Organisation – im Sinne von Verantwortlichkeiten, Aufgaben- und Rollenverteilungen – zum Erhalt und Wiederaufbau gesellschaftlicher Dienstleistungen im Quartier ausgestaltet werden kann, sondern auch, wie mögliche Trägerstrukturen (Kooperationen und Koproduktionen) aufgebaut und wie derartige Dienste finanziert werden können.

3 Akteure, Motive und (bürgerschaftlich getragene) Organisationsmodelle gesellschaftlichen Engagements

Die Akteursvielfalt unterscheidet sich zwischen den Quartieren. Neben der Kommune gibt es zum einen die Bürger*innen, die als Expert*innen ihres Quartieres angesehen werden können und vielfach bereits in Vereinen, Organisationen und losen Zusammenschlüssen vernetzt sind. Zum anderen gibt es weitere wichtige Akteure, z. B. die lokalen Unternehmen. Lokale Unternehmer*innen haben ein großes Interesse an einer positiven Quartiersentwicklung, da diese direkte Auswirkungen auf ihr Unternehmen hat. Viele Beispiele zeigen auf, wie sie sich aktiv an der Quartiersgestaltung beteiligen, um Abwärtsspiralen zu begegnen und somit ihre eigene Existenz zu sichern (vgl. BBSR/BBR 2015; Brandt et al. 2019). Gleiches gilt für private und gewerbliche Immobilienbesitzer*innen. Aber auch öffentliche oder freigemeinnützige Anbieter wie Schulen, Pflegeheime etc. nehmen hier eine große Rolle ein.

Die Motive für gesellschaftliches Engagement sind sehr unterschiedlich. Im Rahmen der Analysen im Projekt KuDeQua konnten jedoch drei zentrale Motive für Engagement im Quartier identifiziert werden:

  • drohende Versorgungslücken ausgewählter Dienste: Schließen des letzten Lebensmittelladens, der letzten Kneipe etc.,

  • drohender Leerstand oder auch Umnutzung von besonderen – oftmals kulturell betriebenen – Immobilien wie alte Speichergebäude, alte Hafengebäude etc.,

  • Wunsch nach mehr Gemeinschaft und Nachbarschaft.

Oftmals bilden die Motive auch eine Gemengelage zwischen den einzelnen Aspekten.

Häufig gibt es im Rahmen des Entstehungsprozesses einen kleinen Kern an Bürger*innen, die die Initiativen anstoßen, federführend koordinieren und bearbeiten. Diese Akteur*innen bringen überdurchschnittlich viel zeitliche und auch fachliche Ressourcen ein. Zum Teil suchen sich die Bürger*innen fachliche Unterstützung, häufig ist es jedoch ein „Learning by Doing“: Viele lesen sich notwendiges Fachwissen an. Dies bedeutet, dass diese qualifikatorischen und sozialen Kompetenzen bei den Akteur*innen grundsätzlich vorhanden sein müssen. Je größer und finanziell umfassender das Vorhaben wird, desto mehr sind sie auf professionelle Strukturen und Qualifikationen angewiesen. Neben dem hauptverantwortlichen Kernteam ist für den langfristigen Betrieb der Dienstleistungen eine breitere Basis an Engagierten notwendig, um dauerhafte Belastungen Einzelner zu vermeiden und eine Arbeitsteilung mit breitem Angebot leisten zu können.

Auch bezüglich der Organisationsformen gibt es zahlreiche Varianten. Oftmals wählen die Initiativen die Form eines eingetragenen Vereins, da hier die formellen Anforderungen sehr gering sind. Mit zunehmender Professionalisierung der Strukturen und dem Aufbau von marktwirtschaftlich rentierlichen Angeboten werden andere Formen, wie Genossenschaften oder auch gGmbHs, genutzt. Tab. 1 zeigt die Anforderungen an drei ausgewählte Formen.

Tab. 1 Überblick ausgewählter Organisationsformen bürgerschaftlich getragener Unternehmungen

Tab. 1 zeigt deutlich die höheren finanziellen und rechtlichen Anforderungen an gemeinnützige GmbHs oder auch Genossenschaften. Damit steigen die Anforderungen an die Beteiligten, sich dieses Wissen anzueignen sowie die finanziellen Ressourcen bereitstellen zu können.

Oftmals entwickelt sich ein Finanzierungs- und Organisationsmix aus öffentlichen Förderungen, Spenden sowie betriebswirtschaftlich rentierlichen Diensten. Dementsprechend werden die Organisationsformen gewählt: eingetragene Vereine für die gemeinwohlorientierten Dienste, Genossenschaften oder gGmbHs für die eher marktwirtschaftlich rentierlichen Dienste.

Die im Rahmen des Projektes KuDeQua untersuchten Vereine haben mehrheitlich auf kleinere Fördertöpfe, z. B. Quartiers- oder Stadtteilfonds, zurückgegriffen, um einzelne Projekte zu realisieren. Für die Beantragung wird Expertise benötigt, die sich die Engagierten zunächst aneignen müssen. Netzwerke sowie zeitliche und personelle Ressourcen sind hierfür unabdingbar. Ebenso ist die Gründung einer Genossenschaft sehr zeitintensiv und mit viel Aufwand verbunden. Im Rahmen eines Interviews wurde deutlich, dass dieser Aufwand – insbesondere dann, wenn dieser nebenberuflich betrieben wird – ohne kommunale Unterstützung für die Betroffenen kaum leistbar gewesen wäre. Der Balanceakt zwischen ehrenamtlichem Engagement in zunächst losen Zusammenschlüssen und dem Aufbau professioneller Strukturen bei größeren Vorhaben kann sich für die Betroffenen sowohl zeitlich, personell, finanziell als auch im Hinblick auf die notwendige Expertise herausfordernd darstellen.

Viele der Beispiele für bürgerschaftlich getragene Dienstleistungsmodelle finden sich in ländlichen, oftmals dünn besiedelten Regionen, wo der Handlungsdruck aufgrund fehlender Infrastruktur besonders hoch ist. In den städtischen Räumen sind es mehrheitlich leerstehende Immobilien bzw. fehlende kulturelle Angebote, an denen sich das Engagement ausrichtet. Auch wenn in städtischen, struktur- und sozial schwachen Quartieren Versorgungslücken entstehen, ist dies nicht automatisch ein Auslöser für bürgerschaftliches Engagement: Zum einen ist aufgrund der Nähe zu anderen Diensten in Nachbarquartieren die Sorge vor einer Versorgungslücke nicht so hoch wie in ländlichen, dünn besiedelten Räumen. Zum anderen fehlen engagierte Kümmerer, die die Initiative ergreifen und über ausreichende Ressourcen verfügen. Zudem fehlt oftmals auch eine breite Bürgerschaft, die die Modelle mitträgt. Eine höhere Fluktuation in der Nachbarschaft mit durchmischten Milieus führt zu geringerem Gemeinschaftsgefühl und einem Mangel an nachbarschaftlichen Aktivitäten. In verschiedenen Studien konnte bereits der Zusammenhang zwischen strukturschwachen Räumen und bürgerschaftlichem Engagement aufgezeigt werden (vgl. Simonson et al. 2017; Prognos, Generali Zukunftsatlas 2009). Die Aktivierung der Bürgerschaft ist hier nur sehr schwer möglich. Vor dem Hintergrund, dass gemeinwohlorientierten Initiativen in der Quartiersentwicklung eine zunehmende Rolle als „Neue Partner für die Quartiersentwicklung“ zugschrieben wird (vgl. BMI 2019), muss das Handeln der Kommune hier sehr viel stärker initiierend, koordinierend und dauerhaft begleitend ausgerichtet sein.

4 Finanzierungsmöglichkeiten für gesellschaftliche Dienste im Quartier

Gesellschaftliche Dienste im Quartier weisen sehr unterschiedliche Organisationsmodelle auf: klassische, auf Rekapitalisierung ausgerichtete Unternehmen, Sozialunternehmen oder bürgerschaftlich getragene Modelle. Sie unterscheiden sich in ihrem Entstehungskontext, der sozialen Werteorientierung und der Marktfähigkeit, die wiederum den Zugang zu ggf. erforderlichem Kapital bestimmen. Auch die Finanzierungsmodelle gesellschaftlicher Dienste variieren in Abhängigkeit von der gewählten Organisationsstruktur und dem Grad der Rentierlichkeit des Vorhabens, der zu einem großen Teil den möglichen Finanzierungszugang und die damit verknüpften Anforderungen an das Vorhaben und den Antragsteller bestimmt. Marktwirtschaftlich rentierliche (z. B. Supermärkte u. a.) oder schwach rentierliche (z. B. ein Quartierscafé mit Nachbarschaftsladen, Multifunktionshäuser) sowie nicht rentierliche (z. B. Begegnungsstätten oder Stadtteilzentren) gesellschaftliche Dienste haben nicht nur unterschiedliche Finanzierungszugänge und Anforderungen an das Vorhaben. Sie unterscheiden sich auch insbesondere dadurch, dass die Beratung und Finanzierung (schwach) rentierlicher Unternehmungen vorhabenbezogen erfolgt, während die Zuschussförderung aus der Städtebauförderung bzw. Dorferneuerung über die definierte Gebietskulisse immer raumbezogen ist.

Vorhaben zur Sicherung gesellschaftlicher Dienstleistungen können durch privatwirtschaftlich agierende Unternehmensgründer*innen oder durch zivilgesellschaftliche Akteur*innen umgesetzt werden, an die bei der Inanspruchnahme von Förder- oder Finanzierungsinstrumenten dieselben Anforderungen gestellt werden. Die Wahl eines Finanzierungszugangs hängt neben den wirtschaftlichen (Grad der Rentierlichkeit) auch von den formalen (Unterlagen, Nachweise, Qualifizierungen) Anforderungen des Finanzprodukts an das Vorhaben bzw. die Antragsteller*innen ab. Die Finanzierungsangebote unterscheiden sich zudem hinsichtlich der Zielgruppe (Antragsberechtigte), der Flexibilität, der Einbindung Dritter, der Zeitdauer und der Komplexität sowie vorhandener Unterstützungsangebote.

4.1 Finanzierung rentierlicher Vorhaben

Rentierlichen, auf externes Kapital angewiesenen Vorhaben stehen verschiedene Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung in Form von (Förder-)Krediten zur Verfügung, die sich hinsichtlich Geldgeber, der Art der Beantragung und der Fördermodalitäten (Höhe der Kreditsumme, Zinsen, Laufzeiten, tilgungsfreie Zeit) unterscheiden. Beispielsweise wird das ERP-Startgeld (KfW) als zinsgünstiges Finanzierungsangebot bei der Unternehmensgründung im Hausbankenverfahren angeboten. Neben einem schlüssigen Businessplan ist der Eindruck von der Gründerperson sowohl hinsichtlich Bonität, Sicherheiten und familiärem Hintergrund als auch des Beweggrundes der Gründung ausschlaggebend. Der von der KfW selbst formulierte Hinweis auf eine mögliche restriktive Haltung von Finanzinstituten bei der Vermittlung dieses Förderproduktes konnte im Rahmen der Untersuchung in KuDeQua für Dortmund nicht bestätigt werden. Die befragten Finanzinstitute sehen in der Vermittlung eines eher kleinen Kredits mit geringen Margen die Möglichkeit, eine längerfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen.

Kleinstunternehmen sowie kleine und mittelständische Unternehmen benötigen häufig nur kleinere Kreditsummen unter 25.000 €, deren Beantragung im Hausbankenverfahren häufig schwierig ist (Meißner et al. 2009). Der Mikrokreditfonds Deutschland ermöglicht einen Kapitalzugang bei Summen unter 25.000 €. Die Beratung und Antragstellung für Mikrokredite erfolgt über bundesweit 21 Mikrofinanzierungsinstitute, von denen drei in Nordrhein-Westfalen liegen, davon eines in Dortmund (Nordhand eG). Auch bei dem Mikrokredit sind Businessplan und Sicherheiten ebenso wie die Gründerpersönlichkeit wichtig. Neben einer unkomplizierten Online-Beantragung (dut Duisburg) erfolgt ein persönliches Gespräch. Businesspläne dürfen eine persönliche Handschrift haben, es gibt keine festgelegte formale Vorlage. Trotz des höheren Zinssatzes wird der Mikrokredit wegen des weniger komplizierten Antragsverfahrens und der schnelleren Bearbeitung von vielen Nachfragenden gegenüber dem ERP-Startgeld oder dem NRW.BANK.Mikrodarlehen bevorzugt genutzt.

Das NRW.BANK.Mikrodarlehen vergibt die Kredite ausschließlich auf der Grundlage des Geschäftskonzepts, um insbesondere Antragsteller*innen mit einem schwierigen Kapitalmarktzugang zu fördern. Es ist dadurch ein wichtiger Baustein in der Förderlandschaft, da keine Darlegung von Sicherheiten notwendig ist und somit eine Zielgruppe erreicht wird, die ansonsten keinen Zugang zum Kapitalmarkt hat. Die Landesförderbanken aus Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg bieten als neues Förderprodukt die Mikrocrowd an, bei denen sie Existenzgründer*innen beim Sammeln von Startkapital über die Crowdfunding-Plattform StartNext unterstützen und gleichzeitig ein zusätzliches Darlehen anbieten.

Antragsteller*innen für das Einstiegsgeld nach § 16 Abs. 3 SGB II (Leistungsbeziehende des SGB II) bzw. für den Gründungszuschuss (Bezieher*innen von Arbeitslosengeld nach SGB III) müssen zwar keine Sicherheiten hinterlegen, aber auch hier ist die Vorlage eines schlüssigen Geschäftskonzepts Grundlage für die Bewilligung der Leistungen. Auch der Gründungszuschuss und das Einstiegsgeld von der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter benötigen zur Bewilligung ein schlüssiges Konzept. Beide Leistungen werden als Zuschuss ohne Rückerstattungsanspruch an Gründer*innen gezahlt. Die Gründerperson und deren fachliche und kaufmännische Qualifikationen werden bei der Bewilligung berücksichtigt.

Die erfolgreiche Inanspruchnahme von (Förder-)Krediten bzw. staatlichen Unterstützungsleistungen hängt somit von folgenden formalen Anforderungen ab:

  • Beschreibung des Vorhabens und dessen Marktfähigkeit in einem Businessplan. Hier werden die Zielgruppen, eine Marktanalyse, die Wettbewerbssituation, Standort, Gründerperson, Partner, Vertriebswege und Kundenbindung sowie Umsätze, Kosten, Kapitalbedarf und Finanzierung, Rentabilität, Liquidität und Rechtsform dargestellt.

  • Gründerperson: Der Aspekt der Gründerpersönlichkeit spielt vor allem in Direktgeschäften eine wichtige Rolle und damit insbesondere bei kommunalen Finanzinstituten, die teils mit Filialen in den Stadtteilen vertreten sind.

  • Kaufmännische Kompetenz: Qualifikationen, z. B. über Fortbildungen bei der IHK oder Wirtschaftsförderung, Führungserfahrung, Erfahrung im Vertrieb.

  • Fachliche Kompetenz: Ausbildung, Branchenkenntnis und Berufserfahrung.

  • Nachweis von Sicherheiten und Bonitäten: Beim NRW.BANK.Mikrodarlehen, dem Einstiegsgeld und dem Gründungszuschuss entfallen diese Anforderungen.

Dass es für Unternehmensgründungen rentierlicher Vorhaben mit dem KfW-Startgeld, dem NRW.BANK.Mikrodarlehen und der Mikrofinanzierung eine Vielzahl von Finanzierungsansätzen gibt, wurde in den Expert*innengesprächen mit institutionellen Multiplikator*innen aus der Beratungsszene bestätigt. Die Finanzierung über Mikrokredite weist die größte Flexibilität bei der Beantragung von Kleinstkrediten auf, da eigene und nicht standardisierte (Risiko-)Bewertungen des Vorhabens und der Antragssteller*in („Nasenprinzip“) zugrunde gelegt werden können. Das in Nordrhein-Westfalen über die Startercenter zu beantragende und von der Landesförderbank (NRW.BANK) zu bewilligende Mikrodarlehen verzichtet ganz auf den Nachweis von Sicherheiten und Bonitäten, der Zugang basiert allein auf der Bewertung des einzureichenden Businessplans. Antragsberechtigt sind Unternehmer*innen und Existenzgründer*innen.

Aus Sicht der befragten Expert*innen werden bei der Beantragung von (Förder-)Krediten zu wenig die Gründerperson und -persönlichkeit berücksichtigt und zu sehr Cash-Flow-Berechnungen und Liquiditätskreisläufe bewertet. Hier sollten Förderprogramme stärker persönliche Kriterien berücksichtigen: „Mehr Beratung, weniger Businessplan, mehr Ich-glaube-Dir“. Für das Scheitern von Gründungen im quartiersorientierten Dienstleistungsbereich, durch z. B. die lokale Wirtschaft, Einzelhandel, Sozialunternehmen, Non-Profit-Organisation, wurden folgende Gründe genannt:

  • Voraussetzung für eine erfolgreiche Gründung ist der Businessplan, mit dem die Marktfähigkeit der Geschäftsidee dargestellt wird: „Ohne einen auf dem Papier aussagekräftigen Businessplan wird es keinen Kapitalmarktzugang geben. Allerdings ist die Erstellung eines Businessplans trotz vieler Unterstützungsangebote für viele Gründer*innen eine zu anspruchsvolle Aufgabe.

  • Geringe Kenntnisse über die Selbstständigkeit an sich und über relevante Institutionen und deren Aufgaben bilden ebenso wie fehlende Qualifikationen, z. B. kaufmännischer Art oder hinsichtlich des Zeitmanagements, eine Hürde bei der Gründung.

  • Während und nach der Gründung sind eine realistische (langfristige) finanzielle Ausstattung sowie das Überwinden der formalen Hürden wichtige Erfolgsfaktoren.

  • Sprachliche Barrieren bei Menschen mit Migrationshintergrund und zum Teil fehlendes Verständnis für migrantische Ökonomie seitens der Beratung/Finanzinstitute bilden hier oftmals Barrieren bei einer möglichen Kreditvergabe.

4.2 Finanzierung schwach rentierlicher Vorhaben

Schwach rentierliche Unternehmungen, wie z. B. ein Quartierscafé mit Nachbarschaftsladen, haben häufig einen schwierigen Kapitalmarktzugang, insbesondere dann, wenn Sicherheiten und Bonitätsnachweise fehlen. Mit dem Instrument des Stadtentwicklungsfonds (SEF) sollen mit der Einbindung von privaten Geldern kreditbasierte und auf unternehmerisches Engagement setzende Projekte gefördert werden (vgl. Nischwitz 2019). Der Fondscharakter des Finanzinstruments generiert Kapitalrückflüsse aus Garantiegebühren, Darlehenszinsen und -tilgung und sichert damit einen Kapitalstock und eine dauerhafte Finanzquelle. Die Finanzierung von Vorhaben und Unternehmungen kann in Form von Darlehen, Garantien/Bürgschaften und Eigenkapitalbeteiligungen erfolgen (vgl. BMVBS 2011). Dabei müssen „die geförderten Projekte […] zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, d. h. positive externe Effekte (‚Stadtrenditen‘) erzielen“ (vgl. BMVBS 2011, S. 11).

In Deutschland wurde die JESSICA-Initiative (Joint European Support for Sustainable Investment in City Areas – Gemeinsame europäische Unterstützung für Investitionen zur nachhaltigen Stadtentwicklung)Footnote 3 über ein ExWoSt-Forschungsfeld mit fünf Modellvorhaben unterstützt, wovon drei Länder in der Förderperiode 2007 bis 2013 einen Stadtentwicklungsfonds umgesetzt haben (Hamburg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz). Nordrhein-Westfalen folgte auf der Grundlage einer weiteren Bedarfsanalyse (vgl. NRW.URBAN et al. 2014) erst in der anschließenden Förderperiode (2014–2020) mit dem EU/NRW.BANK.Stadtentwicklungskredit und hat als einziges Bundesland einen landesweiten Fonds aufgesetzt. Kommunale Fonds bieten die Möglichkeit, kleinräumige Bedarfslagen zu berücksichtigen und gezielt Vorhaben in ausgewählten Quartieren zu unterstützen, allerdings gilt die Umsetzung von revolvierenden Fonds auf der Ebene der Kommunen als schwierig: „Die eigenständige Implementierung eines revolvierenden Finanzinstruments auf der kommunalen Ebene erscheint mit kaum überbrückbaren Hemmnissen verknüpft zu sein“ (vgl. Nischwitz 2019, S. 101).

Stadtentwicklungsfonds, kommunale Fonds oder Förderprogramme für schwach rentierliche Vorhaben existieren derzeit in NRW nicht. Die formalen Anforderungen bei der Beantragung entsprechen denen anderer Förderprogramme. Die Ausgestaltung dieses Finanzierungsinstruments obliegt den Initiator*innen bzw. Anbieter*innen dieses Förderansatzes, wozu neben den Finanzierungsmodalitäten auch die Festlegung von Antragsteller*innen und Verwendungszweck zählen. Der NRW/EU.Stadtentwicklungskredit als Kredit für Träger von Stadtentwicklungsprojekten war als Finanzierungsinstrument in den Projektaufruf „Starke Menschen – Starke Quartiere“ des Landes NRW eingebunden, wodurch hohe formale Auflagen entstanden (vgl. Nischwitz 2019, S. 98 f.).

4.3 Finanzierung unrentierlicher Vorhaben

Unrentierliche Vorhaben und Projekte, denen klassische Finanzierungszugänge i. d. R. verschlossen sind, können mit Zuschussprogrammen von Bund und Land finanziert werden. Die maßgeblichen Förderprogramme der Städtebauförderung oder der Dorferneuerung bieten mit den Fördertatbeständen, wie dem Umbau für Zwischennutzungen, der Erstausstattung von Geschäftsräumen, der Förderung von Mieten und Pachten u. a., Ansatzpunkte, die lokale Wirtschaftsentwicklung und/oder den lokalen Arbeitsmarkt zu unterstützen (vgl. Hahne 2019). Auch die Förderbestimmungen der Dorferneuerung eröffnen die Möglichkeit der Sicherung der Grundversorgung, z. B. über dorfgemäße Gemeinschaftseinrichtungen, Einrichtungen für Basisdienstleistungen und Mehrfunktionshäuser (vgl. MHKBG.NRW 2020a). Damit können Vorhaben zur Sicherung gesellschaftlicher Dienste in einem begrenzten Zeitraum, mit begrenzten Ressourcen, in einem begrenzten Gebiet umgesetzt werden und wichtige Impulse zur Quartiersentwicklung setzen. Eine Limitierung besteht darin, dass das geplante Quartiersprojekt innerhalb der Gebietskulisse liegen und eine inhaltliche Übereinstimmung zum Quartierskonzept vorhanden sein muss; die Zuschussförderung ist zudem befristet. Die Kommune fungiert als Antragstellerin und kann die Finanzmittel an Dritte weiterleiten. Das geplante Vorhaben muss im Rahmen einer Maßnahmenbeschreibung dargestellt und bei der Inanspruchnahme von Zuschüssen müssen regelmäßig Kosten- und Finanzierungsnachweise durch die Kommune erbracht werden, die die Bewilligungsbehörde prüft. Aus Sicht der Kommune beinhaltet die Weiterleitung von Städtebaufördermittel auch immer ein gewisses Risiko, zum einen bzgl. der Umsetzung der eingereichten Vorhaben und der Abrufung der Mittel. Zum anderen muss sichergestellt sein, dass die Nachweise und Abrechnungen von den Vorhabenträger*innen richtlinienkonform erbracht werdenFootnote 4. Bei Nichteinhaltung werden an die Kommune als Zuwendungsempfängerin Rückforderungen gestellt. Aus diesen Gründen findet seitens der Kommune i. d. R. eine genaue Prüfung von Vorhaben und Vorhabenträger*innen statt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat, wie die meisten anderen Bundesländer auch, verschiedene Förderprogramme entwickelt, mit denen insbesondere auch zivilgesellschaftliche Vorhaben gefördert werden sollen. Mit dem Programm „Initiative ergreifen“ (länderspezifisches Ergänzungsprogramm zur Städtebauförderung) wird die Zusammenarbeit von Kommunen und Initiativen gestärkt, indem bürgerschaftlich getragene Vorhaben in einem Stadterneuerungsgebiet mit dem Ziel gefördert werden, wirtschaftlich tragfähige Strukturen zu schaffen (vgl. MHKGB.NRW 2020a). Auch mit dem Förderprogramm „Heimat.Zukunft.Nordrhein-Westfalen“, das die fünf Elemente Heimat-Scheck, Heimat-Preis, Heimat-Werkstatt, Heimat-Fonds und Heimat-Zeugnis enthält, fördert die Landesregierung ehrenamtliches Engagement und Unterstützungsstrukturen vor Ort (vgl. MHKBG.NRW 2020b). Das Förderprogramm „Dritte Orte – Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“ eröffnet in der definierten Gebietskulisse des ländlichen Raums einen Zugang zu Kunst, Kultur und kultureller Bildung, indem bestehende oder neue Kultureinrichtungen als Orte der Begegnung und des Zusammenhalts entwickelt werden. Das durch Mittel des Europäischen Sozialfonds und des Bundesbauministeriums finanzierte Bundesprogramm „BIWAQ – Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ fördert Projekte zur Integration in Arbeit und zur Stärkung der lokalen Ökonomie und verbessert somit die Teilhabechancen der Bewohner*innen in strukturschwachen Quartieren.Footnote 5

Damit wird deutlich, dass Kommunen im Fördergeflecht der Zuschusslandschaft eine hohe Bedeutung bei der Einwerbung eigener kommunaler Gelder und für an Bürgervereine, Initiativen u. a. weitergeleitete Gelder haben. Das Engagement und das Geschick des kommunalen Handelns bestimmen den Erfolg der Fördermittelakquise auch für Dritte. Durch Förderzuschüsse finanzierte Vorhaben haben durch die definierten räumlichen Gebietskulissen einen unmittelbaren Bezug zu den besonderen Bedarfslagen im Untersuchungsraum. Zudem wird die Erstellung von Tragfähigkeits- und Organisationskonzepten immer bedeutsamer, für die geeignete Governance-Strukturen und Finanzierungsmodelle gefunden werden müssen.

Bei der inhaltlichen und konzeptionellen Ausgestaltung der beantragten Vorhaben wird der Aspekt der nachhaltigen Tragfähigkeit der geförderten Projekte immer wichtiger. Im Rahmen der Diskussion um die Verstetigung der mit Fördermitteln angestoßenen Projekte wird auf die Bedeutung verwiesen, über den Förderzeitraum hinaus Strukturen zu entwickeln, um Prozesse und Projekte zu etablieren (vgl. Regiestelle E&C 2006; MWEBWV NRW 2011). Förderzuschüsse bieten große Potenziale für die Initiierung neuer Strukturen und Kooperationen im Quartier, jedoch brechen nach Beendigung der Förderlaufzeit oftmals die aufgebauten Strukturen weg, sofern es nicht gelingt, alternative Finanzierungswege aufzubauen.

Die großen Möglichkeiten für Impulse der Quartiersentwicklung, die mit Fördermaßnahmen aus der Städtebauförderung möglich sind, werden auch von den Bürger*innen gesehen. Positiv wahrgenommene Effekte aus Quartieren, in denen mit Fördermitteln städtebauliche und/oder soziale bzw. prozessuale Maßnahmen umgesetzt wurden, wecken teilweise Begehrlichkeiten von Bürger*innen anderer Stadtteile. Auch in der Workshopreihe des im Rahmen des Projektes KuDeQua durchgeführten Reallabors in Dortmund-Marten haben Teilnehmer*innen vorgeschlagen, den Stadtteil in die Städtebauförderkulisse aufzunehmen, u. a. mit dem Ziel, Gelder für eine*n Quartiersmanager*in einzustellen. Die Vertreter*innen der Stadtverwaltung verwiesen darauf, dass es in Dortmund bereits mehrere Gebietskulissen der Städtebauförderung für solche Quartiere gibt, die durch gravierende städtebauliche und soziale Herausforderungen gekennzeichnet sind. Im Stadtteil Marten liegen keine vergleichbaren Indikationen vor.

4.4 Alternative Finanzierungszugänge

Einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung von Quartieren und zu deren positiver (Weiter-)Entwicklung leisten gemeinwohlorientierte Ansätze. Wachsende sozioökonomische Disparitäten innerhalb von Städten (vgl. Neu 2007), zunehmende Unterstützungsbedarfe im Quartier und unzureichende investive Ressourcen der Kommunen tragen dazu bei, dass sich Privatpersonen mit einer hohen intrinsischen Motivation (Visionen, Ideen, Selbstverwirklichung, alternative Lebenskultur) zusammen mit Unternehmen und Stiftungen (vgl. BBSR 2019a) in der Quartiersentwicklung engagieren und dabei Angebote gesellschaftlicher Dienste im Wohn-, Bildungs- oder Kulturbereich unterstützen (vgl. BBSR 2019a, b).

Über alternative Finanzierungszugänge kann für klein- und mittelständische Existenzgründungen mit neuartigen und damit risikoreicheren Gründungsideen Kapital eingeworben werden. Da Vorhaben gesellschaftlicher Dienstleistungen häufig aufgrund der Gemeinwohlorientierung oder sozialen Ausrichtung keine oder kaum Rentierlichkeit aufweisen, sind das Einwerben von Spenden (z. B. über Stiftungen) oder von kredit-, gegenleistungsbasierten oder spendenbasierten Geldern aus dem Crowdfunding, die Ausgabe einer Bürgeraktie zusammen mit einem Finanzinstitut oder die Gründung einer Sozialgenossenschaft alternative Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung.

Stiftungen sind private Geldgeber mit unterschiedlichen Unterstützungsansätzen, die zum Großteil (80 %) fördernd tätig sind, aber auch fördernd und/oder operativ und/oder als Trägerstiftung tätig sein können (vgl. Nelle et al. 2019). Die Stiftungen definieren Stiftungszwecke, die eine große Bandbreite von Kunst, Kultur, sozialem Wohnen, Umwelt u.v.m. aufweisen. Sie engagieren sich zu 74 % ausschließlich lokal oder regional. Drei von vier Stiftungen geben unter 100.000 € p.a. aus, der Median der Stiftungsausgaben liegt bei 26.600 € pro Jahr (ebd., S. 21).

Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung ist das Crowdfunding. Die meisten Crowdfunding-Projekte werden ohne aktive Beteiligung einer Kommune durchgeführt. Projektinitiator*innen sind zumeist Bürger*innen, Vereine und Stiftungen. Jedoch kann die Kommune in Bezug auf Crowdfunding verschiedene Rollen einnehmen: Schirmherrin, Wegbereiterin, Plattform oder Gestalterin für Projekte Dritter (vgl. Ackermann et al. 2019). Angesichts eines niedrigen Zinsniveaus ist ein kreditbasiertes kommunales Crowdfunding unrealistisch. Zudem bedarf es der Einbindung einer Bank, da nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) für die Durchführung von Finanzdienstleistungen eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) notwendig ist, die Kommunen per se nicht erhalten. Es existieren viele verschiedene Plattformen auch für gegenleistungs- oder spendenbasiertes Crowdfunding. Ein Beispiel dafür ist die Plattform „Kommunales Crowdfunding“Footnote 6, die vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) bereitgestellt wird.

Die Bürgeraktie ist eine niederschwellige Form der direkten Bürgerbeteiligung und verfolgt mit den Prinzipien der Partizipation und Nachhaltigkeit gemeinwohlorientierte Ziele. Allerdings gibt es nur wenige kommunale Beispiele der Finanzierung eines gemeinwohlorientierten Quartiersprojekts mittels Bürgeraktie, etwa die Stiftung Bürgerengagement Saar (SBS), die mit zwei Partnerinnen aus der Finanzwirtschaft – der Sparkassen-Finanzgruppe und der Bank 1 Saar – die „Bürgeraktie für Kunst und Gemeinwohl“ aufgesetzt hat. Wesentlich häufiger finden sich Genossenschaftsgründungen als „Schwarmfinanzierung“ vieler Akteur*innen, um quartiersrelevante Infrastruktur wie ein Geschäft, ein Gemeinschaftshaus oder Unterstützungsangebote für ältere Menschen als Dienstleistung zu etablieren. Die Entwicklung solcher Sozialgenossenschaften hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen (vgl. Klemisch und Vogt 2012, S. 19). Neugründungen entstehen „gerade durch bürgerschaftliches Engagement und aus Gemeinwohlmotiven heraus“, und sie können „ihre Stärken gerade in solchen Bereichen beweisen, in denen lokale gesellschaftliche Akteure ihre Kräfte bündeln und gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten möchten“ (ebd., S. 8).

Für Initiativen (z. B. lose zivilgesellschaftliche Verbünde, weder staatliche noch nichtstaatliche Institutionen, die eine Liegenschaft oder Immobilie zu gemeinwohlorientierten Zwecken und/oder Absichten und/oder Wirkungen bewirtschaften) oder für zivilgesellschaftliche Organisationsformen (Vereine, Verbände, Stiftungen, Netzwerke etc.) werden alternative Finanzierungszugänge immer wichtiger. So verschränken sich im Kontext gesellschaftlicher Dienstleistungen im Bildungs- und Kulturbereich zunehmend staatliche, marktwirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Komponenten, für die neue Lösungen zur Finanzierung und Organisation gefunden werden müssen (vgl. Faller et al. 2019). Die Nutzung alternativer Finanzierungszugänge wie Crowdfunding, Stiftungsgelder oder die Gründung einer Sozialgenossenschaft erfolgt häufig dann, wenn der Zugang zu klassischen Krediten und Förderprogrammen nicht möglich ist, z. B. wenn die Rechtsform nicht zum Antrag berechtigt oder keine banküblichen Sicherheiten gestellt werden können. Stiftungen, Vereine und Genossenschaften (vgl. Klemisch und Vogt 2012, S. 62 ff.) bzw. Unternehmen der lokalen Ökonomie (vgl. Flögel und Gärtner 2011) haben daher einen erschwerten Zugang zu Förderkrediten. Die Nutzung alternativer Finanzierungsformen erfordert zwar keinen formalisierten Businessplan. Die Darstellung des geplanten Vorhabens in einem Konzept ist jedoch notwendig, um Geldgeber*innen von der Investition zu überzeugen. Die bei Bankkrediten üblichen Anforderungen, wie der Nachweis von Sicherheiten/Bonitäten, kaufmännische und/oder fachliche Qualifikationen, sind bei alternativen Finanzierungen weniger relevant. Die Gründerpersönlichkeit spielt vor allen beim Einwerben von Stiftungsgeldern eine Rolle, bei personenunabhängigen digitalen Crowdfunding-Plattformen oder bei der Genossenschaftsgründung hingegen nicht.

Die Nutzung alternativer Finanzierungsinstrumente für Vorhaben gesellschaftlicher Dienste im Quartier ist ungleich zeitintensiver und komplexer als die Beantragung von (Förder-)Krediten, auch weil zum Teil weitere Institutionen, wie die Crowd-Plattform oder das genossenschaftliche Zertifizierungsverfahren, eingebunden werden müssen. Alternative Finanzierungsmodelle werden zu großen Teilen für schwach oder unrentierliche Vorhaben eingesetzt, die überwiegend von Vereinen, Ehrenamtlichen, Initiativen, Unternehmen der lokalen Ökonomie etc. initiiert, koordiniert und begleitet werden müssen. Häufig besteht bei der Finanzierung, z. B. bei Initiativen, „ein Mix aus öffentlichen Förderprogrammen, Spenden, Sponsorengeldern und Eigenleistungen (…). Der konkrete Finanzbedarf und das Finanzierungskonzept hängen dabei vom Vorhaben und der Phase ab, in der man sich befindet“ (vgl. Langguth et al. 2015, S. 17). Dass bei Kapitalbedarf häufig unterschiedliche Finanzierungsquellen genutzt werden, konnte auch in der Auswertung der Beispiele im Rahmen von KuDeQua bestätigt werden.

4.5 Zwischenfazit

Der Überblick der verschiedenen Förder- und Finanzierungszugängen für Vorhaben gesellschaftlicher Dienstleistungen im Quartier verdeutlicht, dass es für rentierliche, schwach rentierliche und unrentierliche Vorhaben Möglichkeiten gibt, im Bedarfsfall Kapital zu akquirieren. Die mit alternativen Finanzierungen entwickelten Vorhaben haben häufig einen Quartiersbezug wie z. B. Dorf- oder Quartiersläden, Orte der Begegnung oder Multifunktionshäuser. Auch die alternativen Finanzierungsangebote können einen räumlichen Bezug aufweisen, wenn z. B. Spender*innen direkt aus dem Quartier kommen. Die Beantragung der verschiedenen Förder- und Finanzierungszugänge und die dargestellten unterschiedlichen Anforderungen an das Vorhaben und den/die Gründer*in verdeutlichen, dass.

  • zur Einwerbung von Kapital immer ein Businessplan bzw. ein qualifiziertes Konzept notwendig sind, um die Kapitalgeber*innen von der Unterstützung zu überzeugen,

  • bei klassischen Bankprodukten zusätzliche Anforderungen zu erfüllen sind,

  • bei Förderprogrammen für Gründer*innen nur diese Zielgruppe antragsberechtigt ist,

  • gemeinnützige Organisationen, Verbände und Vereine bei öffentlichen Förderprogrammen nicht grundsätzlich antragsberechtigt sind,

  • Zuschussprogramme, wie die Städtebauförderung oder die Dorferneuerung, in Einzelfällen geeignet sind, Angebote von gesellschaftlichen Diensten im Quartier zu initiieren; sie sind jedoch kein dauerhaftes und flächendeckendes Finanzierungsinstrument,

  • aufgrund der Zugangsberechtigung zu und der formalen Anforderungen von Förderprogrammen sich die gemeinnützigen Organisationen, Verbände und Vereine häufig nur über alternative Finanzierungsmodelle Kapital beschaffen können,

  • die Entwicklung von Organisations- und Finanzierungsmodellen sowohl in vielen Zuschussprogrammen als auch bei alternativen Finanzierungsmodellen von großer Bedeutung ist.

Damit sind die Entwicklung und die Umsetzung von schwach bis unrentierlichen Vorhaben zur Sicherung von gesellschaftlichen Diensten im Quartier durch die Klärung von Trägerschaftsstrukturen und des Finanzierungsmodells ein komplexer und zeitintensiver Prozess, der von den (ehrenamtlichen) Akteur*innen ein großes Engagement und entsprechende Kenntnisse erfordert. Bei großen und/oder größer werdenden Vorhaben können die ehrenamtlichen Akteur*innen an Grenzen stoßen. Die Akquise von Kapital ist bei vorhandenen Sicherheiten und Bonitäten aufgrund der mit der Beantragung verknüpften Anforderungen, wie der Erstellung eines schlüssigen und tragfähigen Businessplans, für viele Gründer*innen bereits eine anspruchsvolle Formalie, bei der diese Unterstützung benötigen. Ohne vorhandene Sicherheiten oder Bonitäten, wie dies i. d. R. bei Vereinen oder Initiativen der Fall ist, gestaltet sich die Akquise von Kapital noch schwieriger und langwieriger. Die Anforderungen der Finanzierungszugänge an Vorhaben und/oder Vorhabenträger sind daher insbesondere für alternative Finanzierungsmodelle häufig nur mit hohem Aufwand umzusetzen und bedürfen einer (kommunalen) Unterstützung (Tab. 2).

Tab. 2 Parameter der Finanzierungszugänge. (Quelle: Eigene Darstellung nach Expert*innengesprächen im Rahmen von KuDeQua; XX sehr hoch, X = hoch, o = mittel, - = niedrig)

5 Die Rolle der Kommune

Bei der Entwicklung von Finanzierungs- und Organisationsmodellen zur Sicherung und zum Erhalt gesellschaftlicher Dienstleistungen im Quartier können Kommunen ganz unterschiedliche Rollen einnehmen. Die Art der Unterstützung reicht von klassischen Aufgaben der Kommunalverwaltung, einer stärkeren Fokussierung des Quartiers durch die Stärkung der lokalen Ökonomie bis hin zu einem erweiterten Rollenverständnis bei Maßnahmen der Quartiersentwicklung (vgl. Alisch 1999) von impulsgebend bis steuernd (vgl. BMVBS 2011, S. 56). Die Betrachtung der sozialräumlichen Ebene ermöglicht und erfordert dabei auch einen fachübergreifenden integrierten Ansatz im Sinne einer nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung. Neben der Stärkung der lokalen Ökonomie bedeutet dies die Sicherung der sozialen und räumlichen Integration sowie den Erhalt und die Förderung der Umwelt- und Lebensqualität (vgl. Deutscher Städtetag 2013, S. 10).

Während es für klassische Unternehmensgründungen in vielen Kommunen eine gut vernetzte und etablierte Unterstützungsstruktur gibt, fehlt diese bisher für bürgerschaftlich getragene Modelle. Hier besteht Handlungsbedarf, um endogene Potenziale zu heben und kooperative oder auch koproduktive Modelle für die Sicherung gesellschaftlicher Dienste zu initiieren.

Mit gezielten Maßnahmen werden vonseiten der Kommune bereits unterschiedliche Akteur*innen (z. B. Existenzgründer*innen, Frauen, Personen mit Migrationshintergrund etc.) und spezifische Unternehmungen (z. B. Sozialunternehmen, ethnische Ökonomie) zum Teil im Besonderen adressiert. Mit diesen Maßnahmen, die gezielt z. B. Social Entrepreneurs, Sozialunternehmen und die lokale Ökonomie in den Fokus nehmen, werden den Akteur*innen Möglichkeiten geboten, ihre Konzepte auszubauen, Informationen über potenzielle Finanzierungszugänge zu erhalten und sich mit anderen in Netzwerken und auf Plattformen auszutauschen. Hier die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen und die Unternehmenspflege auf diese Bereiche auszuweiten, könnte eine zukünftig verstärkt in den Fokus zu nehmende Aufgabe kommunaler Akteur*innen darstellen. Dabei erfordert die Ausweitung der Unternehmenspflege vonseiten der Wirtschaftsförderung und weiterer kommunaler Fachbereiche auf Non-profit-Organisationen, Sozialunternehmen, aber auch Projekte durch Initiativen und Vereine, diese als „gleichwertige“ Partner der Quartiersentwicklung anzuerkennen und die soziale Rendite in den Fokus zu nehmen. Im Sinne der Sicherung der Übertragbarkeit wird infolge der Erkenntnisse aus KuDeQua empfohlen, eine kommunale Beratungs- und Begleitungsstruktur für die Etablierung von Finanzierungs- und Organisationsmodellen für bürgerschaftliches getragenes Engagement aufzubauen. Diese sollte als Anlaufstelle dienen:

  • für die Aktivierung von gesellschaftlichem Engagement (Kenntnisse der Methoden und Instrumente zur Aktivierung, Akquise und Verstetigung);

  • für die Gründungsberatung und weitere Begleitung eines für das Vorhaben geeigneten Finanzierungs- und Organisationskonzeptes (Kenntnisse der unterschiedlichen Organisations- und Finanzierungsmodelle, insbesondere auch alternativer Finanzierungsarten);

  • für die Öffnung zu Finanzierungszugängen (Kenntnisse der Fördervorhaben von Bund, Land und Kommune; Stiftungen, Crowdfunding-Plattform etc.);

  • für die Steigerung der Transparenz von Vorhaben und der Förderung eines regelmäßigen Austauschs, um voneinander zu lernen (Kenntnisse der Vorhaben und Netzwerke).

Eine solche Unterstützungsstruktur ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der nachhaltigen Etablierung – z. B. in Bezug auf Finanzierungszugänge, Organisationsmodelle, aber auch auf bereits bestehende Initiativen – von großem Vorteil, indem sie Akteur*innen berät, begleitet und vernetzt. Voraussetzung wäre hierfür ein integrativer Ansatz, der verschiedene Fachämter, wie Wirtschaft, Soziales, Stadtentwicklung etc., mit einbindet. Da es sich hierbei um eine freiwillige kommunale Aufgabe handelt, muss der politische Wille hierfür gesichert sein. Neben Kompetenzen, wie z. B. Initiierung und Moderation, werden auch fachliche Kompetenzen in den Bereichen (alternativer) Finanzierungszugänge und Organisationsmodelle notwendig. Dies bedarf zugleich auch einer Befähigung der Kommunen, diese Rollen ein- und die Aufgaben wahrzunehmen. Ein bundesweites Förderprogramm zum Aufbau und zur Sicherung gesellschaftlicher Dienste, insbesondere für strukturschwache Räume, kann helfen, Kommunen in diesen Rollen zu stärken und zu professionalisieren. Um die Kommunen nicht zu überfordern, könnten diese Stellen in den Kreisen und kreisfreien Städten geschaffen werden. Auch regionale, kommunenübergreifende Strukturen aufzubauen, kann insbesondere kleineren Städten den Zugang zu Wissen und Expertise erleichtern. Zudem wäre es denkbar, in Anlehnung an die StarterCenter NRW, diese Strukturen durch die Bundesländer mitzufinanzieren, um Kommunen zu entlasten und einen Austausch sowie Standards zwischen den einzelnen Beratungsstellen zu ermöglichen, wie es bei den StarterCentern NRW gelungen ist.

Mit dieser Unterstützungsstruktur könnten viele Akteur*innen zeitlich entlastet und ihnen fachliche Expertise nahegebracht werden. Damit wären auch die Zugangsbarrieren deutlich geringer, sodass hier der Kreis der Akteur*innen ausgeweitet werden kann. Trotz dieser Unterstützungsstrukturen ist es für Kommunen unabdingbar, ggf. selbst stärker Verantwortung zu übernehmen, um Versorgungslücken zu schließen und die Teilhabechancen der Bewohner*innen sicherzustellen.

Das Aufgabenprofil kommunaler Akteur*innen in der Quartiersentwicklung befindet sich vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger Herausforderungen im Wandel. Bereits jetzt ist in einigen Kommunen eine Neuausrichtung einzelner Fachbereiche erkennbar: So hat sich, angestoßen durch ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, die Wirtschaftsförderung Osnabrück unter dem Titel „Wirtschaftsförderung 4.0 – Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Stärkung kollaborativer Resilienzinitiativen in Kommunen“ neu ausgerichtet (vgl. Wirtschaftsförderung 4.0). Ziel ist es, die gesamte Wirtschaft der Stadt in den Blick zu nehmen und über eine reine Unternehmensförderung hinauszugehen, indem regionale und kooperative Wirtschaftsformen sowie besonders Unternehmen, die der Daseinsvorsorge und dem Gemeinwesen dienen, vor Ort gefördert werden.

Die Stadt Dortmund hat, ausgehend von der Bündelung sozial innovativer Ansätze, in einer eigens hierfür geschaffenen Stabsstelle „Soziale Innovation“ innerhalb der Wirtschaftsförderung ein „Social Innovation Center“ ins Leben gerufen, dessen Team sich mit der Entwicklung und Anpassung (neuer) sozial innovativer Ideen, der Planung und Umsetzung konkreter Projekte und dem Querschnittsthema „Corporate Social Responsibility“ befasst.

6 Fazit und Ausblick

Für die Etablierung und Umsetzung gesellschaftlicher Dienste im Quartier werden „hauptamtliche Engagierte“ benötigt, die Aktivitäten steuern und koordinieren. Darüber hinaus bedarf es zur Umsetzung einer kritischen Zahl an Freiwilligen. Die Anforderungen an die Engagierten (insbesondere die Hauptamtlichen) sind enorm: Neben den zum Teil sehr hohen zeitlichen Ressourcen werden das fachliche Wissen sowie soziale Kompetenzen, insbesondere bei der Gründung formeller Strukturen, und Kenntnisse über Möglichkeiten der Finanzierung benötigt. Viele der Akteur*innen qualifizieren sich bei der Gründung der Organisation selbst und müssen prüfen, welche Finanzierungszugänge ihnen offenstehen. Im Rahmen der Analysen von Finanzierungs- und Organisationsmodellen im Projekt KuDeQua konnte gezeigt werden, dass sich diese im Hinblick auf gesellschaftliche Dienste nach rentierlichen, schwach rentierlichen sowie nicht rentierlichen (gemeinwohlorientierten) Modellen differenzieren lassen und sich dementsprechend unterscheiden. Dies hat maßgebliche Folgen für die Zugänge zu externem Kapital. Während für rentierliche Vorhaben, gleich ob durch klassische gewinnorientierte oder sozial orientierte Unternehmen, prinzipiell der Zugang über Geschäftsbanken möglich ist, bleibt dieser Weg den bürgerschaftlich getragenen Modellen verwehrt. Dementsprechend weisen viele der Modelle einen Mix aus unterschiedlichen Organisationsformen und Finanzierungsinstrumenten auf. Raumbezogene Förderprogramme bieten schwach bis unrentierlichen Vorhaben die Möglichkeit einer Anschubfinanzierung, mithilfe von alternativen Finanzierungszugängen lässt sich weiterhin Kapital akquirieren, eine langfristige, nachhaltige Finanzierung – und damit die Sicherstellung einer nachhaltigen Etablierung des Vorhabens – kann jedoch nur dann gelingen, wenn tragfähige Strukturen geschaffen werden. Hier können Kommunen Unterstützung anbieten. Im Gegensatz zu dem bestehenden Beratungsnetzwerk für gewinnorientierte Unternehmen fehlt es in Deutschland an einem solchen für marktwirtschaftlich schwach oder nicht rentierliche, jedoch gemeinwohlorientierte Vorhaben. Weder die Wirtschaftsförderungen noch die Freiwilligenagenturen beraten in dieser Hinsicht. Hinsichtlich der Finanzierung und Organisation schwach bis unrentierlicher Vorhaben für den Erhalt und Aufbau gesellschaftlicher Dienste im Quartier lässt sich festhalten, dass es im kommunalen Portfolio trotz ihrer Bedeutung für die Quartiersentwicklung und die damit einhergehenden Integrations- und Teilhabechancen sowie die soziale Stabilität i. d. R. keine umfassende Unterstützungsstruktur gibt. Sie bilden daher noch immer einen „weißen Fleck“ in der Beratungslandschaft. Für den Aufbau einer kommunalen Beratungs- und Begleitungsstruktur, für die Etablierung von Finanzierungs- und Organisationsmodellen für bürgerschaftliches getragenes Engagement bedarf es auch der Qualifizierung der kommunalen Akteur*innen. Analog zur Unterstützungsstruktur rentierlicher Vorhaben – wie z. B. die StartCenter NRW – könnten Kommunen durch Bundes- oder Landesmittel unterstützt werden. Dies hätte auch den Vorteil, dass der Aufbau der Strukturen gleiche Standards gewährleistet und möglichst untereinander vernetzt erfolgt.