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1 Kommunale Koproduktion als Allzweckwaffe

Die Kommunen sehen sich sozioökonomischen und institutionellen Veränderungen gegenüber, die sich auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und ihre Aufgabenerfüllung auswirken: Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung, innerstädtische Segregation, wirtschaftliche Disparitäten und die Kommunalisierung der Sozial- und Gesundheitspolitik. Hinzu kommen die gegenwärtigen und zukünftigen fiskalischen Belastungen aus der Corona-Pandemie.

Diese Veränderungen gefährden für sich genommen sowie in ihren Wechselwirkungen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen und damit das Niveau der Daseinsvorsorge (vgl. auch DASL 2016, S. 201). Ein „angemessenes“ Niveau kommunaler Daseinsvorsorge ist aber aus zwei Gründen von grundlegender Bedeutung: Auf der Mikroebene beeinflusst es die Lebensqualität des Einzelnen und seine Möglichkeiten, sich zu entfalten; auf der Meso- und Makroebene entscheidet es allgemein über die Standortqualität für private Haushalte und Unternehmen und damit über die Stellung im interkommunalen Wettbewerb. Was allerdings ein angemessenes Niveau ist, lässt sich nur schwer bestimmen. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Leistungswirkungen bei gleicher Ausstattung variieren können. Hier hilft auch das abstrakt-normative Konzept gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht weiter; seine Operationalisierung ist schwierig.

Koproduktion als Instrument zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge ist ein Kernthema der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“. Im Teilprojekt DeWak geht es darum, mithilfe innovativer Organisations- und Finanzierungsmodelle notwendige Einrichtungen der sozialen Daseinsvorsorge in Kommunen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten. Dabei gilt die Koproduktion von Teilen der Daseinsvorsorge oft als Allzweckwaffe zur Lösung der aufgezeigten finanzpolitischen Probleme: Sie soll die Daseinsvorsorge sicherstellen sowie zur Haushaltskonsolidierung beitragen, indem sie zusätzliche Ressourcen Dritter mobilisiert sowie die Effizienz und Effektivität der Aufgabenerfüllung steigert. Nicht zuletzt soll sie aber auch angenommene Demokratiedefizite beseitigen. Diese Fülle an Erwartungen muss nahezu zwangsläufig enttäuscht werden. Anlass genug, Chancen und Risiken kommunaler Koproduktion auszuloten.

Dazu gilt es zunächst, die Besonderheiten der Koproduktion gegenüber den Koordinationsmechanismen Hierarchie/Bürokratie und Markt herauszuarbeiten. Dabei kommt dem intersektoralen Charakter kommunaler Koproduktionen besondere Bedeutung zu (Abschn. 2). Ferner gilt es, Kriterien zu entwickeln, die aus Sicht der Kommunen und der möglichen Co-Produzenten an Organisations- und Finanzierungsmodelle von Koproduktionen anzulegen sind (Abschn. 3). Es folgen ein Überblick über die Entwicklung des dritten Sektors sowie eine typisierende Darstellung von Organisations- und Finanzierungsmodellen der Koproduktion (Abschn. 4). Abschließend werden die Chancen und Risiken kommunaler Koproduktionen bewertet (Abschn. 5).

2 Kommunale Daseinsvorsorge zwischen Bürokratie und Markt

2.1 Gegenstand kommunaler Daseinsvorsorge

Kommunale Daseinsvorsorge ist weder hinsichtlich des Leistungsspektrums noch des Leistungserbringers klar umrissen. Ihr Verständnis hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Früher fasste man darunter vor allem Ver- und Entsorgungsleistungen, also Leistungen der wirtschaftlichen bzw. technischen Infrastruktur. Dazu zählen etwa die Wasserversorgung, die Abwasser- und Abfallentsorgung, die Elektrizitätsversorgung (Abb. 1). Mittlerweile wird die kommunale Daseinsvorsorge verknüpft mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. Als öffentliche Daseinsvorsorge gilt nach dieser Interpretation die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Lebensentfaltung der Menschen dienen. Dies erweitert den Gegenstand der Daseinsvorsorge um soziale Dienste in den Bereichen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung. Allerdings gibt es keine eindeutige Zuordnung von Diensten und Leistungen, nur Einzelfallregelungen in spezifischen Gesetzen (Dehne 2019, S. 68). Klar ist indes, dass nicht alle öffentlichen bzw. kommunalen Leistungen zur Daseinsvorsorge gehören. Dies gilt beispielsweise für Geldleistungen, die entweder der Existenzsicherung (z. B. Sozialhilfe) dienen oder als persönliche Budgets (z. B. Pflegebudgets) ermöglichen, Leistungen gemäß ihrem individuellen Bedarf nachzufragen.

Abb. 1
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(© Hermann Rappen)

Inhaltliche Abgrenzung der Daseinsvorsorge,

Technisch-wirtschaftliche wie soziale Daseinsvorsorge müssen nicht unmittelbar durch die Kommune selbst erfolgen. Teilbereiche gelten zwar als kommunale Pflichtaufgabe, aber die Kommunen entscheiden weitgehend selbstständig über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung. Große Teile der Daseinsvorsorge zählen zudem zu den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben. Hier entscheidet die Kommune auch über das Ob. Alles in allem: Kommunen sind mithin eher zur Gewährleistung einer Leistung verpflichtet denn zu ihrer Eigenproduktion (Vgl. Abschn. 3.1.1). Sie können die Leistungserstellung in Eigenbetriebe und Eigengesellschaften auslagern, insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen Infrastruktur, oder die Leistungserstellung an Organisationen des dritten Sektors oder private Unternehmen vergeben, insbesondere im Feld der sozialen Infrastruktur. In der Vergangenheit dominierten hier der dritte Sektor sowie der Markt. Neuerdings wird auch wieder auf den informellen Sektor gesetzt (z. B. im Zuge einer sozialraumorientierten Sozialpolitik). Kommunale Daseinsvorsorge bewegt sich also zwischen Eigen- und Fremdproduktion, zwischen den Koordinationsmechanismen Hierarchie und Markt. Dazwischen bestehen vielfältige Organisationsformen. Eine davon ist die Koproduktion, die Gegenstand dieses Beitrags ist.

2.2 Kommunale Koproduktion

Koproduktion ist ein weites Feld, denn es gibt kein Einvernehmen darüber, was darunter zu verstehen ist. So bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, wer zu den Co-Produzenten zählt, ob diese nur in die Produktion i.e.S. oder auch in den Entscheidungs- und Planungsprozess eingebunden werden. Strittig ist zudem, welche Güter und Dienstleistungen für eine Koproduktion infrage kommen. Eine enge Version unterscheidet zwischen den sog. regulären Dienstleistern (Fachleuten) und den Bürgern als alleinige Co-Produzenten (Ostrom 1996, S. 1073). Eine weite Version erklärt im Prinzip alle Akteure des dritten und des informellen Sektors sowie Marktakteure zu potenziellen Co-Produzenten (Alford 2011). Bürger können dabei als Begünstigte, Konsumenten (z. B. durch die Gewährung persönlicher Budgets) und Co-Produzenten auftreten. Nach Ostrom werden Waren und Dienstleistungen produziert, während einige Wissenschaftler nur Dienstleistungen als Gegenstand von Koproduktionen fassen. Andere unterscheiden, ob die Koproduktion auf Outputs (z. B. Beratungsstunden) oder Outcomes (z. B. Drogenabstinenz) abstellt. Ein dritter Aspekt ist die Beteiligung an einzelnen Stufen des Produktionsprozesses: Planung etc. Manche betrachten die Bürgerbeteiligung als ureigenes Element der Koproduktion, z. B. in Gestalt der Bürgerkommune (Bogumil 1999), andere klassifizieren lediglich Koproduktionsformen nach dem Einbezug von Organisationen des dritten Sektors und von Bürgern. Mit Blick auf die Bürger wird allerdings nur dann von Koproduktion gesprochen, wenn die Kooperation freiwillig erfolgt, also nicht im Zuge von Mitwirkungspflichten (z. B. Steuererklärung), und nicht im Zuge einer persönlichen Dienstleistung (z. B. Maßnahmen der Jugendhilfe), die nicht ohne das Mitwirken des Begünstigten möglich ist. Die folgende Typisierung der Kooperation von Kommunen und nicht-öffentlichen Sektoren orientiert sich an den Gegebenheiten auf kommunaler Ebene in Deutschland. Ausgeklammert werden allerdings private Unternehmen und Träger als Kooperationspartner, wenngleich Public Private Partnership auch als eine Form der Koproduktion verstanden werden kann.

Kooperationen zwischen öffentlichem Sektor auf der einen sowie dem dritten und/oder informellen Sektor auf der anderen Seite werden i. d. R. mittels der jeweiligen Zuständigkeiten für Planung und Leistungserstellung beschrieben (vgl. Abb. 2). Keine Kooperation liegt vor, wenn Planungsverantwortung und Leistungserbringung ausschließlich in der Hand einer Organisation liegen. Die jeweiligen Aktivitäten werden hierarchisch koordiniert. Kommunale Eigenproduktionen sind typisch für den Bereich der Hoheitsverwaltung. Das zivilgesellschaftliche Pendant ist die Eigenproduktion durch Akteure des dritten und des informellen Sektors. Informelle Organisationsformen sind beispielsweise die Nachbarschaftshilfe, formelle Organisationen etwa Bürgergenossenschaften im Bereich der Energieversorgung.

Abb. 2
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(Quelle: In Anlehnung an Bovaird 2007, S. 848, © Hermann Rappen)

Klassifizierung kommunaler Kooperationen mit Dritten.

Kooperationsformen unterscheiden sich grundlegend hinsichtlich der Frage, ob und wie Dritte an Planung und Entscheidung von Leistungsangeboten beteiligt werden. Liegt die Planungsverantwortung alleine bei der Kommune, kommt es auf den Grad der Beteiligung Dritter an der Leistungserstellung an. Von Co-Management ist zu sprechen, wenn die Leistungserbringung in Zusammenarbeit aller Akteure erfolgt. Der institutionelle Rahmen dafür bilden etwa kommunale Gesundheits- und Pflegekonferenzen, die teilweise gesetzlich verbindlich sind, oder die kommunale Suchthilfeplanung. Im Extremfall tritt die Kommune nur noch als Gewährleister auf; die Leistungserstellung erfolgt allein durch den dritten und/oder den informellen Sektor.

Co-Governance beinhaltet dagegen auch die Mitwirkung von Dritten an der Planung des Angebots der kommunalen Daseinsvorsorge. Dieser kommt für den Bereich der Jugendhilfe die größte Bedeutung zu – mit einer langen Tradition. Die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe sind unmittelbar in den institutionellen finanzpolitischen Willensbildungsprozess eingebunden. Auf ihren Vorschlag werden zwei Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses gewählt. Darüber hinaus besteht das Institut des sachverständigen Bürgers und des sachverständigen Einwohners, die vom Rat in die gebildeten Ausschüsse (mit Ausnahme des Hauptausschusses) entsendet werden können. Erstere müssen u. a. das passive Wahlrecht besitzen, Letztere nicht. In beiden Fällen nehmen sie an den Beratungen teil, sind aber nicht stimmberechtigt. Co-Governance kann auch bedeuten, dass Dritte an der Bestimmung des Leistungsangebots mitwirken oder auch an der Leistungsbereitstellung selbst beteiligt sind. Koproduktion i.e.S. liegt dann vor, wenn Kommunen sowie Akteure des dritten und informellen Sektors sowohl bei der Planung wie bei der Produktion und Bereitstellung der Güter und Dienstleistungen beteiligt sind. Ein Beispiel hierfür sind etwa Bürgerbusse, die von Vereinen in Zusammenarbeit mit Kommunen und kommunalen Verkehrsunternehmen angeboten werden. Für eine solche Zusammenarbeit werden aber auch gemeinsame Organisationen gegründet, z. B. Vereine oder gemeinnützige GmbHs.

Diese Typisierung weist allerdings einen erheblichen Mangel auf: Die Dimension der Finanzierungsverantwortung fehlt. Aus ökonomischer Sicht kommt es zwangsläufig zu Ineffizienzen, wenn der Zusammenhang zwischen Entscheidungs- und Finanzierungskompetenz gänzlich fehlt oder nur lose ist.

3 Kriterien für die Entwicklung von Organisations- und Finanzierungsmodellen

Der generelle Anspruch an neue Organisations- und Finanzierungsmodelle besteht in der Steigerung der Effizienz und Effektivität der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Entwicklung solcher Modelle muss sich dabei an den sozioökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen orientieren, unter denen die Akteure der verschiedenen Sektoren mit ihren jeweiligen Interessen und Eigenlogiken agieren.

Kommunen haben aufgabenbezogene und fiskalische Kriterien zu beachten (vgl. Tab. 1). Bei Ersteren geht es um die Frage, über welche institutionellen Handlungsspielräume die Kommunen verfügen, inwieweit sie die Aufgabenerfüllung politisch steuern können und welche Transaktionskosten mit der Art und Weise der Aufgabenerfüllung verbunden sind. Die Letzteren fragen nach den Haushaltswirkungen der Aufgabenerfüllung, und zwar mit Blick auf den Haushaltsausgleich, die Finanzierungskosten und die Liquidität (vgl. Abschn. 3.1).

Tab. 1 Auswahlkriterien für Finanzierungsinstrumente.

Für die potenziellen Kooperationspartner und Co-Produzenten der Kommunen stehen andere Kriterien im Vordergrund: die Stetigkeit der Finanzierung, die Realisierung von Synergieeffekten sowie die Risikominimierung und die Senkung der Kostenschwelle für Vereine und Ehrenamtliche. Die Frage nach der Stetigkeit der Finanzierung stellt sich, weil die zunehmende Projektfinanzierung und die finanzielle Lage der Kommunen eine Planung über längere Horizonte erschweren.

3.1 Aufgabenbezogene Kriterien der Kommunen

3.1.1 Institutionelle Handlungsspielräume

Die Gemeinden haben als Träger der kommunalen Selbstverwaltung das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 GG). Sie müssen also die Rahmenbedingungen beachten, die durch europäisches Recht, Bundes- und Landesgesetze gesetzt werden (vgl. Tab. 4).

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie beinhaltet auch das Recht der Organisationshoheit. Die Kommunen können demzufolge über das Ob sowie die Art und Weise der Zusammenarbeit mit Dritten – Parafiski, Marktakteure, Akteure des dritten und des informellen Sektors – bei der Aufgabenerfüllung entscheiden. Gleichwohl bestehen auch hier Einschränkungen, insbesondere im Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages 2006, S. 7). Der Rückzug aus einer Aufgabe oder ihre völlige Übertragung (Aufgabenprivatisierung) sind grundsätzlich nur bei freiwilligen kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben zulässig. Pflichtaufgaben nach Weisung können nur von der Kommune selbst wahrgenommen werden. Die übrigen Pflichtaufgaben kann die Kommune mithilfe Dritter wahrnehmen (Durchführungsprivatisierung). In Gestalt des Subsidiaritätsprinzips gibt es sogar ein Gebot zur Durchführungsprivatisierung. Das Sozialgesetzbuch (SGB) verlangt etwa, dass öffentliche Träger keine Einrichtungen und Dienste schaffen sollen, sofern Dritte über geeignete Einrichtungen und Dienste verfügen oder diese in Kürze schaffen können (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB II, § 4 Abs. 2 SGB VIII, § 5 Abs. 4 und § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XIII). So können die Träger der Sozialhilfe die Verbände der freien Wohlfahrtspflege beteiligen oder ihnen die Durchführung von Aufgaben übertragen, sofern diese damit einverstanden sind.

Die Kommunen müssen also prüfen, ob eine Koproduktion oder eine andere Kooperationsform in bestimmten Aufgabenfeldern überhaupt zulässig ist. Wenn ja, ist damit noch immer eine Gewährleistungsverantwortung verbunden; jedenfalls sofern es sich um Pflichtaufgaben handelt.Footnote 1 Der kommunale Fokus richtet sich hier auf die Steuerung, nicht aber zwangsläufig auf die kommunale Erbringung der Aufgabe (Di Fabio 2014, S. 73). Die funktionale Zuständigkeit und Verantwortung verbleiben also bei der Gemeinde, aber der Vollzug wird mehr oder weniger auf Dritte übertragen (funktionale Privatisierung). Daraus folgt, dass Organisations- und Finanzierungsmodelle mit Blick auf die kommunale Steuerungsfunktion gewählt werden müssen.

Allerdings sind die Kommunen auch hier in der Gestaltung nicht völlig frei, denn die übergeordneten Gebietskörperschaften greifen in Vertragsverhältnisse zwischen Kommunen und Dritten ein. So hat der Bund das Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsträger (Kommune), Leistungserbringer (privates Gewerbe, Wohlfahrtsverbände, Ehrenamtler) und Leistungsempfänger (Klienten, Kunden, Bürger) im Bereich der Jugendhilfe und des Gesundheitswesens neu geordnet. Es wird mehr auf Wettbewerb gesetzt, z. B. indem das Selbstkostendeckungsprinzip durch leistungsgerechte Vergütungen oder die Ausstattung der Leistungsempfänger mit Kaufkraft abgelöst wurden. In diesem Zusammenhang ist auch das Kontraktmanagement zu sehen, das Leistung, Qualität und Preis fixiert (Tab. 2).

Tab. 2 Kommunale Aufgabenstruktur und institutionelle Gestaltungsspielräume.

Weitere Rahmenbedingungen setzen Bund und Länder beispielsweise durch Steuerrecht (z. B. Gemeinnützigkeitsrecht, steuerliche Behandlung von wirtschaftlichen Tätigkeiten, Ehrenamtspauschalen) und Regulierungen (z. B. Finanzierung, institutionelle Kooperationen wie Gesundheitskonferenzen).

3.1.2 Politische Steuerbarkeit der Aufgabenerfüllung

Kommunale Steuerung kann sich auf die Zuteilung von Inputs, die Definition von Outputs (Sach-, Geld- oder Dienstleistung) der Leistungserstellung oder die beabsichtigten Wirkungen beziehen. Welche Steuerungskonzepte konkret zur Anwendung kommen können, hängt nicht zuletzt von den institutionellen Rahmenbedingungen ab. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der kommunalen Haushaltssteuerung im Allgemeinen und aufgabenbezogenen Steuerungspotenzialen.

Koproduktion setzt erhöhte Steuerungsleistungen seitens der Kommunen voraus. Die Voraussetzungen hierfür haben sich durch den Übergang von der Kameralistik zur Doppik verbessert (vgl. Abb. 3). Die Kameralistik ist inputorientiert und folgt dem Allokationsmechanismus der Bürokratie. Sie dient auch der parlamentarischen Kontrolle des Haushaltsgebarens der öffentlichen Verwaltung. Der Übergang zur Doppik ermöglicht es, die Finanzierung von Leistungen an ergebnisorientierte Kenngrößen zu koppeln. Dies gilt sowohl bei interner wie externer Leistungserstellung. Die Outputorientierung ermöglicht eine prospektive Steuerung von Verwaltung wie Dienstleistern mittels Zielvereinbarungen, wobei vertraglich vorab die zur Verfügung gestellten Ressourcen, die zu erbringenden Leistungen sowie Art und Weise der Berichterstattung festgelegt werden (vgl. Droß 2013, S. 11). Koproduktion wird gemeinhin verknüpft mit einem Governancemodell, das u. a. durch eine (wirkungsorientierte) Netzwerksteuerung charakterisiert ist (Löffler und Timm-Arnold 2020, S. 3). Die kommunale Praxis wird bestimmt durch ein buntes Gemisch aus allen drei Steuerungsansätzen.

Abb. 3
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(© Hermann Rappen)

Entwicklung kommunaler Steuerungsansätze.

Diese Mischung ist auch ein Ergebnis dessen, dass die Steuerungsansätze aufgabenspezifisch sind. So verweist ein aktueller Beitrag darauf, dass in der kommunalen Aufgabenerfüllung in Deutschland nach wie vor die hierarchische Koordination dominiert. Dies gilt insbesondere für den Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Im Bereich der Jugendhilfe spielen auch Netzwerke eine Rolle, d. h. die Kommunen versuchen, soziale Dienstleistungen zwischen den beteiligten Akteuren zu koordinieren. Hinzu kommen zunehmend Marktelemente.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die kommunalen Steuerungspotenziale in Abhängigkeit von der Leistungsart variieren (vgl. Abb. 4). Konditionale Programme beinhalten „Wenn-dann-Regeln“, die den Kommunen allenfalls einen geringen Handlungsspielraum eröffnen. Zweckprogrammierte Leistungen bieten dagegen den Kommunen die Möglichkeit, die geeigneten Mittel zur Zielerreichung selbst auszuwählen. Es kann deshalb auch nicht verwundern, dass im Bereich der Jugendhilfe die Netzwerkorientierung eine größere Rolle spielt.

Abb. 4
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(Quelle: RWI 2018, S. 32)

Vermutete kommunale Steuerungspotenziale in Abhängigkeit von der Leistungsart.

3.1.3 Transaktionskosten der Aufgabenerfüllung

Unter einer Transaktion verstand man ursprünglich allein den Übertrag von Nutzungsrechten (property rights). Mittlerweile zählt man dazu neben dem Gütertausch auch das soziale Handeln. Transaktionen sind nicht kostenlos; sie verursachen Kosten, beispielsweise für die Vertragsanbahnung und -vereinbarung sowie die Kontrolle der Vertragserfüllung, insbesondere der vereinbarten Leistungs- und Qualitätsstandards.

Ziel der Organisation jedes Leistungsprozesses ist es, die Gesamtkosten bestehend aus Produktions- und Transaktionskosten zu minimieren (Nohe 2016, S. 39). Bei gegebenen Produktionskosten entscheiden die Transaktionskosten darüber, ob Markt, Hierarchie oder Zwischenformen, z. B. Netzwerke, die effizienteste Organisationsform der Leistungserstellung sind. Im Sinne des Minimalprinzips geht es also darum, die Vertrags- bzw. Organisationsform mit den geringsten Transaktionskosten zu wählen (Williamson 1985, S. 22; Ebers und Gotsch 1995, S. 209). Für diesen Vergleich benötigt man keine genauen Kenntnisse über Höhe und Struktur der Transaktionskosten. Es reichen qualitative Betrachtungen der verfügbaren Koordinationsmechanismen anhand ausgewählter Kriterien (Picot und Wolff 1994, S. 65).

Ob Koproduktionen eine effiziente Organisationsform kommunaler Aufgabenerfüllung darstellen, hängt – wie bei anderen Transaktionen – vor allem von der Spezifität und der strategischen Relevanz der infrage stehenden Transaktionen bzw. Leistungen ab. Unter Spezifität wird die exklusive (einzigartige) Gestaltung und Widmung von sog. Produktionsfaktoren verstanden. Ein höherer Grad an Spezifität erschwert oder verhindert anderweitige Verwendungsmöglichkeiten. Eine alternative Nutzung würde deshalb hohe, wenn nicht prohibitive Transaktionskosten verursachen (vgl. Tab. 3).

Tab. 3 Koordinationsmechanismen in Abhängigkeit von Spezifität und Strategischer Relevanz.
Tab. 4 Potenzielle Haushaltswirkungen von Koproduktionen,

Strategisch relevant sind diejenigen Aufgaben, die für die Erreichung der finanzpolitischen Ziele einer Kommune essenziell sind. Aufgaben der Hoheitsverwaltung, z. B. Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zählen zweifelsohne dazu. Für große Teile der kommunalen Daseinsvorsorge kann indes keine allgemeingültige, zeitlose Antwort gegeben werden. Mittel- und langfristig steht die Aufgabenverteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor immer wieder zur Disposition, nicht zuletzt, weil sich die institutionellen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen ändern (Yergin und Stanislaw 2001, S. 10 f.). Kurz- und mittelfristig ist vor allem die politische Prioritätensetzung strittig. Bogumil und Kißler (2001, S. 8 f.) gehen deshalb davon aus, dass über die strategische Relevanz öffentlicher Aufgaben im Gegensatz zum privaten Sektor nicht rational entschieden wird. Sie stellen deshalb auch den Nutzen einer transaktionstheoretischen Analyse infrage. Dieser Einwand trägt bereits deshalb nicht, weil die Transaktionstheorie ohnehin von einer begrenzten Rationalität der Akteure ausgeht. Die Veränderung von Prioritäten bedeutet zudem nicht, dass man sich nicht über die strategische Relevanz einzelner Leistungen im Klaren ist. Man kann also mithilfe der Kriterien Spezifität und strategische Relevanz durchaus diejenigen Aufgabenfelder identifizieren, die grundsätzlich für Formen der Koproduktion geeignet sind (vgl. Tab. 3).

Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Gut oder eine Dienstleistung selbst produziert oder am Markt bezogen werden soll. Der Marktbezug ist vorzuziehen, wenn es lediglich einer marktförmigen Ergebniskontrolle bedarf (Widmaier und Freriks 1996, S. 18). Eine Eigenproduktion ist jedenfalls zu prüfen, wenn es sich nicht nur um einmalige Transaktionen handelt. Koproduktionen und Fremdproduktionen sind nämlich auf einen längeren Zeitraum ausgelegt. Leistungsverträge müssen etwa das wirtschaftliche Handeln der Vertragspartner sicherstellen sowie die Qualität von Leistungsprozessen sichern (z. B. in der Jugendhilfe und der Drogenberatung). Die Verträge können zudem nicht alle möglichen Eventualitäten regeln, weil Ungewissheit über zukünftige Entwicklungen besteht. Es entstehen also Überwachungs- und Kontrollkosten.

Koproduktionen sind danach vor allem in denjenigen Aufgabenfeldern möglich, deren strategische Relevanz zwar hoch, aber die Spezifität gering ist. Dies trifft auf weite Bereiche der Daseinsvorsorge zu, wie auch der Streit um die sog. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in der EU zeigt. Dabei dürfen die potenziellen Co-Produzenten nicht überfordert werden. Dies gilt insbesondere für das ehrenamtliche Engagement. Es steht vor erheblichen Herausforderungen, wenn die Aufgabenerfüllung ein bestimmtes Maß an Kontinuität, Intensität und Verlässlichkeit erfordert. Komplexe rechtliche Vorgaben (Tarifrecht, Förderrichtlinien) können aber auch Vereine und andere Organisationen des dritten Sektors überfordern (Röbke 2013, S. 28).

3.2 Fiskalische Kriterien

Das kommunale Haushaltsrecht zielt mit der Vorgabe eines ausgeglichenen Haushalts darauf ab, die dauerhafte Leistungsfähigkeit und stetige Aufgabenerfüllung der Gemeinden und Gemeindeverbände sicherzustellen. Nach nordrhein-westfälischem Recht ist beispielsweise der originäre Ausgleich gegeben, wenn die geplanten und realisierten Erträge mindestens den Aufwendungen entsprechen und die Liquidität gesichert ist. Ein negatives Eigenkapital ist zudem nicht zulässig. Der Haushaltsausgleich stellt indes nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür dar, dass dauerhaft ein angemessenes Niveau der kommunalen Daseinsvorsorge finanziert werden kann.

Das Streben nach einem ausgeglichenen Haushalt kann sogar eine stetige Aufgabenerfüllung beeinträchtigen, wenn eine rein quantitative, reaktive Finanzpolitik verfolgt wird. Einnahmeerhöhungen und Ausgabenkürzungen können kumulative Abwärtsspiralen auslösen, weil die Standortattraktivität für private Haushalte wie Unternehmen infolge steigender Belastungen und/oder verringerter Quantität sowie Qualität der Daseinsvorsorge zurückgeht. Der Haushaltsausgleich ist damit ebenso gefährdet wie die stetige Aufgabenerfüllung. Die aufgezeigten strukturellen Probleme, insbesondere die des demografischen Wandels, können jedenfalls so nicht gelöst werden.

Kommunale Koproduktion ist eine Möglichkeit, sowohl die nötigen Ressourcen für die Daseinsvorsorge zu generieren als auch die strukturellen Probleme zu lösen, indem sie Effizienz und Effektivität kommunaler Aufgabenerfüllung verbessert. Sie garantiert freilich weder das eine noch das andere. Läuft die Kooperation bloß darauf hinaus, im Sinne einer inputorientierten Haushaltsführung kommunale Ressourcen durch private zu substituieren, so dürfte der Haushalt nur kurzfristig entlastet werden (vgl. Tab. 4). Gleichwohl ist es denkbar, dass auch durch substitutive Koproduktionsformen die Leistungen effizienter erbracht werden können. Grund hierfür ist die Einbeziehung des Know-how des dritten und des informellen Sektors. Erfolgversprechender ist indes eine additive Koproduktionsform, die nicht nur Ressourcen Dritter mobilisiert, sondern auch zusätzliche kommunale Mittel im Rahmen einer proaktiven Finanzpolitik bereitstellt (Löffler und Timm-Arnold 2016, S. 309 ff.). Voraussetzung hierfür ist allerdings eine wirkungsorientierte Politik, die im Ergebnis ein angemessenes Niveau der Daseinsvorsorge bereitstellt und mit Blick auf Sozialleistungen Bedarfsfälle vermeidet oder überwindet. Eine entlastende Wirkung ist in diesem Fall allerdings nur mittel- und langfristig zu erwarten.

Die fiskalischen Wirkungen hängen nicht nur davon ab, ob eine substitutive oder additive Strategie verfolgt wird oder welche Form der Haushaltssteuerung gewählt wird. Die Art und Weise der Finanzierung sowie die Kontrolle der Koproduktion beeinflussen die fiskalische Belastung mittelbar wie unmittelbar. Dabei sind aus kommunaler Sicht natürlich Lösungen ideal, die den Haushalt möglichst wenig belasten oder gar entlasten.

Globalzuschüsse bemessen sich am Input bzw. den Kosten der Leistungserstellung. Dabei können fixe Zuschüsse sich im Rahmen der Haushaltsvorgaben bewegen, oder es wird die teilweise bis vollständige Kostenübernahme zugesagt. Die Kontrolle erfolgt über Rechnungsprüfung, Verwendungsnachweise oder Nachweis der Kosten (Freier 1995, S. 397). Die Inputorientierung und die unzureichenden Kontrollinstrumente führen dazu, dass die Kommunen die Aufgabenerfüllung kaum beeinflussen können. Tendenziell führt eine solche Vorgehensweise zu einer höheren Belastung des kommunalen Haushalts, als im Sinne der Aufgabenerfüllung notwendig wäre.

Anders liegen die Dinge bei projektgebunden Zuschüssen und Entgelten. Sie erlauben grundsätzlich die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Wirksamkeit, indem entsprechend spezifizierte Leistungsverträge geschlossen werden (Freier 1995, S. 397). Dabei ist eine outputorientierte Steuerung anhand von Indikatoren weniger anspruchsvoll als eine wirkungsorientierte. Koproduktion bedarf allerdings einer wirkungsorientierten Steuerung (s. o. Abschn. 3.1.2). Hier besteht die Chance, dass der Haushalt durch eine verbesserte Wirksamkeit der Daseinsvorsorge entlastet wird.

Eine Alternative oder Ergänzung zu Zuschüssen und Entgelten besteht darin, dass die Kommunen selber Mitglied in Vereinen oder Eigner in einer gemeinnützigen GmbH werden. Im letzteren Fall stellen sie Eigenkapital zur Verfügung, was zwar die Liquidität belastet, nicht jedoch den Ausgleich des Ergebnishaushalts. Zudem gewinnen die Kommunen an unmittelbarem Einfluss auf Zielsetzungen sowie Art und Weise der Leistungserstellung. Sie können aber auch kommunale Eigenbetriebe und Eigengesellschaften dazu nutzen, sich indirekt an solchen Organisationen bürgerschaftlichen Engagements zu beteiligen. Auf diese Weise könnten sie auch notwendige Investitionen finanzieren, ohne dass die Liquidität (Finanzhaushalt) oder der Ergebnishaushalt durch Abschreibungen belastet wird.

3.3 Interessen der sozialen Akteure

Stakeholder der kommunalen Daseinsvorsorge sind, neben der Kommune selbst, Akteure des dritten Sektors (z. B. die Wohlfahrtsverbände), privat-gewerbliche Produzenten sowie die Bürger als ehrenamtlich Tätige und als Leistungsempfänger. Eint die Akteure auch ein gemeinsames Interesse an der Bereitstellung bestimmter Leistungen, so bestehen doch Konflikte, die aus unterschiedlichen Belangen und Handlungsrationalitäten resultieren. Sie beziehen sich auf ihr jeweiliges Rollenverständnis als Produzenten, die Art und Weise der Leistungserstellung sowie deren Finanzierung. Die Nutzer bzw. Leistungsempfänger verfolgen wiederum eigene Interessen. Im Folgenden wird auf die Interessenlagen der Wohlfahrtsverbände, der privat-gewerblichen Träger sowie der Ehrenamtler näher eingegangen.

3.3.1 Wohlfahrtsverbände

Bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts bestand ein Konkurrenzverhältnis zwischen Kommunen und Wohlfahrtsverbänden. Mit Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip versuchten die Wohlfahrtsverbände, staatliche bzw. kommunale Einflussnahme auf Art und Umfang ihrer Leistungen abzuwehren. Eine erste Aufweichung dieses strengen Subsidiaritätsprinzip erfolgte in den Sechzigerjahren durch das Bundesverfassungsgericht, welches den Wohlfahrtsverbänden nur noch einen bedingten, von ihrer Leistungsfähigkeit abhängigen Vorrang gegenüber den Kommunen einräumte. Es kam zu einer funktionalen Arbeitsteilung zwischen den Kommunen als Gewährleistern (Planungs- und Finanzhoheit, Angebotsgarantie) und den Wohlfahrtsverbänden als Anbieter sozialer Leistungen. Mit der Ausdehnung des Sozialstaats in den Siebzigerjahren wurden sie verstärkt in die sozialpolitische Willensbildung einbezogen,Footnote 2 zudem konnten sie ihre Einrichtungen und Angebote erweitern. Der Preis hierfür war eine zunehmende Regulierung durch die Setzung von Leistungsstandards sowie eine wachsende Abhängigkeit von öffentlichen Zuschüssen und Zuwendungen (Backhaus-Maul 2020, S. II ff.). Die kommunale Ebene gewann dadurch Einfluss auf die Auswahl der Bedarfsträger sowie Art und Umfang der angebotenen Sozialleistungen. Seitdem kann man erstmals von einer echten kommunalen Koproduktion sprechen: Kommunen und Wohlfahrtsverbände stehen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis, welches durch personelle Verflechtungen unterfüttert wird.

Diese Form der Koproduktion wurde aber u. a. von der Monopolkommission kritisiert, weil sie faktisch zu einem bilateralen Kartell geführt hat. Es treten sich die Sozialhilfeträger und Sozialversicherungen als alleinige Nachfrager und die Wohlfahrtsverbände als nahezu alleinige Anbieter von sozialen Dienstleistungen gegenüber (Deutscher Bundestag 1998, S. 34). Knappe kommunale Haushaltsmittel sowie ein wachsender Bedarf lösten eine Ökonomisierung bzw. eine Vertrieblichung aus, die diese enge Verflechtung durchbrechen. Leistungsentgelte lösten zumindest teilweise Zuschüsse und Zuwendungen ab, die bis zur vollständigen Kostendeckung gewährt wurden; zum anderen wurde der Kreis der potenziellen Produzenten auf privat-gewerbliche Anbieter erweitert. Damit verloren die Wohlfahrtsverbände nicht nur die finanzielle Stabilität vergangener Jahre, sondern – zumindest teilweise – ihre ehemals privilegierte Stellung (Backhaus-Maul und Olk 1996; Droß 2013, S. 9ff.).

Der Übergang der Kommunen zu einer netzwerkorientierten Steuerung eröffnet ihnen die Chance, als Teil eines solchen Netzwerkes wieder mehr Einfluss auf das Angebot zu gewinnen, eine größere finanzielle Stabilität zu erreichen und nicht zuletzt Synergieeffekte in der Zusammenarbeit mit der jeweiligen Kommune und weiteren Akteuren zu realisieren. Hintergrund ist, dass Netzwerke auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen sind. Hier besitzen die Wohlfahrtsverbände im Verhältnis zu den Kommunen nach wie vor einen großen Vorsprung gegenüber anderen Akteuren, nicht zuletzt auch aufgrund bestehender personeller Verflechtungen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich aus der Sicht der Wohlfahrtsverbände das Verhältnis zu den Kommunen von der Konkurrenz über den Wettbewerb zu einer Coopetition entwickelt.

3.3.2 Privat-gewerbliche Produzenten

Privat-gewerbliche Produzenten waren schon immer aktiv in Teilbereichen der Daseinsvorsorge, insbesondere der technischen Infrastruktur (Energieversorgung, Nahverkehr). Ihre Bedeutung hat allerdings zugenommen, insbesondere infolge der Reform des Sozialgesetzbuches. Sie kommen nun auch bei Sozialleistungen als Leistungserbringer in Betracht, z. B. in der Jugendhilfe. Dies wird gefördert durch die Umstellung von Zuschüssen bzw. Zuweisungen auf Leistungsentgelte.

Kritiker dieser Entwicklung verweisen darauf, dass hier die Bedarfs- durch die Gewinnorientierung ersetzt wird. Die privat-gewerblichen Produzenten haben allerdings ein anderes Selbstbild. Sie plädieren für einen Qualitäts- und Preiswettbewerb, denn beides gehöre untrennbar zusammen. Die Erzielung eines angemessenen Gewinns wird dabei auch für Sozialunternehmen als normal und notwendig angesehen (VPK o. J.). Mit Blick auf die kommunale Situation ist es ihr Anliegen, die traditionellen korporatistischen Strukturen aufzubrechen. Ein Anliegen, das auch die Monopolkommission verfolgt (Deutscher Bundestag 2014, S. 155). In diesem Sinne liegt es auch im Interesse gewerblicher Anbieter, dass die Nutzer der Leistungen persönliche Budgets für eine freie Auswahl der Anbieter zur Verfügung gestellt bekommen.

Es handelt sich aber insbesondere im Bereich der sozialen Daseinsvorsorge nach wie vor um einen stark regulierten Markt. Dies findet auch seinen Ausdruck in institutionalisierten Koproduktionsformen, die zum Teil gesetzlich vorgegeben werden (Gesundheits- und Pflegekonferenzen, Drogenkonferenzen). Hier werden auch privat-gewerbliche Anbieter eingebunden, können an Planungen teilnehmen. Diese Form der Kooperation liegt vermutlich auch im Interesse zumindest von Teilen privat-gewerblicher Anbieter.

3.3.3 Bürgerschaftliches Engagement

Bürgerschaftliches Engagement zielt sachlich darauf ab, entweder eine bestehende, oft auch neu entdeckte Versorgungslücke in der Daseinsvorsorge zu schließen (z. B. die Einrichtung von Frauenhäusern) oder gefährdete Angebote (z. B. Schwimmbäder) zu sichern. Im ersten Fall geht es auf mittlere Sicht auch darum, kommunale Ressourcen für die eigenen Zwecke zu mobilisieren. Der Weg führt hier i. d. R. über die Ausweitung und Professionalisierung des Angebotes, die den Ruf nach einer finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand laut werden lässt. Es handelt sich also um eine additive Koproduktionsform, wenngleich die Initiative hierzu von der Zivilgesellschaft ausgeht. Im zweiten Fall bringen Bürger Ressourcen ein, um fehlende kommunale Ressourcen zu ersetzen (substitutive Koproduktionsform). Hier kann die Initiative sowohl von der kommunalen Seite als auch von der Zivilgesellschaft ausgehen.

In beiden Fällen haben die ehrenamtlich Tätigen ein mehr oder weniger großes Interesse daran, Einfluss auf die Rahmenbedingungen des Engagements (z. B. Aufwandsentschädigungen) sowie die Mitgestaltung der jeweiligen Leistungen zu erhalten. Dies kann letztlich nur gelingen, wenn formellere Strukturen (z. B. Bürgerbusvereine) entwickelt werden oder auf bestehende Strukturen (z. B. Sportvereine) zurückgegriffen wird. Traditionelle Organisationen (Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Parteien und Gewerkschaften) sind hier zum Teil Konkurrenten, zum Teil dienen sie sich als Mittelsmann zwischen Politik und Gesellschaft an. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass das bürgerschaftliche Engagement nach wie vor in formal organisierten Vereinigungen dominiert, wenngleich die Bedeutung individuell organisierter Gruppen merklich zunimmt (vgl. Abschn. 4.1).

Das Engagement kann egoistisch wie altruistisch motiviert sein,Footnote 3 wie die Ergebnisse mehrere Wellen des Freiwilligensurveys zeigen (vgl. Tab. 5). Danach beflügeln vor allem die Freude an der ehrenamtlichen Tätigkeit, ein eher egoistisches Motiv, sowie die Möglichkeit anderen, insbesondere bestimmten Bevölkerungsgruppen, zu helfen, ein eher altruistisches Motiv. Allerdings können die Gründe für ein Engagement nicht immer eindeutig in diese binäre Klassifikation eingeordnet werden, z. B. wenn religiöse und moralische Überzeugungen zugrunde liegen. Für Möglichkeiten kommunaler Koproduktionen ist dabei von Bedeutung, dass ehrenamtliche Tätigkeiten nicht vorrangig auf einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Kommunen abzielen. Diese Motivation hat zwar an Bedeutung gewonnen, steht aber bei weitem nicht im Vordergrund. Auch moralische Verpflichtungen oder religiöse Überzeugungen spielen eine untergeordnete Rolle.

Tab. 5 Motive für das bürgerschaftliche Engagement.

4 Trägerinstitutionen und Koproduktionsmodelle

4.1 Allgemeine Entwicklungstendenzen des dritten und des informellen Sektors

Der Schwerpunkt kommunaler Koproduktionen liegt nach wie vor im Bereich der institutionellen Träger des dritten Sektors. Seine gängigen Organisationsformen sind Vereine, gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung (gGmbHs), Stiftungen und Genossenschaften. Während die Zahl der Genossenschaften von 1995 bis 2016 stark rückläufig ist, hat die der übrigen Organisationsformen, insbesondere die der Vereine, zugenommen (Priemer et al. 2019, S. 10). Entsprechend konzentriert sich das freiwillige Engagement in Vereinen und Verbänden, wenngleich der Anteil der Ehrenamtler, die in Vereinen aktiv sind, von 1999 bis 2014 um 3,7 Prozentpunkte auf 52,1 % gesunken ist (Simonson und Vogel 2017, S. 532). Die Zahl der Selbsthilfegruppen, die Verbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossen sind oder von diesen angeboten oder unterstützt werden, hat von knapp 35.000 im Jahr 2004 auf 51.000 im Jahr 2016 zugenommen (vgl. Tab. 6). Die Zahl der Ehrenamtler insgesamt hat im obigen Zeitraum zugenommen: Im Jahr 1999 waren 34 % der Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren freiwillig engagiert, 2014 waren es 43,6 % (Simonson et al. 2017, S. 21). Davon profitiert hat insbesondere der informelle Sektor. Sein Anteil an allen Engagierten nahm von 11 % im Jahr 1999 auf 16 % im Jahr 2014 zu (Simonson und Vogel 2017, S. 532).

Die Organisationsform hat zwangsläufig Einfluss auf die Finanzierungsform (vgl. Tab. 7) . So stellen Mitgliedsbeiträge den Finanzierungsschwerpunkt von Vereinen dar, erwirtschaftete Mittel den von GmbHs, Vermögenserträge den von Stiftungen. Für Genossenschaften fehlen hier die Angaben. Auffallend ist, dass insbesondere GmbHs ihre Aktivitäten auf öffentliche Fördermittel stützen – trotz der gleichzeitig erheblichen Bedeutung erwirtschafteter Mittel.

Tab. 6 Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege nach Arbeitsbereichen 2004, 2008, 2012, 2016.
Tab. 7 Einnahmequellen 2017 nach Vereinsgröße (Mittelwerte der Prozentangaben).

4.2 Ausgewählte Koproduktionsmodelle

Kommunale Koproduktionen mit den nicht-öffentlichen Sektoren gehen über die tradierte Beschaffung von Leistungen und deren Finanzierung im Rahmen zweiseitiger Verträge oder des sog. sozialen Leistungsdreiecks hinaus. Sie stützen sich im Wesentlichen auf Netzwerke und hybride Organisationen.

4.2.1 Netzwerke

In Netzwerken arbeiten Kommunen sowie Akteure der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft in bestimmten Problemfeldern zusammen. Dazu bringen sie ihre jeweilige Expertise und eigene Ressourcen ein. Die Bildung von Netzwerken dient dabei grundsätzlich zwei Zielen: der Steigerung von Effizienz und Effektivität der Aufgabenerfüllung sowie der Förderung von Innovationen.

Die Netzwerkbildung kann dabei auf gesetzlichen Vorgaben beruhen. Dies gilt etwa für die Bildung von Arbeitsgemeinschaften in der Jugendhilfe, in denen Kommunen, die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe sowie die Träger geförderter Maßnahmen vertreten sind. Ziel ist es, dass die geplanten Maßnahmen (bzw. Angebote) aufeinander abgestimmt werden oder sich gegenseitig ergänzen (§ 78 SGB VIII). Es handelt sich insoweit um ein hierarchisches Netzwerk, denn die Kommune gibt im Wesentlichen die Rahmenbedingungen für die Erstellung des Endprodukts („geplante Maßnahmen“) vor (Banke und Hinken 2020).

Ein weiteres Beispiel ist die Vorgabe der Einrichtung einer kommunalen Gesundheitskonferenz. Die Federführung liegt hier bei den Kommunen, wobei der potenzielle Kreis der Teilnehmer bis hin zur Maßgabe der geschlechtsparitätischen Besetzung vorgegeben wird (vgl. Tab. 8). Die kommunale Gesundheitskonferenz ist zum einen Steuerungsgremium, das auf der Basis bedarfsorientierter, kommunaler Analysen über Handlungsempfehlungen und deren Umsetzung entscheidet. Die Teilnehmer gehen die Selbstverpflichtung ein, die empfohlenen Maßnahmen auch umzusetzen. Von Interesse ist hier, dass die kommunale Gesundheitskonferenz explizit auch den Einbezug von Selbsthilfegruppen vorsieht. Sie erweitert damit den Kreis der etablierten Kommunalpartner aus dem dritten Sektor.

Tab. 8 Typische Akteure kommunaler Gesundheitskonferenzen – Das Beispiel Kreis Viersen

Die Initiative zur Netzwerkbildung kann aber auch von den Kommunen oder dem dritten Sektor ausgehen. Ein interessantes Beispiel hierfür ist die Frankfurter Drogenpolitik. Interessant deshalb, weil hier zum einen Suchtprävention und Suchthilfe zusammen gedacht werden mit Kriminalitätsvorbeugung (Hilfe und Repression), zum anderen weil beide Aspekte der Daseinsvorsorge im Rahmen einer Koproduktion sichergestellt werden sollen. Dazu wurde die Montagsrunde eingerichtet, die, neben den kommunalen und privaten Trägern der Drogenhilfe, Polizei, Staatsanwaltschaft und Vertreter der Privatwirtschaft umfasst (Klein 2002). Diese sog. Montagsrunde koordiniert die jeweiligen Angebote und Leistungen und spricht Handlungsempfehlungen aus. Damit werden auch die traditionelle Versäulung der öffentlichen Verwaltung aufgebrochen und ein fach- und behördenübergreifendes Agieren ermöglicht. Allerdings verfügt dieses Netzwerk über keine direkten Steuerungsmöglichkeiten. Es kommt damit einem heterarchischen Netzwerk relativ nahe. Durch die Zusammensetzung der Gruppe wird zugleich ein Interessenausgleich angestrebt.

4.2.2 Vertragsbasierte Netzwerke

In vertragsbasierten Netzwerken teilen sich mehrere Akteure die Aufgaben- und Finanzierungskompetenzen. Ein Beispiel hierfür sind die engagementbasierten Gemeinschaftsverkehre (Bürgerbusse). Hier gibt es i. d. R. drei Akteure: die Kommunen, Nahverkehrsunternehmen und Bürgerbusvereine.

Die Bürgerbusvereine rekrutieren und betreuen die Fahrer, führen das Verkehrsangebot durch, übernehmen sonstige organisatorische Aufgaben (z. B. Fahrzeugpflege, Werbung). Sie finanzieren sich durch Werbung, Crowdfunding und Spenden. Die Kommunen beteiligen sich unter Umständen an der Finanzierung von Fahrzeugen und i. d. R. von Betriebsdefiziten. Sie können aber auch als Fahrzeughalter auftreten und diese versichern. Sie haben aber auch die Möglichkeit, in die Rolle des Konzessionsinhabers zu schlüpfen. Die Verkehrsunternehmen können ebenfalls die Rolle des Konzessionsinhabers wahrnehmen und Unteraufträge an die Bürgerbusvereine vergeben. Darüber hinaus können sie weitere Aufgaben übernehmen, etwa Fahrzeugwartung, Auftragsannahme für Fahraufträge (bei flexiblen Verkehren), Einnahmeabrechnung und Fahrzeugbeschaffung. Kooperationsvereinbarungen zwischen Verkehrsunternehmen und Bürgerbusverein regeln die Einzelheiten.

4.2.3 Hybride Organisationen

Von hybriden Organisationen spricht man, wenn sich Elemente, Wertsysteme und Handlungslogiken verschiedener Sektoren mischen. Im Rahmen kommunaler Koproduktionen geht es darum, dass sich bürokratische, marktwirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Elemente in einer Organisation vermischen (Evers 2018, S. 890). Dies trifft auch auf gemeinnützige GmbHs, Genossenschaften und Vereine zu, in denen Kommunen und Akteure des dritten und informellen Sektors im Rahmen des jeweiligen Gesellschaftsvertrages bzw. der Vereinssatzung gemeinsam über Ziele, Programme und Ressourceneinsatz entscheiden. Man kann also von einer Koproduktion sprechen. Allerdings haben die Kommunen i. d. R. einen zusätzlichen Einflusskanal, der sich in den finanziellen Zuwendungen an solche Organisationen manifestiert. Beispielhaft sei hier auf die Suchthilfe in der Stadt Duisburg und der Stadt Leverkusen eingegangen (vgl. Tab. 8).Footnote 4

Die Stadt Duisburg hat Aktivitäten der Suchthilfe und Suchtprävention auf den Suchthilfeverband e. V. ausgelagert, mit dem Ziel, die Ressourcen der Stadt und von freien Trägern (u. a. Caritas, Diakonie, freigemeinnütziges Unternehmen Alexianer) zu bündeln, um eine effizientere Suchthilfe zu ermöglichen (Steuerung aus einer Hand). Die Entlastung des städtischen Haushalts insbesondere von Personalkosten war wohl ein weiterer Grund (Stadt Duisburg 2011, S. 3 f.). Maßgeblichen Einfluss sichert sich die Stadt auf zweierlei Weise: Von den sieben Vereinsmitgliedern ist eine Mehrheit der Stadt zuzurechnen; zudem hat die Stadt einen Vertrag über die übertragenen Aufgaben mit dem Verein abgeschlossen. Der Vertrag beinhaltet auch pauschale Zuweisungen zur Finanzierung von Personalkosten.

In Leverkusen steht die Koordinierung der Suchtprävention und der Suchtkrankenhilfe im Vordergrund. Die Anteile am Stammkapital von 26.000 € und damit die Stimmrechte entfallen je zur Hälfte auf die Stadt und das Diakonische Werk. Die Stadt kann also nicht überstimmt werden. Zudem nimmt sie die Geschäftsführung wahr; hierfür ist eine Mitarbeiterin im Nebenamt abgestellt. Der Kirchenkreis bezeichnet sich selbst als „stillen Gesellschafter“, der aufgrund mangelnder Finanzkraft seit 2012 und noch bis 2021 seine Zuschüsse jährlich um 10 % kürzt. Im Gegenzug wurde der Stadt die Möglichkeit eingeräumt, Gesellschaftsanteile zu übernehmen, wovon die Stadt aber bisher nicht Gebrauch gemacht hat. Begründet wird dies mit den notariellen Kosten, die eine jährliche Anpassung der Gesellschaftsanteile nach sich ziehen würde. Wichtiger dürfte aber sein, dass ein sinkender Anteil des Kirchenkreises die Mitgliedschaft der Suchthilfe gGmbH beim Diakonischen Werk als Dachverband gefährden würde. Diese ist aber Voraussetzung für die Landesförderung, die sich seit Längerem auf jährlich knapp 82.000 € beläuft (Tab. 9).

Tab. 9 Mitwirkung von Kommunen in privaten Körperschaften – Das Beispiel der Suchthilfe

5 Chancen und Risiken einer kommunalen Koproduktion

Kommunale Koproduktion bietet die Chance, durch den Einbezug von Akteuren des dritten und informellen Sektors sowie privat-gewerblicher Akteure Effektivität und Effizienz kommunaler Aufgabenerfüllung zu verbessern. Grund hierfür sind eine verbesserte Absprache beim Einsatz der Ressourcen, aber auch die Nutzung des Know-how der nicht-öffentlichen Akteure. Verwaltungsintern geht es dabei um die fachübergreifende Koordination von Kompetenzen und Ressourcen, die die traditionelle Verwaltungsorganisation entlang der Sozialgesetzbücher (sog. Versäulung) überwinden soll. Auch versorgungspolitische Innovationsprozesse könnten beschleunigt werden. Erstens ermöglichen Netzwerkstrukturen eine verbesserte Anpassung an veränderte Umweltbedingungen; zweitens können im Rahmen der Kooperation Innovationen entwickelt werden. Bislang fehlt es aber an empirischen Untersuchungen, die diese positiven Effekte bestätigen. Es gibt zwar Überblicke über das ehrenamtliche Engagement und auch Koproduktionen, es gibt aber nicht nur in Deutschland wenige Informationen über Erfolg und Misserfolg von Koproduktionen auf kommunaler Ebene. Dies kann auch der vorliegende Beitrag nicht leisten. Das DeWak-Projekt hat allerdings gezeigt, das Koproduktionen nur unter zwei Voraussetzungen initiiert und nachhaltig sein können: Erstens bedarf es einer ausreichenden und verlässlichen kommunalpolitischen Unterstützung, zweitens eines hinreichenden gesellschaftlichen Sozialkapitals. Dabei gilt es auch, Interessengegensätze zu moderieren und zu verhindern, dass die „Platzhirsche“ (traditionelle Wohlfahrtsverbände) andere Initiativen dominieren.

Koproduktionen bergen stets die Gefahr von Missbrauch, Korruption und ineffizienten und ineffektiven Leistungen. Sie benötigen nämlich eine gewisse Stabilität der Teilnehmer sowie den Aufbau von Vertrauen. Dazu gehört auch, mit der fehlenden Kenntnis über zukünftige Entwicklungen umzugehen. Auf längere Sicht angelegte Koproduktionen können nie alle Eventualitäten vorab vertraglich regeln und erfordern seitens der Kommunen einen hohen Kontrollaufwand. Unter diesen Voraussetzungen können im Vergleich zum Leistungsbezug am Markt die Transaktionskosten gesenkt werden. Gerade Stabilität und Vertrauen begünstigen aber einen Rückfall in den tradierten Steuerungskorporatismus. Seine Gefahren zeigen sich aktuell in den Skandalen um die Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt oder überhöhte Gehaltszahlungen in einer gemeinnützigen Einrichtung in Duisburg. Diesem Risiko wirkt entgegen, dass die Akteure trotz aller Kooperation um die kommunalen Ressourcen im jeweiligen Aufgabenbereich oder anderen Aufgabenbereichen miteinander konkurrieren. An die Stelle von Konkurrenz zwischen Kommunen und Wohlfahrtsverbänden, dem Wettbewerb um kommunale Ressourcen von Akteuren des dritten Sektors untereinander, aber auch zunehmend mit privat-gewerblichen Trägern, tritt nun – so zumindest die Hoffnung – die punktuelle Kooperation der Akteure (coopetition).

Koproduktionen erfordern formelle Strukturen zumindest aufseiten der nicht-öffentlichen Akteure. Dies ist mit Blick auf die Inanspruchnahme kommunaler Finanzmittel notwendig, aber auch um sich gegenüber etwa den etablierten Wohlfahrtsorganisationen (AWO, Caritas, Diakonie) durchsetzen zu können. Bürgerbeteiligung kann insoweit vor allem nur über einen Intermediär (z. B. Verein) erfolgen.

Kommunale Koproduktion wird auch als Instrument gesehen, tatsächliche oder vermeintliche Demokratiedefizite abzubauen. Das Stichwort hierfür ist Bürgergemeinde. Hier ist allerdings zu bedenken, dass die selbstverantwortliche Beteiligung der Bürgerschaft bzw. der Zivilgesellschaft an der öffentlichen Verwaltung der kommunalen Selbstverwaltung ureigen ist. Man muss auch bedenken, dass die Akteure nicht unbedingt den allgemeinen Willen der Wähler widerspiegeln, sondern möglicherweise spezifische Interessen.

Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass Art und Umfang ehrenamtlichen Engagements von sozioökonomischen Faktoren abhängt. Gemäß Freiwilligensurvey 2014 engagieren sich 54,1 % der Menschen, die über einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss verfügen. Dem gegenüber steht eine Engagementquote von nur 23,5 % innerhalb der Gruppe von Personen mit Haupt- oder Realschulabschluss, aber ohne Berufsausbildung (Simonson und Hameister 2017, S. 449 f.). Auch die Einkommenssituation spielt eine Rolle. So engagieren sich 50 % der Menschen mit einer selbst empfundenen positiven Einkommenssituation, demgegenüber lediglich 26,9 % innerhalb der Gruppe mit einem als schlecht eingeschätzten Einkommen (Simonson und Hameister 2017, S. 455). Dies birgt die Gefahr, dass die Aktiven Art und Umfang der Daseinsvorsorge bestimmen. Andere Bedarfe fallen dagegen hinten runter. In diesem Zusammenhang ist auch immer zu bedenken, dass es sich auch um die Verteilung allgemeiner Steuermittel handelt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Koproduktionen einen Beitrag dazu leisten können, die Daseinsvorsorge qualitativ zu verbessern und negative Auswirkungen auf das Versorgungsniveau infolge finanzieller Probleme und demografischer Entwicklungen aufzufangen. Kommunale Koproduktion hat aber auch ihre Tücken und ist mit Blick auf die Transaktionskosten und die institutionellen Rahmenbedingungen nicht für alle Komponenten der Daseinsvorsorge geeignet. Kommunen müssen zudem erhöhte Steuerungsleistung erbringen. Dabei sind sie nicht immer frei in der Wahl von Koordinationsmechanismen, die insbesondere in sozialen Bereichen zum Teil durch die Bundes- und Landesgesetzgebung vorgegeben werden (Tab. 10).

Tab. 10 Organisationsformen des freiwilligen Engagements 2014.