Schlüsselwörter

1 Einführung

Die Bedeutung ausreichender und regelmäßiger Bewegung für die Gesundheit von Jugendlichen ist weitgehend unstrittig und in einer Vielzahl von Studien belegt (z. B. Janssen und LeBlanc 2010; Poitras et al. 2016). Dabei spielen zwei Aspekte eine bedeutsame Rolle:

  • Die mit regelmäßiger Bewegung einhergehende erhöhte körperliche Fitness stellt – neben einem intakten sozialen Umfeld und einer ausgewogenen Ernährung – eine Gesundheitsressource dar, die dafür sorgt, dass die Jugendlichen trotz oft hoher Anforderungen in Schule, Familie und Freizeit gesund bleiben.

  • Im Jugendalter bilden sich Verhaltensmuster und -gewohnheiten heraus, die u. U. für die gesamte Lebensspanne beibehalten werden. Das heißt: Bewegen sich Jugendliche zu wenig, tun sie das im Erwachsenenalter in der Regel auch und eine wichtige Gesundheitsressource fällt weg. Bewegung im Jugendalter (und ihre Förderung z. B. durch schulische oder kommunale Programme) hat somit immer auch einen kaum zu überschätzenden präventiven Wert.

Die Frage, wieviel Bewegung Jugendliche für eine gesunde Entwicklung benötigen, beantwortete die WHO schon vor einigen Jahren mit einer Richtlinie, an der sich inzwischen viele Staaten und im Übrigen auch die Forschung orientieren. Demnach sollten sich Kinder und Jugendliche täglich mindestens 60 min mo-derat bis intensiv bewegen (WHO 2010); praktisch bedeutet das, dass die Herzfrequenz deutlich erhöht ist und sie zumindest etwas schwitzen.

2 Bisher vorliegende Studien zu Luxemburg

Was ist vor diesem Hintergrund bisher zu Umfang und Intensität der Bewegungsaktivitäten von Jugendlichen in Luxemburg bekannt? Bös et al. befragten 2006 in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung und berufliche Ausbildung (heute: Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend) 1253 Kinder und Jugendliche der Altersgruppen 9, 14 und 18 Jahre zu ihren körperlich-sportlichen Aktivitäten und ihrer Gesundheit. Dabei zeigte sich, dass nur 26 % der 14- und 18-Jährigen sich gemäß der WHO-Richtlinie ausreichend bewegen; männliche Jugendliche erreichten das 60 min-Limit zu 35 %, weibliche Jugendliche nur zu 18 %. Immerhin war aber knapp die Hälfte aller Jugendlichen Mitglied in einem Sportverein, auch hier deutlich mehr Jungen als Mädchen. Schule und Sportunterricht können das Bewegungsdefizit offenbar nicht ausgleichen; schulische Angebote wie Sport-AGs werden nur von wenigen Jugendlichen genutzt und nur jede/r Fünfte berichtete, dass sie oder er im Sportunterricht sich anstrengt und „ins Schwitzen kommt“.

Neuere Ergebnisse sind der „Health Behaviour in School-aged Children“-Studie (HBSC) zu entnehmen, einer im Auftrag der WHO regelmäßig durchgeführten internationalen Erhebung, in der Jugendliche im Alter von 11, 13 und 15 Jahren zu ihrer körperlichen Aktivität und anderen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen befragt werden. Die Daten werden u. a. in länderspezifischen „Factsheets“ zusammengefasst (Heinz et al. 2018) und gehen in internationale Übersichtsstudien ein (z. B. Guthold et al. 2019). Demnach sind aktuell nur knapp 21 % der luxemburgischen Jugendlichen mindestens 60 min täglich in Bewegung, ca. jeder vierte männliche Jugendliche (26 %) und jede siebte weibliche Jugendliche (14 %) erreicht diesen Wert. Mit zunehmenden Alter nimmt die körperliche Aktivität weiter ab. Im Vergleich mit den anderen in die HBSC-Studie einbezogenen europäischen und nordamerikanischen Staaten liegt Luxemburg damit im Mittelfeld (Guthold et al. 2019). Bewegungsmangel im Jugendalter ist – mit den entsprechenden gesundheitlichen Konsequenzen – ein globales Problem.

In beiden Studien gaben die Jugendlichen selbst in einem Fragebogen an, wie oft und wie intensiv sie sich in einer normalen Woche bewegen. Im Projekt „Physical Activity Behavior of Children and Youth in Luxembourg: The Role of Physical Education“ (PALUX) haben wir mit der Akzelerometrie zusätzlich ein objektives Verfahren eingesetzt, um die spezifischen Vorzüge subjektiver und objektiver Methoden miteinander zu kombinieren. Im Folgenden werden Methode und ausgewählte Ergebnisse des PALUX-Projekts dargestellt, letzteres v. a. mit Blick auf das Verhältnis von Bewegung und Gesundheit. Zuvor soll aber in einem kurzen Exkurs darauf eingegangen werden, wie körperliche Aktivität gemessen werden kann und welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Methoden aufweisen.

3 Methoden zur Messung körperlicher Aktivität

Die Messung körperlicher Aktivität kann prinzipiell auf subjektiver oder objektiver Grundlage erfolgen. Zu den subjektiven Methoden zählen Fragebögen, Interviews sowie Bewegungs- bzw. Aktivitätstagebücher; die UntersuchungsteilnehmerInnen werden zu Umfang, Intensität und eventuell auch den Inhalten ihrer körperlichen Aktivitäten befragt bzw. protokollieren diese. Insbesondere Fragebögen kommen häufig zum Einsatz, zum einen, weil sie es ermöglichen zeit- und kostengünstig viele Personen zu befragen (v. a. wenn sie in digitaler Form vorliegen), zum anderen, weil eine Reihe validierter Instrumente vorliegt (in deutscher Sprache z. B. Schmidt et al. 2016; Fuchs et al. 2015). Die Stärke subjektiver Methoden ist, dass mit ihnen Inhalt, Kontext und ggf. auch der Zweck körperlicher Aktivitäten erfasst werden können und dass sie konsequent die Selbstwahrnehmung der befragten Personen abbilden. Das ist v. a. aus psychologischer Sicht von Bedeutung, da verhaltensrelevante Faktoren wie Einstellungen, Erwartungen und Ziele auf der Selbstwahrnehmung beruhen. Diesen Vorteilen steht jedoch der Nachteil mangelnder Genauigkeit bezüglich der faktischen Bewegungsaktivitäten gegenüber, der darauf zurückgeht, dass Berichte zu den eigenen Aktivitäten durch soziale Erwünschtheit beeinflusst sind und/oder lückenhaft erinnert werden (Arvidsson et al. 2019). Letzteres wird bei Kindern und Jugendlichen vermutlich dadurch verstärkt, dass ihre Aktivitätsmuster im Alltag weniger regelmäßig sind als die Erwachsener (Müller et al. 2010).

Objektive Methoden wie Schrittzähler, Akzelerometer und die Kalorimetrie erfassen die körperliche Aktivität einer Person über physikalische und/oder physiologische Parameter und führen so zu genauen Ergebnissen. Sie sind aber auf eben diese Parameter beschränkt; um welche Aktivitäten es sich handelt, wo und mit welcher Absicht sie stattfinden, kann nur mit Hilfe zusätzlicher Informationsquellen ermittelt werden. Daneben weisen objektive Methoden jeweils spezifische Vor- und Nachteile auf. Schrittzähler sind heute in vielen Activity Trackern und Smartphones integriert und können geh- und laufbasierte Aktivitäten meist zuverlässig messen. Sie sind aber für andere Bewegungsformen wie Fahrradfahren, Schwimmen oder dem Gerätetraining ungeeignet. Die Aufzeichnung der Herzfrequenz über einen längeren Zeitraum gibt ebenfalls Aufschluss darüber, wann, wie lange und wie intensiv jemand körperlich aktiv war. Der Zusammenhang zwischen Herzfrequenz und v. a. leichter körperlicher Betätigung ist jedoch nicht konstant und die Herzfrequenz kann auch durch Stress und Medikationen verändert werden. Die Kalorimetrie sowie das Doubly Labeled Water-Verfahren stellen laborbasierte Methoden dar, die den Energieverbrauch bei körperlicher Aktivität über die CO2-Produktion sehr genau messen. Sie werden deshalb in Validierungsstudien oft als Referenzmethode verwendet, der mit ihnen verbundene Aufwand und die Kosten stehen aber einer breiten Anwendung, z. B. in epidemiologischen Studien, entgegen.

Die Akzelerometrie bietet derzeit das ausgewogenste Verhältnis von Anwendbarkeit und Validität und ist deshalb in der Forschung die aktuell am häufigsten verwendete objektive Methode (Almeida Mendes et al. 2018). Moderne Akzelerometer sind etwa so groß wie eine Armbanduhr und können bequem und ohne dass sie die betreffende Person einschränken am Handgelenk oder an der Hüfte getragen werden. Sie erfassen direkt, in Echtzeit und bei Bedarf über mehrere Tage die Beschleunigung des Körpers, rechnen sie in „Activity counts“ um und ermöglichen so eine hinreichend genaue Messung der körperlichen Aktivität und des Energieverbrauchs. Allerdings fehlen einheitliche Standards bei der Messwertaufnahme und -verarbeitung, z. B. bezüglich der Frequenz und Dauer der Einzelmessung, der Tragezeit oder der Grenzwerte, anhand derer verschiedene Intensitätsstufen körperlicher Aktivität voneinander unterschieden werden. Diese Kriterien müssen angegeben werden, damit die Ergebnisse korrekt bewertet werden können (Thiel et al. 2016).

4 Das PALUX-Projekt

Das Forschungsprojekt „Physical Activity Behaviour of Children and Youth in Luxembourg: The Role of Physical Education“ (PALUX) ist auf drei Jahre angelegt und wird zur Zeit von den AutorInnen dieses Beitrags in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend (Abteilung Script) sowie der Vereinigung der Luxemburgischen Sportlehrer (APEP) durchgeführt. Die Finanzierung erfolgt durch die Universität Luxemburg. Die Ethikkommission der Universität hat das Projekt zudem geprüft und zugelassen.

4.1 Ziele und theoretische Grundlagen

Die Ziele des PALUX-Projekts lassen sich in Kurzfassung wie folgt beschreiben:

  • Die Erhebung und Analyse subjektiver und – erstmalig – objektiver Daten zur körperlichen Aktivität von Jugendlichen in Luxemburg. Dabei wird zwischen Schulzeit und Freizeit unterschieden.

  • Die Erhebung und Analyse motivationaler Aspekte der körperlichen Aktivität. Hier soll u. a. geklärt werden, ob die Jugendlichen ihre Motivation z. B. vom Sportunterricht auf die Freizeit übertragen.

Während das erstgenannte Ziel eher einen beschreibenden Charakter hat und in den Aufgabenbereich der Sportwissenschaft fällt, hat die Analyse der motivationalen Grundlagen v. a. eine erklärende Funktion und ist fachlich der Psychologie zuzuordnen. Das PALUX-Projekt umfasst also Theorien, Variablen und Methoden beider Disziplinen und ist damit explizit interdisziplinär ausgerichtet.

Der Sportunterricht hat eine einzigartige und vorteilhafte Position, wenn es darum geht, eine erhebliche Anzahl von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf deren körperliche Aktivität zu unterstützen. Dies unterstreicht wiederum seine Bedeutung für die Förderung von Kompetenzen in der Schule, die den Jugendlichen auch in ihrem Alltag hilfreich sind. Im Allgemeinen ist eine der Hauptkomponenten, um das Lernen, oder die Absicht zu handeln, zu fördern, die Stärkung der autonomen Motivation (Froiland und Worrell 2016; Krapp 1999). Basierend auf der Selbstbestimmungstheorie (Deci und Ryan 1985), wurde in diesem Zusammenhang die Motivation der Jugendlichen im Sportunterricht untersucht. Um die körperliche Aktivität allerdings auch langfristig außerhalb des schulischen Kontextes zu fördern, wurde gleichermaßen evaluiert, ob die Motivation gegenüber körperlicher Aktivität im Sportunterricht über diesen Kontext hinaus mit der Motivation in der Freizeit zusammenhängt. Dieser kontextübergreifende Transfer der Motivation konnte bereits in der Forschung bestätigt werden (Hagger und Chatzisarantis 2016). Die vorliegende Studie überprüft diese Ergebnisse erstmalig im Längsschnitt, um herauszufinden, ob dieser Motivationstransfer auch tatsächlich über die Zeit gegeben ist.

Die Selbstbestimmungstheorie unterscheidet zwischen intrinsisch motivierten Verhaltensweisen, welche als interessenbestimmte Handlungen ohne extern geleitete Anstöße definiert werden. Die intrinsische Motivation geht mit Neugier, Exploration, Spontaneität und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten des Verhaltens einher. Im Gegenzug beschreibt die extrinsische Motivation Verhaltensweisen, die aufgrund von instrumentellen Absichten ausgeführt werden. Diese Verhaltensweisen treten häufig infolge von Aufforderungen auf, deren Befolgung eine interne oder externe Bekräftigung erwarten lässt. Die Selbstbestimmungstheorie betrachtet die extrinsische Motivation allerdings anhand eines Kontinuums, mit mehreren Motivationstypen. So zählt die externale Regulation zur Verhaltensregulation, die lediglich durch fremdbestimmte Einflüsse entsteht. In diesem Sinne sind Handlungen gemeint, die ausgeführt werden, um eine Belohnung zu erhalten oder einer Bestrafung zu entgehen. Der Typus der introjizierten Regulation wiederum bezieht sich auf Verhaltensweisen, die internen Anstößen und innerem Druck folgen, welche für die Selbstachtung relevant sind: Man tut etwas, „weil es sich gehört“. Die identifizierte Regulation hingegen beinhaltet Verhaltensweisen, welche vom Selbst als persönlich wichtig oder wertvoll anerkannt werden. Hierbei tut man etwas, „weil es einem wichtig ist“, da man sich mit den zugrundeliegenden Werten und Zielen identifiziert. Schließlich beschreibt die integrierte Regulation die Form der extrinsischen Motivation mit dem höchsten Grad an Selbstbestimmung. Sie beinhaltet Verhaltensweisen, welche die Ziele, Normen und Handlungsstrategien beinhaltet, mit denen sich das Individuum identifiziert und in sein/ihr Selbstkonzept integriert hat. Im Gegenzug zur intrinsischen und extrinsischen Motivation steht die „Amotivation“, wodurch Verhaltensweisen als nicht motiviert und ohne erkennbares Ziel gekennzeichnet werden. Übergeordnet werden die intrinsische Motivation und identifizierte Regulation als autonome Verhaltensregulation zusammengefasst, wohingegen die externale und introjizierte Regulation kontrollierte Verhaltensregulationsformen darstellen.

4.2 Stichprobe

Die Stichprobe der PALUX-Studie setzt sich aus ca. 2000 Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 20 Jahren zusammen, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung 9 Grund- und 5 Sekundarschulen in Luxemburg besuchten. Sämtliche Daten wurden zweimal erhoben, das erste Mal von Oktober bis Dezember 2018 und das zweite Mal von Mai bis Juli 2019. Es liegt somit ein echter Längsschnitt vor, der es z. B. ermöglicht, die körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Jahreszeiten miteinander zu vergleichen. Die exakten Zahlen zur Stichprobe, insbesondere die Verteilung auf die beiden Erhebungsmethoden Fragebogen und Akzelerometer, sind Tab. 1 zu entnehmen. Die deutliche geringere Stichprobengröße bei der Akzelerometermessung erklärt sich aus dem höheren Aufwand dieser Methode und der Tatsache, dass bestimmte Tragezeitkriterien für eine valide Messung erfüllt sein müssen.

Tab. 1 Stichprobe der PALUX-Studie. (Eigene Darstellung)

4.3 Instrumente

Die subjektive körperliche Aktivität wurde mit dem Motorik-Modul Aktivitätsfragebogen (MoMo-AFB) von Schmidt et al. (2016) erfasst. Der Fragebogen kommt regelmäßig im Motorik-Modul der Langzeitzeitstudie des Robert-Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland (KiGGs) zum Einsatz und erfragt Häufigkeit, Dauer, Intensität und Art der habituellen körperlichen Aktivität in drei Bereichen: 1) Altersspezifisches Setting, bei Kindern und Jugendlichen die Schule (6 Items, Beispielitem: „Wie sehr strengst du dich durchschnittlich im Sportunterricht an?“), 2) Alltag (4 Items, Beispielitem: „Wie groß ist die Entfernung, die du täglich zu Fuß gehst?“) und 3) Freizeit, wobei zwischen Aktivitäten im Sportverein (7 Items, Beispielitem: „Welche Sportart(en) betreibst du im Verein?“) und außerhalb des Sportvereins (6 Items, Beispielitem: „Welche Sportart(en) betreibst du außerhalb des Vereins?“) unterschieden wird. Zwei weitere Items beziehen sich auf die allgemeine körperliche Aktivität (Beispielitem: „An wie vielen Tagen einer normalen Woche bist du mindestens 60 min am Tag körperlich aktiv?“). Für die PALUX-Studie wurde der Fragebogen digitalisiert, sodass er von den Jugendlichen am Laptop bzw. Tablet bearbeitet werden konnte.

Die objektive körperliche Aktivität wurde mit dem Akzelerometer GT3X-BT der Firma ActiGraph erhoben. Das an der Hüfte befestigte Gerät zeichnet jede Bewegungsaktivität in Form von „Activity counts“ auf, aus denen sich später Dauer und Intensität der Aktivität sowie der damit verbundene Energieverbrauch ermitteln lassen. Mithilfe altersspezifischer Schwellenwerte wird zwischen Ruhe, leichter, moderater und intensiver Aktivität unterschieden. Als maßgebliche Größe für eine gesundheitsförderliche Aktivität hat sich die moderate bis intensive körperliche Aktivität etabliert, dem englischen Ausdruck folgend als „MVPA“ abgekürzt. Auf diese Größe bezieht sich auch die eingangs erwähnte Richtlinie der WHO zur körperlichen Aktivität. Im PALUX-Projekt trugen die Jugendlichen den Akzelerometer an sieben aufeinander folgenden Tagen, zum Schlafen wurde er abgelegt.

Zur Erfassung der Motivation im Sportunterricht wurde der „Revised Perceived Locus of Causality in Physical Education“ (PLOC-R; Vlachopoulos et al. 2011) Fragebogen genutzt (α = .78). Die Amotivation (Beispielitem: „Ich nehme am Sportunterricht teil, aber ich weiß nicht wirklich warum“), die externale Regulation (Beispielitem: „Ich nehme am Sportunterricht teil, weil das die Regel ist“), die introjezierte Regulation (Beispielitem: Ich nehme am Sportunterricht teil, weil ich mich schlecht fühlen würde, wenn der/die Lehrer/-in denkt, dass ich nicht gut im Sportunterricht bin“), die identifizierte Regulation (Beispielitem: „Ich nehme am Sportunterricht teil, weil es mir wichtig ist, die Übungen im Sportunterricht auszuprobieren“), und die intrinsische Motivation (Beispielitem: „Ich nehme am Sportunterricht teil, weil der Sportunterricht Spaß macht“), wurden anhand von jeweils 4 Items erfasst. Antworten aller Items können anhand einer 7-Punkt-Likert-Skala von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 7 („trifft voll und ganz zu“) beantwortet werden. Zur Erfassung der kontrollierten Motivation wurden die Skalen externale und introjezierte Regulation zusammengefasst, wobei die autonome Motivation aus den Skalen intrinsische Motivation und identifizierte Regulation besteht.

Zur Erfassung der Motivation gegenüber körperlicher Aktivität in der Freizeit wurde die überarbeitete Version des Behavioral Regulation in Exercise Questionnaire (BREQ-II; Markland und Tobin 2004) genutzt (α = .82). Die Amotivation (Beispielitem: „Ich weiß nicht, warum ich körperlich aktiv sein sollte“), die externale Regulation (Beispielitem: „Ich bin körperlich aktiv, weil andere Personen sagen, dass ich dies tun sollte“), die identifizierte Regulation (Beispielitem: „Ich mag den Nutzen von körperlicher Aktivität“), und die intrinsische Motivation (Beispielitem: Ich bin körperlich aktiv, weil es Spaß macht“), wurden anhand von jeweils 4 Items erfasst. Die introjezierte Regulation wurde anhand von 3 Items erfasst (Beispielitem: „Ich fühle mich schuldig, wenn ich nicht körperlich aktiv bin“). Antworten aller Items können anhand einer 7-Punkt-Likert-Skala von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 7 („trifft voll und ganz zu“) beantwortet werden. Zur Erfassung der kontrollierten Motivation wurden ebenfalls die Skalen externale und introjezierte Regulation genutzt, wobei die autonome Motivation aus den Skalen intrinsische Motivation und identifizierte Regulation gebildet wird.

4.4 Durchführung

In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend wurden insgesamt 14 Grund- und Sekundarschulen aus allen Landesteilen Luxemburgs zufällig ausgewählt und kontaktiert. Die Teilnahme an der Studie erfolgte im Klassenverband; an den Grundschulen wurden 31 Klassen des Cycle 4 und an den Sekundarschulen 104 Klassen der Stufen 3, 5 und 7 untersucht. Für die Akzelerometermessung wurden aus diesen Klassen – wieder nach dem Zufallsprinzip – 9 Grundschul- und 15 Sekundarschulklassen bestimmt.

Die Direktion der Schulen sowie die Klassen- und Sportlehrkräfte wurden in persönlichen Gesprächen über Ablauf und Zielsetzung der Studie informiert. Des Weiteren wurden die Erhebungstermine vereinbart. Die Schüler und Schülerinnen erhielten ein Informationsblatt sowie eine Einverständniserklärung, die vor dem jeweiligen Termin (ggf. von einem Elternteil) unterschrieben vorliegen musste. Der MoMo-Fragebogen zur Erfassung der subjektiven Aktivität wurde zusammen mit den Motivationsskalen in digitaler Form auf der von der Universität Luxemburg erstellten Plattform OASYS (LUCET 2019) bearbeitet. Damit war sichergestellt, dass die Daten nicht an Dritte weitergeleitet werden können. Das Ausfüllen dauerte ca. 40 min, eine geschulte Testleiterin beantwortete Fragen und half bei Verständnisproblemen. Die Akzelerometer zur Messung der objektiven körperlichen Aktivität wurden in Absprache mit den Lehrkräften während der Unterrichts ausgegeben. Die Schüler und Schülerinnen wurden umfassend mündlich eingewiesen und erhielten zusätzlich ein Informations- und Merkblatt. Anschließend wurden Körpergröße und Körpergewicht gemessen. Während der einwöchigen Messung war das schon erwähnte Trageprotokoll zu führen. Danach wurden die Akzelerometer wieder eingesammelt und die Schüler und Schülerinnen gaben in einem kurzen Fragebogen an, ob sich ihre körperliche Aktivität in der zurückliegenden Woche stark von einer „normalen“ Woche unterschieden hatte und falls ja, wie und warum. Von den Sportlehrkräften erhielten wir ebenfalls via Fragebogen einige Informationen zu Dauer und Inhalt des Sportunterrichts in dieser Woche.

4.5 Datenverarbeitung und -analyse

Die aus dem Fragebogen resultierenden Daten wurden in Microsoft Excel eingelesen und auf Plausibilität geprüft. Die Verarbeitung der Akzelerometerdaten erfolgte mit der dafür vorgesehenen Software ActiLife v6.13.3. Die individuellen Tragezeiten wurden ermittelt und Schüler und Schülerinnen, die den Akzelerometer nicht an mindestens 4 Tagen (davon ein Samstag oder Sonntag) für jeweils mindestens 480 min getragen hatten, wurden ausgeschlossen. Für die Abgrenzung der Aktivitätsstufen wurden die von Evenson et al. (2008) und Troiano et al. (2008) speziell für Kinder und Jugendliche entwickelten Schwellenwerte zum Energieverbrauch verwendet; daraus ergab sich auch die wichtige Messgröße der moderat-intensiven Aktivität, also der MVPA. Zuletzt wurden auch diese Werte in einer Excel-Datei zusammengeführt. Die statistischen Analysen erfolgten mit den Programmen SPSS Statistics 25, IBM SPSS Amos 26 und R 3.6.1 (R Core Team 2019).

4.6 Ergebnisse

In den folgenden Abschnitten werden v. a. die Ergebnisse der PALUX-Studie vorgestellt, die einen direkten oder indirekten Bezug zur Gesundheit der Jugendlichen haben. Dazu zählen z. B. Antworten auf die Fragen, wie viel und mit welcher Intensität sich die Jugendlichen bewegen, welche Rolle dabei das Geschlecht und das Alter spielen und ob sie selbst den Umfang ihrer körperlichen Aktivitäten realistisch einschätzen oder nicht. Eine wichtige Richtschnur bei der Bewertung unserer Ergebnisse ist die Empfehlung der WHO, nach der sich Kinder und Jugendliche jeden Tag mindestens 60 min moderat bis intensiv bewegen sollten. Dieser Wert ist deshalb in einige der folgenden Abbildungen eingezeichnet.

Umfang und Intensität der objektiven körperlichen Aktivität

Wie aktiv sind also die Jugendlichen in Luxemburg und wie oft strengen sie sich dabei so sehr an, dass es der Fitness und damit der Gesundheit nützt? Abb. 1 gibt die auf den Tag umgerechneten Ergebnisse der Akzelerometermessung wieder, es geht somit zunächst um die objektive körperliche Aktivität. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass die Jugendlichen den weitaus größten Teil des Tages in Ruhe, also sitzend oder liegend, verbringen, nämlich durchschnittlich 594 (Welle 1) bzw. 603 (Welle 2) Minuten. Das sind rund 10 der insgesamt 13 bis 14 h, die der Akzelerometer an einem Tag getragen wurde. Leichte körperliche Aktivitäten, z. B. langsames Gehen oder einfache Haushaltstätigkeiten, sind für 168 (Welle 1) bzw. 170 (Welle 2) Minuten verzeichnet. Gesundheitsrelevante Aktivitäten auf moderatem oder intensivem Niveau, Sport und andere etwas anstrengendere Bewegungsaktivitäten, sind dagegen auf 30 und 17 (Welle 1) bzw. 33 und 19 (Welle 2) Minuten beschränkt. Hier macht sich also durchaus auch die Jahreszeit bemerkbar; im Sommer waren die Jugendlichen täglich 5 min länger moderat oder intensiv in Bewegung als im Winter.

Abb. 1
figure 1

(Eigene Abbildung)

Umfang und Intensität der objektiven körperlichen Aktivität je Tag.

In beiden Erhebungswellen waren männliche Jugendliche aber etwas aktiver als weibliche Jugendliche. So verbrachten die Jungen in Welle 1 durchschnittlich 575 min in Ruhe und 35 bzw. 22 min mit moderater und intensiver körperlichen Aktivität. Die Mädchen waren dagegen 609 min in Ruhe und nur 26 bzw. 13 min moderat und intensiv aktiv.

Diese Zahlen machen deutlich, dass schon Kinder und Jugendliche den Tag hauptsächlich sitzend und mit einem entsprechend niedrigen Energieumsatz verbringen. Für Sport und Bewegung bleiben in der Regel nur wenige Minuten Zeit. Ist das eventuell auf (zu) lange Schulzeiten zurückzuführen oder sind die Jugendlichen auch in ihrer Freizeit (zu) wenig aktiv?

Verteilung der objektiven körperlichen Aktivität auf Freizeit, Schule und Sportunterricht

Im Weiteren konzentrieren wir uns auf den für die Gesundheit wichtigen Aspekt der moderaten und intensiven körperlichen Aktivität, also der MVPA. Abb. 2 zeigt, wie sich die objektiv gemessene MVPA der Jugendlichen auf Freizeit, Schule und Sportunterricht verteilt. Die Darstellung bezieht sich diesmal auf die individuelle Gesamttragezeit des Akzelerometers, da Schule nur an 5 der 7 Tage stattfindet und die in dieser Zeit anfallende MVPA deshalb bei einer Umrechnung auf den Tag zu niedrig angesetzt würde.

Abb. 2
figure 2

(Eigene Abbildung)

Verteilung der objektiven moderat-intensiven körperlichen Aktivität (MVPA) auf Freizeit, Schule und Sportunterricht.

Es liegen zur Zeit nur die Ergebnisse für die Erhebungswelle im Winter 2018 vor. Sie zeigen, dass intensivere Bewegungsaktivitäten v. a. in der Freizeit stattfinden; durchschnittlich 190 der 300 Gesamt-MVPA-Minuten zeichneten die Akzelerometer in dieser Zeit auf. Immerhin 98 min MVPA fielen aber auch in der Schule an, dazu kommen noch knapp 14 min in den zwei bzw. drei Stunden Sportunterricht. Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen. Während die Jungen in der Freizeit auf 237 min in MVPA kamen, waren es bei den Mädchen nur 151 min. In der Schule liegt das Verhältnis bei 115 zu 83 min und selbst im Sportunterricht waren die Jungen mit 16 min moderat-intensiver Bewegungszeit deutlich aktiver als die Mädchen mit 12 min.

Insgesamt ergibt sich damit ein Bild, nach dem moderate und intensive Bewegungsaktivitäten v. a. in der Freizeit der Jugendlichen stattfinden. Den Angaben aus dem MoMo-Fragebogen zufolge, sind hier sowohl der selbstorganisierte Sport als auch der Vereinssport gleichermaßen wichtig. Als nicht unerheblich haben sich aber auch die schulischen Bewegungsaktivitäten herausgestellt, die mehr als ein Drittel der gesamten MVPA der Jugendlichen ausmachen. Neben dem Sportunterricht dürften hier die Unterrichtspausen und Sport-AGs eine Rolle spielen.

WHO-Richtlinie und Vergleich von objektiver und subjektiver körperlicher Aktivität

Mit den nun folgenden Analysen nehmen wir zwei weitere Aspekte in den Blick: Genügen die Bewegungsaktivitäten luxemburgischer Jugendlicher der 60 min-Richtlinie der WHO? Und wird der Umfang der eigenen Aktivitäten eigentlich realistisch wahrgenommen? Abb. 3 zeigt für beide Erhebungswellen, wie viele Minuten täglich Jungen und Mädchen moderat oder intensiv aktiv waren – und zwar objektiv in der Akzelerometermessung und subjektiv in der Selbsteinschätzung mittels Fragebogen. Es wird deutlich, dass sich die Jugendlichen objektiv zu wenig auf MVPA-Niveau bewegen, nämlich durchschnittlich nur 47 (Welle 1) bzw. 52 (Welle 2) Minuten. Gerade die Mädchen meiden oft körperlich anstrengende Aktivitäten; für sie wurden im Winter 39 und im Sommer 47 min aufgezeichnet. Aber auch die Jungen erfüllen mit 61 min das WHO-Maß nur in der im Sommer durchgeführten Erhebung. Natürlich handelt es sich hier um statistisch ermittelte Durchschnittswerte. Nimmt man die individuellen MVPA-Zeiten in den Blick, zeigt sich, dass nur etwa 12 % der Mädchen und 41 % der Jungen in Luxemburg der WHO-Empfehlung genügen.

Abb. 3
figure 3

(Eigene Abbildung)

Die objektive und subjektive moderat-intensive körperlichen Aktivität (MVPA) von Jungen und Mädchen je Tag.

Gleichzeitig belegen die Daten zur subjektiven körperlichen Aktivität, dass die Jugendlichen glauben, sich mehr zu bewegen als dies im Vergleich mit den objektiven Daten der Fall ist. Den objektiv gemessenen 47 (Welle 1) bzw. 52 (Welle 2) MVPA-Minuten stehen im Fragebogen die Angaben von 73 (Welle 1) bzw. 77 (Welle 2) Minuten gegenüber. Das entspricht einer Überschätzung der eigenen Bewegungsaktivitäten um 55 % (Welle 1) bzw. 48 % (Welle 2). Interessanterweise überschätzen v. a. die weiblichen Jugendlichen den Umfang ihrer Aktivitäten; in Welle 1, also im Winter, überschätzen sie sie um 74 %, in Welle 2 um 57 %. Bei den männlichen Jugendlichen beziffert sich die Überschätzung auf 40 % (Welle 1) bzw. 34 % (Welle 2).

Neben dem Geschlecht spielt auch das Alter der Jugendlichen eine wichtige Rolle. In Abb. 4 werden deshalb die täglichen MVPA-Minuten für verschiedene Altersgruppen dargestellt. Im Ergebnis der objektiven Messung erweisen sich die 10- bis 12-Jährigen, also die Grundschüler und -schülerinnen, mit durchschnittlich 53 (Welle 1) bzw. 60 (Welle 2) Minuten als die körperlich aktivste Gruppe. Die älteren Jugendlichen bewegen sich weniger und verfehlen die WHO-Richtlinie demzufolge deutlich. So kommt die Gruppe der 13- bis 16-Jährigen nur auf 39 (Welle 1) bzw. 45 (Welle 2) Minuten in MVPA und die 17- bis 20-Jährigen auf jeweils 43 min. Allerdings ist diese Altersgruppe in unserer Stichprobe unterrepräsentiert; in Welle Welle 2 umfasst sie z. B. nur 18 Jugendliche gegenüber 67 und 81 Jugendlichen in den Gruppen der 13-bis 16- und 10- bis 12-Jährigen. Gemein ist allen Altersgruppen, dass sie subjektiv überschätzen, wie aktiv sie wirklich sind. Die 10- bis 12-Jährigen z. B. gaben im MoMo-Fragebogen eine tägliche Bewegungszeit von 77 (Welle 1) bzw. 84 (Welle 2) Minuten an, was einer Überschätzung von etwa 45 % bzw. 40 % entspricht. In der Gruppe der 13- bis 16-Jährigen sind die Unterschiede zwischen objektiver und subjektiver MVPA-Zeit besonders groß; sie betragen 84 % im Winter und 55 % im Sommer. Die 17- bis 20-Jährigen liegen mit jeweils 51 % daneben.

Abb. 4
figure 4

(Eigene Abbildung)

Die objektive und subjektive moderat-intensive körperlichen Aktivität (MVPA) verschiedener Altersgruppen je Tag.

Zusammenfassend kann damit festgestellt werden: Die Mehrheit der Jugendlichen in Luxemburg erreicht die WHO-Vorgabe nicht, bewegt sich also nicht genug, als dass von einer langfristig gesunden Entwicklung bis in das Erwachsenenalter ausgegangen werden kann. Dies betrifft insbesondere weibliche Jugendliche und die über 16-Jährigen. Darüber hinaus zeigt der Vergleich von objektiv gemessener und subjektiv wahrgenommener körperlicher Aktivität, dass die Jugendlichen ihre Aktivitätszeit in nicht unerheblichem Maße überschätzen; sie geben im Fragebogen an, sich mehr zu bewegen als sie es tatsächlich tun. Dieser Befund tritt in praktisch allen Studien auf, in denen objektive und subjektive Methoden zur Messung der Aktivität genutzt werden (z. B. Skender et al. 2016). Insofern wäre eigentlich zu befürchten, dass Studien wie die oben erwähnte HBSC-Studie, in denen die Jugendlichen ausschließlich befragt werden, ein zu positives Bild zeichnen. Tatsächlich liegen aber PALUX- und HBSC-Studie im wichtigsten Ergebnis nicht sehr weit auseinander: Nur jeder vierte bis fünfte Jugendliche in Luxemburg bewegt sich täglich mindestens 60 min und damit genug, um auf lange Sicht gesund zu bleiben.

Körperliche Aktivität im Sportunterricht

Im Lehrplan für das Fach Sport in Luxemburg ist von einem „Doppelauftrag“ die Rede: Der Sportunterricht soll erstens den Kindern und Jugendlichen Bewegung, Spiel und Sport erschließen und sie befähigen, daran teilzuhaben und zweitens ihre Entwicklung umfassend fördern. Sportlehrkräfte stehen damit vor der Aufgabe, die sich aus diesem Doppelauftrag ergebenden Lernziele auszubalancieren; es geht eben nicht allein um die Förderung motorischer Kompetenzen, sondern im gleichen Maße um die Entwicklung kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Insofern greift die Frage, wie viel sich Jugendliche im Sportunterricht eigentlich bewegen, nur einen Aspekt unter vielen heraus und die Antwort gibt keinesfalls Aufschluss über die Qualität des Sportunterrichts. Sie zu stellen lohnt dennoch, zumal, wenn man bedenkt, dass der Sportunterricht für nicht wenige Jugendliche der einzige regelmäßige Anlass ist, sich sportlich zu bewegen. Fast die Hälfte der am PALUX-Projekt beteiligten Jugendlichen war zum Zeitpunkt der Studie z. B. nicht Mitglied in einem Sportverein.

Von den 24 Klassen, in denen die Akzelerometermessung durchgeführt wurde, hatten 15 Klassen einmal, 8 Klassen zweimal und eine Klasse dreimal pro Woche Sport- bzw. Schwimmunterricht. Da der Unterricht oft in Doppelstunden erfolgte, dauerte eine Sportstunde durchschnittlich 77 min. Abb. 5 zeigt, dass die Jugendlichen davon nur 14 min moderat oder intensiv in Bewegung waren, 63 min verbrachten sie in Ruhe oder mit leichter Aktivität. Für die Jungen wurden 16 min in MVPA aufgezeichnet, für die Mädchen 12 min. Demgegenüber gab immerhin knapp ein Drittel der Jugendlichen im Fragebogen an, im Sportunterricht viel zu schwitzen und weniger als 10 % sprachen davon, überhaupt nicht zu schwitzen. Offenbar zeigt sich auch hier, dass Anstrengung und Aktivität in der Eigenwahrnehmung etwas überschätzt werden.

Abb. 5
figure 5

(Eigene Abbildung)

Die objektive moderat-intensive körperliche Aktivität (MVPA) von Jungen und Mädchen im Sportunterricht.

Insgesamt sind die Jugendlichen im Sportunterricht damit erstaunlich wenig körperlich aktiv. Studien aus anderen Ländern (z. B. Meyer et al. 2013; Nettlefold et al. 2011) kommen aber zu ähnlichen Ergebnissen. Folgt man der vom U.S. Department for Health and Public Services gegebenen Empfehlung, nach der Kinder und Jugendliche mindestens die Hälfte des Sportunterrichts in moderater oder intensiver Bewegung sein sollten, ist das zu wenig. Allerdings ist dieser Richtwert weder medizinisch (wie die WHO-Empfehlung) und schon gar nicht pädagogisch-didaktisch begründet; die Bewegungszeit im Sportunterricht hängt natürlich stark von den jeweiligen Inhalten, Methoden und Lernzielen ab. Auch unsere Analyse verkürzt den Sportunterricht auf dieses eine quantitative Merkmal und lässt alles andere außer Acht. Es wird damit aber auch deutlich, dass Bewegung ein substantieller Bestandteil des Sportunterrichts sein muss, nicht (nur) als Ausgleich zum sitzenden Lernen in den anderen Fächern, sondern auch und gerade aus gesundheitlicher Sicht.

In Bezug auf unsere Ausgangsfrage, ob die Motivation zu körperlicher Aktivität über den Schulkontext hinaus auch mit der Motivation im Freizeitsport zusammenhängt, sind wir zu folgenden Ergebnissen gekommen (siehe auch Hutmacher et al. 2020). Jugendliche, die im Sportunterricht autonom motiviert sind, sind auch über die Zeit im Freizeitsport autonom motiviert. Umgekehrt sind autonom motivierte Jugendliche im Freizeitsport aber auch über die Zeit im Sportunterricht stärker autonom motiviert (Abb. 6). Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Förderung der autonomen Motivation im Sportunterricht gewinnbringend für den außerschulischen Bereich sein kann. Interventionsprogramme (z. B. Cheon und Reeve 2019) fanden beispielsweise, dass die Förderung von intrinsischen Zielen, das Benutzen einer informellen statt einer kontrollierten Sprache durch den/die Lehrer/in (z. B. „du könntest“ anstelle von „du musst“), die Bereitstellung von Erklärungen, Geduld zu zeigen, anstatt Druck auszuüben, und das Akzeptieren von negativen Äußerungen der Jugendlichen, Schlüsselfaktoren darstellen, um deren autonome Motivation zu stärken.

Abb. 6
figure 6

(Eigene Abbildung)

Zusammenhang der Motivation im Sportunterricht und im Freizeitsport über die Zeit (ein Cross-Lagged-Panel-Design). Alle abgebildeten Pfade sind statistisch signifikant.

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Sport und Bewegung sind für die Gesundheit von Jugendlichen in zweifacher Hinsicht wichtig: Kurzfristig als Gesundheitsressource, die den Alltagsanforderungen entgegengestellt werden kann und langfristig als Verhaltensmuster, das im besten Fall über das gesamte Leben beibehalten wird. Einer weithin akzeptierten Richtlinie der WHO zufolge reichen 60 min moderater bis intensiver Bewegung täglich aus.

Zahlreiche Studien (z. B. Guthold et al. 2019) zeigen aber, dass sich Kinder und Jugendliche in praktisch allen Teilen der Welt zu wenig bewegen. Neben der subjektiven Erfassung der körperlichen Aktivität via Fragebogen, werden in den letzten Jahren immer häufiger auch objektive Methoden wie Schrittzähler und v. a. Akzelerometer eingesetzt. In der PALUX-Studie wurde die körperliche Aktivität von ca. 1800 Kindern und Jugendlichen mittels Fragebogen und von ca. 250 Kindern und Jugendlichen zusätzlich mit einem Akzelerometer erhoben. Damit liegen nun für Luxemburg erstmals subjektive und objektive Daten darüber vor, wie viel und mit welcher Intensität sich Kinder und Jugendliche in der Schule und in ihrer Freizeit bewegen.

Die Ergebnisse der PALUX-Studie zur körperlichen Aktivität lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Jugendlichen verbrachten täglich 12 bis 13 h in Ruhe oder mit körperlich leichten Aktivitäten. Moderate und intensive Aktivitäten, also solche Aktivitäten, die eine positive Wirkung auf Fitness und Gesundheit haben, waren auf täglich 40 bis 50 min beschränkt.

  • Etwa zwei Drittel der moderaten und intensiven körperlichen Aktivitäten fanden in der Freizeit der Jugendlichen statt, der Rest in Schule und Sportunterricht.

  • Nur 12 % der weiblichen Jugendlichen und 41 % der männlichen Jugendlichen erreichten die WHO-Richtlinie von mindestens 60 min moderat-intensiver körperlicher Aktivität täglich.

  • Die Jugendlichen überschätzten den Umfang ihrer moderat-intensiven Aktivitäten erheblich. Den objektiv gemessenen ca. 50 min täglich standen im Fragebogen Angaben von ca. 75 min gegenüber.

  • Die männlichen Jugendlichen waren körperlich aktiver als die weiblichen Jugendlichen und die 10- bis 12-Jährigen waren körperlich aktiver als die 13- bis 16- und 17- bis 20-Jährigen.

  • Im Sportunterricht verbrachten die Jugendlichen durchschnittlich 14 von 77 min in moderat-intensiver körperlicher Aktivität.

Die Konsequenzen und v. a. praktischen Implikationen, die sich aus diesen Befunden ergeben, liegen auf der Hand: Sport und Bewegung im Kindes- und Jugendalter müssen systematisch und zielorientiert gefördert werden, und zwar stärker als das bisher geschieht. Dabei ist aus unserer Sicht ein ebenso umfassender wie spezifischer Ansatz angezeigt. „Umfassend“ meint, dass die kommunalen Akteure – Schulen, Maison Relais, Sportvereine und Gemeindeverwaltungen – in enger Zusammenarbeit vielfältige Bewegungsangebote und -gelegenheiten entwickeln, die Kinder und Jugendliche sowohl in der Schule als auch in der Freizeit nutzen können. Das seit 2017 an immer mehr Schulen implementierte „Clever Move“-Projekt ist dafür ein gutes, wenngleich noch isoliert dastehendes Beispiel. Basierend auf dem in der Schweiz entwickelten Konzept der Bewegten Schule wird hier den Schülerinnen und Schülern während des Unterrichts immer wieder die Gelegenheit gegeben, körperlich aktiv zu werden. Das geschieht z. B. durch Bewegungspausen oder dem so genannten Bewegten Lernen, bei dem Bewegung in den Lern- und Arbeitsprozess der Schüler und Schülerinnen eingebunden wird. Eine Evaluation des Projekts durch die Universität Luxemburg (Bund & Scheuer 2017) erbrachte durchweg positive Ergebnisse. So gaben die Schüler und Schülerinnen z. B. an, mehr Spaß am Unterricht zu haben und die Eltern stellten eine bessere Bewegungskoordination fest.

„Spezifisch“ sollte der Ansatz in dem Sinn sein, dass neben eher breit und auch durchaus integrativ-inklusiv angelegten Bewegungsangeboten auch solche Programme etabliert werden, die sich gezielt an bestimmte Gruppen richten, indem sie deren Bedürfnisse und Motivationslagen berücksichtigen. Hier kann es natürlich um Programme gehen, die nur Jungen oder Mädchen offenstehen oder die sich in ihren Zielsetzungen und Leistungsanforderungen voneinander abgrenzen. Darüber hinaus wären aber auch Angebote denkbar (und wünschenswert) für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien, solchen mit Migrationshintergrund oder sogar für Kinder und Jugendliche, die als unbegleitete Flüchtlinge nach Luxemburg gekommen sind und sich hier nun integrieren müssen.

Was setzt eine Bewegungsförderung der hier skizzierten Art voraus? Zum einen sicher eine administrative Struktur, etwa in Form einer Koordinierungsstelle, die z. B. die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure koordiniert, die Durchführung der Projekte und Programme verwaltet und ihre Qualität sicherstellt. Zum anderen müssen Fachkräfte ausgebildet werden, die die Bewegungsprogramme kompetent anleiten und durchführen können. Hier ist auch die Universität Luxemburg gefordert und bietet deshalb mit Beginn des Wintersemesters 2019 eine berufsbegleitende akademische Weiterbildung zur „Bewegungsförderung und -erziehung in formalen und non-formalen Bildungssettings“ an, die u. a. Erziehern und Grundschullehrern und -lehrerinnen offensteht und mit einem Zertifikat abschließt.