Wohlbefinden und Gesundheit im Kindheits- und Jugendalter haben in den vergangenen Jahren in der sozialwissenschaftlichen Forschung an Bedeutung gewonnen. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Erforschung der Bedingungsfaktoren für die Entwicklung eines „guten“ Wohlbefindens und einer „guten“ Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Die verschiedenen Fachdisziplinen beschäftigen sich mit Fragen zu Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen aus ihrer jeweiligen Perspektive. Psychologische Ansätze richten den Fokus insbesondere auf persönliche Faktoren und individuelle Prozesse (Abraham et al. 2016). Soziologische Ansätze konzentrieren sich stärker auf die sozialen Faktoren und die Mechanismen der Entstehung ungleicher Ausprägungen von Wohlbefinden und Gesundheit (Hurrelmann und Richter 2013). Bei den ökonomischen Ansätzen wiederum stehen wirtschaftliche Erklärungsfaktoren für Gesundheit und Wohlbefinden im Mittelpunkt, wobei zunehmend auch nicht-monetäre Faktoren an Bedeutung gewinnen (D’Ambrosio 2018).

Die Bedeutung der Thematik zeigt sich im mittlerweile beachtlichen Umfang der vorliegenden Forschung. Hervorzuheben ist unter anderem die internationale Kinder- und Jugendgesundheitsstudie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) (Inchley et al. 2020). Sie liefert mit ihrer langfristig und international ausgerichteten Datenerhebung eine umfassende Grundlage zum Gesundheitszustand und gesundheitsrelevanten Verhalten von Kindern und Jugendlichen in weit über 40 Ländern. In der Literatur gibt es eine Reihe von Überblicksarbeiten zu Wohlbefinden und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen; zum Beispiel das „Handbook of Child Well-Being“ (Ben-Arieh et al. 2014), die Schriftenreihe „Children’s Well-Being: Indicators and Research“ (Ben-Arieh 2010–2021) und „The Mental Health and Well-being of Children and Adolescents“ (Hornby 2019–2021). Diese Beiträge beschäftigen sich vor allem mit dem Kindesalter. Es liegen aber auch einige Beiträge vor, die den Fokus stärker auf das Jugend- und junge Erwachsenenalter legen; so etwa das „International Handbook on Adolescent Health and Development“ (Cherry et al. 2017), das „Handbook of Adolescent Health Psychology“ (O’Donohue et al. 2013), der Band „Psychological, Educational, and Sociological Perspectives on Success and Well-Being in Career Development“ (Keller et al. 2014) und der Band „Adolescent Health and Wellbeing“ (Pingitore et al. 2019).

In der Forschung zu Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen lassen sich drei große Entwicklungslinien identifizieren. Erstens: Die Konzepte Wohlbefinden und Gesundheit werden umfassend verstanden und beschränken sich nicht auf die körperliche Dimension. Sie beschreiben nicht nur die Abwesenheit einer (diagnostizierten) körperlichen Krankheit, sondern berücksichtigen auch die psychologische und soziale Dimension von Wohlbefinden und Gesundheit. Zweitens: Bei der Erforschung von Wohlbefinden und Gesundheit steht die subjektive Sicht der Betroffenen verstärkt im Vordergrund. Jugendliche werden zu ihrem Wohlbefinden und ihrem Gesundheitsempfinden befragt. „Objektive“, medizinisch diagnostizierte Krankheiten geben zwar Aufschluss über den Gesundheitszustand von Jugendlichen, werden aber um die subjektive Perspektive erweitert. Dahinter steht die Überlegung, dass die eigene Wahrnehmung und die individuelle Einschätzung der eigenen Befindlichkeit von zentraler Bedeutung ist und ein gutes Maß für die Lebensqualität und die weitere Entwicklung von Wohlbefinden und Gesundheit darstellen. Drittens: Die Forschung zu Wohlbefinden und Gesundheit richtet den Blick nicht nur auf Probleme oder Defizite, sondern zunehmend auch auf die Gesundheitsressourcen und -kompetenzen von Jugendlichen. In diesem Zusammenhang geht es etwa um die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten Jugendlichen zur Verfügung stehen („Capabilities“) um Wohlbefinden oder Gesundheit zu erhalten bzw. zu verbessern, beispielsweise Sport und Bewegung (Vögele 2019) und die Nutzung digitaler Medien (Domin et al. 2021). Der vorliegende Herausgeberband greift diese Entwicklungslinien auf.

Die Idee zu dem Band ist bei den Vorbereitungen zur Erstellung des Nationalen Berichtes zur Situation der Jugend in Luxemburg 2020 (Samuel und Willems 2021) entstanden. Dieser Bericht präsentiert vor allem luxemburgische Befunde zu Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen. Ergänzend zu diesem Jugendbericht bietet der vorliegende Band Fachbeiträge mit einer internationalen Perspektive auf Wohlbefinden und Gesundheit.

Die Beiträge bilden ein breites thematisches Spektrum ab. Neben theoretischen Beiträgen finden sich auch empirische Überblicks- und Originalarbeiten sowie Beiträge aus gesundheitsrelevanten Praxisfeldern in Luxemburg. Der Band spiegelt den vielfältigen Forschungsstand und den mitunter kontroversen Diskurs zu Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen wider. Er stellt kein systematisches Überblickswerk dar und erhebt nicht den Anspruch auf Repräsentativität oder Vollständigkeit. Die Beiträge sollen vielmehr Anregung geben für die Diskussion über die vielschichtigen Aspekte sowie die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Zusammenhang mit Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen.

Der Band untergliedert sich in insgesamt fünf Teile.

Die Beiträge im ersten Teil Wohlbefinden und Gesundheit: Theoretische Perspektiven präsentieren zentrale theoretische Konzepte und disziplinäre Perspektiven aus Psychologie, Soziologie und Ökonomie. Die Beiträge im zweiten Teil Wohlbefinden und Gesundheit in jugendlichen Lebenswelten diskutieren Forschungsbefunde zu Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen in verschiedenen jugendrelevanten Lebensbereichen wie der Familie, der Schule, der Arbeitswelt sowie den Strukturen der Fremdunterbringung. Im dritten Teil Jugendliches Handeln als Ressource oder Risiko für Wohlbefinden und Gesundheit liegt der Schwerpunkt der Beiträge auf den gesundheitsrelevanten Handlungen der Jugendlichen. Dabei werden unterschiedliche thematische Schwerpunkte gesetzt. Diese betreffen Themen wie Ernährung, Bewegungsverhalten und Substanzkonsum, Mediennutzung, Spielsucht und Mobbing. Die Beiträge beschreiben die damit verbundenen Probleme und Risiken, diskutieren aber auch die Frage, inwieweit jugendliches Handeln eine Ressource für Wohlbefinden und Gesundheit darstellen kann. Die Beiträge im vierten Teil Praxisansätze zur Förderung von Wohlbefinden und Gesundheit in Luxemburg widmen sich verschiedenen gesundheitsrelevanten Praxisfeldern in Luxemburg. Auf der Grundlage von Praxisberichten und Erfahrungswissen von Fachexperten zeigen die Beiträge auf, mit welchen Angeboten, Konzepten und Methoden in den verschiedenen Praxisfelder das Wohlbefinden und die Gesundheit der Jugendlichen gefördert werden. Darüber hinaus reflektieren die Beiträge die gegenwärtigen Problemlagen und Herausforderungen von Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrem Wohlbefinden und ihrer Gesundheit. Die Beiträge im fünften Teil Internationale Befunde und Policy-Ansätze richten den Blick auf empirische Befunde zu Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen mit dem Fokus auf ausgewählten europäischen Ländern und Policy-Ansätzen.

Wir bedanken uns bei den Autorinnen und Autoren dieses Bandes für die konstruktive Zusammenarbeit. Ohne deren Arbeit und Geduld hätte dieser Band nicht realisiert werden können. Unser Dank gilt auch Frau Simone Charles für ihre gewohnt zuverlässige und engagierte Unterstützung bei der Vorbereitung des Bandes. Danken möchten wir außerdem der studentischen Mitarbeiterin Marielle Baumgarten für ihre wertvolle Mithilfe.

Wir hoffen, dass der Band Fachleuten aus Forschung, Lehre und Praxis eine Anregung gibt, sich mit dem Thema Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen. Die Beiträge sollen Ausgangspunkt für Diskussionen und Reflexionen sein, aber auch Anknüpfungspunkt für weiterführende Forschung.

FormalPara Introduction

The topics of well-being and health in childhood and adolescence have gained importance in social science research in recent years. The main focus is on the investigation of the factors that contribute to the development of well-being and “good” health in children and adolescents. Disciplines focusing on questions of the well-being and health of adolescents do so from their respective perspectives. Psychological studies tend to focus on personal factors and individual processes (Abraham et al. 2016), while sociological approaches concentrate more on social factors and the mechanisms of the emergence of unequal outcomes of well-being and health (Hurrelmann und Richter 2013). In contrast to Psychology and Sociology, research carried out within the discipline of Economics explores economic factors important for health and well-being, with non-monetary factors gaining in importance (D'Ambrosio 2018).

The increasing importance of the topic of health and well-being in adolescence is reflected in the considerable volume of available research. The international child and youth health study “Health Behaviour in School-aged Children” (HBSC) (Inchley et al. 2020) is an exemplar. With its long-term and cross-country data collection, this international project provides a comprehensive data set of the health status and health-relevant behaviours of children and adolescents in more than 40 countries. There are a number of overviews of child and adolescent well-being and health in the literature; for example, the “Handbook of Child Well-Being” (Ben-Arieh et al. 2014), the “Children’s Well-Being: Indicators and Research series” (Ben-Arieh 2010–2021) and “The Mental Health and Well-being of Children and Adolescents” (Hornby 2019–2021). These contributions mainly concern childhood. There are also some volumes that focus more on adolescence and young adulthood; for example, the “International Handbook on Adolescent Health and Development” (Cherry et al. 2017), the “Handbook of Adolescent Health Psychology” (O’Donohue et al. 2013), “Psychological, Educational, and Sociological Perspectives on Success and Well-Being in Career Development” (Keller et al. 2014) and “Adolescent Health and Wellbeing” (Pingitore et al. 2019).

Three major trends can be identified in research on well-being and health in adolescence. Firstly, the concepts of well-being and health are used comprehensively, and are not limited to the physical dimension. They not only describe the absence of a (diagnosed) physical illness, but also take into account the psychological and social dimensions of well-being and health. Secondly, research into well-being and health increasingly focuses on the view of those affected. Young people are asked about their well-being and their perception of health. Medical assessments may provide objectifiable information on the health status of young people, but these are increasingly expanded to include people’s perceptions. The reason for this is that one's own perceptions and self-rated health have been shown to be related to mortality, and that self-assessments of health are the best predictors of quality of life and future well-being and health. Thirdly, research on well-being and health does not only focus on problems or deficits, but also takes health resources and competences of young people into account. For example, this concerns the possibilities for action that are available to young people (“capabilities”) to maintain or improve their well-being and health, for example sport and exercise (Vögele 2019) and the use of digital media (Domin et al. 2021). This edited volume takes up these developments.

The idea for the present volume arose during the preparations for the National Report on the Situation of Youth in Luxembourg 2020 (Samuel und Willems 2021). This report presents mainly Luxembourgish findings on the well-being and health of young people. Complementary to this youth report, the present volume offers expert contributions with an international perspective on well-being and health.

The contributions cover a broad thematic spectrum. In addition to theoretical contributions, there are also empirical overviews and original works as well as contributions from health-relevant fields of practice in Luxembourg. The volume reflects the diverse state of research and the sometimes-controversial discourse on the well-being and health of young people. It is not a systematic overview and does not claim to be representative or complete. Rather, the contributions are intended to stimulate discussion on the multi-layered aspects as well as the current and future challenges related to the well-being and health of adolescents. The volume is divided into five parts.

The contributions in the first part, Well-being and Health: Theoretical Perspectives, present central theoretical concepts and disciplinary perspectives from Psychology, Sociology and Economics. The contributions in the second part, Well-being and health in youth life environments, discuss research findings on the well-being and health of adolescents in various life areas relevant to adolescents, such as the family, school, the world of work and the structures of foster care. In the third part, Youth action as a resource or risk for well-being and health, the focus of the contributions is on the health-relevant actions of young people. Different thematic focuses are set. These concern topics such as nutrition, physical activity and substance use, media use, gambling addiction and bullying. The contributions describe the associated problems and risks, but also discuss the question of the extent to which youth actions can be a resource for well-being and health. The contributions in the fourth part, Practical approaches to promoting well-being and health in Luxembourg, are dedicated to various health-relevant fields of practice in Luxembourg. On the basis of practical reports and the experience of experts, the contributions show which offers, concepts and methods are used to promote the well-being and health of young people in the various fields of practice. In addition, the contributions reflect on the current problems and challenges of young people in connection with their well-being and health. The contributions in the fifth part, International findings and policy approaches, focus on empirical findings on the well-being and health of young people with a focus on selected European countries and policy approaches.

We would like to thank the authors of this volume for their constructive collaboration. Without their work and patience, this volume could not have been realised. We would also like to thank Ms Simone Charles for her usual reliable and committed support in the preparation of the volume. We are also grateful for the valuable assistance provided by the student assistant Marielle Baumgarten.

We hope that the volume will provide professionals from research, teaching and practice with ideas to engage critically and constructively with the topic of young people's well-being and health. We would hope for the contributions in the present volume to stimulate discussion and reflection, but to also serve as a starting point for further research.