1 Einleitung

Seit den 1950er Jahren verzeichnet Deutschland mehr Zu- als Abwanderung. Dabei unterscheidet man zwischen freiwilliger (familiär-, wirtschaftlich- oder ausbildungsbedingt) und unfreiwilliger Migration. Unfreiwillige Migration, auch als Flucht bezeichnet, ist vor allem auf Kriege oder politische Verfolgung zurückzuführen. Seit 2008 steigen die Zahlen von Personen, die nach Deutschland fliehen. Insbesondere in den Jahren 2014 bis 2017 verzeichnete das Statistische Bundesamt (2019) einen starken Anstieg der Anzahl flüchtender Menschen, die in Deutschland ankamen. Im Jahr 2015 wurden fast eine halbe Millionen Asylanträge gestellt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2016a) und im Jahr 2016 suchten allein im ersten Halbjahr über 387.675 Menschen in Deutschland Schutz (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2016b). Obwohl Geflüchtete nur einen Teil der jährlichen Immigration nach Europa und Deutschland ausmachen (Statistisches Bundesamt, 2019), sind sie Zielscheibe der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Die Zuwanderung der Geflüchteten stellt die deutsche Gesellschaft daher vor vielschichtige Herausforderungen. Neben der Unterbringung und Versorgung ist die langfristige Integration der Geflüchteten durch beispielsweise Sprachkurse, Bildungsangebote und die Einbindung in den Arbeitsmarkt sowie in die Gesellschaft sicherzustellen. Neben der Regierung sehen sich auch Bildungsinstitutionen wie Hochschulen verpflichtet, Aufklärungs- und Forschungsarbeit zu leisten und mit eigenen Programmen und Maßnahmen zum Gelingen der Integration beizutragen.

Viele junge Geflüchtete mussten ihr Studium aufgrund der jeweiligen Situation in ihrem Heimatland abbrechen und fliehen (Gomolla, 2017). Um dieser Zielgruppe weiterhin die Möglichkeit zu geben, sich so früh wie möglich qualifizieren zu können, bieten mittlerweile viele deutsche Hochschulen einen Gasthörendenstatus für Geflüchtete an. Seit März 2016 nimmt Beispielsweise die Hochschule Osnabrück Geflüchtete kostenlos in ein Gasthörendenprogramm auf, in welchem diese an Sprachkursen oder an den regulären Vorlesungen teilnehmen und die Infrastruktur der Hochschule mitnutzen können. Die Gasthörenden erhalten nach erfolgreicher Teilnahme ein Zertifikat, welches ihnen bei der Aufnahme eines regulären Studiums angerechnet werden kann.

Neben der Etablierung funktionierender Weiterbildungs-Strukturen ist es zudem wichtig, öffentliche Ablehnung gegen die Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten zu mindern und diskriminierendem Verhalten vorzubeugen (Ternés et al., 2017; Nkoma et al., 2019). Es zeigte sich, im Einklang mit der Kontakthypothese nach Allport (1954), dass unter anderem der fehlende Kontakt zu ethnischen Minderheiten zur Entstehung von Diskriminierung beiträgt. Die Kontakthypothese (Allport, 1954) besagt, dass Kontakt unter bestimmten Voraussetzungen die Intergruppenbeziehungen zwischen Gruppen verbessert. Als Erweiterung der klassischen Forschung zur Kontakthypothese, die vornehmlich persönliche dyadische Kontaktsituationen untersucht, rückt zunehmend der imaginierte Kontakt (imagined contact) in den Fokus (Miles & Crisp, 2014; Wullenkord, 2017). Hierbei spielt sich der Intergruppenkontakt ausschließlich in der Vorstellung von Personen ab. Gerade im digitalen Zeitalter kommt es seltener zu direktem Kontakt mit Angehörigen von Minderheiten, beziehungsweise generell zu weniger zwischenmenschlichem Kontakt. Imaginierter Kontakt bietet theoretisch eine leicht umsetzbare Möglichkeit, Vorurteile und Ängste abzubauen (Wulllenkord, 2017). Erste Untersuchungen zeigen einen signifikanten Effekt von imaginiertem Kontakt auf negative Einstellungen. Genauer gesagt konnten durch die bloße Vorstellung einer (positiven) Kontaktsituation Intergruppenangst, Vorurteile und negative Verhaltensabsichten reduziert (Miles & Crisp, 2014) sowie prosoziales Verhalten unterstützt werden (Meleady & Seger, 2017).

Vor dem Hintergrund, dass Geflüchtete unter anderem im Bildungssystem integriert werden sollen, ist es nachvollziehbar, dass die Einstellungen und Verhaltensabsichten deutscher Studierender eine entscheidende Rolle in diesem Integrationsprozess spielen. Besonders die Unterstützungsabsichten gegenüber geflüchteten Studierenden sind von Interesse (Esser et al., 2014). Dementsprechend würde eine Reduktion von negativen Einstellungen und Intergruppenangst zu positiven Verhaltensabsichten führen, die wiederum zum Gelingen der Integration von Geflüchteten in unser Bildungssystem und unsere Gesellschaft beitragen könnten (Miles & Crisp, 2014).

Bis heute hat sich die Forschung auf vielseitige Weise mit dem Thema des imaginierten Kontaktes, seinen Prozessen und Wirkweisen auseinandergesetzt (für einen Überblick siehe Miles & Crisp, 2014; Lemmer & Wagner, 2015; Brown & Paterson, 2016), digitale Interventionen wurden jedoch weniger berücksichtigt. Asbrock et al. (2013) konnten diesbezüglich bereits zeigen, dass imaginierter Kontakt im Online-Setting umgesetzt werden kann, allerdings lag der Fokus ihrer Studie weder auf Studierenden noch auf Geflüchteten. Hinsichtlich der zunehmenden Digitalisierung der Hochschulen ist es jedoch von besonderem Interesse, inwiefern imaginierter Kontakt in einem für Studierende leicht zugänglichen Online-Setting, durchgeführt werden kann und sich auf die Verhaltensabsichten, Einstellungen und Ängste der Studierenden auswirkt.

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, die Auswirkungen von imaginiertem Kontakt als Online-Intervention auf Einstellungen, Vorurteile, Intergruppenangst und Verhaltensabsichten deutscher Studierender gegenüber Gasthörenden mit Geflüchteten-Status zu untersuchen.

2 Theoretische Grundlagen und Fragestellung

Seit den 1930er Jahren ist die Forschung zur Reduktion von Vorurteilen Bestandteil der Sozialpsychologie. Besonders viel Aufmerksamkeit wurde den negativen Einstellungen gegenüber einer Outgroup gewidmet. In diesem Kontext lieferte Allport (1954) mit der Kontakthypothese eine Theorie, die bis heute die Grundlage einer Vielzahl an Studien und Theorien aus dem Bereich der Vorurteilsforschung bildet (vgl. Spears & Tausch, 2014). Die Annahme, dass Vorurteile durch den direkten Kontakt zu Angehörigen einer Outgroup verringert werden können, konnte zu Beginn der damaligen Studien nicht eindeutig beantwortet werden, da Belege für positive und negative Zusammenhänge zwischen direktem Kontakt und Vorurteilen existierten. Allport (1954) fand vier optimale Bedingungen, die die Effekte von direktem Kontakt zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen beeinflussen. Als Voraussetzungen für den Abbau von Vorurteilen muss eine Begegnung die Möglichkeit bieten, Bekanntschaften mit Angehörigen der Outgroup zu machen. Dabei ist es wichtig, dass beide Personen einem vergleichbaren sozialen Status angehören. Wahrgenommene soziale Normen beider Interagierender sollten Intergruppenkontakt befürworten und die Interagierenden sollten ein gemeinsames Interesse oder ein Ziel haben, für das sie kooperieren müssen (Pettigrew, 1998). Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, können Kontaktsituationen zur Verstärkung von negativen Einstellungen gegenüber der Outgroup führen.

Aufgrund des zunehmenden Bewusstseins für die Relevanz von integrationsförderlichen Einstellungen in vielen westlichen Gesellschaften steigt die Zahl der Forschungsarbeiten zum Thema intergruppenkontakt seit etwa zehn Jahren kontinuierlich an (Ioannou, 2019). Nach gewalttätigen Unruhen in Großbritannien wurde jedoch der praktische Nutzen von Forschung zu realen Intergruppenkontakten kritisch diskutiert (Clack et al., 2005). Bemängelt wurde, dass Intergruppenkontakte aufgrund rassistischer Segregation in der Realität oft nicht durchzuführen seien (Christ et al., 2011). Aus diesem Grund gewinnt die Untersuchung von indirekten Intergruppenkontakten für die Forschung an Bedeutung, da diese als ähnlich effektiv wie reale Intergruppenkontakte bewertet werden (Dovidio et al., 2011; Lemmer & Wagner, 2015). Erforschte Konzepte sind unter anderem der erweiterte und der imaginierte Intergruppenkontakt (vgl. White et al., 2021).

Unter dem erweiterten Kontakt wird das Bewusstmachen von Freundschaften oder persönlichen Kontakten zu Angehörigen der Outgroup im näheren Bekannten- oder Familienkreis verstanden. Dem Konzept des erweiterten Kontakts liegt die Annahme zu Grunde, dass das Wissen über Freundschaften von Bekannten, Freunden oder der Familie zu Angehörigen der Outgroup, Einfluss auf die wahrgenommenen Normen eines Individuums hat (siehe Allport, 1954). Individuen neigen dazu, die Ansichten und Verhaltensweisen, die in ihrem Umfeld als Norm anerkannt werden, zu übernehmen. Dies gilt für Vorurteile und Diskriminierung genauso wie für positive Einstellungen (Spears & Tausch, 2014; White et al., 2021). Gómez et al. (2011) konnten bestätigen, dass erweiterter Kontakt eine positivere Wahrnehmung der Fremdgruppe bewirkt (vgl. White et al., 2021).

Der imaginierte Kontakt beschreibt die aktive Vorstellung (Imagination) einer Kontaktsituation mit einem Mitglied einer Outgroup. Die Imagination basiert meist auf einem vorgegebenen Szenario, welches sich an den Bedingungen einer Kontaktsituation nach Allport (1954) orientiert, und wird in einer vorher definierten Zeitspanne durchgeführt. Diese Methode wird erst seit kurzer Zeit erforscht. 2014 konnten jedoch bereits über 70 Studien zum Thema imaginierter Kontakt gefunden werden (Miles & Crisp, 2014). In einer Metaanalyse untersuchten Miles und Crisp (2014) die bisherigen Erkenntnisse zu imaginiertem Kontakt und konnten den Einfluss des imaginierten Kontakts auf Toleranz und verbesserte Gruppenbeziehungen zeigen. Besonders eindeutig waren die Effekte auf reduzierte Vorurteile und verbesserte Verhaltensabsichten. Im Zuge der Analysen wurde deutlich, dass bereits eine kurze, zwei-minütige imaginierte Kontaktsituation die genannten Effekte erzeugen konnte. Studien, in denen die Instruktion über mehrere Wochen mehrfach wiederholt wurde, verzeichneten zudem größere Effektstärken. Untersuchungen zum langfristigen Einfluss von imaginiertem Kontakt stehen nach unserem Wissen jedoch noch aus. Eine Ausnahme stellt die Studie von Ioannou (2019) dar, in der die Autorin zeigen konnte, dass imaginierter Kontakt, auch wenn die Intervention bereits eine Woche zurücklag, mit weniger Intergruppenangst sowie positiveren Einstellungen gegenüber einer Outgroup zusammenhing. Zusätzlich wurden bisher nur relativ kleine Stichproben untersucht und Instruktionen fanden überwiegend im klassischen Labor-Setting, also unter Anwesenheit eines Versuchsleiters, statt (Miles & Crisp, 2014; mit Ausnahme zum Beispiel Asbrock et al., 2013).

Indirekte Kontaktformen, wie der imaginierte Kontakt, bieten gegenüber dem direkten, dyadischen Kontakt den Vorteil, dass sie, bei vergleichsweise wenig Aufwand, ähnlich effektiv sind. Durch den imaginierten Kontakt können ebenfalls Vorurteile verringert und positive Emotionen gegenüber einer Fremdgruppe gestärkt (Turner et al., 2007), Intergruppenangst reduziert (Crisp & Husnu, 2011; Ioannou, 2019), prosoziales Verhalten gefördert (Meleady & Seger, 2017) und die Kontaktintentionen sowie das Kontaktinteresse an der Fremdgruppe verstärkt werden (Crisp & Husnu, 2011).

Die Intergruppenangst ist eines der am meisten erforschten Konstrukte in Bezug auf die Kontakthypothese (Spears & Tausch, 2014; White et al., 2021). In der internationalen Literatur wird zunehmend die Bedeutung von Intergruppenangst als Ursache für die Entstehung von feindseligen Intergruppenbeziehungen betont. Intergruppenangst beschreibt die Angst oder Sorge, dass eine Interaktion mit einem Mitglied einer Outgroup unangenehm verlaufen könnte (Stephan & Stephan, 2000). Piontkowski et al. (2000; Piontkowski, 2000) konnten zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Empfinden verschiedener Formen von Bedrohung und der Ablehnung von Mitgliedern einer Minderheitengruppe beziehungsweise den an sie herangetragenen Akkulturationserwartungen besteht.

Neben der Intergruppenangst spielen konkrete Verhaltensabsichten gegenüber der Outgroup bei der Integration von Geflüchteten eine erhebliche Rolle. Es wird angenommen, dass Kontaktsituationen ein wichtiger Prädiktor für Veränderungen von Verhaltensabsichten gegenüber Geflüchteten sind. In der Tat konnte der positive Effekt von imaginiertem Kontakt auf die Absicht mit der Outgroup zu interagieren von verschiedenen Studien belegt werden (vgl. Crisp & Husnu, 2011; Meleady & Seger, 2017; Pagotto et al., 2012). In einer jüngeren Studie konnten Meleady und Seger (2017) die positiven Effekte von imaginiertem Kontakt auf prosoziales und kooperatives Verhalten feststellen. In der Studie bearbeiteten Teilnehmende eine finanzielle Entscheidungsaufgabe (ein Gefangenendilemma), in der sie mit einem (fiktiven) Gegenüber, ein Mitglied der Outgroup, kooperieren oder aber konkurrieren konnten. Teilnehmende der Experimentalbedingung mit der Manipulation „imaginierter Kontakt“ zeigten in der Entscheidungsaufgabe eher kooperatives als konkurrierendes Verhalten. Die Autoren führten das kooperative Verhalten auf eine Erhöhung des gegenseitigen Vertrauens durch die imaginierte Kontaktsituation zurück.

In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass imaginierter Kontakt sogar über Verhaltensabsichten hinaus das tatsächliche Handeln beeinflussen kann (Vezzali et al., 2014). Als Resultat ihrer Intervention für Studierende eines akademischen Austauschprogramms stellten Vezzali et al. (2014) fest, dass Studierende, die sich eine Kontaktsituation vorgestellt hatten, von signifikant mehr sozialen Kontakten während ihres Aufenthaltes im Gastland berichteten. Zusätzlich wurden die Bewohner des Gastlandes von ihnen positiver beurteilt, während die empfundene Intergruppenangst aufseiten der Gaststudierenden signifikant reduziert wurde.

3 Methode und Stichprobe

Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Auswirkungen von imaginiertem Kontakt als Online-Intervention auf Einstellungen, Vorurteile, Intergruppenangst und Verhaltensabsichten deutscher Studierender gegenüber Gasthörenden mit Geflüchteten-Status zu untersuchen.

Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass Intergruppenkontakt förderlich für den Abbau von Vorurteilen (Pettigrew & Tropp, 2006) und Intergruppenangst (Pettigrew & Tropp, 2006; Blair et al., 2003) sowie für den Aufbau von positiven Verhaltensabsichten (Hutchinson & Rosenthal, 2011; Pettigrew & Tropp, 2006; Sassenberg et al., 2007; Turner et al., 2007) ist. Diese Zusammenhänge konnten nicht nur für den reellen Intergruppenkontakt, sondern auch in Bezug auf den imaginierten Kontakt nachgewiesen werden (Miles & Crisp, 2014; Ioannou, 2019; Lemmer & Wagner, 2015; Meleady & Seger, 2017). Vergleichbar mit den Erfolgsbedingungen von direktem Kontakt (Allport, 1954), konnten für den imaginierten Kontakt förderliche Umstände identifiziert werden. Kuchenbrandt et al. (2013) zeigten, dass Kooperation im Intergruppenkontakt für die positiven Effekte (verringerte Vorurteile und Intergruppenangst) von imaginierten Kontaktsituationen erforderlich ist. Ioannou et al. (2015) fanden heraus, dass das Betrachten von Gemeinsamkeiten und Unterschieden innerhalb einer imaginierten Kontaktsituation ebenfalls dazu beiträgt, Vorurteile zu verringern.

Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist es von großem Interesse, inwiefern der imaginierte Kontakt auch durch ein Online-Setting selbstständig von zu Hause aus erfolgreich durchgeführt werden kann. Berücksichtigt man weiterhin, dass Geflüchtete durch Initiativen der Bildungseinrichtungen (unter anderem Hochschulen) bessere Integrationschancen erhalten sollen, ist die Untersuchung des Online-Settings vor allem bei deutschen Studierenden relevant. Ihnen kommt bei dem Integrationsprozess eine zentrale Rolle zu, da sie durch ihre Einstellungen und ihr Verhalten die Geflüchteten unterstützen, sie willkommen heißen oder aber ausgrenzen und stigmatisieren können (Esser et al., 2014). Durch eine imaginierte Kontaktsituation sollten sich, basierend auf der bereits existierenden Forschungslage, demnach Einstellungen, Vorurteile, Intergruppenangst sowie Verhaltensabsichten von deutschen Studierenden gegenüber geflüchteten Studierenden verändern lassen. In der vorliegenden Studie stellen wir daher folgende Hypothesen auf:

Hypothese 1: Die Experimentalgruppe, die einer imaginierten Kontaktsituation ausgesetzt war, hat signifikant weniger Vorurteile und positivere Einstellungen als die Kontrollgruppe.

Hypothese 2: Die Experimentalgruppe, die einer imaginierten Kontaktsituation ausgesetzt war, hat signifikant positivere Verhaltensabsichten und weniger Intergruppenangst als die Kontrollgruppe.

3.1 Messinstrumente

In dieser Studie wurde ein Design mit Experimental- und Kontrollgruppe verwendet, in dem die Manipulation in Form einer 2-minütigen imaginierten Kontaktsituation erfolgte. Teilnehmende der Experimentalbedingung erhielten die Aufgabe, sich eine Kontaktsituation mit einem Mitglied der Outgroup vorzustellen. Bei der untersuchten Outgroup handelte es sich um Gasthörende mit Geflüchteten-Status. Im Zuge der Imaginationsaufgabe der Kontrollgruppe wurde eine fast identische Kontaktsituation beschrieben, die jedoch keine Beschreibung eines Mitglieds der Outgroup, sondern lediglich eines unbekannten Studierenden beinhaltete. Die Teilnehmenden wurden zufällig entweder der Experimental- oder der Kontrollgruppe zugeordnet, um zu kontrollieren, dass keine Gruppenunterschiede vor der Manipulation existieren (Manstead & Livingstone, 2014).

Mit Ausnahme der demografischen Daten wurden alle Variablen nach der Manipulation, also der imaginierten Kontaktsituation, erfragt. Online-Umfragen haben unter anderem den Vorteil, dass Studienteilnehmende den Grad der Anonymität höher einschätzen und dadurch weniger sozial erwünscht antworten (Maurer & Jandura, 2009). Da es sich bei der untersuchten Thematik um ein aktuelles, viel und emotional diskutiertes Thema handelt, stellt die Online-Befragung eine geeignete Methode dar, um der Tendenz der sozialen Erwünschtheit entgegenzuwirken.

Der Fragebogen lässt sich in folgende Abschnitte gliedern: im ersten Teil wurden demografische Daten erfasst. In Abhängigkeit der Gruppenzuordnung erhielten die Studierenden die jeweilige Instruktion der imaginierten Kontaktsituation. Nach der Imagination wurden Kontrollfragen zur Wahrnehmung der imaginierten Situation gestellt. Darauffolgend wurden die Qualität und Quantität des bereits bestehenden Kontaktes zu Geflüchteten erfasst sowie die Intergruppenangst, Einstellung gegenüber Geflüchteten, Vorurteile und Verhaltensabsichten gegenüber den Gasthörenden mit Geflüchteten-Status abgefragt.

Die imaginierte Kontaktsituation wurde anhand eines kurzen Textes realisiert, welcher eine Situation mit einem Studierenden beschrieb. Für die Experimentalgruppe wurde eine geflüchtete Person porträtiert, wohingegen in der Kontrollgruppe hierzu keine genauere Angabe gemacht wurde. Die Instruktion der Experimentalgruppe ist an die Situationsbeschreibung aus der Studie von Kuchenbrandt et al. (2013) angelehnt. In der Studie wurde die Kooperation im Intergruppenkontakt untersucht, welche eine der vier Bedingungen nach Allport (1954) für die positiven Effekte von Kontaktsituationen darstellt. Neben dieser wurden weitere Bedingungen in die Instruktion der vorliegenden Studie integriert: der gleiche Status, gemeinsame Ziele und die Unterstützung durch Autoritäten oder Gesetze (Allport, 1954). Angelehnt an Ioannou et al. (2015) wurden die Teilnehmenden der vorliegenden Studie instruiert, sich in der imaginierten Kontaktsituation mit dem geflüchteten Gasthörenden sowohl über ihre Herkunft als auch über die Studienziele auszutauschen. Der Austausch über die Herkunft sollte die Unterschiede und der Austausch über die Studienziele die Gemeinsamkeiten hervorheben.

Folgender Text wurde den Teilnehmenden der Experimentalgruppe gezeigt:

„Bitte nimm dir nun einen kurzen Moment Zeit, um dir folgende Situation vorzustellen. Du kommst kurz vor Vorlesungsbeginn in den Hörsaal. Dort sind bereits alle Plätze belegt. Du bemerkst einen dir unbekannten Studenten, der ebenfalls wartet. Ihr beginnt ein interessantes und anregendes Gespräch, in dem sich herausstellt, dass es sich um einen seit kurzer Zeit in Deutschland lebenden Geflüchteten handelt, der in diesem Semester als Gasthörer zwei Kurse an deiner Hochschule belegt. Ihr tauscht euch über eure Herkunft, Schulzeit und Studienziele aus. Nach kurzer Zeit entschließt ihr euch gemeinsam weitere Stühle und Tische aus einem Vorlesungsraum nebenan zu holen und euch nebeneinander zu setzen. Bitte stelle dir diese Situation nun zwei Minuten lang so lebhaft wie möglich vor. Du wirst benachrichtigt, sobald zwei Minuten um sind. Du kannst dann mit dem Fragebogen fortfahren.“

In einem Hinweis wurde der Gasthörendenstatus kurz wie folgt erklärt:

„Geflüchtete dürfen mittlerweile an vielen Hochschulen in Deutschland auch ohne Studierfähigkeitsniveau C1 der deutschen Sprache als Gasstudierende bis zu zwei Vorlesungen belegen, die Ihnen bei Beginn eines regulären Studiums anerkannt werden.“

Teilnehmende, die der Kontrollbedingung zugeordnet wurden, erhielten die folgende abgewandelte Instruktion:

„Bitte nimm dir nun einen kurzen Moment Zeit, um dir folgende Situation vorzustellen. Du kommst kurz vor Vorlesungsbeginn in den Hörsaal. Dort sind bereits alle Plätze belegt. Du bemerkst einen dir unbekannten Studenten, der ebenfalls wartet. Ihr beginnt ein interessantes und anregendes Gespräch über eure Schulzeit und eure Studienziele. Nach kurzer Zeit entschließt ihr euch gemeinsam weitere Stühle und Tische aus einem Vorlesungsraum nebenan zu holen und euch nebeneinander zu setzen. Bitte stelle dir diese Situation nun zwei Minuten lang so lebhaft wie möglich vor. Du wirst benachrichtigt, sobald zwei Minuten um sind. Du kannst dann mit dem Fragebogen fortfahren.“

Zur Messung der Intergruppenangst wurde der Fragebogen von Blair et al. (2003) verwendet. Da keine deutsche Übersetzung der Skala vorlag, wurde das englische Original für diese Untersuchung von einer bilingualen Muttersprachlerin übersetzt und durch Rückübersetzung überprüft sowie kulturell angepasst. Der Fragebogen beinhaltete vier 5-stufige Likert-Skalen (zum Beispiel: Ich fühle mich unwohl, wenn ich mit Geflüchteten spreche, 1 = „stimme gar nicht zu“, 5 = „stimme voll und ganz zu“). Die interne Konsistenz der Skala ist als sehr gut zu bewerten (Cronbachs α = .89).

Die Messung der negativen Einstellungen gegenüber Geflüchteten erfolgte über die Skala von Schweitzer et al. (2005), welche zur Erfassung von Einstellungen gegenüber Geflüchteten entworfen wurde. Die Skala umfasst sechs Items auf einer 5-stufigen Likert-Skala (zum Beispiel: Geflüchtete bedrohen die finanzielle Situation in Deutschland, 1 = „stimmt gar nicht“, 5 = „stimmt voll und ganz“, α = .74).

Die Messung expliziter Vorurteile erfolgte anhand von acht Items aus der European Social Survey von 2001 (Siegert & Kogan, 2010). Teilnehmende beantworteten die Items auf einer 7-stufigen Likert-Skala, die von 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 7 = „stimme voll und ganz zu“ reicht. Die Skala, die in den nachfolgenden Hauptanalysen Verwendung findet, wurde anhand eines Summenscores aus allen acht Items gebildet. Die Reliabilität der Skala wird als gut bewertet (α = .84).

Fragen zu Verhaltensabsichten wurden in den Umgang im privaten Umfeld sowie innerhalb der Universität gegliedert. Die Fragen waren angelehnt an die Ergebnisse der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW), in der unter anderem die Studienbedingungen internationaler Studierender an deutschen Universitäten untersucht wurden. Das DSW fand heraus, dass sich die Schwierigkeiten neben den Herausforderungen aufgrund der Sprache auch auf die mangelnde soziale Integration und auf Orientierungsprobleme im deutschen Universitätssystem zurückführen lassen (Esser et al., 2014). Daher wurden die Verhaltensabsichten der befragten Studierenden zum einen hinsichtlich der sozialen Integration untersucht und zum anderen hinsichtlich der Hilfsbereitschaft, Geflüchtete bei der Orientierung an der Hochschule zu unterstützen. Der Fragebogen beinhaltet sechs 6-stufige Likert-Skalen, die interne Konsistenz war gut (α = .82).

3.2 Stichprobe

Die Online-Studie wurde an der Hochschule Osnabrück mit dem Programm LimeSurvey durchgeführt. Insgesamt nahmen 153 Studierende an der Studie teil, von denen 31 % männlich und 49 % weiblich sind. Die Studierenden waren zum Zeitpunkt der Studie zwischen 18 und 31 Jahre alt (M = 23.38; SD = 2.45; Median = 23).

Bezüglich ihres Migrationshintergrundes gaben 6.5 % der Teilnehmenden an, Migrierende der ersten Generation zu sein, dass sie also selbst nach Deutschland gekommen sind. 10.5 % berichteten, Migrierende der zweiten Generation zu sein (mindestens ein Elternteil hat eine Migrationserfahrung). Die Mehrheit der Studierenden gab keinen Migrationshintergrund an (85.5 %) und eine Person machte diesbezüglich keine Angaben. 96.7 % der Studierenden sprechen Deutsch als Muttersprache, 2 % gaben an, Deutsch verhandlungssicher zu beherrschen, 0.7 % können Deutsch fließend in Wort und Schrift und 0.7 % machten keine Angabe.

Bezüglich der Vorerfahrungen beziehungsweise vorherigem Kontakt mit Geflüchteten gaben 56.9 % der Teilnehmenden an, keine Freunde zu haben, die nach Deutschland geflüchtet sind. 20.3 % der Studierenden hatten zwei bis fünf Freunde und 15 % berichteten, einen geflüchteten Freund zu haben. Außerdem berichteten 5.2 %, dass sie mehr als zehn Freunde haben, die nach Deutschland geflüchtet sind. Nur 2 % der Teilnehmenden hatten zwischen fünf und zehn geflüchtete Freunde. Eine Person machte diesbezüglich keine Angaben. Mit 52.6 % verbringt der Großteil der Teilnehmenden nie Zeit mit Freunden, die nach Deutschland geflüchtet sind, gefolgt von 23.5 %, die nur gelegentlich etwas mit ihnen unternehmen. Von 16.3 % wurde berichtet selten Zeit mit ihren geflüchteten Freunden zu verbringen. Nur 7.2 % verbringen oft Zeit und 0.7 % verbringen ständig Zeit mit ihren geflüchteten Freunden. Durchschnittlich hatten die Studierenden knapp zwei enge Freunde und Familienangehörige, die enge Freundschaften zu Geflüchteten haben (M = 2.29; SD = 1.32). Die Kontakthäufigkeit wurde durchschnittlich mit M = 2.20 (SD = 1.08) beschrieben, wobei die Skala von 1 (nie) bis 7 (besonders häufig) reichte. Die Kontaktqualität wurde im Durchschnitt bei M = 4.99 (SD = 1.16) auf einer Skala von 1 (besonders positiv) bis 7 (besonders negativ) bewertet.

4 Ergebnisse

Zuerst wurden die Einschätzung und Wahrnehmung der Teilnehmenden bezüglich des imaginierten Kontaktes betrachtet. Nur wenige Studierende empfanden die imaginierte Kontaktsituation als sehr unrealistisch oder eher unrealistisch (16.3 %), 11.1 % gaben hierbei teils teils an und für 71.9 % war die Situation eher realistisch oder sehr realistisch. Eine Person machte keine Angaben. Mit 3.4 % war die Situation für die wenigsten Teilnehmenden eher oder sehr unangenehm, 13.1 % gaben teils teils an und mit 83 % wurde die Situation von der Mehrheit als eher oder sehr angenehm bewertet.

Die Hypothesentestung erfolgte durch vier einfaktorielle Varianzanalysen mit jeweils dem Faktor Gruppe (Experimental- vs. Kontrollgruppe) und den abhängigen Variablen Vorurteile, Einstellungen, Verhaltensabsichten beziehungsweise Intergruppenangst.

Hypothese 1: Die Experimentalgruppe, die einer imaginierten Kontaktsituation ausgesetzt war, hat signifikant weniger Vorurteile und positivere Einstellungen als die Kontrollgruppe.

Um zu überprüfen, inwiefern ein imaginierter Kontakt zu einem geflüchteten Gasthörer bzw. einer geflüchteten Gasthörerin Vorurteile reduzieren und positive Einstellungen fördern kann, wurden je eine einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Faktor Gruppe (Experimental- vs. Kontrollgruppe) und der abhängigen Variable Vorurteile beziehungsweise Einstellungen gerechnet. Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede. Genauer gesagt unterschieden sich die Experimental- und Kontrollgruppe weder hinsichtlich des Ausmaßes an Vorurteilen), noch in Bezug auf die positiven Einstellungen gegenüber Geflüchteten.

Hypothese 2: Die Experimentalgruppe, die einer imaginierten Kontaktsituation ausgesetzt war, hat signifikant positivere Verhaltensabsichten und weniger Intergruppenangst als die Kontrollgruppe.

Im nächsten Schritt wurde überprüft, ob sich die Kontrollgruppe und die Experimentalgruppe in ihren Werten bezüglich Verhaltensabsichten und Intergruppenangst unterscheiden. Diese Analyse wurde ebenfalls anhand von je einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit dem Faktor Gruppe (Experimental- vs. Kontrollgruppe) und der abhängigen Variable Verhaltensabsichten bzw. Intergruppenangst durchgeführt. Bezogen auf die Verhaltensabsichten zeigte sich ein signifikanter Haupteffekt, F(2, 500) = 1.12, p = .01. Es wurde deutlich, dass die Experimentalgruppe höhere Mittelwerte (M = 6.21, SD = 1.20) berichtete als die Kontrollgruppe (M = 5.98, SD = 0.89). Ein ähnliches Muster zeichnete sich hinsichtlich der Intergruppenangst ab. Entgegen Hypothese 2 berichtete die Experimentalgruppe höhere Werte von Intergruppenangst (M = 5.30, SD = 0.97) im Vergleich zur Kontrollgruppe (M = 5.20, SD = 0.98), F(2, 500) = 1.12, p = .01.

5 Diskussion

Die vorliegende Studie untersucht anhand einer Online-Studie den Zusammenhang von imaginiertem Kontakt mit Einstellungen, Vorurteilen, Intergruppenangst und Verhaltensabsichten deutscher Studierender gegenüber Gasthörenden mit Geflüchteten-Status. Dabei wurde angenommen, dass die Imagination einer Kontaktsituation mit einem Mitglied der Outgroup, in diesem Fall mit einem Gasthörer bzw. einer Gasthörerin mit Geflüchteten-Status, mit positiveren Einstellungen und Verhaltensabsichten sowie weniger Vorurteilen und Intergruppenangst zusammenhängt. Diese Annahmen wurden mit einem Kontrollgruppen-Experimentalgruppen-Design untersucht und konnten teilweise bestätigt werden.

Hypothese 1 konnte nicht bestätigt werden. Die Studierenden der Experimentalgruppe unterschieden sich in ihren Angaben zu Vorurteilen und Einstellungen nicht signifikant von den Studierenden der Kontrollgruppe. Diese Ergebnisse stehen zwar im Widerspruch mit bereits existierender Forschung zu imaginiertem Kontakt (Miles & Crisp, 2014; Ioannou, 2019; Turner et al., 2007), jedoch konnten Firat und Ataca (2020) in ihrer Studie zu expliziten und impliziten Vorurteilen von Türken und Türkinnen gegenüber Kurden und Syrern und Syrerinnen ebenfalls keinen Effekt von imaginiertem Kontakt finden. Eine mögliche Erklärung für diese Abweichung liegt in der Intention, durch die imaginierte Kontaktsituation, vorhandene Einstellungen der Studierenden zu verändern. Crisp und Kollegen (Crisp et al., 2009; Miles & Crisp, 2014) argumentieren, dass die Stärke des imaginierten Kontaktes in der Anregung von Verhaltensänderungen und der tatsächlichen Kontaktaufnahme liegt und nicht in der Veränderung von Einstellungen. Diese Annahme ist überwiegend im Einklang mit den Ergebnissen bezüglich Hypothese 2. Wir konnten zeigen, dass Studierende, die sich die Kontaktsituation mit dem Mitglied der Outgroup vorstellen sollten, signifikant positivere Verhaltensabsichten äußerten, im Gegensatz zu den Studierenden der Kontrollgruppe.

Dieses Ergebnis unterstützt bisherige Studien zu imaginiertem Kontakt (zum Beispiel Miles & Crisp, 2014; Ioannou, 2019) und verdeutlicht zum einen, dass allein die Vorstellung der Interaktion mit einem Mitglied der Outgroup positivere Verhaltensabsichten induzieren kann. Zum anderen unterstützt das Ergebnis auch, dass der imaginierte Kontakt zumindest teilweise erfolgreich über ein Online-Setting durchgeführt werden kann (siehe hierzu auch Asbrock et al., 2013). Entgegen unserer Vermutung wiesen Studierende, die an der imaginierten Kontaktsituation teilnahmen eine höhere Intergruppenangst auf als Studierende der Kontrollgruppe. Dies ist insofern unerwartet, als dass dieses Ergebnis nicht in Einklang mit vorherigen Studien ist (zum Beispiel Miles & Crisp, 2014). Die Stichprobe weist insgesamt recht hohe Werte von Intergruppenangst auf. Möglicherweise ist die Wirkung von imaginiertem Kontakt also eingeschränkt für Personen, die von vornherein eine hohe Intergruppenangst haben. Diese hohe Intergruppenangst könnte bei einer Imagination einer Kontaktsituation zu einer höheren Salienz der ohnehin vorhandenen Angst führen. Zukünftige Studien sollten diese Annahme mittels eines pre-post-Designs überprüfen. Möglicherweise könnte man auch die Gruppenzugehörigkeit der imaginierten Interagierenden als Geflüchtete erst nach Ablauf der zwei Minuten preisgeben, um eine von vornherein belastete Situation zu vermeiden.

Zusammenfassend konnte eine von insgesamt vier Annahmen bestätigt werden. Die imaginierte Kontaktsituation mit einem Gasthörenden mit Geflüchteten-Status führte bei Studierenden zu positiveren Verhaltensabsichten, nicht aber zu weniger Vorurteilen oder positiveren Einstellungen gegenüber Gasthörenden mit Geflüchteten-Status. Darüber hinaus hatten Studierende der Experimentalgruppe signifikant höhere Ausprägungen der Intergruppenangst.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es notwendig ist, moderierende beziehungsweise mediierende Faktoren in zukünftige Untersuchungen zu beachten. Persönlichkeitseigenschaften könnten beispielsweise bei der Wahrnehmung des beschriebenen Szenarios eine Rolle spielen. Des Weiteren könnten zusätzliche Bedingungen, wie Vertrauen (Pagotto et al., 2012; Meleady & Seger, 2017), wahrgenommene Gruppengrenzen (Pagotto et al., 2012) oder soziale Dominanzorientierung (Perry et al., 2012) relevante Faktoren darstellen. Obwohl sich die Ergebnisse dieser Studie mit bereits vorhandenen Studien vergleichen lassen, die den Effekt von imaginiertem Kontakt beispielsweise auf Vorurteile nicht oder nur teilweise bestätigen konnten (Dermody et al., 2013; Hoffarth & Hodson, 2016; Firat & Ataca, 2020), sollen bereits gefundene Effekte (zum Beispiel Miles & Crips, 2014; Lemmer & Wanger, 2015; Ioannou, 2019; Turner et al., 2007) nicht negiert werden. Vielmehr wird durch diese Studie deutlich, dass die Methode des imaginierten Kontakts für Veränderungen von Verhaltensabsichten geeignet ist, relevante Bedingungen und Faktoren für die Umsetzung der Methode jedoch weiter spezifiziert werden müssen.

Über die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland und Europa gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Studien wie die European Social Survey oder den ALLBUS (Siegert & Kogan, 2010). In der Meinungsforschung besteht jedoch noch viel weiteres Forschungspotenzial zum Thema Migration und vor allem Integration. Insbesondere zu den an deutschen Hochschulen eingeführten Gasthörenden-Programmen gibt es noch keine veröffentlichten Befragungen. Diese Forschungslücke kann durch die vorliegende Studie teilweise geschlossen werden. Zwar konnten in der Hypothesentestung keine signifikanten Zusammenhänge festgestellt werden, jedoch wurde deutlich, dass die Studierenden hinsichtlich Vorurteilen unter dem Skalendurchschnitt lagen und somit eher wenig vorurteilsbelastet waren. Zudem berichteten sie eher überdurchschnittlich positive Einstellungen und Verhaltensabsichten. Mit Blick auf die Gesellschaft ist dieses Ergebnis positiv einzustufen.

Zu betonen ist jedoch auch, dass gerade die Gruppe der jungen, gebildeten und in urbanen Umgebungen lebenden Personen generell mit weniger Vorurteilsabsichten in Verbindung gebracht wird (vgl. Lingiardi et al., 2016). West et al. (2017) konnten zeigen, dass gerade diejenigen Personen von imaginiertem Kontakt profitieren, die stärkere Vorurteile hatten. Zukünftige Studien sollten diesen möglichen Prädiktor in ihrem Untersuchungsdesign beachten und ein Post-Hoc-Design verwenden.

Die Online-Studie ermöglicht einen guten Zugang zu und eine einfache Durchführung der Methode des imaginierten Kontaktes. Bereits Asbrock et al. (2013) konnten zeigen, dass der imaginierte Kontakt in einem Online-Setting durchgeführt werden kann. Die vorliegende Studie deutet jedoch darauf hin, dass die Umsetzung durch eine Online-Studie weiter ausgebaut werden muss. Bei der Verwendung eines Online-Fragebogens ist die Überwachung und Kontrolle von Störvariablen deutlich eingeschränkt. Um eine Verfälschung der Ergebnisse des Experiments auszuschließen, ist es jedoch notwendig, Störvariablen konstant zu halten. Dies ist am ehesten in einem Laborexperiment gegeben. Mögliche Störvariablen, die einen Einfluss auf das Experiment gehabt haben könnten, sind Unterbrechungen während des Ausfüllens wie beispielsweise ein klingelndes Handy, eine laute Geräuschkulisse oder Unterbrechungen durch dritte Personen (Häder, 2015).

Als weitere Einschränkung lässt sich die einmalige Manipulation der Experimentalgruppe anführen. In Längsschnittstudien, bei denen Teilnehmende mehrfach Instruktionen erhielten (Stathi et al., 2014), konnten stärkere Effekte festgestellt werden als in solchen, in denen die Instruktion nur einmal gegeben worden ist (Miles & Crisp, 2014). Um die Effektivität des imaginierten Kontaktes zu erhöhen, sollte zudem erforscht werden, wie stabil und übertragbar die Effekte auf die Gesamtheit Outgroup und andere Outgroups sind. Harwood et al. (2011) konnten beispielsweise Salienz als einen Faktor identifizieren, der in einer imaginierten Intergruppenaktion zur Generalisierung (secondary transfer effects) der positiven Einstellungen und Verhaltensabsichten beiträgt. Die vorliegende Studie liefert querschnittliche Daten, weshalb die Ergebnisse, trotzt experimenteller Manipulation, nicht als Ursache-Wirkung generalisiert werden können. Es ist daher notwendig, die Wirkung von imaginiertem Kontakt in einem Längsschnittdesign zu untersuchen. Bisher fanden nur wenige Längsschnittstudien statt (für Ausnahmen siehe Ioannou, 2019; Vezzali et al., 2014), die die Stabilität der Einstellungsänderungen über einen längeren Zeitraum hinweg analysiert haben (Miles & Crisp, 2014). Um einerseits Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge ziehen zu können und andererseits langfristige Auswirkungen des imaginierten Kontakts auf Verhaltensabsichten und Einstellungen zu untersuchen, sollten zukünftige Studien ein längsschnittliches Untersuchungsdesign in Erwägung ziehen.

Trotz der überwiegend positiven Ergebnisse in der Abfrage der Verhaltensabsichten, sollte dieser Aspekt genauer untersucht werden. Es ist denkbar, dass Probanden Bedenken haben, dass Sprachbarrieren bei einer Gruppenarbeit mit einem geflüchteten Gasthörenden auftreten könnten oder aber, dass sie Vorurteile gegenüber einem Mitglied der Outgroup haben, wodurch das Verhalten beeinflusst werden könnte. Dieser Einfluss könnte über weitere Kontrollfragen, beispielsweise über die Relevanz guter Noten, die Einschätzung des Einflusses von Gruppenarbeiten mit Geflüchteten auf diese Noten sowie der Wahrnehmung ihrer Fähigkeiten überprüft werden.

Die Forschung zu imaginiertem Kontakt mit zugehörigen Effekten ist noch ein relativ junges Forschungsfeld. Viele Zusammenhänge, die bereits im Kontext mit direktem oder erweitertem Kontakt gezeigt wurden, konnten für imaginierten Kontakt belegt werden (Pettigrew, 1998; Miles & Crisp, 2014). Die vorliegende Studie verdeutlicht zum einen, dass eine imaginierte Kontaktsituation in einem Online-Setting für Studierende, zumindest hinsichtlich Verhaltensabsichten, wertvolle Potenziale birgt, die wiederum relevant für die Integration und den Studienerfolg von Gasthörern mit Geflüchteten-Status sind (Esser et al., 2014). Zum anderen wird die Notwendigkeit deutlich, Prädiktoren und Faktoren zu identifizieren, die die Wirkung von imaginiertem Kontakt im Online-Setting beeinflussen. Diesbezüglich bietet die vorliegende Studie eine Grundlage, durch welche zukünftige Studien inspiriert werden und auf sie aufbauen können.