1 Einleitung

Als Teil ihres Bildungsauftrags verfolgen Universitäten das Ziel, ihre Studierenden adäquat auf das spätere berufliche und gesellschaftliche Leben vorzubereiten. Dafür spielen die Einstellungen zu kultureller Vielfalt eine immer entscheidendere Rolle. Obwohl die deutsche Gesellschaft schon seit Jahrzehnten durch eine immer weiter zunehmende Vielfalt geprägt ist, sind fremdenfeindliche Einstellungen noch immer weitverbreitet. Die Leipziger Autoritarismus Studie zeigte, dass etwa ein Drittel der Befragten fremdenfeindlichen Aussagen zustimmten (Decker & Brähler, 2018). Das Thema ist für Universitäten von großer Relevanz, da diese maßgeblich durch die Gestaltung von Lehr- und Lern-Aktivitäten am Campus zur Entwicklung junger Menschen beitragen. Einstellungen zu kultureller Vielfalt sowie die Problematik rassistischer Wissensreproduktionen und Diskriminierung wurden in den letzten Jahren dementsprechend verstärkt in Universitäten diskutiert (Heitzmann & Houda, 2019; Thompson & Vorbrugg, 2018). Viele Universitäten bieten Studierenden heutzutage Möglichkeiten, sich durch studienorientierte Auslandsaufenthalte sowohl fachlich als auch überfachlich weiterzuentwickeln. Etwa 32 % der Studierenden absolvieren im Laufe ihres Studiums einen studienintegrierten Auslandsaufenthalt (Middendorff et al., 2017).

In der wirtschaftspsychologischen Forschung überwiegen Ansätze, die die vorteilhaften Auswirkungen von Auslandsaufenthalten auf die spätere Job-Performance untersuchen (zum Beispiel Lee & Sukoco, 2010). In der vorliegenden Studie soll jedoch ein stärkerer Fokus auf die Prädiktoren des Abbaus von Fremdenfeindlichkeit gelegt werden. Zentral für die Gestaltung von Auslandsstudienprogrammen ist die Erkenntnis der frühen Sozialpsychologie, dass der Kontakt zu Mitgliedern anderer Kulturen zu einem Abbau negativer Intergruppeneinstellungen beitragen kann (Allport et al., 1979). Da Auslandsaufenthalte eine sehr gute Möglichkeit darstellen, mit Mitgliedern anderer Kulturen in Kontakt zu kommen, ist anzunehmen, dass längere Aufenthalte im Ausland mit positiven Einstellungen gegenüber kulturellen Outgroups verbunden sind. Doch interkultureller Kontakt bringt nicht automatisch positive Konsequenzen mit sich. Schartner (2016) fand beispielsweise eine Abnahme von Offenheit und eine Zunahme negativer Intergruppeneinstellung bei chinesischen Studierenden, die ein Auslandssemester in Amerika absolvierten. Es zeigte sich, dass die chinesischen Studierenden größtenteils unter sich blieben und kaum Möglichkeiten hatten, positiv mit anderen Kulturen zu interagieren. Darüber hinaus spielen interkulturelle Kompetenzen eine wichtige Rolle, um interkulturelle Konfliktsituationen oder Missverständnisse zu vermeiden (Barmeyer & Franklin, 2016; van der Zee & van Oudenhoven, 2000, 2001). Das Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, den Zusammenhang der Länge von Auslandsaufenthalten mit der späteren Fremdenfeindlichkeit, moderiert durch die interkulturelle Kompetenz und mediiert über die Qualität der Kontakte zu Einheimischen zu untersuchen.

2 Theorie

Eine der ersten Theorien der Sozialpsychologie, die sich explizit mit dem Abbau negativer Intergruppeneinstellungen beschäftigte, ist die Kontakthypothese, die Gordon W. Allport und seine Kollegen in dem Buch „the nature of prejudice“ darlegten (Allport et al., 1979). Der Kern der Theorie besagt, dass unter bestimmten Bedingungen Intergruppenkontakt zu einem Abbau negativer Einstellungen gegenüber Mitgliedern der Outgroup führen kann. Dazu sind besonders gegenseitiger respektvoller Umgang relevant, sowie die Möglichkeit an gemeinsamen Zielen zu arbeiten (Allport et al., 1979). Es wird angenommen, dass Kontakt und eine gemeinsame übergeordnete Identifikation dazu führen, dass Mitglieder von Outgroups, beispielsweise Personen mit einem anderen kulturellen Hintergrund, eher auf Interpersonaler- als auf Intergruppen-Basis betrachtet werden. In einer Metaanalyse konnten Pettigrew und Tropp (2008) zeigen, dass der Abbau negativer Einstellungen durch Intergruppenkontakt durch das Wissen über die Outgroup mediiert wird. Vor allem wird der Zusammenhang jedoch über Intergruppenangst und die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme erklärt. Weiterhin wird betont, dass für reduzierte Intergruppenangst und bessere Perspektivenübernahme besonders die Qualität der jeweiligen Kontakte entscheidend ist, die allerdings nicht explizit in ihrer Studie berücksichtigt wird.

Brown et al. (2007) demonstrierten in einer Längsschnittstudie, dass die Qualität des Kontaktes zu kulturellen Outgroups zu besseren Intergruppeneinstellungen beiträgt. Es muss jedoch nicht unbedingt eine positive Einstellung vorhanden sein, um enge Kontakte zu knüpfen. Ein qualitativ hochwertiger Kontakt ist demnach eine zwischenmenschliche Beziehung, in der die Beteiligten eng, gleichgestellt und kooperativ miteinander interagieren. Auf die Frage, was optimale Bedingungen für das Knüpfen solcher Kontakte sind, kann die Literatur allerdings nur wenig explizite Aussagen liefern. Die Möglichkeit, mit Mitgliedern anderer Kulturen interagieren und damit einhergehend Kontakte aufbauen zu können, stellt ein notwendiges Kriterium dar, um Mitglieder anderer Gruppen kennenzulernen. Diesbezüglich fanden Genkova und Schreiber (2019) einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Kontakte und der Qualität der Kontakte zu Einheimischen. Im Einklang dazu konnte Schartner (2016) sogar negative Effekte auf die Lernerfahrung und die Zufriedenheit mit dem Auslandsaufenthalt aufzeigen, wenn Studierende während des Auslandsaufenthaltes in ihren ursprünglichen Gruppen verblieben und nur die allernotwendigsten Kontakte zu Personen aus anderen Kulturen pflegten. Brown et al. (2007) erhoben ihre Längsschnittstudie über mehrere Monate hinweg. Andere Autorinnen und Autoren (zum Beispiel Genkova & Schreiber, 2019) gehen ebenfalls davon aus, dass qualitativ hochwertige Kontakte erst im Laufe der Zeit und mit zunehmender Anpassung an eine Kultur möglich werden.

Durch eine bessere Anpassung an eine Kultur treten Missverständnisse tendenziell weniger auf und sind weniger schwerwiegend (vgl. Barmeyer & Franklin, 2016). Auch vorherige interkulturelle Erfahrungen führen zu einer schnelleren Anpassung und könnten so einen Einfluss darauf haben, wie schnell eine Person in einer neuen Kultur Kontakte knüpft. Wolff (2017) wies in der Diskussion seiner Längsschnittstudie darauf hin, dass vorherige interkulturelle Erfahrungen den Teilnehmenden das Zurechtkommen in der neuen Umgebung möglicherweise erleichtert hatten. Generell ist anzunehmen, dass die Fähigkeit, in interkulturellen sozialen Situationen erfolgreich zu sein, mit engeren interkulturellen Kontakten einhergeht. Meleady et al. (2020) konnten zeigen, dass die Kontaktqualität zu Einheimischen während Auslandsaufenthalten signifikant mit der interkulturellen Kompetenz zusammenhing. Personen mit höherer Kompetenz schlossen schneller engere Kontakte und erlebten seltener negative Situationen, wie interkulturelle Missverständnisse.

Interkulturelle Kompetenz wird von verschiedenen Forschern auf unterschiedliche Weise betrachtet, weshalb keine Einigkeit über eine Definition und Bestandteile der interkulturellen Kompetenz in der Wissenschaft besteht (Spitzberg & Changnon, 2009). Laut Genkova (2019) ist eine Definition, die allgemein breite Zustimmung findet, folgende: Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, effektiv und angemessen in interkulturellen Situationen zu handeln (in Übereinstimmung mit Spitzberg & Changnon, 2009; Wolff, 2017). Die Operationalisierung dieses minimalen Konsens gestaltet sich jedoch als ausgesprochen kontrovers. Aufgrund seiner Vorhersagekraft und konzeptionellen Stärke hat sich besonders das Instrument des Multicultural Personality Questionnaire (MPQ) von Van der Zee und Van Oudenhoven (2000) bewährt. Das MPQ identifiziert Persönlichkeitsfaktoren, die einen Einfluss auf die interkulturelle Interaktionsfähigkeit besitzen. Die multikulturelle Effektivität ist dabei beschrieben als die Summe der professionellen Leistung, persönlichen Anpassung und der interkulturellen Interaktionen, die Menschen in multikulturell ausgerichteten Berufen erreichen. In dieser Hinsicht kann das MPQ als Vertreter des eigenschaftsorientierten Ansatzes für interkulturelle Kompetenz betrachtet werden. Dieser Ansatz beschränkt sich auf stabile, nur geringfügig veränderbare Persönlichkeitsmerkmale (van der Zee & van Oudenhoven, 2001).

Die in dieser Studie verwendete Kurzversion des MPQ umfasst folgende Subskalen:

  • Cultural Empathy: beschreibt die Fähigkeit, Verständnis für das Denken, Verhalten und Gefühle von kulturell diversen Personen aufzubringen.

  • Open-Mindedness: drückt eine offene und vorurteilsfreie Einstellung zu kulturellen Unterschieden aus.

  • Social Initiative: bezieht sich auf das aktive Angehen und Gestalten von sozialen Situationen.

  • Emotional Stability: bezeichnet die Fähigkeit, unter neuartigen und stressbegünstigenden Bedingungen ruhig zu bleiben.

  • Flexibility: ist die Fähigkeit, neuartige Situationen als positive Herausforderung zu interpretieren (van der Zee et al., 2013).

Diese Subskalen weisen konzeptuelle Ähnlichkeit zu den Dimensionen des Big Five Modells auf, weshalb Gabrenya et al. (2013) das MPQ als Messinstrument der Big Five einstufen, das spezifisch auf den interkulturellen Kontext zugeschnitten wurde. Die Konstruktvalidität unterschiedlicher Versionen des MPQ konnte bereits faktorenanalytisch Bestätigung finden (siehe Gabrenya et al., 2013).

Der eigenschaftsorientierte Ansatz zu interkultureller Kompetenz betont die Divergenz zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensanpassungen, respektive Akkulturation (Genkova, 2019). Es wird angenommen, dass Personen mit einer höheren interkulturellen Kompetenz eher in der Lage sind, mit Personen aus anderen Kulturen zu interagieren und sich schneller anzupassen (Ng et al., 2017). Bereits Lee und Sukoco (2010) konnten zeigen, dass die interkulturelle Kompetenz den Zusammenhang zwischen der Dauer des Aufenthalts im Ausland, der Anpassungsleistung und der Job-Performance signifikant moderierte. Eine implizite Annahme dieser Perspektive ist, dass interkulturelle Interaktionen mit zunehmender Unterschiedlichkeit zwischen Heimat- und Zielkultur immer herausfordernder werden. Redmond (2000) unterstützte diese Annahme anhand einer Studie mit US-Amerikanern und -Amerikanerinnen, die im Ausland höhere Stresslevel aufwiesen, abhängig von der kulturellen Distanz, gemessen durch die Kulturdimensionen nach Hofstede et al. (2010). Die aktuellen Dimensionen, anhand derer Kulturen und besonders arbeitsrelevante Aspekte von Kulturen unterschieden werden können, sind nach Hofstede Insights (2020) Machtdistanz, Individualismus, Maskulinität, Unsicherheitsvermeidung, Langzeitorientierung sowie Nachgiebigkeit. Basierend auf der existierenden Literatur und Forschung wird in der vorliegenden Studie angenommen, dass die Unterschiedlichkeit von Heimat- und Zielkultur bei Auslandsaufenthalten als Kovariate sowohl die Qualität des Kontaktes zu Einheimischen als auch die Länge des Auslandsaufenthaltes und die Fremdenfeindlichkeit beeinflussen.

3 Fragestellung, Methode und Stichprobe

Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung ist, ob längere Auslandssemester mit einer geringeren Fremdenfeindlichkeit einhergehen. Um diese Annahme detailliert zu untersuchen, wird zudem die interkulturelle Kompetenz als Moderatorvariable sowie die Qualität der Kontakte zu Einheimischen als Mediatorvariable herangezogen. Wie bereits beschrieben, sind die Zusammenhänge zwischen persönlichen und situationellen Prädiktoren und der Qualität der Kontakte zu Einheimischen während eines Auslandssemesters nicht umfassend erforscht. Genkova und Schreiber (2019) betonen, dass studentische Auslandsaufenthalte ideale Voraussetzungen für den Erwerb interkultureller Kompetenz bieten, da Studierende in diesem Umfeld oft keine andere Wahl haben, als mit internationalen Kommilitonen und Kommilitoninnen zu interagieren. Dies ist jedoch nicht ausnahmslos der Fall (siehe Schartner, 2016). Es ist somit naheliegend, individuelle und situationelle Prädiktoren für die Kontaktqualität zu identifizieren. Van Acker und Vanbeselaere (2011) untersuchten in einer ähnlichen Studie die Auswirkungen von Kontakt- und Akkulturationsvariablen auf affektive Intergruppeneinstellungen. Sie konnten zeigen, dass die Akkulturation und die Kontaktqualität voneinander unabhängige Prädiktoren für Vorurteilen darstellten. Die Akkulturationsforschung geht davon aus, dass eine bessere Anpassung mit engeren Kontakten in der Zielkultur über einen bestimmten Zeitraum einhergeht. Des Weiteren steht diese Verbindungen in Zusammenhang mit der interkulturellen Kompetenz sowie der kulturellen Distanz (Zick, 2010). Greenland und Brown (2005) zeigten anhand einer Längsschnittstudie mit japanischen Studierenden in Großbritannien, dass eine ausgeprägtere interkulturelle Kompetenz und ein längerer Aufenthalt mit engeren Kontakten verbunden waren. Wolff (2017) beschreibt darüber hinaus als Limitation seiner eigenen Studie, dass die vorher im Ausland verbrachte Zeit als individuelle Erfahrungsbasis in zukünftiger Forschung beachtet werden sollte. Ein Zusammenhang zwischen den theoretisch identifizierten Prädiktoren und der Qualität der Kontakte wird daher angenommen.

Hypothese 1: Hohe interkulturelle Kompetenzen, geringere kulturelle Distanz zwischen Heimat- und Zielland, längere Auslandsaufenthaltsdauer sowie häufigere allgemeine Kontakte zu kulturellen Outgroups gehen mit höherer Qualität des Kontaktes einher.

Meleady et al. (2020) zeigten, dass Personen, die interkulturell kompetenter sind, im Auslandssemester weniger negative Situationen erleben. Laut Pettigrew und Tropp (2008) erfolgt der Effekt von Intergruppenkontakt primär durch den Abbau von Intergruppenangst und einer erhöhten Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Es wird daher angenommen, dass kulturell kompetente Personen in längeren Auslandsaufenthalten tatsächlich Intergruppenangst abbauen und einen Perspektivenwechsel erlernen. Diese Ansicht folgt der Annahme der Kontakthypothese. Meleady et al. (2017) identifizierten in einer Studie positive und negative interkulturelle Erfahrungen als unabhängige Prädiktoren für Intergruppeneinstellungen. Des Weiteren zeigten Van Acker und Vanbeselaere (2011) kulturelle Anpassung und Kontaktqualität als entscheidende Prädiktoren für reduzierte negative affektive Einstellungen gegenüber kulturellen Outgroups. Die vorliegende Studie nimmt daher an, dass interkulturelle Kompetenz, unabhängig von der Kontaktqualität, zur Vermeidung von interkulturellem Stress beiträgt. Personen, die interkulturell kompetent sind, sollten mit längeren Aufenthalten mehr positive Intergruppensituationen erleben. Personen mit niedriger interkultureller Kompetenz werden eher Situationen erleben, die sie in negativen Einstellungen bestärken. Es wird daher von einem bedingten Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und negativen Intergruppeneinstellungen für hohe und niedrige interkulturelle Kompetenz ausgegangen.

Hypothese 2: Die interkulturelle Kompetenz moderiert den Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit. Für Individuen, die eine hohe interkulturelle Kompetenz aufweisen, hängt die Länge des Auslandsaufenthaltes negativ mit der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit zusammen.

Bisherige Forschung konnte aufzeigen, dass nicht nur die allgemeine Interaktion für den Abbau negativer Einstellungen verantwortlich ist, sondern besonders enge, kooperative und gleichgestellte Beziehungen über die Grenzen von Gruppen hinweg relevant sind (Brown et al., 2007; van Acker & Vanbeselaere, 2011). Selbst wenn man allgemein nicht besonders gut in einer Kultur zurechtkommt, kann man möglicherweise trotzdem ein paar sehr gute Freundschaften haben, die zu einem besseren Perspektivenwechsel und weniger Intergruppenangst beitragen. Es wäre daher anzunehmen, dass dies von der interkulturellen Kompetenz unabhängig ist. Weiterhin wird angenommen, dass diese Kontakte eine bestimmte Zeit benötigen, um sich zu entwickeln und daher von der Länge des Auslandsaufenthaltes abhängen.

Hypothese 3: Der Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit wird von der Qualität der Kontakte während des Auslandsaufenthaltes mediiert. Je länger der Auslandsaufenthalt dauerte, desto höher wird die Qualität der Kontakte eingeschätzt und desto weniger Fremdenfeindlichkeit wird berichtet.

Design

Die Untersuchung der Hypothesen erfolgte mittels einer Querschnittsstudie. Die Erhebung wurde anhand eines Online-Fragebogens durchgeführt, der über verschiedene Social-Media-Kanäle verbreitet wurde. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden Teilnehmende mittels eines Einladungslinks rekrutiert, über den sie den Fragebogen auf der Plattform LimeSurvey aufrufen konnten. Teilnahmevoraussetzungen waren ein Mindestalter von 18 Jahren und ein vorheriger Auslandsaufenthalt, von dem die Teilnehmenden wieder heimgekehrt waren. Der Fragebogen konnte sowohl am Computer als auch am Smartphone bearbeitet werden. Das Incentive war eine an die Teilnehmendenzahl gebundenen Spende an den WWF (Natur- und Umweltschutzorganisation). Es wurden 5 € pro 10 Teilnehmenden gespendet.

Instrumente

Der Fragebogen beinhaltete folgende Messinstrumente:

  • Intergroup Contact Quantity and Quality (Islam & Hewstone, 1993)

  • Xenophobia Scale (Wetzels & Pfeiffer, 1998)

  • Multicultural Personality Questionnaire Short Form (kurz MPQ; Van der Zee et al., 2013)

Zusätzlich wurden die demografischen Variablen Alter und Migrationshintergrund erfasst. Als Personen mit Migrationshintergrund werden im Rahmen dieser Untersuchung Personen betrachtet, die in erster oder zweiter Generation nach Deutschland eingewandert sind. Dies umfasst also Menschen, die selbst nach Deutschland migriert sind oder bei denen zumindest ein Elternteil nach Deutschland eingewandert ist (Kemper, 2010).

Zur Auswertung wurden für das MPQ, die Xenophobia Scale und die General Intergroup Contact Quantity and Quality Skalenwerte über den Mittelwert der zugehörigen Items berechnet, nachdem negativ gepolte Items umkodiert wurden. Bei fehlenden Werten wurde der Mittelwert über die übrigen Items gebildet, solange mindestens die Hälfte der Werte vorlagen (vgl. Van der Zee & Van Oudenhoven, 2001). Zur Messung der Auslandserfahrung wurden neben den demografischen Fragen zwei weitere Fragen hinzugefügt: „Wie viel Zeit haben Sie vor ihrem Auslandaufenthalt insgesamt im Ausland verbracht?“ (Auslandges) und „Wie lange dauerte Ihr Auslandssemester am Stück?“ (Ausland). Es konnten jeweils fünf unterschiedliche Zeiträume als Antwortmöglichkeiten ausgewählt werden (s. Tab. 2). Die Formulierung dieser Items orientiert sich an dem von Wolff (2017) vorgeschlagenen Vorgehen für Querschnittsstudien, wobei für das Item Auslandges (Gesamtdauer) eine leicht veränderte Formulierung verwendet wurde, da Wolff mit der ursprünglichen Formulierung Verständnisschwierigkeiten feststellte.

Die von Islam und Hewstone (1993) entwickelte Skala des Intergruppenkontaktes, die eine gute psychometrische Qualität aufweist (Lolliot & Hewstone, 2015), gab Aufschluss über interkulturelle Erfahrungen mit Einheimischen. Es wurden die Skalen Quantität des Intergruppenkontaktes (IC_Quan) und Qualität des Intergruppenkontaktes im Auslandsaufenthalt (IC_Qual) mit je fünf Items erfasst. Beispielitems sind „Wie viel Kontakt hatten Sie zu Einheimischen?“ für die Quantität und „In welchem Maß haben Sie den Kontakt zu Einheimischen als oberflächlich oder vertraut erlebt?“ (revers gepoltes Item) für die Qualität. Es wurde eine 7-stufige Likert-Skala verwendet, deren Abstufungen mit den Ziffern 1 (stimme gar nicht zu) bis 7 (stimme voll und ganz zu) kodiert sind. Vorherige Untersuchungen konnten höhere Reliabilitätskennziffern für die Skala der Quantität feststellen (α = .86–.90) als für die Skala der Qualität (α = .72–.73). In dieser Studie waren beide Cronbachs α > .76 (s. Tab. 2).

Kulturelle Distanz

Nach den Items zur Auslandserfahrung wurde ein Item zur Messung der kulturellen Distanz (CD1) eingefügt: „In welchen Ländern hatten Sie ihre drei längsten Auslandsaufenthalte?“. Die Antwortfelder waren mit Land 1, Land 2 und Land 3 betitelt, sodass im Feld Land 1 das Land mit der längsten Aufenthaltsdauer angegeben werden sollte. Als Maß der kulturellen Distanz wurden die Kulturdimensionen nach Hofstede (2001; Hofstede et al., 2010) verwendet: Machtdistanz, Individualismus, Maskulinität, Unsicherheitsvermeidung, Langzeitorientierung und Nachgiebigkeit, die für je ein Land einen Wert annehmen. Die Daten wurden Hofstede Insights (2020) entnommen. Um für jedes Land einen Wert der kulturellen Distanz zu erstellen, wurden für jede Kulturdimension nach Hofstede (2001; Hofstede et al., 2010) die positive Differenz zur Ausprägung in Deutschland bestimmt und anschließend der Mittelwert über die Differenzen berechnet. Der Wert für Individualismus wurde aufgrund seiner zentralen Rolle doppelt gewichtet. Die kulturelle Distanz variierte zwischen 0 und ca. 40. Da nicht alle Teilnehmenden drei Länder angeben konnten, wurde nur die kulturelle Distanz für das Land betrachtet, welche im Feld Land 1 angegeben wurde. Für Mauritius, Tunesien und den Kosovo lagen keine Daten zu den Kulturdimensionen nach Hofstede vor. Daher wurden hier die Werte von kulturell ähnlichen Nachbarländern herangezogen.

Interkulturelle Kompetenz

Die interkulturelle Kompetenz wurde durch das Multicultural Personality Questionnaire Short Form (MPQ; Van der Zee et al., 2013) operationalisiert. Das MPQ besteht aus 40 Items, die die Dimensionen kulturelle Empathie, Flexibilität, soziale Initiative, emotionale Stabilität und Offenheit mit einer 5-stufigen Likert-Skala und einer Kodierung von 1 (stimmt gar nicht) bis 5 (stimmt voll und ganz) erfassen. Van der Zee et al. (2013) berichteten gute Werte für die Reliabilität mit Cronbachs α > .80 für alle Subskalen außer Offenheit, für die Cronbachs α = .72 betrug. Ähnliche Werte ergaben sich in dieser Studie (s. Tab. 2). In Tab. 1 werden Beispielitems für die jeweiligen Dimensionen und ihre Kurzbezeichnung präsentiert.

Tab. 1 Beispielitems für die Dimensionen des MPQ
Tab. 2 Deskriptive Statistik

Fremdenfeindlichkeit

Die Fremdenfeindlichkeit wurde anhand von neun 4-stufigen Likert-Skalen Items von 1 (trifft ganz und gar nicht zu) bis 4 (trifft absolut zu) aus einem Instrument von Wetzels und Pfeiffer (1998) erfasst, dass eine negative affektive Prädisposition gegenüber kulturellen Outgroups misst. Beispiele für Items lauten „Wer sich in Deutschland nicht anpassen kann, sollte das Land wieder verlassen.“ und „Die Migranten haben Schuld an der Arbeitslosigkeit in Deutschland.“, wobei höhere Werte mehr Fremdenfeindlichkeit bedeuten. Die Skala erzielte eine mäßige, aber tolerierbare interne Konsistenz von Cronbachs α = .65.

Stichprobe

Insgesamt lagen 251 Datensätze vor, von denen 153 vollständig waren. Von den verbleibenden 153 Datensätzen mussten weitere 13 von der Analyse ausgeschlossen werden, da diese entweder von Nicht-Studierenden ausgefüllt wurden, extreme Ausreißer beinhalteten oder kein studienorientierter Auslandsaufenthalt absolviert wurde.

In Tab. 2 werden die deskriptiven Merkmale der Stichprobe präsentiert. Die Teilnehmenden waren durchschnittlich 29.3 Jahre alt (SD = 11.1) und zu 76.4 % weiblich. Insgesamt verfügen 90.3 % mindestens über ein Fachabitur oder einen höheren Abschluss. Einen Migrationshintergrund wiesen 16.9 % auf. 53.7 % waren bisher maximal vier Wochen am Stück im Ausland, wobei sich 41.5 % der Teilnehmenden in ihrem Leben insgesamt schon mindestens sechs Monate im Ausland aufgehalten hatten.

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Hauptanalysen, zwei lineare Regressionsmodelle, zur Hypothesentestung berichtet.

Hypothese 1: Hohe interkulturelle Kompetenzen, geringere kulturelle Distanz zwischen Heimat- und Zielland, längere Auslandsaufenthaltsdauer sowie häufigere allgemeine Kontakte zu kulturellen Outgroups gehen mit höherer Qualität des Kontaktes einher.

Um Hypothese 1 zu testen wurde eine multiple lineare Regression gerechnet, in der die subjektiv empfundene Kontaktqualität (IC_Qual) die abhängige Variable darstellt. Die statistischen Voraussetzungen der multiplen Regression waren erfüllt. Das Modell wurde insgesamt signifikant F(5, 134) = 13.83; p < .001, und konnte eine Varianz von R2 = .34 (korr. R2 = .32) der subjektiven Kontaktqualität aufklären. In Tab. 3 werden die Koeffizienten der unabhängigen Variablen dargestellt. Es zeigte sich, dass lediglich die Länge des Auslandsaufenthaltes und die Häufigkeit der Kontakte signifikante Prädiktoren für die empfundene Kontaktqualität darstellten.

Tab. 3 Regressionskoeffizienten für die abhängige Variable Kontaktqualität

Hypothese 2: Die interkulturelle Kompetenz moderiert den Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit. Für Individuen, die eine hohe interkulturelle Kompetenz aufweisen, hängt die Länge des Auslandsaufenthaltes negativ mit der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit zusammen.

Hypothese 3: Der Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit wird von der Qualität der Kontakte während des Auslandsaufenthaltes mediiert. Je länger der Auslandsaufenthalt dauerte, desto höher wird die Qualität der Kontakte eingeschätzt und desto weniger Fremdenfeindlichkeit wird berichtet.

Um Hypothesen 2 und 3 zu testen, wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsstudiums und der Fremdenfeindlichkeit, moderiert durch die interkulturelle Kompetenz getestet (Hypothese 2). Zusätzlich wurde der indirekte Zusammenhang zwischen Länge des Auslandsstudiums und der Fremdenfeindlichkeit, vermittelt über die Qualität der Kontakte überprüft (Hypothese 3). Auf Basis der Ergebnisse aus Hypothese 1 wurde zudem die Häufigkeit der Kontakte als Kovariate mit in die Analyse aufgenommen, was dem vorgeschlagenen Vorgehen von Wolff (2017) folgt. Da die Gesamtdauer im Ausland und die kulturelle Distanz keinen signifikanten Zusammenhang mit der Qualität der Kontakte aufwiesen, wurden sie nicht als Kovariaten in das Modell aufgenommen. Die statistischen Voraussetzungen der multiplen Regression waren auch hier erfüllt. Die Regressionsanalyse wurde mittels des PROCESS Macros für SPSS von Andrew F. Hayes durchgeführt (Hayes, 2018). Das verwendete Modell ist Modell 5 (10,000 Bootstrap samples) und wurde für alle endogenen Variablen signifikant. Die Varianzaufklärung für die Fremdenfeindlichkeit beträgt R2 = .18 (F(6, 133) = 4.8; p < .001). In Abb. 1 werden die signifikanten Zusammenhänge des Modells veranschaulicht.

Bezüglich Hypothese 2 zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen Länge des Auslandsaufenthaltes und der interkulturellen Kompetenz (p = .05) auf die Intergruppeneinstellung. Für eine niedrige und mittlere Ausprägung der MPQ (Werte eine Standardabweichung unterhalb des bzw. auf dem Mittelwert) wurde kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Fremdenfeindlichkeit gefunden. Anders verhielt es sich für eine hohe MPQ-Ausprägung (Werte eine Standardabweichung oberhalb des Mittelwertes), für die ein signifikant, negativer, Zusammenhang mit der Fremdenfeindlichkeit gefunden wurde (Effekt = −.1, p = .048).

Für Hypothese 3 wurde der indirekte Effekt der Auslandsaufenthaltsdauer auf die Fremdenfeindlichkeit über die Kontaktqualität betrachtet. Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Kontaktqualität (p = .27), was den Ergebnissen aus Hypothese 1 widerspricht. Die Kontaktqualität wurde in dieser Analyse nur durch die Häufigkeit der Kontakte vorhergesagt (β = .62; p < .001; F(3, 133) = 14.4; R2 = .24). Jedoch konnte ein negativer Zusammenhang zwischen der Kontaktqualität und der Fremdenfeindlichkeit gefunden werden (β = −.14; p < .001).

Abb. 1
figure 1

Signifikante Zusammenhänge im Regressionsmodell

Anmerkung: Da bedingte Effekte nicht sinnvoll in einer übersichtlichen Grafik zusammengefasst werden können, wurde an dieser Stelle darauf verzichtet die Effekte abzubilden. Diese können bei Bedarf dem obigen Text entnommen werden.

5 Diskussion

Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der Dauer der Auslandssemester der Ausprägung der Fremdenfeindlichkeit bei Studierenden unter der Berücksichtigung von interkultureller Kompetenz und der Qualität der Kontakte zu Einheimischen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kontaktqualität vor allem mit der Kontakthäufigkeit zusammenhing. Entgegen Hypothese 1 gab es weder einen Zusammenhang mit der interkulturellen Kompetenz noch mit der kulturellen Distanz oder der vorherigen Auslandserfahrung. In Übereinstimmung mit Hypothese 2 zeigte sich nur dann ein negativer Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Fremdenfeindlichkeit, wenn die Teilnehmenden eine hohe interkulturelle Kompetenz aufwiesen. Da die Aufenthaltsdauer nicht mit der Kontaktqualität zusammenhängt, kann Hypothese 3 nicht bestätigt werden.

Der Zusammenhang zwischen der Länge des Auslandsaufenthaltes und der Qualität des Kontaktes wurde zwar zunächst signifikant, war im größeren Regressionsmodell aber nicht mehr signifikant, was höchstwahrscheinlich auf das Bootstrapping zurückzuführen ist, dass von PROCESS standardmäßig durchgeführt wird. Es kann dementsprechend davon ausgegangen werden, dass wenn überhaupt nur ein sehr schwacher Zusammenhang zwischen der Dauer des Auslandsaufenthaltes und der Kontaktqualität besteht. Dies widerspricht den Annahmen von Genkova und Schreiber (2019) sowie generell der Annahme, dass eine bessere Anpassung an eine Kultur über einen bestimmten Zeitraum mit engeren Kontakten in der Zielkultur einhergeht (Zick, 2010). Van Acker und Vanbeselaere (2011) argumentierten in ihrer Studie, dass die Kontaktqualität, unabhängig von der Akkulturation, die negativen Einstellungen der Teilnehmenden beeinflusst. Dies würde bedeuten, dass Personen relativ unabhängig von der Zeit, die sie im Land verbracht haben, qualitativ hochwertige interpersonale Beziehungen aufbauen, oder auch nicht. Diese Perspektive wurde bisher jedoch noch nicht umfassend untersucht. Woods et al. (2013) zeigten bei der Untersuchung von interkulturellen Mentoren-Programmen, dass sich bereits nach einigen Treffen bei Mentoren beziehungsweise Mentorinnen und Mentees der Wunsch formiert hatte, die Beziehung über das Ende des Programmes hinaus fortzusetzen und sich die Teilnehmenden gegenseitig sogar als Freunde betrachteten. Woods und Kollegen berichten bedauerlicherweise nicht über welche genauen Zeiträume sich ein „short duration programm“ erstreckt, es ist aber davon auszugehen, dass es höchstens einige Treffen sein können. Dies spricht dafür, dass unabhängig von der Zeit, die man in einer fremden Kultur verbringt, Freundschaften entstehen können. Mit der Zeit wird es anscheinend wahrscheinlicher Freunde zu finden, jedoch ist dieser Aspekt in der vorliegenden Studie nicht ausschlaggebend. Zunächst wurde ein kausaler Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Kontakte und der Qualität der Kontakte vermutet, wie bereits Van Acker und Vanbeselaere (2011) zumindest theoretisch angenommen haben. Die Interpretation der vorliegenden Ergebnisse spricht jedoch dafür, dass nicht mehr Kontakt zu besserer Kontaktqualität führt, sondern dass man enge Kontakte einfach öfter sieht.

Die Kontaktqualität im Auslandssemester hängt signifikant negativ mit der Fremdenfeindlichkeit zusammen, auch wenn sie nicht den Zusammenhang zwischen Dauer des Auslandsaufenthaltes und der Fremdenfeindlichkeit erklärt. Die Kovariate Kontakthäufigkeit hat keinen signifikanten Einfluss auf die Fremdenfeindlichkeit (p = .74). Entsprechend der Kontakthypothese kann daher angenommen werden, dass qualitativ hochwertige Kontakte zu Einheimischen mit weniger Fremdenfeindlichkeit nach Auslandssemestern einhergehen. Der Zusammenhang entspricht unseren Vermutungen und ist im Einklang mit Ergebnissen bisheriger Studien (Brown et al., 2007; Pettigrew & Tropp, 2008). Zukünftige Studien sollten anhand von Längsschnitt, mindestens jedoch pre-post-test Studien untersuchen, ob Kontaktqualität lediglich schlechtere Einstellungen im Vergleich zur Ausgangs-Einstellung verhindert, oder ob sie auch mit einer positiven Entwicklung einhergeht.

Die Ergebnisse bestätigten ebenfalls den vermuteten bedingten Zusammenhang zwischen der Dauer des Auslandsaufenthaltes und der Fremdenfeindlichkeit. Bei hoher interkultureller Kompetenz hingen längere Aufenthalte mit weniger Fremdenfeindlichkeit zusammen. In Anlehnung an die Ergebnisse von Pettigrew und Tropp (2008) könnte man vermuten, dass engen Kontakte zwar dazu beitragen, Wissen über eine bestimmte Kultur zu erwerben, aber nicht Intergruppen-Angst reduzieren. Dies könnte über die Zeit der Fall sein, vor allem, wenn eine ausgeprägte interkulturelle Kompetenz vorhanden ist und dadurch besonders stressige Situationen ausbleiben. Sullivan und Kashubeck-West (2015) untersuchten den akkulturativen Stress von Austauschstudierenden an einer amerikanischen Universität. Sie fanden heraus, dass Personen mit positiveren Einstellungen zu Akkulturation stärker von sozialer Unterstützung durch verschiedene Quellen (Einheimische, andere internationale Studierende, Zuhause) profitierten und dementsprechend weniger interkulturellen Stress erlebten. Werden Situationen während eines Auslandsaufenthaltes als wenig stressig oder zu bewältigen erlebt, im Gegensatz zum Erleben von Überforderung und Stress, werden eventuell positivere Erfahrung gemacht. Brown et al. (2007) führen an, dass Intergruppenkontakt nur dann zu einer reduzierten Fremdenfeindlichkeit führen sollte, wenn die Kontaktpersonen als repräsentativ für die jeweilige Outgroup betrachtet werden. Möglicherweise ist dies jedoch nur eingeschränkt der Fall, wenn man in Betracht zieht, dass Individuen dazu neigen, Freundschaften eher mit Personen einzugehen, die ihnen ähnlich sind (Rabaglietti et al., 2012). Dementsprechend könnte es einen Decken-Effekt geben, dass enge, qualitativ hochwertige Freundschaften nur bis zu einem gewissen Grad die Intergruppeneinstellungen beeinflussen können. Dies könnte den schwachen Zusammenhang der Aufenthaltsdauer und der Fremdenfeindlichkeit erklären. Die vorliegende Studie konnte die Einstellungen zu Akkulturation nicht erfassen, die die Studierenden während ihres Auslandsaufenthaltes hatten. Eine Post-Hoc Messung könnte Verzerrungen aufweisen. Zukünftige Studien sollten diesen Zusammenhang für Studierende, die sich noch im Auslandssemester befinden, untersuchen (incomings) und prüfen, inwiefern sich ein mehr oder weniger stressiger Aufenthalt auf Basis der Akkulturation, der Kompetenz und der Kontakte auf die Intergruppeneinstellungen (unter anderem Fremdenfeindlichkeit) auswirkt.

Die vorliegende Studie kann aufgrund des Querschnittsdesigns keine Annahmen über kausale Zusammenhänge machen. Viele der überprüften Zusammenhänge wurden jedoch bereits einzeln in Längsschnittstudien untersucht, sodass es zumindest starke Indizien für die intendierte Wirkrichtung gibt. Es wird keine Repräsentativität angenommen, allerdings ist es nicht naheliegend, dass die Stichprobe die Ergebnisse systematisch verzerrt hat.

Für diese Untersuchung wurde die interkulturelle Kompetenz mit dem MPQ erfasst, von dem angenommen wird, dass er vergleichsweise stabile Persönlichkeitsmerkmale valide erfasst (Van der Zee & Van Oudenhoven, 2000). Die Veränderlichkeit dieser Werte über einen bestimmten Zeitraum wurde jedoch dokumentiert. Wolff (2017) zeigte eine Veränderung der interkulturellen Kompetenzdimensionen nach Schnabel (2014), die sowohl auf Persönlichkeitsmerkmalen als auch auf Wissens- und Verhaltensdimensionen basieren. Tracy-Ventura et al. (2016) begründen Persönlichkeitsveränderungen mit einschneidenden Lebensereignissen. Sie zeigten auf, dass sich Persönlichkeitsdimensionen während eines Auslandsaufenthaltes verändern können. Darüber hinaus ist nicht klar, inwiefern die Re-Akkulturation nach Deutschland möglicherweise zu weiteren Veränderungen beigetragen hat. Ein möglicher Re-Akkulturationsschock (auch re-entry shock genannt) könnte die Einstellungen sowohl zur Ingroup sowie zu Outgroups verändern (Baden et al., 2012). Die Zeit seit der Rückkehr aus dem Auslandssemester wurde in dieser Studie nicht erhoben. Da es sich bei der Stichprobe ausschließlich um Studierende handelte, sind sehr lange Zeiträume eher unwahrscheinlich, Zeitraume bis zu fünf Jahren können aber aufgrund des hohen Durchschnittsalters nicht ausgeschlossen werden. Es ist möglich, dass seit der Rückkehr verschiedene Lebensereignisse die Fremdenfeindlichkeit und unter Umständen auch die interkulturellen Kompetenzdimensionen weiter beeinflusst haben. Methodisch sollten daher in zukünftigen Studien zu diesem Thema Studierende befragt werden, die sich noch im Ausland befinden. Auf diese Weise kämen beispielsweise auch internationale Studierende, die an deutschen Hochschulen ihr Auslandssemester absolvieren, infrage. Um kausale Zusammenhänge ableiten zu können, sollten darüber hinaus Pre- und Post-Test Designs sowie Längsschnittstudien durchgeführt werden.

Trotz der Limitationen leistet die vorliegende Studie einen Beitrag zum Verständnis der Zusammenhänge von Auslandserfahrungen, interkulturellem Kontakt und Fremdenfeindlichkeit. Die Ergebnisse zeigen, dass qualitativ hochwertige Kontakte zu Einheimischen während eines Auslandssemesters zu weniger Fremdenfeindlichkeit beitragen können. Die Zeit allein, die eine Person im Ausland verbracht hat, ist jedoch kein Prädiktor für eine geringere Fremdenfeindlichkeit. Eine Person muss außerdem überdurchschnittlich interkulturell kompetent sein, um im Ausland negative Einstellungen abzubauen oder keine negativen Einstellungen zu entwickeln.

Ein entscheidender Schritt könnten hier Vorbereitungsprogramme sein, die Studierende auf typische Missverständnisse mit der Zielkultur hinweisen und allgemeine Informationen bezüglich der empfangenden Kultur bereitstellen. Optimal wären Programme, die im Vorhinein eine direkte Interaktion ermöglichen und auf diese Weise interkulturelle Kompetenzen fördern. Neben der angemessenen Vorbereitung von Studierenden ist die Begleitung während des Auslandssemesters wichtig. Woods et al. (2013) zeigten in ihrer Studie, dass bereits kurze Mentoren-Programme zu längerfristigen Freundschaften führen können. Besonders für jene Studierende, die weniger positive Einstellungen gegenüber anderen Kulturen haben, können Mentoren und Mentorinnen behilflich sein, weniger interkulturellem Stress zu erleben, der im Umkehrschluss mit weniger negativen Einstellungen zusammenhängt (Sullivan & Kashubeck-West, 2015). Da die Zusammenhänge mit interkulturellem Stress auch für soziale Unterstützung durch andere internationale Studierende konstant waren, ist davon auszugehen, dass internationale Tandems zu reduziertem Stress beitragen können. Dieser Aspekt sollte in zukünftigen Studien genauer betrachtet werden.