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Die Organisation als Aktivität und die Binnendifferenzierung der beiden Verwaltungsseiten

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Hochschulorganisation und Digitalisierung
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Zusammenfassung

Ein zweites systemtheoretisches Verständnis der Organisation als soziales System ist die von Kleimann (2016) bezeichnete Perspektive der Organisation als Aktivität. Dabei richtet sich der Blick auf den Prozess der Organisationswerdung. Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist, wie die organisationalen, formalen Erwartungen, die die organisationalen Strukturen und Prozesse bestimmen, entstehen und so stabilisiert bzw. generalisiert werden, dass sie ein stabiles soziales System schaffen.

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Notes

  1. 1.

    Aufgrund dieses Spannungsverhältnisses wird sich in der späteren Analyse der Zentralverwaltung auf die lehr- und forschungsbezogene Verwaltung konzentriert (siehe Kapitel 13). Darüber hinaus gibt es noch die rein administrative, ressourcenbezogene Verwaltung (siehe Gilch et al. 2019: 55), die in dieser Untersuchung nur am Rande betrachtet werden soll. Zum einen sind die organisationalen Effekte weniger deutlich, zum anderen scheint die Entwicklung in diesem Verwaltungsteilbereich für die gesamte Organisation von nachrangiger Bedeutung zu sein (siehe ebd.: 38 ff.). Die Veränderungen im Sinne der digitalen Transformation werden ohne den Bezug auf die Kernprozesse von Forschung und Lehre kaum vorangebracht (siehe auch Lucke 2017) und weisen zusätzlich einen anderen Charakter der Transformation im Sinne einer Verwaltungsmodernisierung auf, der in die Analyse integriert den Rahmen der Untersuchung sprengen würde.

  2. 2.

    Im Fall der berufsständischen Kammern wären dies die Angehörigen des jeweiligen Berufsstandes, z. B. die Apotheker:innen, Ärzt:innen oder Wirtschaftsprüfer:innen. Bei den wirtschaftlichen Kammern, den Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern, entscheidet die Tätigkeit im jeweiligen Wirtschaftsfeld. Bei der akademischen Selbstverwaltung umfasst dies die akademisch bzw. wissenschaftlich tätigen Personen, die an einer Hochschule angestellt sind (siehe Kluth 1997; Emde 1991). Kleimann (2016: 138) identifiziert den Deutschen Hochschulverband als Interessenvertretung der Hochschullehrenden. Dies ist jedoch kein Teil der funktionalen Selbstverwaltung, sondern eine Interessenvertretung, die sich nur auf die Lehrtätigkeit bezieht.

  3. 3.

    An dieser Stelle kann der Bezug zu den unklaren rationalen Technologien gezogen werden, die sich als organisationales Bezugsproblem erweisen (siehe Kapitel 9). Das sich hieraus ergebende Technologiedefizit in Forschung und Lehre (siehe Luhmann und Schorr 1982) hat zur Folge, dass eine externe Koordination der Prozesse kaum möglich ist und nur auf einem vergleichsweise unspezifischen, groben Level erfolgen kann (siehe Kleimann 2009). Da eine externe Steuerung – sei aus von Seiten des Staates, oder von Seiten der Universitätsleitung – erheblich erschwert ist, bedarf es funktionalistisch betrachtet einer Selbstverwaltung.

  4. 4.

    Darüber hinaus kann gemäß Satz 2 des Paragrafen die „mitgliedschaftliche Rechtsstellung einer Professorin oder eines Professors“ an Personen vergeben werden, die „die Einstellungsvoraussetzungen einer Professorin oder eines Professors […] [erfüllt und] Aufgaben der Hochschule in Forschung und Lehre selbständig wahrnimmt.“ (§ 9 Abs. 1 S. 2 HG NRW).

  5. 5.

    Hierbei ist zu beachten, dass Ausnahmen bestehen und nicht jede im akademischen Bereich tätige Person auch Mitglied der Selbstverwaltung ist. Die Ausnahmefälle ergeben sich jedoch aus einer zeitlichen Mindestanforderung und nur wer unterhalb der zeitlichen Grenzen der Organisationszugehörigkeit ist, bspw. aufgrund eines einmaligen Lehrauftrags, ist nicht Teil dieser Personengruppe.

  6. 6.

    Zechlin (2012: 55) schlägt vor, von einer partizipativen Arbeitsorganisation zu sprechen, die nach den Reformen des NPMs enger gekoppelt wäre und „im Abgleich mit den jeweiligen externen und internen Kontextbedingungen einen situationsspezifisch angemessenen Modus ihrer Willensbildung […] wählen. Sie ‚kann nicht nur‘ lose Kopplung, sondern auch Hierarchie, ebenso aber kann sie nicht nur Hierarchie, sondern auch lose Kopplung und alle möglichen Zwischenformen.“ (ebd.). Die Vermutung, dass flexibel zwischen loser Kopplung und eng gekoppelten hierarchischen Anweisungen gewechselt werden könnte, scheint jedoch nicht tragfähig. Zum einen wird die Durchsetzungskraft von Hierarchien idealisiert angenommen, was auf ein zweckrationales Verständnis im Sinne der Normalitätsposition hinweist und gegenläufige Tendenzen der Informalität ausblendet, und zum anderen widerspricht die Annahme eines flexiblen Wechselns zwischen den Kopplungsverhältnissen dem zugrundeliegenden Ansatz der losen Kopplung (siehe Kapitel 9.2).

  7. 7.

    Dass nicht jede Erwartung in der Form generalisiert werden kann und sich für eine Formalisierung eignet, zeigt sich, wenn die Anfangserwartung ersetzt wird und bspw. nicht erwartet wird, dass Person X zur Arbeit erscheint, sondern über bestimmte Witze lacht. Diese Erwartungen lassen sich zwar normieren und auch auf andere Personengruppen generalisieren, werden jedoch höchstwahrscheinlich nicht institutionalisiert werden. Die Sanktion auf die Erwartungsenttäuschung – kein Lachen – wäre dementsprechend nicht organisational begründet, sondern würde auf Basis einer Privaterwartung erfolgen, die aller Voraussicht nach selbst eine Erwartungsenttäuschung darstellen würde. Denn die Erwartung kann kaum normativ erwarten werden. Dies stellt eine sogenannte Erwartungserwartung dar, die in diesem Fall normativ-kognitiv ist. Es wird demnach normativ-lernunwillig bzw. enttäuschungsfest erwartet, dass andere kognitiv-lernwillig erwarten und ihre Erwartung an die Faktizität anpassen. Wenn Person X also nicht über bestimmte Witze lacht, wird die Erwartung dementsprechend angepasst.

  8. 8.

    Anders ist der Fall bei den informalen Erwartungen. Diese können untereinander im Widerspruch stehen und auch konträr zu den formalen Erwartungen verlaufen, da sie nicht als Mitgliedschaftsbedingung fungieren (siehe Luhmann 1995: 64).

  9. 9.

    Die Universitäten sind der zentrale Ort der Wissenschaft und ein Austritt wäre mit weitgehenden Renommee- und Reputationsverlusten verbunden, andererseits lassen sich die Tätigkeiten von Forschung und Lehre auch außerhalb der Universitäten fortführen. Inwiefern jedoch weiter am Wissenschaftssystem partizipiert werden könnte, wenn der Entzug der Mitgliedschaft nicht im Sinne eines Wechsels des Arbeitsverhältnisses, sondern durch akademischen Ausschluss erfolgt, ist mindestens fraglich.

  10. 10.

    Dies ist dadurch bedingt, dass die Rechtsgrundlagen für die professoralen Hochschullehrer:innen ausführlicher sind als für die anderen Statusgruppen und den Hochschullehrer:innen eine zentrale Rolle bei der Generalisierung der Erwartungen zukommt, was sich bspw. in der Stimmenmehrheit der Professor:innenschaft in allen wichtigen Gremien der akademischen Selbstverwaltung zeigt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich die Kollegialitätsnormen (Kleimann 2016: 245) primär auf die Professor:innen beziehen und die Gleichheitsfiktion „bei den promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern endet“ (ebd.). Die Mitglieder des akademischen Mittelbaus sind dementsprechend weniger prägend bei der Erwartungsgenerierung und -stabilisierung. Dies lässt sich schon allein daran festmachen, dass die Vergabe von Reputation oder auch die Akzeptanz wissenschaftlicher Publikationen nur geringfügig vom Mittelbau und maßgeblich von der Professor:innenschaft beeinflusst ist. Andererseits liegt der Fokus hierbei nicht darauf, wer die Normen prägt, sondern wen die normativen Erwartungen betreffen. Dies schließt den akademischen Mittelbau mit ein.

  11. 11.

    § 26 Abs. 5 HG NRW ermöglicht den Hochschulen, in ihrer Grundordnung eine andere Gliederung der Hochschule vorzunehmen. Dabei müssen die Funktions- und Aufgabenerfüllung der Fachbereiche weiterhin gewährleistet sein. Solche abweichenden Strukturen stellen jedoch die Ausnahme dar. Die Binnengliederung in Fachbereiche ist die gesetzlich präferierte und in der Praxis dominante Form der Strukturierung.

  12. 12.

    Diese Erkenntnis deckt sich auch mit dem Beschreibungsmuster zur Professionellen Bürokratie (siehe Kapitel 9.3.4), die sowohl horizontal als auch vertikal dezentralisiert ist. Dies bedeutet auch, dass eine Steuerung des operativen Kerns von außerhalb der funktionalen Selbstverwaltung kaum möglich ist und die Standards und Erwartungen in der Community gebildet werden (siehe Mintzberg 1979; 1991; Laske et al. 2006).

  13. 13.

    Damit lässt sich auch die verpflichtende Mitgliedschaft begründen. Die Pflicht zur Mitgliedschaft stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG dar, der nur durch einen Bezug auf das Allgemeinwohl legitimiert werden kann. Der Bezug auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG schafft einen solchen Bezug auf das Allgemeinwohl. An dieser Stelle lässt sich eine weitere Gemeinsamkeit mit den Zwangsorganisationen identifizieren. Diese weisen nicht nur die Besonderheit auf, dass der Sanktionsapparat kaum genutzt wird, sondern auch, dass der durch Zwang erschwerte Exit nur über das Gemeinwohl begründbar ist (siehe Kühl 2012: 352).

  14. 14.

    Dieser Umstand ist trotz Kompetenzausweitung der Hochschulleitungen weiterhin aktuell, da die Zentralorganisation kaum einzelne Professor:innen effektiv sanktionieren kann (siehe Hüther 2010: 347). Die Hochschulen und Universitäten handeln zwar Zielvereinbarungen mit einzelnen Wissenschaftler:innen aus, die Aushandlungen der Zielvereinbarungen sind jedoch von einem Ungleichgewicht des Wissens über die Arbeit und über sinnvolle Kriterien geprägt, wodurch die Effekte abgemildert werden (siehe Kapitel 10).

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Graf-Schlattmann, M. (2021). Die Organisation als Aktivität und die Binnendifferenzierung der beiden Verwaltungsseiten. In: Hochschulorganisation und Digitalisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35242-4_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-35242-4_4

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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