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Die Auswirkungen organisationaler Funktionslogiken in der akademischen Selbstverwaltung

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Hochschulorganisation und Digitalisierung
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Zusammenfassung

Im folgenden Argumentationsschritt wird – basierend auf den bisherigen Erkenntnissen und Ergebnissen der organisationssoziologischen Konzeption, des organisationssensiblen Verständnisses der digitalen Transformation sowie der Beschreibung von Funktionen und Strukturen der Hochschulorganisation – konkret auf die Auswirkungen der Universitätsorganisation auf die digitale Transformation eingegangen. Die Analyse selbst erfolgt entlang der Doppelhierarchie der Universität sowie der Differenzierungen der beiden Verwaltungsseiten aus Kapitel 4.1. Da die Bereiche von Forschung und Lehre die organisationalen Kernprozesse darstellen, die vorrangig durch die funktionale Selbstverwaltung koordiniert und organisiert werden, wird zunächst der Teilbereich der akademischen Selbstverwaltung beleuchtet und anschließend auf die zweite Seite der Doppelhierarchie – die Zentralverwaltung – gewechselt.

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Notes

  1. 1.

    Im Unterschied zu den in Kapitel 7.2 identifizierten technologischen Clustern – den datenbasierten Einsatzszenarien sowie der Plattform-Technologie als hochschulischem Assistenzsystem – handelt es sich hierbei jedoch um keine Technologien, sondern um Entwicklungsstränge, die durch die technologische Entwicklung gefördert werden. Zudem haben diese beiden Stränge keine unmittelbaren Effekte auf die organisationalen Strukturen und Prozesse – entlang der Prüffrage, ob sich durch den Einsatz der Technologie die universitären Kommunikationswege oder die Steuerungs- und Koordinationsmechanismen der Geschäftsprozesse ändern können –, sondern wirken vielmehr in Bezug auf die Beziehung zur organisationalen Umwelt der Universitäten.

  2. 2.

    An dieser Stelle wird die Verbindung vom zugrundeliegenden Bezugsproblem der unklaren rationalen Technologien zur organisationstheoretischen Konzeption des ersten Teils deutlich, die als eine funktionale Folge dessen behandelt werden kann. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Mintzberg (1979), der aus den fehlenden Möglichkeiten des organisationalen Zugriffs die unterentwickelte Technostruktur in Professionellen Bürokratien sowie eine demokratische Entscheidungsstruktur erklärt.

  3. 3.

    Gleichzeitig besteht jedoch auch eine außerorganisationale Sanktionsmöglichkeit bei Verstößen gegen wissenschaftliche Standards, die jedoch außerhalb der organisationalen Sphäre sind und an dieser Stelle daher ausgeklammert sind (siehe Kapitel 3.2).

  4. 4.

    Ebenso wie der Eintritt in das Wissenschaftssystem ist auch der Exit – in Form einer Aberkennung des akademischen Grads – verfahrenstechnisch organisiert. Diese Verfahren rahmen die Teilhabe am Wissenschaftssystem sowie die Mitgliedschaft in der Hochschule und in der akademischen Selbstverwaltung. Darüber hinaus lässt sich das Verfahren auch noch als Entscheidungsmodus innerhalb der akademischen Selbstverwaltung finden. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht hierarchisch gesteuert wird, sondern der Prozess der Willensbildung demokratisch geprägt ist und die hierarchische Führung demokratisch legitimiert und gefestigt wird. Hier tritt erneut das Verfahren als Modus der Institutionalisierung auf.

  5. 5.

    Dem systemtheoretischen Verständnis folgend kann hierbei auch von einer Institution gesprochen werden, die ebenso durch zeitlich, sachlich und sozial generalisierte Verhaltenserwartungen die Struktur sozialer Systeme bilden können. Diese können im Sinne eines Wertekanons der wissenschaftlichen Gemeinschaft beschrieben werden. Luhmann bezeichnet die Universitäten bspw. auch in einem Beitrag als organisierte Institution (siehe Luhmann 1992e).

  6. 6.

    Im Fokus dieser Untersuchung steht weniger die Veränderung in den Lehr-/Lerninteraktionen als vielmehr die Frage der Steuerung und Koordination des Handelns. Der Bereich von Lernen und Lehren ist dabei der zentrale Bereich, da hier ein universitärer Kernprozess angesteuert werden kann, der zudem organisational besser greifbar ist als die vielfältigen Forschungsprozesse und des Weiteren als strategierelevanter Aspekt im Hochschulwesen verstanden wird (siehe KMK 2016; HFD 2016; Gilch et al. 2019). Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Zusammenhänge, die evaluiert werden können, bspw. Forschungsleistungen oder Betreuungsqualität auf individueller sowie Sichtbarkeit oder Abbruchquoten auf institutioneller, fakultärer Ebene.

  7. 7.

    An dieser Stelle sei erneut auf den oftmals zugrundeliegenden Zweckrationalismus in den Organisationsmodellen und dem Technikdeterminismus in den Digitalisierungserwartungen – Stichwort Solutionismus – verwiesen, da die grundlegende Etablierung der analytischen Instrumente sowie deren – effizienzerhöhende – Effekte dabei weitgehend vorausgesetzt wird.

  8. 8.

    Mayer-Schönberger und Cukier (2013) erläutern hierzu, dass ein keine konkrete und allgemeingültige Definition von Big Data gäbe und verweisen dabei auch auf den Ansatz der der Vs, der jedoch in ihren Augen „damals sinnvoll war, aber unvollständig ist“ (ebd.: 253), ohne jedoch auszuführen, was diese Unvollständigkeit konkret kennzeichnet. Auf das Merkmal von Validity wird jedoch verzichtet, da von einem Volumen ausgegangen wird, dass (nahezu) alle Fälle einschließt, weshalb die Daten eine gewisse Unschärfe aufweisen dürfen (siehe ebd.: 45 ff.). Bei einem geringfügigeren Volumen, für das nicht N = alle gilt, bleibt die Validity der Daten weiterhin ein wichtiges Merkmal. Das Kriterium der Validity kann demnach auch als ein Sekundärkriterium verstanden werden, da Big-Data-Anwendungen auch ohne eine entsprechende Datenqualität eingesetzt werden (können). Für einen zielführenden Einsatz von Big Data erweist sich die Validity der Daten jedoch als erfolgskritisch, da – wie im weiteren Verlauf näher ausgeführt – verfälschte Datenkorpusse zu fehlerhaften Analyseergebnissen führen (siehe Kinder-Kurlanda 2020: 115 f.).

  9. 9.

    Hierin zeigt sich auch die Bedeutung der Validity von Big Data (siehe Davenport 2014). Wenn der Korpus bzw. das Volumen der Daten vergleichsweise klein ist und nur ein geringes Spektrum von Datenquellen und -typen genutzt werden – wie es hier im Sinne der obigen Feststellung von Small Data gegeben ist –, verfälschen ungenaue bzw. unscharfe Daten die Analyse in weitaus größerem Maße. Die erlaubte Unschärfe der Daten, die Mayer-Schönberger und Cukier (2013: 45 ff.) als Wesensmerkmal von Big-Data-Analysen herausstellen, ist dementsprechend nur möglich, wenn alle drei weiteren Vs – Volumen, Velocity und Variety – gegeben sind.

  10. 10.

    Dies soll nicht heißen, dass im Bereich der datenbasierten Einsatzszenarien und Analysen keine Potentiale liegen. Diese sind jedoch eher auf Mikro-Ebene individueller Forschung und Lehre zu finden, die an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. Denkbare Szenarien von selbstlernenden Systemen wären bspw. Chatbots zur Beratung der Studierenden in standardisierten Situationen oder virtuelle Assistenzsysteme auf individueller Ebene, die einfache Verwaltungsschritte im Sinne der ersten Ebene einer ITIL-Service Struktur übernehmen und bspw. an Termine erinnern, Transaktionen – bspw. Kursanmeldungen – durchführen, informieren, benachrichtigen (siehe Zeising 2019).

  11. 11.

    Kleemann und Matuschek (2008) nutzen – wie auch Schulz-Schaeffer und Funken (2008) – einen Formalisierungsbegriff, der von dem hier vorliegenden abweicht. Als Formalisierung verstehen die Autor: innen „die Fixierung expliziter und einforderbarer Verhaltens- und Ablaufregeln, welche die Erledigung typischerweise zu erwartender Aufgaben vorstrukturieren, indem sie die dafür erforderlichen Aktivitäten und Abläufe in standardisierter Form vorschreiben.“ (Schulz-Schaeffer und Funken: 13). Der Ansatz, wonach Formalisierung die einforderbaren Verhaltens- und Ablaufregeln abbildet, deckt sich mit dem systemtheoretischen Verständnis. Die Autor: innen schränken den Bereich der Formalisierung jedoch zusätzlich auf den typischen Fall der Konditionalprogramme ein und lassen andere Formen der sachlichen Generalisierung außen vor. Da Formalisierung mit der Konditionierung der Verhaltenserwartungen gleichgesetzt wird, ist die Formalisierung alter und neuer Art wesensgleich mit der – im Folgenden aufbereiteten – Unterscheidung von einfacher und doppelter Konditionierung (siehe Muster und Büchner 2018) zu verstehen.

  12. 12.

    Die im weiteren Verlauf der Argumentation betrachteten Plattformen als zentrale organisationsweite Technologie werden in Forschung und Lehre dementsprechend eher zur Kollaboration und Kommunikation genutzt als zur Überprüfung und Steuerung des Handelns. Dieser Aspekt der Plattform-Technologie wird daher – aufgrund des Zuschnitts auf die organisationalen Prozesse – nicht weiterverfolgt, erscheint jedoch mit Blick auf die möglichen Veränderungen in den Arbeits- und Koordinationsprozessen als ein weiteres bedeutendes Szenario der digitalen Transformation.

  13. 13.

    Als Folge dessen laufen bspw. Versuche einer Standardisierung durch die Zentralorganisation ins Leere und statt von einem Qualitätsmanagement muss von einem Qualitätsbedingungsmanagement gesprochen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine datenbasierte Steuerung gänzlich unmöglich wäre. Sie kann jedoch nur vergleichsweise grob und unspezifisch erfolgen.

  14. 14.

    Mit loser Kopplung ist zudem auch eine Abnahme organisationaler Steuerungsfähigkeit verbunden, wie sie oben bereits aufgeschlüsselt wurde. Das Muster einer sogenannten organisationalen Starrheit ist demnach, funktionalistisch betrachtet, als eine Folge der Funktionslogiken der Universitätsorganisation zu verstehen und ist dementsprechend strukturimmanent.

  15. 15.

    Ein interessanter Befund in diesem Zusammenhang ist, dass im Zuge der Covid-19 Pandemie im Jahr 2020 zwar umfassend auf Online-Lehre auf Distanz umgestellt wurde – die Präsenzhochschule dementsprechend zwangsweise aufgegeben bzw. ausgesetzt wurde –, dieser exogene Schock aber zu keinem erkennbaren Revival von MOOCs führte. Obwohl der Zeitpunkt für eine disruptive Veränderung als gut erscheint, hat sich in den Geschäftsmodellen der Hochschulen und Universitäten wenig geändert, lediglich die Geschäftsprozesse sind verändert, jedoch weiterhin ohne nennenswerte externe Akteure auf dem Hochschulbildungsmarkt. Die Akzeptanz neuer Zertifikatsformate scheint also nicht an die Existenz der Präsenzhochschule gekoppelt, sondern mit den Erwartungen der Communities verbunden zu sein.

  16. 16.

    Kieserling (1999) weist zudem darauf hin, dass in organisationalen Interaktionszusammenhängen und konkret in Gremien keinesfalls Folgebereitschaft qua Anwesenheit besteht. Es ist dementsprechend möglich, Teil eines Gremiums innerhalb der akademischen Selbstverwaltung zu sein und zugleich keine Folgebereitschaft zu signalisieren, also lediglich vor Ort zu sein, ohne am Entscheidungsprozess zu partizipieren.

  17. 17.

    Ein weiterer Unterschied zu den obigen Ansätzen ist, dass z. T. angenommen wird, dass ein Gefühl der Dringlichkeit eine ausreichende Veränderungsbereitschaft beim akademischen Personal erzeugen könnte (siehe Themengruppe Change Management und Organisationsentwicklung 2015; 2016). Das Modell der Kollektiven Veränderungen hingegen verfolgt keinem solchen Phasenansatz, nachdem die Veränderungsbereitschaft einmalig zu Beginn des Prozesses geschaffen und anschließend vorausgesetzt werden kann. Der digitale Transformationsprozess wird entsprechend nicht in verschiedene Phasen von Unfreeze-Move-Refreeze unterteilt, sondern erfolgt im Sinne eines „chronically unfrozen“ (Weick 1977).

  18. 18.

    Die Veränderungsmöglichkeit umfasst dabei die grundlegenden Rahmenbedingungen der digitalen Transformation, die sich in die Aspekte der notwendigen Ressourcen und der klar definierten Verantwortlichkeiten auf den verschiedenen Ebenen des Prozesses differenzieren lässt (siehe Graf-Schlattmann et al. 2021a). Die Veränderungskompetenz bedeutet, dass die Beteiligten über das nötige Wissen und Können für den digitalen Transformationsprozess verfügen. Dies lässt sich entlang der hier entwickelten Beschreibung der Arbeits- und der Selbstverwaltungsrolle konkretisieren. Auf Ebene der Arbeitsrolle braucht es eine Handlungskompetenz, also Fähigkeiten im Umgang mit sich ändernden Anwendungen, Tätigkeiten und Tools im Zuge der digitalen Transformation. Auf Ebene der Selbstverwaltungsrolle ist die Entscheidungskompetenz relevant. Diese umfasst die Fähigkeiten der Entscheidungsfindung und -durchsetzung – Moderationskompetenz –, aber auch die Fähigkeit getroffene Entscheidungen zu akzeptieren und der gemeinsamen Entwicklung zu folgen – Selbstverpflichtungskompetenz.

  19. 19.

    Ein weiteres legitimitätsförderndes Instrument ist das Verfahren, das die soziale Generalisierung der Erwartungen fördert (siehe Kapitel 4.4) und im systemtheoretischen Zusammenhang eine gehobene Stellung innehat (siehe Luhmann 2001).

  20. 20.

    Diese bieten sich dahingehend an, dass weitreichende Veränderungen in der Forschungs- und Lehrpraxis entstehen, die sich nicht auf einzelne Fächer oder Anwendungen begrenzen. Im Unterschied zu den beiden technologischen Clustern von datenbasierten Einsatzszenarien und Plattform-Technologien stehen dabei auch nicht die Fragen von Steuerung und Koordination im Zentrum, sondern die Veränderungen in der Praxis selbst. Zusätzlich wird in beiden Bearbeitungsschritten die Blockchain-Technologie als mögliche technologische Lösung im Sinne einer Plattform-Technologie betrachtet und beispielhaft angeführt, da es sich in beiden Fällen um keine Technologien, sondern um technologisch geförderte bzw. geprägte Entwicklungsstränge handelt.

  21. 21.

    Dabei wird eine mathematische Funktion – die Hash-Funktion – genutzt, die den jeweiligen Datensatz so codiert, dass unabhängig von der Größe bzw. Länge des Datensatzes ein einmaliger Wert von fester Länge entsteht, der sich bei jeder geringfügigen Änderung im Datensatz ändert und zusätzlich nicht rückwärts aufgelöst werden kann (siehe Camilleri et al. 2019: 15 f.; Voshmgir 2016: 12 ff.). Damit ist es möglich, die Integrität und Authentizität eines Dokuments, eines Datensatzes oder eines Zertifikats sicherzustellen, da eine nachträgliche Veränderung zu einem abweichenden Hashwert führt.

  22. 22.

    Damit ist nicht gesagt, dass diese Forschung unterkomplex wäre, sondern lediglich, dass die zugrundeliegenden Modelle und Erkenntnisinteressen, verglichen mit den Konzepten und Möglichkeiten in den Bereichen von bspw. Marketing- und Wahlforschungen, auf einfachen Kausalplänen basieren, da keine rationale Technologien für den Lernprozess vorliegen (siehe Kapitel 9.1).

  23. 23.

    Ausnahmen stellen hierbei die SFBs und Transregios der DFG dar, die explizit auf eine Strukturbildung ausgelegt sind und über entsprechend lange Laufzeiten sowie Anforderungen hinsichtlich trans- bzw. interdisziplinärer Arbeit verfügen.

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Graf-Schlattmann, M. (2021). Die Auswirkungen organisationaler Funktionslogiken in der akademischen Selbstverwaltung. In: Hochschulorganisation und Digitalisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35242-4_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-35242-4_12

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