The era of Big Data is underway. Computer scientists, physicists, economists, mathematicians, political scientists, bio-informaticists, sociologists, and other scholars are clamoring for access to the massive quantities of information produced by and about people, things, and their interactions. Diverse groups argue about the potential benefits and costs of analyzing genetic sequences, social media interactions, health records, phone logs, government records, and other digital traces left by people. Significant questions emerge. Will large-scale search data help us create better tools, services, and public goods? Or will it usher in a new wave of privacy incursions and invasive marketing? Will data analytics help us understand online communities and political movements? Or will analytics be used to track protesters and suppress speech? Will large quantities of data transform how we study human communication and culture, or narrow the palette of research options and alter what ‘research’ means (Boyd, & Crawford, 2012, S. 663)?

Big Data und Social Media können als Symbole für einen tiefgreifenden sozialen Wandel, der unsere Gegenwart maßgeblich prägt, interpretiert werden; der öffentliche Diskurs thematisiert diesen Wandel seit geraumer Zeit unter dem nahezu omnipräsenten Schlagwort „Digitalisierung“. Unter dieses Phänomen werden mehrere unterschiedliche Aspekte, die mit diversen Bewertungen belegt und mit verschiedenen Fragezeichen behaftet sind, subsumiert; doch derzeit sind vor allem Big Data und Social Media en vogue. Es scheint fast, als habe das Phänomen der „Digitalisierung“ bereits sämtliche Gesellschaftsbereiche durchdrungen und als würde sie unsere bisherige ‚Realität‘ ganz entscheidend verändern, so auch Wissenschaft und Wirtschaft.

Digitalisierung bedeutet für Organisationen der Wirtschaft, wie etwa Unternehmen, auch eine immense Veränderung der Unternehmenspraxis, wie zum Beispiel in The Cluetrain Manifesto (Levine, Locke, Searls, & Weinberger 2000/2011) dargelegt und gefordert wird. Wirtschaftsunternehmen agieren bereits seit Langem mit dem Internet und Web 2.0; gelegentlich bekommt man gar den Eindruck, sie würden von Social Media und Big Data bestimmt. Eine zentrale Chance, die Wirtschaftsorganisationen in Social Media und Big Data sehen, gründet auf der Arbeit The Wisdom of Crowds (Surowiecki 2005) und besteht mitunter in der Annahme, dass Marktforschung heute aufgrund digitaler Möglichkeiten gewissermaßen in ‚Echtzeit‘ betrieben werden kann oder zumindest auf eine gänzlich neue Art als dies bislang geschehen ist, nämlich auf digitale Weise: Unstrukturierte Daten aus dem Internet und Web 2.0 werden in strukturierte Daten transformiert und somit zugleich in verwertbare Informationen umgewandelt; dies geschieht mitunter bei Social-Media-Analysen. In dieser Methode vermutet die Wirtschaft ein enormes Potential; es herrscht ‚Goldgräberstimmung‘. Die Unmengen von Daten, die im Internet und Web 2.0 zu finden sind, sollen Antworten auf offene Fragen liefern und Licht in manches Dunkel bringen. Unternehmen möchten diese Daten ‚schürfen‘ und sich zunutze machen. Jedoch gehen mit dem Wandel, der durch das Phänomen der „Digitalisierung“ bedingt ist oder in ihm besteht, nicht nur Potentiale und Chancen einher, er birgt ebenso Herausforderungen und Risiken. Letztere bleiben oftmals unbeachtet:

Just as Ford changed the way we made cars – and then transformed work itself – Big Data has emerged a system of knowledge that is already changing the objects of knowledge, while also having the power to inform how we understand human networks and community. [. . . ] If we return to Ford, his innovation was using the assembly line to break down interconnected, holistic tasks into simple, atomized, mechanistic ones. He did this by designing specialized tools that strongly predetermined and limited the action of the worker. Similarly, the specialized tools of Big Data also have their own inbuilt limitations and restrictions (Boyd, & Crawford, 2012, S. 665).

Die Wissenschaft unterliegt zum einen selbst diesem als „Digitalisierung“ bezeichneten Wandel und hat zum anderen die Aufgabe, diesen Wandel zu untersuchen. Letzteres geschieht, je nach wissenschaftlicher Disziplin und Fachrichtung, auf heterogene Weise. Für die Soziologie, die die Digitalisierung als ‚nur‘ eine weitere „Zeit-, Gegenwarts- oder Gesellschaftsdiagnose“ (Dimbath 2016c) zu typisieren vermag, und insbesondere für ihr Teilgebiet der Wissenssoziologie ist dieses Phänomen vor allem im Hinblick auf das gesellschaftliche Wissen, dessen Genese und Verwendung von wissenschaftlichem Interesse. Es könnte zum Beispiel unter dem ebenfalls zeitdiagnostischen Stichwort „Wissensgesellschaft“ betrachtet oder zumindest mit diesem assoziiert werden.Footnote 1 Der soziale Wandel namens „Digitalisierung“ hält für die Soziologie mehrere Aufgaben bereit; zum einen in Bezug auf dessen Untersuchung, zum anderen hinsichtlich der Bedeutung, die dem Wandel für die Soziologie mitsamt ihren Theorien und Methoden selbst zukommt. International hat die Soziologie längst damit begonnen, sich kritisch mit den unterschiedlichen Aspekten der Digitalisierung zu beschäftigen; inzwischen positioniert sie sich selbst sogar schon als eine „Digital Sociology“ (Daniels, Gregory, & McMillan Cottom, 2017; Fuchs, 2017; Lindgren, 2017; Lupton, 2015; Marres, 2017). Big Data und Social Media sind damit als digitale Phänomene sowohl für die Wirtschaft als auch für die Wissenschaft von Bedeutung. Beide Gesellschaftsbereiche sind interessiert an dem Wandel, den die Digitalisierung in Bezug auf die Erschließung von Wissen mit sich bringt. Daher war es an der Zeit, die organisationale Wissensgenese und Wissensverwendung im digitalen Kontext wissenschaftlich zu hinterfragen. Im Rahmen der vorliegenden Studie ist dies aus einer wissenssoziologischen Perspektive und mit einem expliziten Bezug zu einem Wirtschaftsunternehmen geschehen. Es galt zu klären, was in einem Unternehmen eigentlich vor sich geht, wenn es Wissen mit einer digitalen Methode wie Social-Media-Analysen generiert. Ferner war zu eruieren, wie genau ein Unternehmen Social-Media-Analysen zum Zweck der Wissenserzeugung praktiziert und warum ein Unternehmen diese Methode zur Herstellung von Wissen überhaupt nutzt. Nachgegangen wurde dieser Fragestellung mit einer explorativen Untersuchung der organisationalen Wissensgenese und Wissensverwendung anhand von Social-Media-Analysen am Fallbeispiel eines deutschen Automobilherstellers. In theoretischer Hinsicht ist die Studie unter Bezugnahme auf den Sozialkonstruktivismus entstanden, empirisch hat sie sich an der Grounded Theory Methodologie orientiert. Reflexiv wurde die innerhalb der deutschen Automobilindustrie angewandte Praxis der Methode der Social-Media-Analysen rekonstruiert. Es handelt sich daher auch um eine Meta-Analyse der von dem betrachteten Unternehmen praktizierten Forschung. Die Forschungsarbeit zeichnet die von der Organisation angewandte Praxis der Methode der Social-Media-Analysen im Kontext des Phänomens „Digitalisierung“ mit einem Bezug zu Big Data nach und bildet so anhand eines konkreten Fallbeispiels die ‚Konstruktion‘ von Wissen in der deutschen Automobilindustrie ab.

Die hier vorliegende Arbeit präsentiert die Studie, deren Fragestellung damit nun grob umrissen ist, in insgesamt sieben Kapiteln. Das dieser Einleitung (1) folgende Kapitel (2) behandelt die wissenssoziologische Organisationsforschung als den theoretischen Bezugsrahmen der umgesetzten empirischen Untersuchung. Jeweils in mehreren Etappen wird Wissen zum einen in der Wissenssoziologie betrachtet, zum anderen in der Organisationsforschung beleuchtet. So entsteht zunächst ein Überblick über die wissenssoziologische Entwicklung von deren Anfängen bis in die Gegenwart, im Hinblick auf die Fragestellung dieser Studie und daher auch nicht durchgehend chronologisch. Zu Beginn geht es um Wissen, das auf Ideologien beruht oder durch diese erzeugt wird. Wesentliches in diesem Kontext zu behandelndes Gedankengut entstammt der Arbeit von Karl Mannheim. Es folgt ein Sprung in die entgegengesetzte Art der Wissenserzeugung, nämlich diejenige durch Wissenschaft. Zum einen wird auf die Ideologiekritik, die die Aufklärung hervorgebracht hat, eingegangen; zum anderen werden positivistische Konzeptionen, wie sie Auguste Comte begründet hat, in den Fokus der Betrachtung gerückt. Daraufhin richtet sich der Blick auf die klassische Wissenssoziologie der Moderne, welche anhand der Theorie von Max Weber vorgestellt wird. In der wissenssoziologischen Entwicklung folgt dann bereits die Gegenwart, die hier in ihrer sozialkonstruktivistischen Perspektive thematisiert wird: Überlegungen von Alfred Schütz, das Werk von Peter L. Berger und Thomas Luckmann und auch die derzeitige Wissenssoziologie anhand eines Aufsatzes von Oliver Dimbath und Reiner Keller. Ein Exkurs über Wissenskulturen schließt dabei einen ersten Block und leitet zugleich über in den zweiten. Dieser betrachtet Wissen aus dem Blickwinkel der Organisationsforschung. Anfangs steht die theoretische Perspektive auf Organisationen als Gegenstand der Soziologie, um daraufhin in theoretischer Hinsicht Wissen sowohl innerhalb von Organisationen zu bestimmen als auch die organisationale Wissensgenese im Vorfeld deren empirischer Untersuchung zu thematisieren. Sodann nimmt die Studie Bezug zu ihrem Fallbeispiel, indem sie zum einen das Kundenwissen als eine für die deutsche Automobilindustrie relevante Wissensart darlegt und zum anderen auf die Marktforschung als deren üblichen Weg der Wissensgenese eingeht. Ein Exkurs zu Wissensmanagement rundet das Kapitel ab.

Das daran anschließende Kapitel (3) erweitert den theoretischen Bezugsrahmen dieser Studie im Hinblick auf deren Fragestellung und Untersuchungsgegenstand noch einmal, wobei Social-Media-Analysen in diese als innovative Methode der organisationalen Wissensgenese eingeführt werden. Zunächst fällt der Blick auf soziale Medien und das Web 2.0 als bedeutsame Phänomene der Digitalisierung. Es folgt eine Vorstellung der Computational Social Sciences beziehungsweise der Digital Humanities, die sich als neue Disziplinen mit der Wissensgenese 2.0 beschäftigen. Daraufhin geht es sowohl um methodologische Besonderheiten als auch ethische Aspekte, welche mit Social-Media-Analysen einhergehen, deren Methodik dann noch gesondert betrachtet wird. Da sich inzwischen mehrere wissenschaftliche Disziplinen mit der Methode der Social-Media-Analysen auseinandersetzen, wird auch deren Perspektiven ein gewisser Raum gewährt. Ein Überblick über die verschiedenen Einsatzgebiete von Social-Media-Analysen sowie ein Einblick in deren Nutzung innerhalb der Marktforschung schließt das Kapitel ab.

Mit dem nächsten Kapitel (4) richtet sich der Blick auf das Untersuchungsmaterial und methodische Vorgehen der empirischen Studie über die organisationale Wissensgenese und Wissensverwendung in der deutschen Automobilindustrie anhand von Social-Media-Analysen. Den Anfang macht ein Exkurs in die sozialkonstruktivistische Perspektive, die die gesamte empirische Forschung in theoretischer Hinsicht gerahmt hat. Darauf folgend wird die Grounded Theory Methodologie als der Forschungsstil dargelegt, an dem sich die vorliegende Arbeit in ihrer empirischen Umsetzung orientiert hat. Es schließt sich ein weiterer Exkurs in die Wissensart des Expertenwissens an. Im Mittelpunkt des Kapitels steht die Darstellung der empirischen Erhebung sowie der Auswertung des Untersuchungsmaterials. Die Datenerhebung wie die Datenauswertung werden nacheinander in je mehreren Etappen beschrieben. Um die Erhebung der Daten abzubilden, wird nach einer Vorstellung der Methode des Experteninterviews das Erhebungsinstrument betrachtet, welches erarbeitet wurde und zum Einsatz kam. Nach einer Darstellung des Erhebungszeitraums geht es um den Feldzugang sowie die Fallauswahl. In weiteren drei Etappen wird die empirische Auswertung der Daten erläutert. Im Anschluss an einen Einblick in die Datenaufbereitung wird der entlang des Codierparadigmas der Grounded Theory Methodologie realisierte Codierprozess erklärt und die durchgeführte Typenbildung vorgestellt.

Es folgt ein weiteres Kapitel (5), das erste Ergebnisse der empirischen Untersuchung beinhaltet und am Ende jedes Abschnitts ein Zwischenfazit aufweist. Social-Media-Analysen in der deutschen Automobilindustrie werden rekonstruiert, indem diese Studie zunächst die angewandte Praxis von Social-Media-Analysen nachzeichnet. Es waren zwei Varianten der Methode auszumachen und drei Arten der methodischen Umsetzung und praktischen Durchführung zu erkennen. Sämtliche Optionen der Praxis stellt diese Arbeit gesondert vor. Daraufhin geht es um Social-Media-Analysen als Methode. Dargestellt wird dies, indem zunächst deren Charakteristika gezeigt werden, um anschließend sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der Methode der Social-Media-Analysen zu beschreiben. Am Ende des Kapitels werden Social-Media-Analysen auf andere Methoden bezogen und mit diesen verglichen. Nach einer Gegenüberstellung mit der Marktforschung richtet sich der Blick gesondert auf die jeweiligen Potentiale beider. Ferner werden die spezifischen Herausforderungen der Methode der Social-Media-Analysen zusammengefasst und es wird die festzustellende Tendenz beschrieben, die Methode nicht für sich alleine sprechen und stehen zu lassen.

Weitere und zugleich abschließende Ergebnisse der empirischen Untersuchung fasst ein darauf folgendes Kapitel (6) zusammen. Dies geschieht in zwei deutenden Schritten, wobei beide mit einem Zwischenfazit enden. Im Vergleich zu dem vorhergehenden Kapitel überwiegt hier der Anteil an interpretativen Resultaten gegenüber deskriptiven Ergebnissen. Zu Beginn enthält das Kapitel einen Exkurs in das Praktikerwissen und den Inkrementalismus als zusätzliche im Zusammenhang mit den Ergebnissen dieser Forschungsarbeit relevante theoretische Konzeptionen. Es folgen zwei weitere Schritte, die jeweils in mehreren Etappen die beiden Typen der Wissensverwendung, die anhand des erhobenen Datenmaterials herausgearbeitet werden konnten, sowie die anhand des Untersuchungsmaterials rekonstruierte Bedeutung von Wissen und die spezifische Art der Wissensgenese vorstellen.

Das letzte Kapitel (7) fasst den Verlauf sowie auch den Befund der Studie zusammen und bezieht Letzteren auf den sie durchweg umgebenden wesentlichen Theorierahmen des Sozialkonstruktivismus. Ein Ausblick auf potentielle Fragestellungen, denen im Anschluss an die in dieser Arbeit beschriebene Untersuchung nachgegangen werden könnte, rundet die Darstellung ab.