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Planung – das polit-ökonomische Experiment des 20. Jahrhunderts

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Sozialistische Ökonomie im Spannungsfeld der Modernisierung

Zusammenfassung

Als nach dem 2. Weltkrieg Planwirtschaft in Mitteleuropa eingeführt wurde, gab es keine Optionen: Die politisch-ideologische Dominanz der Sowjetunion machte ihr eigenes Modell der administrativen sozialistischen Zentralplanung zur obligatorischen Norm. Das war fatal, als sich rasch herausstellte, dass ein System, das zur Entwicklung der Sowjetunion beigetragen hatte, in einem anderen sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Kontext eher als Modernisierungsbarriere wirkte. 40 Jahre Ökonomie der Planwirtschaft waren eine 40jährige Auseinandersetzung mit diesem Dilemma. Das allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Abgesehen von der kurzen Reformphase in den 1960er Jahren hielt die DDR das hierarchische System der direktiven Zentralplanung hoch. In Polen wurden demgegenüber zahlreiche Alternativen diskutiert, ohne das es zu einer effektiven Systemreform kam. Die theoretisch spannenden Entwicklungen der mathematischen Optimalplanung blieben für die gesamtwirtschaftliche Planung ohne nachhaltige Wirkung, während sie auf dezentraler und betrieblicher Ebene erfolgreich zum Einsatz kamen. Das praktizierte Sowjetsystem war unfähig, die Flexibilität und innovative Dynamik marktwirtschaftlicher Koordination zu nutzen. Das manifestierte sich in der untergeordneten Rolle, die Geld und Preise sowohl in der ökonomischen Theorie als auch im Wirtschaftsprozess spielten. Die Bevölkerung war an stabile Preise gewöhnt. Diskrete Eingriffe in das Preissystem konnten, wie wiederholt in Polen, zu sozialen Unruhen führen.

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Notes

  1. 1.

    Koautor dieses Teils ist Udo Ludwig.

  2. 2.

    Eucken stellte sich damit unbewusst auf die Seite der ne-tovarniki, d. h. jener Politökonomen, die die Warenwirtschaft und die Gültigkeit des Wertgesetzes für unvereinbar mit Sozialismus hielten (s. Abschn. 3.1).

  3. 3.

    Georg Klaus (1912–1974) nahm 1932 ein Studium der Mathematik und Philosophie auf, das er als aktiver Kommunist nach drei Semestern abbrechen musste und für fünf Jahre ins Gefängnis ging. Studium und akademische Karriere konnte er erst 1947 fortführen. Schon 1950 wurde er Professor für dialektischen und historischen Materialismus an der Universität Jena, ging dann an die Humboldt Universität und schließlich an das Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften. Seine Forschungsinteressen konzentrierten sich auf formale Logik und Theorie und Geschichte der Wissenschaft und Philosophie. Sein Wörterbuch der Kybernetik erlebte auch in Westdeutschland mehrere Auflagen (Klaus 1969).

  4. 4.

    Das Vorwort der dritten Auflage von 1974 kündigte noch optimistisch an, dass die Studientexte neben dem bereits in der Produktion befindlichen Lehrbuch weiterbestehen sollten (Volkswirtschaftsplanung 1974, S. 13). Das war dann nicht der Fall: Die dritte Auflage blieb die letzte, und das Lehrbuch vollzog konsequent den Politikwechsel von Ulbricht zu Honecker.

  5. 5.

    Spätere Veröffentlichungen von Kornai, vor allem seine Economics of Shortage (Kornai 1980), blieben unübersetzt und unerwähnt.

  6. 6.

    Kohlmey (1966, S. 10) wies auf die komplexe Natur dieses Ziels hin. Denn dazu gehörten nicht nur der Konsum von Gütern und Dienstleistungen, Bildung, Freizeit und Kultur, sondern auch Information und staatsbürgerliche Rechte. Das heißt, Optimalitätskriterien, die sich auf die Maximierung des Nationaleinkommens oder des Konsumfonds beschränken, seien grundsätzlich zu eng gefasst.

  7. 7.

    Solche Erwägungen sind Mitte der 1970er Jahre als Relikt der Reformdebatte der 1960er Jahre zu sehen und wurden im definitiven Lehrbuch dann auch nicht aufgegriffen.

  8. 8.

    Diese Vision hatte Schumpeter (1942) in seinem letzten Buch in Erwägung gezogen. Es sei absehbar, dass die Entwicklung stagniere und damit der Unternehmer und die ihn tragende Schicht der Bourgeoisie ausstürben. „Thus, economic progress tends to become depersonalized and automatized“ (Ibid., S. 133). An die Stelle des Unternehmers tritt der „Wirt schlechthin“ oder ein Optimierungsalgorithmus, wie die allgemeine Gleichgewichtstheorie und die Optimalplanung das gleichförmig vorsahen.

  9. 9.

    Nach 1986 wurden Arbeiten, an denen Harry Maier beteiligt war, nicht mehr zitiert. Denn Maier war in diesem Jahr in den Westen abgewandert (Düppe 2020) und verfiel folglich der damnatio memoriae.

  10. 10.

    Hierfür gab es auch ideologische Argumente. Denn schließlich waren die Arbeiter in der materiellen Produktion die führende Klasse der sozialistischen Gesellschaft, die jedoch auf Grund des säkularen Trends zum tertiären Sektor immer schmaler wurde.

  11. 11.

    Die Arbeiten von Drewnowski wurden 1937 und 1938 in zwei Teilen in der Zeitschrift Ekonomista veröffentlicht. Nach dem Krieg erschien dann eine Buchausgabe (Drewnowski 1947).

  12. 12.

    Pohorilles Aufsatz erschien nach einem Artikel in der Pravda, der deutlich gemacht hatte, die Idee, Abteilung II könne sich rascher entwickeln, sei falsch.

  13. 13.

    Die Position von Minc wurde in anderen kommunistischen Ländern, wie der Sowjetunion und der Tschechoslowakei, scharf kritisiert. Nach Osiatyński (1982, S. 407–8) wurde das Problem in der polnischen Ökonomie endgültig von Lange in seiner Teoria reprodukcji i akumulacji (Theorie der Reproduktion und Akkumulation; Lange 1961b) gelöst. Nach Lange gibt es keinen Grund anzunehmen, Abteilung I müsse notwendigerweise schneller wachsen als Abteilung II.

  14. 14.

    Prawdzic leitete sein Team bis September 1959, als er für die Plankommission nach Moskau delegiert wurde.

  15. 15.

    In der DDR wurde das Buch, wie die Arbeiten Kaleckis generell, nicht übersetzt. Im Gegensatz zu Lange blieb er dort weitgehend unbekannt. In Westdeutschland erschien 1982 eine bearbeitete Fassung (Kalecki (1982d [1963])).

  16. 16.

    Dieser Abschnitt basiert in großen Teilen auf der im Druck befindlichen Arbeit von Bukowski und Maciejewski (2022). Wir danken beiden dafür, uns ihr Manuskript zur Verfügung gestellt zu haben.

  17. 17.

    Zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im Vorkriegspolen siehe Landau (1973).

  18. 18.

    Die moderne Quantitätstheorie setzt seit Irving Fisher allgemeiner für die Waren W die Transaktionen T.

  19. 19.

    Das geschah fast zeitgleich mit der endgültigen Aufgabe der Eintauschpflicht für den US-Dollar und damit der Entmonetisierung des Goldes im Westen. Die Sowjetunion hat demgegenüber die Fiktion des Goldgehalts des Rubels nie aufgegeben, wozu sicher auch ihre enormen Goldreserven beigetragen haben.

  20. 20.

    Was eine grundlegende Voraussetzung für eine effektive Wirtschaftsreform gewesen wäre.

  21. 21.

    Diese Bezeichnung trifft den Sachverhalt nicht genau. Die Trennung der beiden Kreisläufe findet dort statt, wo Waren und Dienste aus der Produktionssphäre in die Sphäre des Endverbrauchs übergehen mit den Industriepreisen auf der einen Seite und den Endverbraucherpreisen auf der anderen.

  22. 22.

    Damit würde sich das ausgewiesene reale Wachstum erheblich verringern (s. Abschn. 2.1.1).

  23. 23.

    Die Furcht der Bundesbank vor einem massiven Inflationsschock nach Eintritt in die Wirtschaft-, Währungs- und Sozialunion und ihr Plädoyer für einen nicht-paritätischen Umstellungskurs für Sparguthaben werden daraus leicht verständlich.

  24. 24.

    Neben den Subventionen für die Konsumsphäre sind da vor allem die Kosten des forcierten Wohnungsbaus und gestiegene Sozialausgaben zu nennen, die aus der programmatischen Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik folgten.

  25. 25.

    Das führte zu der hohen Verschuldung der Betriebe und zu Krediten, die ökonomisch nicht immer zu rechtfertigen waren. Dieses Erbe hat nach der Wende manchem Betrieb das Genick gebrochen.

  26. 26.

    Diese Kosten wurden bis 1983 aus dem an den Staatshaushalt abgeführten Gewinn der Betriebe finanziert. Dann entschied man sich, darin einen Teil der notwendigen lebendigen Arbeit zu sehen. Seitdem wurden 70 % des geplanten Lohnfonds als zusätzliche, für die Reproduktion des Arbeitsvermögens notwendigen Kosten in die gesellschaftlichen Fonds abgeführt, und der Gewinn verringerte sich entsprechend (Marx et. al. 1984, S. 127).

  27. 27.

    Die Außenhandelsstatistik der DDR wurde in Valutamark berechnet, einer fiktiven Währungseinheit, die keinerlei praktische Bedeutung hatte, außer dass sie die empirischen Daten verschleierte. Relevant für den internen Verkehr war der Valutagegenwert in Mark der DDR. Es ist bezeichnend für die Geheimniskrämerei um den Außenhandel, dass das Ökonomisches Lexikon Q–Z (1980, S. 403) den Valutagegenwert als Devisengegenwert für die Ermittlung der Außenhandelsrentabilität „ausgedrückt in Valutamark“ angibt, was keinen Sinn ergibt. Das tonangebende Lehrbuch (Faude et al. 1984) enthält in seinem Sachwortverzeichnis kein Stichwort Valutamark und Valutagegenwert. Erst das Statistische Jahrbuch 1990 hat hier etwas mehr Klarheit geschaffen, da es zum ersten Mal Export und Import in Valutagegenwerten angegeben hat, d. h. in Mark der DDR.

  28. 28.

    Ihre Bezeichnung‚ Richtungskoeffizient‘ machte den Sachverhalt nicht gerade deutlicher. Weder im Lehrbuch von Faude, Grote und Luft (Faude et al. 1984) noch im Ökonomisches Lexikon (1980) gibt es ein entsprechendes Stichwort.

  29. 29.

    Genau ist das nicht zu sagen. Wenn der durchschnittliche Valutagegenwert einer DM 1989 4,40 Mark der DDR betrug, dann heißt das: Soviel war es den Planern nach der Devise „Liquidität geht vor Rentabilität“ wert, eine DM zu erlösen, um damit Importe bezahlen und Schulden bedienen zu können.

  30. 30.

    Das war kein Einzelfall. Doch die 5 700 Beschäftigten von Pentacon konnten das nicht verstehen. Schließlich hatten sie ein hochwertiges und im Westen nachgefragtes Produkt hergestellt. Über die Rentabilität ihrer Produktion ließ man sie im Dunkeln. Außenhandelsdaten wurden systematisch verschleiert.

  31. 31.

    Dieser Aufsatz ist zwei Jahre später auf Englisch in der westlichen Zeitschrift Economics of Planning erschienen (Grote 1966) – für die DDR-Ökonomie eine absolute Seltenheit.

  32. 32.

    Die obere und die untere Ebene dürften schon aus Dimensionsgründen nicht in das gleiche Schema aufgenommen werden: Die Werte werden in durchschnittlich notwendiger Arbeitszeit gemessen, die Preise in Geldeinheiten. Wertsumme und Preissumme sind nur dann kommensurabel, wenn man über die Arbeitsaufwendungen der Goldproduktion einen numméraire für das Wertsystem in Geldeinheiten erhalten würde. Bei einer gegebenen Geldmenge ist dann aber die Gleichheit der beiden Summen trivial. Die relativen Preise der unteren Ebene weichen jedoch grundsätzlich von den relativen Werten der oberen Ebene ab.

  33. 33.

    Das heißt, sowohl der Preis wie die materielle Zusammensetzung des Endprodukts sind abhängig von der Einkommensverteilung.

  34. 34.

    Die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage kennzeichnet aber den Gleichgewichtspreis und damit die für sozialistische Planung zentrale Norm – Proportionalität. Sie herbeizuführen ist primäre Aufgabe der Planung, wobei gütermäßige und Preisplanung ineinandergreifen. „Im optimalen Zustand der Wirtschaft gleichen die Preise für die Ressourcen und das Endprodukt Angebot und Nachfrage aus“ (Schilar 1983, S. 271.

  35. 35.

    Die Fondsrentabilität unterscheidet sich von der Eigenkapitalrentabilität, die den kapitalistischen Unternehmer interessiert. Dieses Konzept würde bei weitgehender Selbständigkeit der sozialistischen Betriebe sinnvoll sein. Doch die Betriebe sind uneingeschränktes Staatseigentum, und das einheitliche Finanzsystem des Staates verwischt, wie gezeigt, die Unterschiede der Finanzierungsformen (Haushaltszuweisungen, Bankkredite und eigenerwirtschaftete Mittel).

  36. 36.

    Diese Argumentation lässt sich nur schwer mit der Ableitung des Gewinns aus dem Mehrprodukt bzw. der geleisteten Mehrarbeit der direkten Arbeit in Einklang bringen.

  37. 37.

    Das setzt voraus, dass Betriebe ihre Investitionen voll eigenfinanzieren, dass es also keinen zwischenbetrieblichen Kapitalverkehr gibt, sei es über einen Kapitalmarkt, sei es über den umverteilenden Staatshaushalt, und dass das Wirtschaftswachstum über die Betriebe gleichförmig ist, d. h. keine Strukturveränderungen oder Neugründungen stattfinden.

  38. 38.

    Sein bahnbrechendes Werk (Kantorovič 1959), das er schon 1942 geschrieben hatte, aber erst 1959 veröffentlichen konnte, ist im Gegensatz zu zahlreichen anderen Arbeiten der mathematischen Schule nicht ins Deutsche übersetzt worden.

  39. 39.

    In der DDR hatte Hermann Lehmann (1968) eine kompetente Darstellung der Grenznutzentheorie vorgelegt, die sich in mehrfacher Hinsicht von den sonst üblichen Verzerrungen als „vulgärökonomische Apologetik“ unterschied.

  40. 40.

    Die Staatliche Preiskommission (Państwowa Komisja Cen) wurde 1953 gegründet. Ab 1977 hatte der Vorsitzende der Kommission den Rang eines Ministers. Im Jahr 1981 wurde der neue Leiter des Amtes, Zdzisław Krasiński, zum Minister ernannt und im folgenden Jahr das Amt in ein Ministerium umgewandelt. 1985 löste man das Preisministerium auf und übertrug seine Kompetenzen auf das Finanzministerium.

  41. 41.

    Wir sehen hier davon ab, die Validität der einzelnen Argumente zu diskutieren.

  42. 42.

    Dziennik Ustaw, 1950, nr 49, poz.439, art.1.1.

  43. 43.

    Koautor dieses Teils ist Knut Richter.

  44. 44.

    Das politische Kabarett empfahl, Dissertationen immer zwischen zwei Parteitagen fertigzustellen, da sich ansonsten die Wahrheiten umdrehten.

  45. 45.

    Diese Verteilung der Stundenzahl lässt sich vergleichen mit den Angaben für den Studiengang Volkswirtschaft an der HfÖ ab den 1970er Jahren, wobei die Pflichtstunden für Sprachen und Sport nicht berücksichtigt sind (Kupferschmidt 2013, S. 13–4):

    Gesellschaftswiss. Grundstudium 24 %

    Mathematik und Statistik 18 %

    Naturwiss. und betriebswirtschaftl.

    Grundlagen 15 %

    Hauptfach 29 %

    Praktika 14 %

  46. 46.

    Wie einer dieser Studenten der Wirtschaftskybernetik über ein Bewerbungsverfahren an der Universität Jena berichtete, wurde ihm nach seiner Präsentation gesagt, dass „seine Theorien“ offenbar keinen Platz für die führende Rolle der Partei hätten.

  47. 47.

    Schon die kritische Verwendung des Begriffes Parteilichkeit statt der üblichen Apologetik in diesem Zusammenhang ist auffallend.

  48. 48.

    Gvišiani (1974, S. 34) hatte die Praxeologie des polnischen Philosophen Tadeusz Kotarbiński erwähnt, die in russischer Übersetzung vorlag. Eine ostdeutsche Ausgabe sucht man vergeblich.

  49. 49.

    Wolf D. Hartmann, der eine der beiden Herausgeber, hat 1980 eine eigene Monografie zu den kapitalistischen Führungstechniken publiziert (Hartmann 1980). Dabei stützt er sich vor allem auf die deutschsprachige Literatur. Der Leser wird mit einer unübersichtlichen Fülle von Prinzipien, Schemata und Tabellen überwältigt, deren theoretische Konsistenz und praktische Anwendbarkeit zweifelhaft bleiben, was zum Teil sicher auch auf diese Literatur zurückzuführen ist. Doch irgendetwas muss an den Methoden dran sein angesichts der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der kapitalistischen Unternehmen, die so die Stagnation und den prognostizierten Zusammenbruch ihres Systems immer weiter hinausschieben.

  50. 50.

    Umso schmerzlicher muss nach der Wende die Erfahrung dieser ostdeutschen Wissenschaftler gewesen sein, als sie von vielen ihrer westdeutschen Kollegen als Repräsentanten einer obsoleten Wissenschaft und einer maroden Wirtschaft belächelt wurden.

  51. 51.

    Eine englische Übersetzung erschien 10 Jahre später. Eine deutsche Übersetzung gibt es nicht. In der DDR wurden Kotarbiński und die Praxeologie, die ja auch Mises als Handlungstheorie propagierte, nicht erwähnt. Das Philosophische Wörterbuch (Klaus und Buhr 1976) kennt kein entsprechendes Lemma. Der praxeologische Ansatz geht zurück auf den bekannten russischen Mathematiker und Mikroökonomen Eugen Slutsky (1926) mit seinem Aufsatz „Ein Beitrag zur formal-praxeologischen Grundlegung der Oekonomik“.

  52. 52.

    Koźmińskis Vater Leon war vor und nach dem zweiten Weltkrieg Professor an der Handelshochschule (SGH) bzw. der Hochschule für Planung und Statistik (SGPiS).

  53. 53.

    Kieżun war während des zweiten Weltkriegs Soldat der Armia Krajowa im Untergrund. Er nahm am Warschauer Aufstand teil und wurde nach dem Krieg vom sowjetische NKWD in den Gulag geschickt. Nach Polen kehrte er 1946 zurück und wurde Mitglied der Stronnictwo Demokratyczne, der Demokratischen Allianz, der Partei des Handwerks und Kleinbürgertums, die zusammen mit der Bauernpartei eine Koalition mit den Kommunisten bildete. Man sah in ihm keinen voll vertrauenswürdigen sozialistischen Wissenschaftler.

  54. 54.

    Koźmiński richtete in Warschau Anfang der 1990er Jahre die einflussreichste private Business School in Polen ein (Wyższa Szkoła Przedsiębiorczości i Zarządzania), die heute Leon Koźmiński Akademie (Akademia Leona Koźmińskiego) heißt.

  55. 55.

    Wir haben bereits angemerkt, dass Kalecki und seine Schule (z. B. Łaski, Gomulka, Józefiak, Nasiłowski, W. Sadowski) von den ostdeutschen Ökonomen nicht wahrgenommen wurden. Das ist umso bedauerlicher, als Osiatyński (1987, S. 126, Fn. 10) wohl nicht zu Unrecht bemerkt: „Thus Kalecki’s growth theory seems more applicable, for instance, to the East German economy than to the Polish one, in which total chaos and disintegration already in the 1970s made relations between investment and output, or capital per employee and labour productivity, wholly haphazard or even negative”.

  56. 56.

    Das System des allgemeinen Gleichgewichts und der optimalen Planung kann bei einer gegebenen Zielfunktion unter Einsatz eines geeigneten Algorithmus und einer hinreichend starken Rechenkapazität die optimale Allokation der Ressourcen automatisch bestimmen. Man könnte meinen, Engels (1948 [1878], S. 386) habe so etwas vor Augen gestanden, als er feststellte, der Plan werde das Allokationspuzzle problemlos lösen: „Die Leute machen alles sehr einfach ab, ohne Dazwischenkunft des vielberühmten ‚Werts‘“, d. h. ohne Vermittlung des Markttauschs. Eine solche Vision könnte auch Rosa Luxemburg und Nikolaj Bucharin vorgeschwebt sein, als sie für den Sozialismus das Ende der politischen Ökonomie postulierten (s. Abschn. 3.1.1). Mit einer ähnlichen Vision hatte Schumpeter (1942) die Funktion des Unternehmers für obsolet erklärt und damit automatisierbare, rationale Planung für das System der Zukunft.

  57. 57.

    Ein kurzer Blick auf die westliche Theorie der Planung sei in diesem Zusammenhang gestattet. Sie hat vor allem das Problem von Zentralisierung und Dezentralisierung und Planung unter Unsicherheit auf formal hohem Niveau behandelt. Einen zusammenfassenden Vergleich mit Ansätzen aus dem sozialistischen Lager bietet Leif Johansen (1977, 1978). Johansen geht dabei vor allem auf sowjetische und ungarische, aber auch auf polnische und tschechoslowakische Beiträge ein. Einen DDR-Autor sucht man in seinem Personenindex – mit Ausnahme des Wirtschaftshistorikers Jürgen Kuczynski – vergeblich. Das ist kein einmaliger Befund. In der 45-seitigen Literaturliste seines Standardwerks The Socialist System führt János Kornai (1992) aus dem sozialistischen Lager ebenfalls vor allem sowjetische und ungarische Veröffentlichungen an. Doch immerhin werden 25 (englischsprachige) Publikationen von polnischen (einschließlich exil-polnischer) Autoren genannt (Kornai las nicht Polnisch). Aus der DDR taucht nur ein Name auf: Bert Brecht.

  58. 58.

    Walter Eucken (1943, S. 150) hat eine ähnliche Vorstellung von der zentralgeleiteten Wirtschaft gehabt, von der er meinte „Einzelwirtschaft und Sozialwirtschaft sind hier identisch“.

  59. 59.

    Was vom Taylorismus in der ostdeutschen Praxis übrigblieb, war der von den Arbeitern immer gehasste Akkord- bzw. Stücklohn (‚Akkord ist Mord‘). Die ostdeutsche Politik musste die größten ideologischen Verbiegungen vornehmen, um Ende der 1940er Jahre dieses Lohnsystem als sozialistischen Fortschritt zu propagieren und einzuführen. Der Aufstand am 17. Juni 1953 war dafür die Quittung (Roesler 2004; Geerling und Magee 2011).

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Wagener, HJ., Tymiński, M., Koryś, P. (2021). Planung – das polit-ökonomische Experiment des 20. Jahrhunderts. In: Sozialistische Ökonomie im Spannungsfeld der Modernisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35045-1_4

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