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Der politische und institutionelle Kontext

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Sozialistische Ökonomie im Spannungsfeld der Modernisierung

Zusammenfassung

Die Ideengeschichte der Ökonomie ist in ihren politisch-institutionellen Kontext zu stellen. Der wies in der DDR und in Polen unterschiedliche Bedingungen und Ausprägungen auf. Typisch für die Entwicklung in der DDR war die personelle Kontinuität über die gesamte Periode, während es in Polen zu einschneidenden Führungswechseln und damit auch politischen Änderungen kam. War der offene Widerstand in der DDR mit dem 17. Juni 1953 gebrochen, geriet die polnische Arbeiterschaft und Studentenschaft wiederholt in Aufruhr. Im akademischen Bereich trieb die Politik die Transformation und den Elitentausch konsequent voran. Das ‚bürgerliche‘ Universitätspersonal wanderte in großer Zahl in den Westen ab (exemplarisch für die DDR war die Gründung der Freien Universität Berlin 1948). Deshalb fiel die Lehre der neuen Inhalte der rasch ausgebildeten jungen (Aufbau-)Generation zu, die praktisch bis zum Ende in Amt und Würden blieb. In Polen spielten ältere Wissenschaftler und vor allem einige rückgewanderte Marxisten (Lange, Kalecki) eine wichtige Rolle. Aus dem mehr oder weniger rigide durchgesetzten Machtanspruch der Partei folgten auch Unterschiede im Verhältnis von Wissenschaft und Politik. In der DDR war die untergeordnete Stellung der Sozialwissenschaften kaum zu durchbrechen. Die polnische Wissenschaft erfreute sich zumindest zeitweise größerer Freiheiten, ohne dass die Politik ihre Expertise fruchtbar zu machen verstand.

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Notes

  1. 1.

    Erich Honecker hat seine Kritik an Walter Ulbrichts Wirtschafts- und Technologiepolitik in einer strikt vertraulichen Politbüro-Vorlage noch 1989 zusammengefasst: „Unter Ausschaltung des Politbüros und der zuständigen Abteilungen des ZK sowie der Regierung“ habe er sich „bei seinen Entscheidungen mehr und mehr auf eine Reihe ausgewählter Wissenschaftler“ gestützt. Insbesondere „die Rolle der EDV für die gesellschaftliche Entwicklung wurde vom Genossen Ulbricht stark überschätzt“. Das äußerte sich „in der pompösen Planung bei Robotron“ und der Vision einer Stadt der Elektronik bei Tharandt im Bezirk Dresden, einer Art sächsisches Silicon Valley. Er habe sogar die Sowjetunion kritisiert, dass sie das Zeitalter des Computers nicht erkenne (Dokumentauszug im Anhang von Gutmann 1999, S. 53–4; Otto 1992).

  2. 2.

    Eine ironische Anspielung auf das Theaterstück von Tadeusz Różewicz Die Zeugen oder unsere kleine Stabilisierung von 1962.

  3. 3.

    In Ostdeutschland hatte die entsprechende Vereinigung der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei zur SED bereits 1946 stattgefunden.

  4. 4.

    Der Soziologe Kurt Braunreuther (1964) hat sich eingehend mit Max Weber beschäftigt und die ideologischen Hintergründe der Werturteilsfreiheit analysiert. Sie mag im vormonopolistischen Kapitalismus sinnvoll gewesen sein. Unter den Bedingungen des monopolistischen Kapitalismus und Imperialismus hat sie einen anderen Charakter als zur Zeit Max Webers: „Wenn unter diesem Aspekt Bemühungen zur Überwindung eines – werturteilsfreien – Objektivismus sichtbar werden, so ist das positiv zu bewerten. Das ist eine gewisse Annäherung an eine dem gesellschaftlichen Fortschritt dienende Parteilichkeit“ (Ibid., S. 341).

  5. 5.

    ABBAW: NSch., Nr. 510. Letzterer wissenschaftlicher Rat ist dann offensichtlich nicht gebildet worden.

  6. 6.

    ABBAW: NSch., Nr. 463. Bemerkenswert ist die Feststellung, dass sich die Leitung und Planung „auf die Forschung zur Politischen Ökonomie des Sozialismus und auf die wirtschaftswissenschaftliche Forschung des sozialistischen Reproduktionsprozesses der Volkswirtschaft“ bezieht (S. 1). Das sind zwei getrennte Forschungsfelder (s. Kap. 4.1).

  7. 7.

    Ein ähnliches Schicksal ereilte auch die Abteilung für Wirtschaftswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften.

  8. 8.

    Darüber war man sich zu diesem Zeitpunkt überall in orthodoxen Kreisen einig. Ein ungezeichneter Leitartikel im Novemberheft von Planovoe chozjajstvo betonte, die volle wirtschaftliche Rechnungsführung sei nicht gleichbedeutend mit der sogenannten vollständigen Selbständigkeit der Unternehmen und ähnlicher Losungen voreingenommener, kleinbürgerlicher Marxisten, die nur in den Anarcho-Syndikalismus aber nicht in den Sozialismus führten. „Parteilichkeit, Ergebenheit den Idealen des Kommunismus gegenüber – das ist die wichtigste Eigenschaft unserer ökonomischen Wissenschaft“ (Ekonomičeskaja teorija 1968, S. 6).

  9. 9.

    Tovarniki, abgeleitet vom russischen Wort tovar‘ für Ware, halten die Warenwirtschaft für vereinbar mit dem Sozialismus. Die ne-toverniki lehnen das grundsätzlich ab bzw. akzeptieren Warenwirtschaft nur als Übergangsphänomen.

  10. 10.

    Hansgünter Meyer (1991, S. 1) hat für die Soziologie festgestellt, was für die Ökonomie genauso gültig war: „Die Schubladen könnte man sich gefüllt denken mit Manuskripten, die früher schlicht verboten waren, man nehme die nun heraus und wähle das Beste aus. Aber gerade so war es bei der Wende in der Soziologie nicht“.

  11. 11.

    Für 1986 lassen sich keine Daten finden, da die Autorenliste am Ende der Zeitschrift 1981 eingestellt worden ist.

  12. 12.

    Mehrfachverweise in einem Artikel werden auch mehrfach gezählt.

  13. 13.

    Einzelne Artikel können die Zahlen aufblähen (z. B. Hans Müller und Karl Reißig. Das neue ök. System der Planung und Leitung – Ergebnis der kontinuierlichen Wirtschaftspolitik der SED. Wirtschaftswissenschaft 14, 353–79, ein Versuch, mit viel Ulbricht-Zitaten das „Neue“ aus der Reform herauszunehmen.).

  14. 14.

    ABBAW: Akad.-Verl., Nr. 1926.

  15. 15.

    Ein Ausreißer – und deshalb nicht mitgezählt – ist ein Artikel von Elke Kopf (1976), der mit 116 Fußnoten historisch interessant sein mag, aber das Bild völlig verzerren würde.

  16. 16.

    Alle Die beiden an diesem Buch beteiligten ehemaligen DDR-Wissenschaftler haben in der Sowjetunion studiert.

  17. 17.

    Eine ostdeutsche Übersetzung sucht man vergeblich, eine westdeutsche erschien 10 Jahre später.

  18. 18.

    Die undifferenzierte Übernahme des sowjetischen Vorbilds überlagerte auch die reiche sozialdemokratische und sozialistische Tradition Deutschlands.

  19. 19.

    Lange war schon 1965 zu Beginn der Ausarbeitung gestorben, und bis das umfangreiche Gesamtwerk dann 1970 erschien, waren seine drei Ko-Autoren durch „unglückliche Umstände“, wie die westdeutsche Buchausgabe des Kapitels (Lange et al. 1972) bemerkt, daran gehindert, ihren Beitrag zu Ende zu schreiben, auch wenn die theoretische Ausrichtung erhalten blieb. Das Kapitel ist den Angaben der Originalausgabe (Lange et al. 1970) nach „based on the preliminary work of …“. Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, dass orthodoxe ideologische Bedenken und die Ereignisse von 1968 zu diesen „unglücklichen Umständen“ geführt haben, nachdem die drei verbliebenen Autoren 1967 die wesentlichen Argumente in drei Artikeln auf Polnisch veröffentlicht hatten und sie der antisemitischen und antirevisionistischen Säuberung von 1968 zum Opfer gefallen waren.

  20. 20.

    Die amerikanischen Stipendiengeber, Fulbright, Ford und Rockefeller Foundation, die viele ostmitteleuropäische Wissenschaftler in die USA brachten, wurden in Ostdeutschland nicht tätig. Das hielten sie wohl für westdeutsches Terrain. Doch westdeutsche Stipendien für ostdeutsche Studenten und Wissenschaftler? Ein politisches Unding für die Partei. Stipendien der Humboldt-Stiftung für polnische Wissenschaftler wurden dagegen mehr und mehr üblich.

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Wagener, HJ., Tymiński, M., Koryś, P. (2021). Der politische und institutionelle Kontext. In: Sozialistische Ökonomie im Spannungsfeld der Modernisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35045-1_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-35045-1_2

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-35044-4

  • Online ISBN: 978-3-658-35045-1

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