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Einleitung

Viele demographisch schrumpfende Regionen sind mit dem Problem konfrontiert, dass als Folge der Abwanderung jüngerer, gut qualifizierter und mobiler Menschen ein Defizit in der Versorgung mit adäquaten Infrastrukturen (Güter, Verkehr, Arbeitsplätze, Soziales, Kulturelles) entsteht. In Gegenden, die zusätzlich durch ihre historische Siedlungsgenese und räumliche Lage seit alters her eine geringe Bevölkerungsdichte aufweisen, verschärft sich diese Problematik noch. Der infrastrukturelle Rückbau durch Schließung von Einrichtungen und/oder Verlagerung von Funktionen in überregionale urbane Zentren, führt (potenziell) zu einer Abnahme an Lebensqualität und Lebenszufriedenheit der in diesen Regionen weiterhin lebenden Menschen (Koch, 2013). Der Auf- und Ausbau leistungsfähiger Kommunikationsnetzwerke sowie daran gebundener hochwertiger virtueller Dienstleistungen kann dieser Krisenentwicklung entgegenwirken und zu einer (Wieder-)Aufwertung entlegener Regionen beitragen.

Der Beitrag thematisiert diese Aspekte am Beispiel der Schaffung von eHealth-Angeboten für (ältere) Menschen, die in der nordschwedischen Gemeinde Storuman, Provinz Västerbotten, leben. Mit diesen Angeboten sollen zum einen Anreize geschaffen werden, die einer weiteren Abwanderung vorbeugen und die zum anderen auch für das anbietende Krankenhaus Potenziale einer standortsichernden Existenz bieten. Im Rahmen eines Kooperationsabkommens zwischen Krankenhaus, Provinzregierung und der Universität von Umeå sind erste Erfolge für beide strategischen Zielsetzungen erkennbar. So haben durch den Aufbau von so genannten Virtual Health Rooms (VHR) in mehreren kleinen Ortschaften der Gemeinde Storuman die Einwohnerinnen und Einwohner die Möglichkeit, bestimmte medizinische Untersuchungen vor Ort durchzuführen; die Ergebnisse werden telekommunikativ an das Krankenhaus in Storuman übermittelt. Durch diese und andere Einführungen am Standort Storuman selbst hat das Krankenhaus seinen ursprünglich medizinspezifischen Fokus sukzessive in Richtung eines Zentrums für ländliche Forschung und Entwicklung erweitern können.

Diesen Entwicklungsprozess skizziert der Beitrag und bezieht dabei insbesondere den Stellenwert von virtuellen Diensten für persönliche Lebenszufriedenheit und regionalökonomische Leistungsfähigkeit mit ein. Zugleich wird die komplementäre Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien gegenüber einer substitutiven betont.

Lebenszufriedenheit als Parameter für die Etablierung virtueller Dienstleistungen

Die Lebenszufriedenheit von Menschen in einem Gemeinwesen ist ein wesentlicher Garant für politisch-demokratische Stabilität, sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Lebenszufriedenheit ist daher zu einem wichtigen Indikator sozialwissenschaftlicher Analysen geworden. So erhebt beispielsweise der European Social Survey (ESS) „subjective well-being“ bzw. „personal well-being“ neben anderen Kategorien wie „media and social trust“, „politics“, „ageism“ oder „social inequalities in health“ (European Social Survey, 2020). Lebenszufriedenheit, oder der umfassendere Begriff des „Well-Being“, besitzt nach der ESS-Studie einen mehrdimensionalen Analyserahmen, der neben den emotionalen (z. B. enjoyment) und funktionalen (z. B. self-esteem) Komponenten auch sozial-interaktive Aspekte inkludiert. Hierunter fallen „community wellbeing“ und „supportive relationships“ (European Social Survey, 2015, S. 4 f.).

Die Möglichkeiten, ein zufriedenes Leben führen zu können, hängen also von persönlichen und institutionellen Bedingungen ab. Während die Persönlichkeitsmerkmale durch biographische und aktuelle Einstellungsmuster geprägt sind, kommt den institutionellen Merkmalen durch ihren Charakter als Ermöglichungs- oder Einschränkungsmittel eine die persönlichen Fähigkeiten einbettende Qualität zu (Köcher & Raffelhüschen, 2011, S. 42 ff.). Im Hinblick auf das nachfolgend dargelegte empirische Fallbeispiel – der Nutzung von eHealth-Technologien in einer peripheren und dünnbesiedelten Region Nordschwedens – ist es bemerkenswert zu sehen, dass nach der für Deutschland erstellten Glücksstudie von Köcher und Raffelhüschen (2011) eine „sehr gute Gesundheit“ Platz 1 unter den Glücksbringern einnimmt (Köcher & Raffelhüschen, 2011, S. 131). Gerade an diesem Indikator wird die Doppelrolle von persönlicher Einstellung (gesunde Ernährung, sportliche Aktivitäten, bewusste körperliche und seelische Selbstwahrnehmung) und institutionell-infrastruktureller Versorgung (medizinische Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, sozialstaatliche Fürsorge) deutlich.

Als Vermittlungsinstanz zwischen den persönlichen Möglichkeiten, das eigene Leben nach subjektiven Zufriedenheitskriterien gestalten zu können, und den institutionellen Arrangements öffentlicher und privater Wohlfahrtseinrichtungen, dienen soziale Netzwerke. Sie bieten gleichermaßen Inklusions- wie Exklusionsmechanismen, die es Akteurinnen und Akteuren erlauben oder verhindern, Teil sozialer Gemeinschaften zu sein und an den offerierten Dienstleistungen zu partizipieren. Das Spektrum an Teilhabegelegenheiten hängt dabei wesentlich von den zur Verfügung stehenden Serviceangeboten, aber auch dem Kapital der Akteurinnen und Akteure sowie Gemeinschaften ab. Tatsächlich differenziert sich ‚das Kapital‘ in mehrere Sorten aus und umfasst ökonomisches, soziales, kulturelles und symbolisches Kapital (Bourdieu, 1983; Putnam, 2002; Woolcock, 2000). Alle Kapitalsorten wie Geld, Eigentumsrechte (ökonomisches Kapital), soziale Netzwerke, Beziehungen (soziales Kapital), Qualifikationen (kulturelles Kapital) und Reputation (symbolisches Kapital) tragen auf je spezifische Weise zur konkreten Ausgestaltung eigener Lebensführung unter den jeweils existierenden Wohlfahrtsregimes bei (Koch, 2017).

Der Stellenwert der Gesundheit für das eigene Wohlbefinden ist im gesamten Lebensverlauf und für Frauen wie Männer hoch, wenngleich alters- und geschlechtsabhängige Faktoren diese allgemeine Einschätzung relativieren, worauf hier nicht eingegangen werden soll. Andere zentrale Determinanten, die im nachfolgenden Beitrag eine Rolle spielen, sind die regional unterschiedlichen Folgen demographischer Entwicklungen und die Bedeutung technologischer Entwicklungen für die Bereitstellung qualitativ hochwertiger medizinischer Dienstleistungen. Beide Entwicklungspfade werden dabei in einem Wechselwirkungszusammenhang betrachtet.

Einfluss des demographischen Wandels auf die infrastrukturelle Ausstattung

Ein vorherrschendes Charakteristikum des demographischen Wandels in Europa ist die Alterung seiner Bevölkerung, die durch geringe und weiter sinkende Geburtenraten bei etwa gleichbleibenden Sterberaten sowie hohe und (zumindest derzeit) weiter steigende Lebenserwartungen gekennzeichnet ist (Birg, 2005, 2015; Eurostat, 2019; Kaufmann, 2005). Dieses demographische Muster ist räumlich nicht gleichverteilt, vielmehr wuchsen und wachsen viele urbane Agglomerationsräume, während viele ländlich-periphere und dünn besiedelte Regionen einem seit Längerem beobachtbaren Schrumpfungsprozess unterliegen (der jedoch in den einzelnen Ländern Europas unterschiedlich intensiv und umfangreich abläuft).

Die Folgen für die infrastrukturelle Ausstattung der jeweiligen Raumkategorien sind hinlänglich bekannt: einer in der Regel sehr guten Ausstattung in den Städten stehen Defizite in den ländlichen Regionen gegenüber. Diese Logik gilt für privatwirtschaftliche wie für öffentliche Unternehmen in gleichartiger Weise, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, da öffentliche Daseinsvorsorge (noch) anderen Kosten-Nutzen-Kalkülen unterliegt als profitorientierte Angebotsstrategien. Zudem orientiert sich die Ausstattungslogik an Referenzgrößen, die sich am technisch und technologisch Machbaren sowie am Durchschnitt der Raumkategorie festmachen lassen. Der Ausbau der Netze mit dem jeweils erreichten technischen Qualitätsstandard (Geschwindigkeit und Volumen der Datenübertragung) folgt zwar einem Zentrum-Peripherie-Modell, das in den urbanen Zentren beginnt, aber heute mit nur geringer zeitlicher Verzögerung in die ländlich-peripheren Regionen diffundiert. Gegenwärtige Breitbandinitiativen für ländliche Räume wie beispielsweise in Deutschland und Österreich zeigen dies deutlich: Während in Deutschland Mitte 2014 82 % der städtischen, aber nur 20 % der ländlichen Haushalte (weniger als 100 Einwohner pro km2) über Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s verfügten (BLE, 2018), war geplant, bis 2018 alle Haushalte mit dieser Bandbreite zu versorgen (BMVI, 2017). In Österreich sind nach einer Evaluierungsstudie des BMVIT aus dem Jahr 2015 39 % der Haushalte mit Bandbreiten von mindestens 100 Mbit/s ausgestattet. Jedoch: „In den ländlichen Regionen sind Bandbreiten unter 30 Mbit/s die Regel“ (BMLFUW, 2017, S. 27). Nach der Europäischen Digitalen Agenda war geplant, bis 2020 eine flächendeckende Versorgung aller Haushalte in Europa mit wenigstens 30 Mbit/s zu realisieren (BLE, 2018). Für viele telemedizinische Dienstleistungen wird ein Breitbandbedarf von mindestens 100 Mbit/s erwartet (BLE, 2014, S. 7).

Im Unterschied dazu folgt die Ausstattung mit sozialer Infrastruktur eher dem Zentrale-Orte-Prinzip, also einer hierarchischen Differenzierung des quantitativen und qualitativen Angebots an Dienstleistungen. Während grundlegende Dienstleistungen wie beispielsweise im medizinischen Bereich das Angebot an Arztpraxen kleinräumig flächendeckend verfügbar sind (mit den jeweiligen nationalen Unterschieden), sind höher spezialisierte Krankenhäuser und Universitätskliniken nur an wenigen oberzentralen Orten verfügbar. Die demographischen Veränderungsprozesse haben nun (und werden künftig weiterhin) in vielen Bereichen der Dienstleistungsökonomie zu einer Verstärkung dieses Prinzips geführt: in demographisch schrumpfenden Regionen schrumpft auch das Angebot an sozialen Diensten. Dem steht das gegenläufige Prinzip der technischen Netzwerke gegenüber, das weiterhin in die Fläche diffundiert. Diese Netzwerke und ihre darüber angebotenen Dienstleistungen kompensieren somit – zumindest dem Prinzip nach – den Rückzug von standörtlich gebundenen Angeboten der sozialen Versorgung (dies gilt gleichermaßen auch für andere Versorgungsbereiche). Die Kompensation variiert dabei zwischen Komplementarität und Substitution. Während beispielsweise bestimmte Finanzdienstleistungen wie der Zahlungsverkehr den Typ der Substitution repräsentieren, stehen medizinische Dienstleistungen eher für den Funktionstyp der Komplementarität, denn eHealth-Angebote ergänzen die am physischen Standort Krankenhaus weiterhin vorhandenen (Mindest-)Angebote. Zugleich eröffnen sich mit der qualitativen Netzdiffusion Chancen der Etablierung neuer bzw. anders organisierter Dienstleistungsangebote, wie das nachfolgend skizzierte Beispiel für die schwedische Gemeinde Storuman zeigt (ein weiteres, ähnlich gelagertes Beispiel unter vielen ist die im sachsen-anhaltinischen Seehausen angebotene teleradiologische CT-Untersuchung, siehe BLE, 2014, S. 21 f.).

Im Kontext der Diskussionen zu Ursachen und Rahmenbedingungen der (subjektiven) Lebenszufriedenheit zeigt sich somit das große Potenzial, das mit dem Ausbau breitbandiger Netze und darauf aufsetzender Dienstleistungen für dünnbesiedelte, ländlich-periphere Regionen gegeben ist. In der auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit abwägenden Gesamtbetrachtung, dürfen die mit diesen Potenzialen einhergehenden höheren Ressourcen- und Energieverbräuche (Server, Endgeräte, Stromverbrauch, etc.) gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben. Nachfolgend werden jedoch die informations- und kommunikationstechnologischen Potenziale auf den Bereich des eHealth-Angebots in der nordschwedischen Gemeinde Storuman betrachtet. Zuvor wird aber noch knapp auf die theoretische Einschätzung der Nachfrageseite für solche Dienstleistungen eingegangen, wobei dabei lediglich auf die Endnutzerinnen und Endnutzer Bezug genommen wird. In Kap. 5 wird diese Engführung aufgegeben und auch auf die Nachfrage seitens des Krankenhauses von Storuman eingegangen.

Nutzung von IKT in ländlich-peripheren Regionen

Die Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Netzinfrastruktur für netzbasierte Dienstleistungen in ländlich-peripheren Räumen verfolgt neben dem Ziel der Schaffung bzw. Erhaltung hochwertiger wissensbasierter Arbeitsplätze (Anderson et al., 2015) auch das Ziel, Dienstleistungen für Endnutzerinnen und Endnutzer zu erhalten, die andernfalls durch die Schließung von bislang physisch präsenten Einrichtungen wegzufallen drohen. Da diese prekäre Entwicklung gerade in demographisch schrumpfenden Regionen eine besondere Brisanz entfaltet, rücken vor allem diejenigen Menschen, die weiterhin in diesen Regionen leben (wollen), in den Fokus der Betrachtung: ältere Menschen, mit in der Regel geringeren Qualifikationen und geringeren Mobilitätspotenzialen sind hier explizit angesprochen.

Da der demographische Wandel ein Prozess ist, der – regional unterschiedlich – seit etwa zehn bis 30 Jahren räumlich sichtbare Folgen nach sich zieht, stellt sich die Frage der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für diese Zielgruppen ganz besonders. Dabei zeigt sich schon seit Beginn der informations- und kommunikationstechnologischen Entwicklung ein ambivalentes Bild über mögliche Effekte wie beispielsweise Grimes (2000, S. 14) treffend beschreibt:

Initially, some of the theorising about the potential impact of ICTs was overly optimistic, suggesting that they would have a major impact in reducing the effects of distance and inaccessibility of peripheral areas. Scenarios in a Norwegian and Nordic contexts have been much less optimistic than those presented by many futuristic writers [. . .].

Dabei betont Grimes – in diesem Fall für die globale Anbindung lokaler Ökonomien in ländlichen Gebieten – die Gefahr einer rein substituierenden IKT-Strategie, die auch für die hier interessierenden Endnutzerinnen und Endnutzer Gültigkeit besitzt:

The main role of ICTs [. . .] must be seen in a very broad sense, as a means of raising levels of competence [. . .]. The technology should never be regarded as a substitute for a well-thought out strategy for promoting enterprise. (Grimes, 2000, S. 16)

Es sind also neben der Anbindung und damit Überbrückung peripherer Gebiete an die überregionalen Wirtschaftszentren auch Überlegungen zur Aufrechterhaltung von allgemeinen und arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen (Bildung, qualifizierte Arbeitsplätze) zu berücksichtigen. Vor welchen Herausforderungen einer digitalen Partizipation älterer Menschen in peripheren, demographisch schrumpfenden Regionen stehen IKT-basierte Dienstleistungsangebote? In einer 2016 veröffentlichten Studie zur Internetnutzung älterer Menschen in ländlichen Gemeinden Australiens haben Hodge et al. (2016) auch die theoretischen Aspekte dieser Frage eruiert. Dabei beschreiben sie zunächst den auch heute noch nicht gänzlich überwundenen (und daher wenig überraschenden), nach soziodemographischen Kriterien differenzierten „digital divide“:

Older age, along with lower education and income levels, are repeatedly identified as factors that negatively affect Internet usage in a number of developed countries [. . .]. Some groups appear more excluded from using Internet technologies than others, with recent studies suggesting that older women are less likely than older men to use the Internet, ‚older‘ old people (e.g. 75+ years) are less likely than ‘younger’ old people (60-75 years), people living alone less likely than those living with their spouses or families, and people with a disability less likely than those without [. . .]. (Hodge et al., 2016, S. 2)

Die von Hodge et al. durchgeführte Bestandsaufnahme theoretischer Ansätze und empirischer Fallstudien verweist vor allem – und das gilt es für die Beurteilung des Nutzungsverhaltens IKT-basierter Dienste explizit hervorzuheben – auf die Komplexität der Gründe für einen zurückhaltenden Einsatz von technologisch vermittelten Angeboten:

Recent studies in several developed countries explored the reasons for restricted Internet use among older people in more detail [. . .]. The most commonly identified barriers include: a lack of basic computing and Internet literacy skills; a lack of confidence in people’s own ability to learn those skills; a lack of access to adequate training and learning environments which target the specific needs of older people; fear of fast-changing technologies and the need to constantly re-learn skills; a lack of regular access to computers or the Internet due to prohibitive costs; persistent concerns about online privacy and safety issues; fears about embarrassing oneself in front of others; physical constraints related to mobility, visual impairment, fine motor skills, or mental limitations; and a perceived lack of time. (Hodge et al., 2016, S. 2)

Aus dieser Einschätzung lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass sich die Nutzung IKT-basierter Dienstleistungen bzw. deren Nutzungsbereitschaft durch ältere Menschen in peripheren Regionen einer einfachen binären Unterscheidung in Nutzung versus Nicht-Nutzung entzieht. Vielmehr spielen – auch und gerade im Zusammenhang mit der Diskussion zu persönlicher Lebenszufriedenheit – eine Reihe von Faktoren und deren Zusammenwirken eine große Rolle, die eine situative und selektive Nutzung von IKT-Dienstleistungen im Allgemeinen und eHealth-spezifischen im Besonderen als zutreffendere Bewertung erscheinen lassen. Auch sind zeitliche Entwicklungspfade der technologischen wie der sozialräumlichen Entwicklungen sowie vertrauensbildende Maßnahmen der involvierten Protagonistinnen und Protagonisten als Einflussgrößen zu berücksichtigen. Gute Ideen stoßen nicht überall gleichermaßen auf ungeteilte Zustimmung und mitunter brauchen innovative Ansätze auch ihre Zeit. Die nachfolgende Skizzierung der empirischen Fallstudie für das schwedische Storuman versucht, ein entsprechend differenziertes Bild derartiger Ansätze zu zeichnen.

eHealth-Services: das Beispiel Storuman, Provinz Västerbotten, Schweden

Die in den folgenden Abschnitten dargelegten Befunde zum Angebot und zur Nutzung von eHealth-Diensten beruhen auf empirischen Untersuchungen, die von einem internationalen Forscherteam am Standort des Krankenhauses in Storuman durchgeführt wurden. Diese Untersuchungen wie auch der Aufbau des nachfolgend beschriebenen Virtual Health Rooms sowie der Ausbau des Krankenhauses zu einem Centre for Rural Medicine sind maßgeblich durch den ärztlichen Direktor des Krankenhauses, Dr. Peter Berggren, initiiert und vorangetrieben worden.

Die Gemeinde Storuman in der Region Västerbotten

Die Gemeinde Storuman gehört zur Provinz Västerbotten (knapp 265.000 Einwohnerinnen und Einwohnern) und verfügt bei einer Fläche von 8300 km2 über knapp 6000 Einwohnerinnen und Einwohner (2016). Der Ort Storuman selbst hat knapp 2200 Einwohnerinnen und Einwohner (2015). Die nächstgelegenen größeren urbanen Zentren sind Umeå mit ca. 83.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, Skellefteå mit 35.500, Piteå mit 23.000 und Luleå mit 43.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Auf norwegischer Seite ist noch das regionale Zentrum Mo i Rana mit 18.000 Einwohnerinnen und Einwohnern für das westliche Gemeindegebiet von Bedeutung. Zu den kleineren urbanen Zentren in den Nachbargemeinden von Storuman zählen Vilhelmina (3500 Einwohnerinnen und Einwohner), das über einen Regionalflughafen verfügt, Lycksele (8500 Einwohnerinnen und Einwohner) und Sorsele (1200 Einwohnerinnen und Einwohner) (Wikipedia, 2020).

Die demographische Entwicklung der Region Västerbotten ist, mit Ausnahme des Regionalzentrums Umeå, seit etwa zwei Jahrzehnten durch eine Bevölkerungsabnahme geprägt, und zwar sowohl durch eine negative natürliche als auch räumliche Bevölkerungsentwicklung (Gløersen et al., 2005, S. 66 ff.; Hansen et al., 2012, S. 63). Während die Gemeinde Umeå einen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen hatte, nahm die Bevölkerung in allen übrigen Gemeinden der Provinz zwischen 3 % und 13 % (Geburtensaldo) bzw. 1 % und 10 % (Wanderungssaldo) ab. Abb. 1 verdeutlicht diese Entwicklung exemplarisch für die Jahre 2007 bis 2009. Die Bevölkerungsentwicklung der letzten zwei Jahrhunderte war allerdings – auf der aggregierten Maßstabsebene der beiden Provinzen Västerbotten und Norrbotten – durch einen kontinuierlichen Bevölkerungszuwachs gekennzeichnet, wie Abb. 2 zeigt. Die kleinräumigen Unterschiede auf kommunaler Ebene spiegeln gleichwohl den gegenwärtig allgemeinen demographischen Trend urbanen Wachstums und ruraler Schrumpfung auch in dieser Region idealtypisch wider.

Abb. 1
figure 1

Bevölkerungsveränderung in Skandinavien zwischen 2007 und 2009. (Hansen et al., 2012, S. 51)

Abb. 2
figure 2

Bevölkerungsentwicklung in Norrbotten und Västerbotten von 1805 bis 2005. (Keskitalo et al., 2013, S. 359)

Eine im Auftrag des Helsinki Design Lab (HDL, 2020) von Sällström (2009) durchgeführte demographische Prognose für die Provinz Västerbotten bis 2030 kommt zu dem Schluss, dass bis auf die Gemeinde Umeå alle übrigen Gemeinden Einwohnerinnen und Einwohner verlieren werden. Dieser Rückgang ist wesentlich auf die Abnahme der Alterskohorten 0 bis 19 Jahre und 20 bis 64 Jahre zurückzuführen, während der Anteil der 65+ Jährigen fast ausnahmslos Zuwächse verzeichnen wird, wie Tab. 1 verdeutlicht. Für die Gemeinde Storuman würde das einen Rückgang von ca. 15 % betragen, und auch für die Nachbargemeinden Sorsele (−43 %), Vilhelmina (−27 %) und Lycksele (−12 %) wären die demographischen und damit ökonomischen und sozialen Folgen gravierend. Die künftige Alterung der Bevölkerung in den dünnbesiedelten ländlich-peripheren Gemeinden ist somit sowohl auf die saldierte Abwanderung jüngerer Menschen als auch die saldierte Zunahme älterer Menschen zurückzuführen.

Tab. 1 Prognostizierte Bevölkerungsveränderung bis 2030 in den Gemeinden der Provinz Västerbotten. (Sällström, 2009)

Dieses für periphere Räume charakteristische demographische Muster zeigt bereits jetzt (potenzielle) Auswirkungen für den Arbeitsmarkt sowie die gesamte Infrastruktur, wie sich an Abb. 3 ablesen lässt. Sinkt der Anteil junger, im erwerbsfähigen Alter befindlicher Menschen gegenüber älteren, noch im Erwerbsleben befindlicher Menschen, sind davon sowohl die Diversität des Arbeitsangebots als auch die Ausstattung mit öffentlicher Verkehrs-, Versorgungs- und sozialer Infrastruktur betroffen. Insofern sind Bemühungen wie jene des Krankenhauses in Storuman so wichtig, um eine zumindest technologisch vermittelte Aufrechterhaltung medizinischer und sozialer Angebote zu gewährleisten. Dabei handelt es sich, wie erwähnt, um komplementäre Dienste, da das Krankenhaus, wie nachfolgend dargelegt, auch am Standort selbst über eine hochwertige medizinische Apparatur verfügt.

Abb. 3
figure 3

Altersquotient der 15–24-Jährigen zu den 55–64-Jährigen in Skandinavien 2011. (Hansen et al., 2012, S. 60)

Die standörtliche und telemedizinische Infrastruktur des Krankenhauses von Storuman

Um die Basisversorgung der Gemeinde Storuman und nahegelegener Orte der Nachbargemeinden mit medizinischen Funktionen zu gewährleisten, wurde in den letzten Jahren sowohl in die lokale Infrastruktur des Krankenhauses als auch in die telemedizinische Infrastruktur der Region investiert. Das Krankenhaus verfügt über einen Notfallraum mit Intubations- und Defibrillationsgeräten, ein teleradiologisches Gerät, das es erlaubt, hochaufgelöste Bilddaten von Patientinnen und Patienten in Echtzeit in das Universitätsklinikum Umeå zu schicken sowie einen Operationsraum, in dem kleinere operative Eingriffe vor Ort durchgeführt werden können. Wenn gewünscht oder erforderlich, können Spezialistinnen und Spezialisten des Universitätsklinikums Umeå zu diesen Operationen zugeschaltet werden. Ferner werden die Patientinnen- und Patientendaten (Texte und Bilder) in einer Datenbank gespeichert, auf die auch andere Krankenhäuser der Provinz und die Apotheken der Gemeinde Zugriff haben (Berggren, 2016).

Weitere geplante Projekte sind der Aufbau von „Virtual Health Rooms (VHR)“ (ein erster realisierter VHR wird im nächsten Kapitel beschrieben), so genannte „Doctors at Distance“, die während ihres Bereitschaftsdienstes auch Patientinnen und Patienten aus entfernten Ortschaften beraten und untersuchen können, sowie virtuelle kardiologische Ultraschalluntersuchungen. Für alle diese Aktivitäten steht dem Krankenhaus in Storuman ein Breitbandnetz mit bis zu 1000 Mbit/s zur Verfügung, das sich im Eigentum der öffentlichen Hand befindet (Abb. 4). Hier wird der investitionspolitische Stellenwert des öffentlichen Sektors zur Versorgung von öffentlichen Einrichtungen – aber auch privaten Unternehmen – deutlich, da ohne ein entsprechend leistungsfähiges Kommunikationsnetz die beschriebene telemedizinische Infrastruktur nicht adäquat funktionieren würde.

Abb. 4
figure 4

Das Hochleistungsnetz der Provinz Västerbotten. (Berggren, 2016)

Durch das Engagement der Klinikleitung und der Provinzregierung zum Auf- und Ausbau einer medizintechnisch hochentwickelten Infrastruktur am Krankenhausstandort selbst sowie dezentral in den umliegenden Ortschaften konnte nicht nur das Angebot an medizinischen Dienstleistungen kontinuierlich ausgebaut und damit ein Beitrag zur Erhaltung einer hohen Lebenszufriedenheit geleistet werden, sondern es trug auch zur allgemeinen Attraktivitätssteigerung von Storuman bei. So bietet das Krankenhaus gut entlohnte Arbeitsplätze für hochqualifiziertes Personal (Medizinerinnen und Mediziner, Technikerinnen und Techniker, etc.) bei gleichzeitig günstigen Lebenshaltungskosten in einer attraktiven Umgebung, insbesondere für Freizeitaktivitäten.

Diese Entwicklung verdankt sich auch einer internationalen Kooperationsstrategie des Krankenhauses. Zu den Partnerinnen und Partnern dieser Kooperation gehören medizinische, öffentliche und wissenschaftliche Institutionen in Schottland, Norwegen, Grönland, Island, Irland und Kanada. Mit diesen Aktivitäten ist zudem auch ein funktionaler Wandel des Krankenhauses einhergegangen, der sich in der Etablierung eines „Centre for Rural Medicine“ (CRM) manifestiert, das maßgebliche Impulse im Bereich Forschung und Entwicklung setzt. Das 2011 gegründete CRM, das mit Unterstützung des Primary Care Departments der Provinzregierung von Västerbotten errichtet wurde,

[. . .] is an initiative [. . .] to support a research and development unit aiming to bring together government, university, and industry stakeholders to find solutions for persisting rural health issues such as the recruitment, retention, and training of health professionals, the use of distance-bridging technologies and the design of primary care services for small and isolated settlements. (Berggren, 2016, o. S.)

Das unter dem Begriff „University-Community-Engagement (UCE)“ firmierende Projekt ist ein Versuch, Forschung „in non-campus rural locations“ zu betreiben. Die ursprüngliche Fokussierung auf medizinische Forschung und Entwicklung konnte dadurch in den letzten zwei bis drei Jahren kontinuierlich um weitere Themenfelder erweitert werden.

Initially, the focus of engagement was around health and medicine, but more and more CRM is assisting government, communities and universities to work together on issues related to rural development more generally. As a result, the current plan is to re-establish CRM as the Centre for Rural Research and Innovation, and more formally assert its capacity to assist a wide scope of UCE. The ambition is exploit the strengths of CRM in its fields of interest (distance bridging technologies, remote area service design and delivery, economic and demographic modelling, and Sami health and wellbeing) and its expertise in engaging universities, government and industry in research and development projects to underpin the new Centre. (Berggren, 2016, o. S.)

Mithilfe des University-Community-Engagements konnte auch ein erster Virtual Health Room errichtet werden, der dazu dient, telemedizinische Dienstleistungen dezentral in peripher gelegenen Orten der Gemeinde Storuman anzubieten.

Der Virtual Health Room – eine telemedizinische Dienstleistung für Endnutzerinnen und Endnutzer

Eine Maßnahme, die Lebenszufriedenheit von Menschen in sehr entlegenen Ortschaften der Gemeinde Storuman zu erhalten bzw. zu verbessern, ist der Virtual Health Room (VHR). Umgesetzt wird sie in Siedlungen mit nur wenigen Einwohnerinnen und Einwohnern und einem nur eingeschränkten oder fehlenden Angebot an medizinischen Dienstleistungen. Auch ist die Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln (insbesondere wegen geringer Taktfrequenz) in nur geringem Maße gegeben. Das Angebot der Nutzung der VHRs richtet sich grundsätzlich an alle Einwohnerinnen und Einwohner, vor dem Hintergrund der dargelegten demographischen Situation wendet es sich aber insbesondere an ältere Menschen. Im Unterschied zu VHRs in anderen Ländern, setzt das nordschwedische Konzept vor allem auf ein kontinuierliches Monitoring des Gesundheitszustands von Patientinnen und Patienten. Sie können die medizinischen Geräte – unter anderem zur Messung des Blutdrucks, des Blutzuckers oder des Herzrhythmus‘ – sowohl unter fachlicher Betreuung als auch selbständig nutzen. Die Testergebnisse werden automatisch und datenschutzrechtlich sicher in einer Datenbank des Krankenhauses gespeichert.

Daneben besteht in manchen VHRs die Möglichkeit, mit den Ärztinnen und Ärzten in Storuman über Videokonferenz ohne Zeitverzögerung in Kontakt zu treten. Hierbei ist das Angebot mitunter deutlich ausgeweitet und umfasst neben anderem auch Beratung und Betreuung psychischer und kognitiver Belange (County Council of Västerbotten, 2016). Initiiert wurde das Projekt mit Hilfe von Nordic Health Innovation, einem in Storuman ansässigen Unternehmen. Neben den medizinischen und sozialen Erwartungen an VHRs sind auch die ökonomischen Erwartungen hoch, wie der CEO von Nordic Health Innovation, Jonas Berggren, in einem Zeitungsinterview betont: „If one of ten visits to a primary healthcare unit were being conducted virtually, SEK 1.2 billion could be saved by the county councils of Sweden every year“. (Näringsliv, 2016, o. S.)

Der erste VHR wurde 2014 in Slussfors, einer Ortschaft mit 120 Einwohnerinnen und Einwohnern und 60 km nordwestlich von Storuman gelegen, errichtet. Das Durchschnittsalter der Bewohnerinnen und Bewohner liegt bei 46 Jahren. Drei- bis viermal täglich fahren Busse in das 300 km entfernte Umeå. Der VHR in Slussfors wurde als telemedizinisches Pilotprojekt initiiert und mit EU-Förderung unterstützt, um zum einen die technischen und technologischen Anforderungen zu testen und zum anderen die sozialen Bedürfnisse und Sorgen der Nutzerinnen und Nutzer zu evaluieren.

The Virtual Health Room (VHR) concept uses Internet and medical technologies to provide some basic primary health services in locations where there is no or limited local access to a general practitioner. The VHR includes facilities for tele-consultations, self-administered blood testing, and health checks (blood pressure, heart rate etc.). In theory, patients can use these facilities without assistance, but in practice a district nurse, health assistant, friend or family member usually accompanies users, particularly new users. (Berggren, 2016, o. S.)

Die Kosten für die Einrichtung des VHR Slussfors beliefen sich auf etwa 20.000 € (Kristiansson & Nørgaard Granum, o. J.).

Auf die Einrichtung des VHR in Slussfors folgten weitere Virtual Health Rooms in der Provinz Västerbotten, so unter anderem in Adak (Gemeinde Storuman) und Bastuträsk (Gemeinde Norsjö). Im Rahmen einer Exkursion mit Studierenden wurde der VHR in Adak im September 2019 vom Autor besucht. Der Ort mit 160 Einwohnerinnen und Einwohnern verfügt über ein kleines Lebensmittelgeschäft mit integrierter Poststelle, einer Tankstelle und einem Betrieb, der Bootsanhänger produziert. Da nur sechs Kinder im Ort leben, gibt es weder Kindergarten noch Schule. Die meisten Erwerbstätigen arbeiten in den Minen in Kristineberg (40 km entfernt) oder Kiruna (420 km entfernt; hier haben die Minenarbeiterinnen und -arbeiter eine 10-Tage-Schicht). Der laufende Betrieb des VHR wird von einem pensionierten Einwohner gewährleistet. Die fachliche Betreuung übernehmen stundenweise ehemalige Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger des Krankenhauses Storuman, die ehrenamtlich tätig sind. Mit Stand September 2019 ist der VHR in Adak mit einem Videokonferenzsystem, Geräten zur Blutmessung und einer kleinen Ambulanz ausgestattet. Neben den telemedizinischen Angeboten spielen die persönlichen Beratungsgespräche – insbesondere mit der älteren Bevölkerung – eine große Rolle.

2016 wurde der VHR in Slussfors evaluiert. Hierfür wurde ein umfassendes Konzept gewählt, das neben den technologischen auch die sozialen Anforderungen untersuchte. Einbezogen wurden die Bedienungsfreundlichkeit der Geräte („usability“), die erzielbare Wirkung auf das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer („performance“ und „impact“), die komparativen Kostenvorteile (bzw. Kostennachteile) („costs“) und die Innovationspotenziale („improvement“) (Abb. 5). Der Faktor „Impact“ erstreckt sich dabei auch auf das allgemeine Gesundheitsbewusstsein, beinhaltet somit auch gewissermaßen einen „Erziehungseffekt“: die Aktivierung von Personen und insbesondere von Patientinnen und Patienten zur Nutzung des VHR

[. . .] assesses how knowledgeable patients are about their health conditions and the factors that influence their health, how skilled they are in managing their own health, and how confident they are in managing their own health under a number of scenarios. (Berggren, 2016, o. S.)

Abb. 5
figure 5

Framework zur Evaluation des Virtual Health Rooms in Slussfors. (Berggren, 2016)

Hinsichtlich der Evaluation der sozialen Anforderungen spielen der Nutzen für die Gesundheit („outcomes“), die möglichen Hürden der Nutzung („barriers“), das Vertrauen in die Technologie („safety and security“) und die möglichen Bereiche des Einsatzes („contexts“) eine Rolle.

Mit diesen Kriterien wurde 2015 eine erste, nicht repräsentative Untersuchung unter den Nutzerinnen und Nutzern des VHR in Slussfors durchgeführt. An der ausführlichen Befragung nahmen 19 von insgesamt 25 Einwohnerinnen und Einwohnern, die den VHR über einen Zeitraum von durchschnittlich sechs Monaten in Anspruch genommen haben, teil. Das Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lag über 45 Jahre. Die Bewertung der obigen Kriterien erfolgte mithilfe einer fünfstufigen Likert-Skala von 0 (keine Bedeutung) bis 4 (sehr hohe Bedeutung). Eine erste, vorläufige Auswertung der Daten und Gespräche ergab folgendes Bild: Die Aspekte „Sicherheit“ und „Vertrauen“ der Patientinnen und Patienten in die angebotenen eHealth-Technologien – die Messung von Blutwerten und Blutdruck sowie Beratungsgespräche mit dem Ärzteteam von Storuman – wurden im Durchschnitt mit 2,95 bewertet. Der verbesserte Zugang zu Gesundheitsdiensten durch eHealth-Infrastrukturen kam auf einen Wert von 2,70. Die befragten Männer zeigten sich mit dem Angebot des VHR zufriedener als die Frauen, betrachteten aber die tatsächliche Nutzung der Angebote für sich selbst zurückhaltender (das mag mit dem bekannten Umstand zusammenhängen, dass das Untersuchungsverhalten von Männern gegenüber jenem von Frauen unterschiedlich ist, vgl. Ärzteblatt.de). Die jüngeren Befragten äußerten sich über die Innovationspotenziale positiver und bewerteten insbesondere die Ausweitung des Angebots medizinischer Dienstleistungen am Wohnort positiv. Die Entfernung des Wohnortes (innerhalb von Slussfors) zum VHR hatte keinen Einfluss auf die Bewertung und Nutzung des VHR. Insgesamt sehen die Betreiberinnen und Betreiber des VHR zwar noch einen Verbesserungsbedarf in der allgemeinen Wahrnehmung und Nutzungsbereitschaft der eHealth-Dienstleistungen, zeigten sich mit der Pilotphase insgesamt aber zufrieden (Berggren, 2016).

Fazit

Die Verfügbarkeit leistungsfähiger Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen leistet einen aktiven Beitrag in der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit regionalen Disparitäten und ihren Folgen. Auch wenn von einer unbedingten Kausalität technologischer und ökonomischer bzw. soziokultureller Entwicklungen nicht ausgegangen werden kann, so schaffen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) doch nutzbare Rahmenbedingungen für räumlich und zeitlich spezifische Anwendungspotenziale. Insofern sind die Ausbaustrategien für Breitbandnetze gerade in peripheren, dünn besiedelten oder schrumpfenden Regionen ein wichtiger Impuls, die Autonomie dieser Regionen und die Selbstbestimmung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zu stärken.

Es scheint jedoch wichtig, dass technologische Errungenschaften eine komplementäre Funktion zu lokal standörtlichen Einrichtungen einnehmen, damit soziale Interaktionen ihre face-to-face Komponente nicht verlieren. Gerade hierüber lassen sich, wie dies auch die ersten Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen für das eHealth-Angebot der Gemeinde Storuman zeigen, virtuelle Dienstleistungen nachhaltig vermitteln. Auf diese Weise leisten derartige Angebote einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung oder sogar Steigerung von Lebenszufriedenheit in diesen infrastrukturell angespannten Regionen. Dies gilt sowohl für die häufig ehrenamtlich tätigen Menschen in den VHRs, die nach ihrer beruflichen Phase als Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pflegern eine erfüllte Zeit in ihrem Heimatort haben, als auch für die Bewohnerinnen und Bewohner, denen eine nahräumliche medizinische Versorgung angeboten wird. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl nach innen und die Anerkennung ihrer Lebensbedingungen nach außen. Die Möglichkeit der Nutzung breitbandiger IKT-Netze und darüber angebotener Dienstleistungen bietet ferner Chancen einer regionalökonomischen Attraktivitätssteigerung, wie das Beispiel der Entwicklung des Krankenhauses von Storuman eindrucksvoll belegt. So konnten mit der Etablierung fortschrittlicher eHealth-Dienste hochwertige wissensbasierte Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden, die der Gemeinde insgesamt Standortvorteile verschafft. Auch hat sich durch diese Maßnahmen das Krankenhaus zu einem überregional bedeutsamen Zentrum für ländliche Forschung und Entwicklung etablieren können.

Für die Beurteilung bisheriger und künftiger Entwicklungsschritte virtueller Technologien bleibt schließlich festzuhalten, dass deren Inanspruchnahme nicht einer einfachen Dichotomie in Nutzung bzw. Nicht-Nutzung unterliegt, sondern vielmehr eine selektive und situative Nachfrage impliziert. Dies gilt es bei der Bewertung des Erfolgs dieser Technologien zu berücksichtigen, denn es ist nicht die Technologie alleine, die über eine intensive Nutzung entscheidet, sondern es braucht vor allem auch die Menschen, die sie kompetent bedienen können und damit Vertrauen für ihren Gebrauch schaffen.