Schlagworte

Was bedeutet „fit sein“?

Der Begriff „Fitness“ oder „fit sein“ ist in aller Munde, doch was meinen wir damit? Aus dem Englischen kennen wir das Wort „to fit“ also „passen, für etwas geeignet sein“. Die aktuelle Ausgabe des Online-Dudens konkretisiert die Bedeutung des Wortes Fitness im Deutschen folgendermaßen:

„gute körperliche Verfassung, Leistungsfähigkeit “ (Dudenredaktion, 2020)

Fit zu sein bedeutet also, dass die Verfasstheit des Körpers für eine benötigte Leistung adäquat passt. Ist die Art der geforderten Leistung dabei noch nicht spezifiziert, bedarf es weiterer Konkretisierung. So kann man zum Beispiel körperlich in der Lage, also fit sein, um einen Marathon zu laufen und gleichzeitig „unfit“ in Bezug auf die Kraftfähigkeiten, die für das Heben schwerer Gewichte erforderlich sind. Man kann auch fit sein, um mit dem Mountainbike enorme Leistungen in der Bergauffahrt zu realisieren, jedoch so unbeweglich in den Gelenken, dass eine gesunde Hockposition am Boden verunmöglicht wird. Ist mit „Fitness“ das Meistern allgemeiner Herausforderungen und Tätigkeiten des Alltags gemeint, so spricht man von „funktionaler Fitness“.

„functional fitness is defined as having the physiologic capacity to perform normal everyday activities safely and independently without undue fatigue.(Rikli & Jones, 1999, p. 163)“

Wenn es das Ziel ist, so lange wie möglich körperlich selbstständig in den eigenen vier Wänden zu leben führt der Weg über die Verbesserung beziehungsweise den Erhalt der funktionalen Fitness (Ackermann & Oswaldo, 2008; Rikli & Jones, 1997).

In Bezug auf die Definition von Rikli und Jones (1997) baut die funktionale Fitness auf den körperlichen Fähigkeiten (physische Kapazität wie z. B. Kraftfähigkeit) auf und zeigt sich in Fertigkeiten (wie z. B. Einkäufe nach Hause tragen können). Erst eine Kombination aus der Fertigkeit etwas zu können mit der Fähigkeit dies entsprechend ohne übermäßige Ermüdung ausführen zu können, lässt uns funktional fit sein. Das bedeutet, es braucht mehr als „nur“ kräftig oder ausdauernd oder „geschickt“ zu sein, um für die vielfältigen Aufgaben des Alltags gerüstet zu sein.

Funktionale Fitness (Erfassung und Training)

Funktonale Fitness im Zeitverlauf

Der menschliche Körper beginnt nicht erst ab einem gewissen Lebensabschnitt zu altern. Im Grunde begleitet uns der Alterungsprozess ein Leben lang. Bezogen auf die körperliche Leistungsfähigkeit startet der Abbau unterschiedlich spät und betrifft alle Körperfunktionen und -strukturen. Ein gesunder Lebensstil, der regelmäßige Bewegung beinhaltet, kann dabei unterstützen, die körperliche Leistungsfähigkeit lange zu erhalten (Chodzko-Zajko et al., 2009; Lepperdinger, 2018).

Empfehlungen

Die österreichischen Empfehlungen für gesundheitsförderliche Bewegung raten zu einem Mehrkomponentenprogramm, das das Training der motorischen Fähigkeitsbereiche Ausdauer, Kraft und Koordination wie auch Beweglichkeit beinhaltet. Für gesunde Personen ab 65 Jahren gelten folgende Empfehlungen:

Aktivitäten im niederintensiven bis mittleren Intensitätsbereich, wie zum Beispiel Spazierengehen oder lockeres Radfahren, sollten für mindestens 150 min pro Woche ausgeübt werden. Wählt man höhere Intensitäten, wie zum Beispiel eine flotte Radtour oder intensive Gartenarbeit, kann der Mindestzeitaufwand um die Hälfte verkürzt werden. Die Einheiten sollten möglichst auf mehrere Tage aufgeteilt werden sollen, um gesundheitswirksame Effekte hervorrufen zu können. Eine Erhöhung des Bewegungspensums auf 300 min niederintensiver, beziehungsweise 150 min mittel- bis höherintensiver Bewegung wird für zusätzlichen Nutzen vorgeschlagen. Kraftübungen sollen mindestens zweimal pro Woche ausgeführt werden. Hier hat man vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Wichtig ist dabei, dass alle großen Muskelgruppen beziehungsweise Muskelschlingen gekräftigt und somit Übungen für jede Körperpartie eingeplant werden. Zusätzlich wird geraten, Gleichgewichtsübungen zur Sturzprävention und Beweglichkeitstraining in das Bewegungsprogramm einzubauen (Titze et al., 2010). Durch Empfehlungen wie diese, wird es möglich das komplexe, geplante Handeln des Sports in den Breitensport zu bringen und das Trainingsziel des Gesunderhaltens des Körpers umzusetzen. (Martin et al., 2001) Das Ziel, im Alter die körperlichen Fähigkeiten möglichst lange aufrecht zu erhalten, um alltägliche Aktionen ohne Unterstützung ausführen zu können, kann also durch konsequente Aktion erreicht werden. (Concannon et al., 2012).

Erfassung der Funktionalen Fitness

Funktionale Fitness ist, wie eingangs bemerkt, ein multifaktorielles Konstrukt, das aus mehreren physischen Parametern wie Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Agilität und Balance geformt wird (Rikli & Jones, 1997). Um dies vollumfänglich zu trainieren empfiehlt sich darum ein mehrkomponentiger Trainingsansatz, der alle Komponenten, wie auch ihr Zusammenspiel berücksichtigt (Bouaziz et al., 2016; Chodzko-Zajko et al., 2009; Jungreitmayr, 2018).

Systematisches Training beginnt dabei nicht mit dem Ausführen der Programme, sondern startet mit einer Evaluierung des aktuellen körperlichen Zustandes (vgl. Abb. 1) der zu trainierenden Person durch eine fachkundige Person. Nur wenn der die körperliche Ausgangssituation bekannt ist, kann die Intervention bzw. das Training auf das Individuum passend abgestimmt werden.

Abb. 1
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(Eigene Darstellung)

Ablauf einer Trainingsbetreuung

Es gibt es verschiedene Möglichkeiten den Ist-Zustand in diesen Teilbereichen der funktionalen Fitness festzustellen, die sich im Wesentlichen in indirekte Erfassung via Fragebögen und direkte Erfassung via Testungen einteilen lassen (siehe Tab. 1).

Tab. 1 Erhebungsmöglichkeiten

Aus derartigen Einzelerfassungen wurden seit Anfang der 1990er-Jahre eine Reihe von Testbatterien erstellt (Varela et al., 2008). Eine klassische Testbatterie zur Erfassung der funktionalen Fitness älterer Personen besteht also aus Einzeltestungen, die gemeinsam eine breite Palette an Fähigkeiten und/oder Gesundheitsmarkern abbilden und somit in der Gesamtheit ein Urteil über die funktionale Fitness zulassen.

Nebst diesem mehrkomponentigen Design der Eingangserhebungen gibt es hier weitere wichtige Punkte zu beachten. Ein Aspekt, der in allen populären Testsammlungen berücksichtigt wird, ist die Durchführbarkeit unter einfachsten Rahmenbedingungen. Bei der Auswahl der Einzeltestungen wird daran gedacht, möglichst wenig Hilfsmittel zu benötigen. Die Durchführung der Testungen soll abseits von Labors, in Turnhallen, Gemeindeeinrichtungen etc. durchführbar sein, um möglichst einfach umgesetzt werden zu können.

Training der Funktionalen Fitness

Ist der aktuelle Fitnesszustand erfasst, kann damit begonnen werden ein passendes Trainingsprogramm zu erstellen. Hierbei müssen die Ergebnisse der Testungen berücksichtigt werden, um gute Effekte zu erzielen.

Ist ein Teilbereich der funktionalen Fitness stark unterrepräsentiert, sollte der Fokus, nebst dem Erhalt der ausreichend ausgeprägten Komponenten, auf das Verbessern dieses Bereiches gelegt werden. Bei ausgewogener funktionaler Fitness sollte ein Programm, da alle Teilbereiche berücksichtigt und gleichzeitig Augenmerk auf den Bereich der Kraft legt, entwickelt werden (Jungreitmayr, 2018; Seguin & Nelson, 2003; Toigo, 2019).

Um ein wirkungsvolles Trainingsprogramm für ältere Personen zu entwickeln ist ein individueller Ansatz, der sich an gängigen Trainingsprinzipien orientiert, zu empfehlen (Byra, 2020; Fragala et al., 2019; Titze et al., 2010). Das bedeutet, neben ausreichender Trainingshäufigkeit (2–3 mal pro Woche) muss ein trainingswirksamer Reiz für große Muskelgruppen gesetzt werden, der im Laufe der Zeit an die steigende physische Leistung angepasst werden soll (Fragala et al., 2019).

Während es im Umfeld der professionellen Fitness- und Trainingsstudios ein Leichtes ist, die Reizintensität zum Beispiel über das Hinzufügen von Gewichten zu steuern, muss beim Heimtraining besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Übungen gesetzt werden. Bei sorgsamer Zusammenstellung des Übungsprogrammes (vgl. Tab. 2) kann jedoch in nahezu jedem Setting ein erfolgreiches Training durchgeführt werden (King et al., 1991; Nelson et al., 2004).

Tab. 2 Trainingsempfehlungen (Jungreitmayr & Ring-Dimitriou, 2016)

Ist das Trainingsprogramm erstellt, folgt der wesentliche Teil, nämlich das Ausführen der Bewegungseinheiten über einen längeren Zeitraum. Diese langfristige Teilnahme an der Intervention scheint einer der wichtigsten Parameter in Bezug auf die nachhaltige Änderung der kraftrelevanten Parameter zu sein (Silva et al., 2014).

Aus diesem Grund soll neben der inhaltlich gelungenen Ausgestaltung des Trainings auch das Aufrechterhalten hoher Adhärenzraten über einen langen Zeitraum Beachtung finden. Eine Herausforderung ist dabei, dass es zum aktuellen Zeitpunkt wenig Konsens darüber gibt, wie Adhärenz definiert und in Programmen für ältere Personen gemessen werden soll (Hawley-Hague et al., 2016). Ein Grund dafür kann in der multifaktoriellen Natur des Konstruktes Adhärenz liegen.

Adhärenz ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Diese lassen sich in demographische, gesundheitsbezogene, physische und psychologische Faktoren einteilen. All diese Fakten berücksichtigend, gibt es die erste Evidenz, dass supervidierte Interventionen besser abschneiden als völlig unsupervidierte Varianten (Picorelli et al., 2014).

Dies zeigt ein Spannungsfeld zwischen möglichem Angebot und potenziell steigender Nachfrage auf: Die Datenlage weist darauf hin, dass viele Menschen das derzeit empfohlene Ausmaß für gesundheitsförderliche Bewegung nicht erreichen (Finger et al., 2017; Nauman et al., 2017). Einen detaillierteren Blick auf die Lage bei Personen über 60 Jahren gibt ein Bericht der WHO (2020), der feststellt, dass es bereits 14 % der Personen über 60 Jahren an funktionalen Fähigkeiten im täglichen Leben, mangelt. Es braucht also leistbare Lösungen um mehr Menschen, besonders die Personen im höheren Erwachsenenalter, mit effektiven Fitnessprogrammen zu versorgen.

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien scheinen hier großes Potenzial für Lösungen bereitzuhalten (Irvine et al., 2013; Neri et al., 2017). Durch den Einsatz von Assistenzsystemen und modernen Kommunikationstools könnten mehr Personen mit individuellen Trainingsprogrammen erreicht werden (Khanuja et al., 2018). Diese technischen Lösungen könnten leistbarer und barrierefreier gestaltet werden als bisherige Angebote und somit eine wirkungsvolle Methode sein, mehr Menschen länger fit zu halten (de Souto Barreto et al., 2021).

Assistenzsysteme zur Förderung der funktionalen Fitness

„Der Begriff „Altersgerechte Assistenzsysteme“ (…) ist ein Oberbegriff für Produkte und Dienstleistungen, welche die täglichen Aktivitäten älterer Menschen mit technischen Mitteln unterstützen (Brach et al., 2012).“

Altersgerechte Assistenzsysteme erfreuen sich regen Interesses in Wirtschaft und Forschung. Sie versprechen kostensensitive, neue Möglichkeiten um die negativen Auswirkungen des aktuellen demographischen Wandels, wie zum Beispiel den Anstieg altersbedingter Erkrankungen, erhöhter Bedarf in der Pflege bei gleichzeitigem Pflegekraftmangel und damit einhergehenden gesellschaftlichen Konsequenzen, entgegenzuwirken beziehungsweise diese zu dämpfen (Nagel, 2017).

Darüber hinaus machen ökonomische Aspekte, wie zum Beispiel die Entwicklung innovativer Geschäftsideen und das Generieren von neuen Arbeitsplätzen, durch ebendiese diesen Sektor zu einem für viele Disziplinen interessanten Arbeits- und Forschungsbereich. Die Antwort auf die Frage, ob die vielversprechenden Aussichten tatsächlich eintreten und die neuen Systeme die oft proklamierten Versprechen der Entwickler*innen einzuhalten vermögen, stand vor wenigen Jahren noch aus (Becker & Goletz, 2012).

Mittlerweile scheint sich die Lage zu klären und die erfolgreichen Assistenzsysteme kristallisieren sich heraus (Nagel, 2017). Smartphones, Tablets, Sensoren, Fernsteuerungen und große Displays an Haushaltsgeräten, tragbare Activity Tracker, Telemonitoring, webbasierte Plattformen und vieles mehr sind in den theoretischen Konzepten und Prototypen im Vormarsch. Nun kommt es darauf an, ob und in welchen Bereichen dieses technologische Potential erfolgreich umgesetzt werden kann (Braun et al., 2016; Knorre et al., 2020).

Anwendungsmöglichkeiten der Assistenzsysteme

In Österreich wird das Thema AAL (active assisted living) seit einigen Jahren beforscht. Es gibt bereits einiges an Erfahrung aus abgeschlossenen und auch laufenden Projekten die unterschiedliche Aspekte beleuchten (AAL, 2020; AALA, 2020). Nicht alle diese Projekte haben oder hatten einen klaren Fokus auf das körperliche Training beziehungsweise den Erhalt der funktionalen Fitness im Alter.

An dieser Stelle werden drei Projekte vorgestellt, deren Fokus auf Gesundheitsförderung via Bewegung und Training gelegt waren. Nachfolgende Zeilen widmen sich den Inhalten, die dem Training der funktionalen Fitness gewidmet waren.

Fitnesstraining und Bewegungsförderung mit smarten Tools für aktive Senior*innen im Betreuten Wohnen

Das Projekt „ZentrAAL – Salzburger Testregion für Active Assisted Living – AAL – Technologien“ wurde im Zeitraum von 01.01.2015 bis 31.12.2017 durchgeführt. Zielgruppe waren aktive Senior*innen mit ersten Anzeichen eines Unterstützungs- und Sicherheitsbedarfs, die in Häusern mit betreutem Wohnen lebten (Schneider et al., 2018).

In diesem Projekt wurden zwei Präventionsstrategien verfolgt. Einerseits sollte im Sinne der Förderung eines aktiven Lebensstils das gesundheitswirksame Bewegungsausmaß erhöht werden, andererseits im Sinne einer Fitnessförderung die funktionale Fitness durch gezieltes Training verbessert werden (Ring-Dimitriou et al., 2018). Die Studie umfasste eine in zwei Phasen unterteilte, 12-monatige Feldtestung.

Folgende Technologien wurden zur Realisierung der Präventionsstrategien eingesetzt:

  • Tablet inklusive vorinstallierter Applikation [„mein ZentrAAL“]

  • Smart-Watch/Aktivitätsuhr [gekoppelt an Notruf- und Fitnessfunktion des Tablets]

  • Webbasierte Oberfläche für Betreuungspersonal

  • Smart-Home-Komponenten

  • [Türspion, Herdautomatik, Fenstersensoren, portabler Lichtschalter, bluetooth-fähige Waage]

Die Tablet-Applikation wurde mittels user-centered-design entwickelt und programmiert (vgl. Kap. 4, Schneider et al., 2020). Sie enthielt umfangreiche Funktionen (Schneider, 2018) wie zum Beispiel eine Notfallfunktion über die vom Tablet oder der Smart-Watch eine Notrufzentrale kontaktiert werden konnte, eine Wohnungsfunktion die mittels Einsatz von Sensoren Auskunft über geöffnete Fenster, eingeschaltetem Herd etc. geben konnte, eine Kalenderfunktion, die Termine und Erinnerungen am Tablet wie auch auf der Smart-Watch ausgeben konnte, eine Unterhaltungsfunktion über die Spiele, Nachrichten und Zugang zum Internet angeboten wurden, eine Gemeinschaftsfunktion die Austausch mit anderen Nutzer*innen ermöglichte und eine Fitnessfunktion („Meine Fitness“), die die zuvor angeführten Präventionsstrategien mit Programmen zur Bewegungs- und Fitnessförderung umsetzen sollten.

„Meine Fitness“ bestand einerseits aus einem Mehrkomponenten-Fitness-Programm, und andererseits aus Bewegungstipps, die via Tablet ausgeliefert wurden (Ring-Dimitriou et al., 2018). Das Fitness-Programm bot zweimal pro Woche unterschiedliche Übungen zu ca. 20 min. Die Trainingseinheiten umfassten Übungen zur Gelenksmobilisation, zur Verbesserung des Gleichgewichtes wie auch Kräftigungsübungen für große Muskelgruppen.

Um den passenden Schwierigkeitsgrad der Übungen zu gewährleisten wurden die Teilnehmer*innen zu Beginn der Intervention einer Testung, die die Dimensionen Kraft, Lokomotion, Ausdauer und Gleichgewicht überprüfte, unterzogen. Die Resultate dieser Testung machten eine Zuordnung in eines von drei zur Verfügung stehenden Levels möglich (Ring-Dimitriou et al., 2015).

Eine Wiederholung dieses Tests nach 6 Monaten Laufzeit und eine Weiter nach Ablauf der 12 monatigen Interventionsphase, wurden durchgeführt um die Effekte der Nutzung des Fitness-Programmes zu evaluieren (Ring-Dimitriou & Jungreitmayr, 2018).

Bewegungstipps wurden dreimal pro Woche eingespielt und automatisch angezeigt. Diese Tipps sollten zu mehr Alltagsaktivität anregen. Die Aktivitätsuhr konnte verwendet werden, um körperliche Aktivitäten aufzuzeichnen und automatisch in die Bewegungsübersicht der Tablet-Applikation zu übertragen. Die Wirkung der Bewegungstipps auf das Bewegungsverhaltens wurde mittels Fragebogen evaluiert (Ring-Dimitriou & Jungreitmayr, 2018).

Folgende Ergebnisse konnten mithilfe des Assistenzsystems „meine Fitness“ gezeigt werden (Ring-Dimitriou et al., 2018):

Die Teilnehmer*innen der Studie, die bei Testungen teilnahmen (n = 118, durchschnittliches Alter = 66 J) waren im täglichen Leben als körperlich unabhängig einzustufen; das bedeutet sie konnten alle Basisanforderungen des alltäglichen Lebens selbstständig meistern und konnten aufgrund ihrer Testergebnisse mindestens als „nicht gebrechlich“ eingestuft werden. Einzelne Bereiche der funktionalen Fitness zum Beispiel Ausdauerleistungsfähigkeit und Körperkomposition wiesen jedoch auf erhöhte Gesundheitsrisiken hin.

Die Auswertung der Effekte über die Zeit zeigte, dass „meine Fitness“ keine signifikanten objektiven Änderungen in den untersuchten Markern der funktionalen Fitness hervorrufen konnte (Ring-Dimitriou et al., 2018). Das konnte auf die stark abfallende Nutzung nach nur wenigen Wochen zurückgeführt werden. Mangelnde Funktionalität der eingesetzten Tools und der Software konnten als Faktoren identifiziert werden, die dazu führten, dass die Teilnehmer*innen das Interesse verloren (Schneider et al., 2018; Trukeschitz et al., 2018).

Fitnessförderung in höherem Alter in der häuslichen Pflege

Das Projekt Care in Movement (01.10.2015 bis 30.09.2018) beinhaltete eine achtmonatige Feldtestung in Österreich (Bundesland Salzburg) und Italien (Lombardei). Es hatte einerseits zum Ziel, ältere Menschen im Pflegesetting länger mobil zu halten, andererseits sollten Pflegepersonal und pflegende Angehörige entlastet werden. Das alles sollte mithilfe smarter Technologien erreicht werden. (Trukeschitz & Blüher, 2018a).

Die eingesetzten Technologien waren im Vergleich zu ZentrAAL deutlich reduziert:

  • Tablet mit vorinstallierter Applikation („CARIMO“) für Endkundschaften

  • Wearable/Activity Tracker (gekoppelt an die Tablet-Applikation) für Endkundschaften

  • Webzugang für Pflegehelfer*innen und Familie

Pflegebedürftige erhielten ein Tablet mit vorinstallierter Software, wie auch einen Activity Tracker, um Geleistetes automatisch aufzuzeichnen.

Die vorinstallierte Software war eine eigens für und mit dieser Zielgruppe designte Applikation, die mit einem Fitnesstrainingsprogramm, einer Bewegungsübersicht, einer Kontaktfunktion für Pflegende, Unterhaltungsfunktionen und auch Informationsfunktionen, ein umfangreiches Angebot für die ProbandInnen bot (Schneider et al., 2020):

Das Fitnesstrainingsprogramm wurde in zwei Schwierigkeitsstufen (= Level) angeboten und bestand aus täglich wechselnden Einheiten á circa 10 min (Jungreitmayr & Ring-Dimitriou, 2016). Die via App gelieferten Trainingseinheiten enthielten Übungen für Gleichgewicht, Kräftigung und Dehnung in entsprechender Schwierigkeitsstufe.

Um das individuell passende Level zu ermitteln, wurden mit den Teilnehmenden vor Interventionsbeginn Eingangstestungen, die die Dimensionen Kraft und Gleichgewicht überprüften, durchgeführt.

Nebst dem Eingangstest wurden zwei weitere Testungen durchgeführt, um die Effekte der Intervention auf die körperliche Fitness evaluieren zu können. Der erste dieser Tests wurde nach 6 Monaten durchgeführt, der zweite nach Ablauf der 8 Monate (vgl. Abb. 2).

Abb. 2
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(Eigene Darstellung)

Testzeitpunkte CiM

Um das allgemeine Bewegungsverhalten im Alltag zu erhöhen, wurde einmal pro Woche der „Fitnesstipp der Woche“ automatisch in der App ausgeliefert. Er enthielt Ideen für zusätzliche Aktivitäten innerhalb wie auch außerhalb des Wohnbereiches.

Die Effekte dieser Intervention wurden im Bezug auf die körperliche Aktivität wie auch auf die Gleichgewichtsfähigkeit der Proband*innen evaluiert (Jungreitmayr et al., 2019; Ring-Dimitriou et al., 2018).

Die Testteilnehmer*innen waren demnach durchschnittlich 75 Jahre alt. Allgemein konnte eine Erhöhung des gesundheitsförderlichen Bewegungsausmaßes insbesondere nach den ersten sechs Monaten festgestellt werden (Ring-Dimitriou et al., 2018). Während in den Bereichen der Anthropometrie wie auch der Griffkraft keinerlei Effekte verzeichnet wurden, konnten positive Auswirkungen auf Balance bei Männern und Frauen sowie Beinkraft (nur Frauen) detektiert werden (Quelle Jungreitmayr et al., 2019; Ring-Dimitriou et al., 2018).

Die Daten der Tests konnten zeigen, dass Frauen, die mindestens zweimal pro Woche das Bewegungsprogramm via Applikation durchgeführt haben, ihre Fitness im Bezug auf Gleichgewichtsfähigkeit und Beinkraft erhalten konnten, während Personen der Kontrollgruppe, beziehungsweise jene, die die App weniger nutzten, in der zweiten Hälfte der Intervention abbauten. Besonders hervorzuheben ist die hohe Adhärenzrate, die bei den weiblichen Nutzerinnen nachgewiesen werden konnte. In der Testgruppe führten 60 % der Frauen das Bewegungsprogramm von CARIMO mindestens zweimal pro Woche durch (Jungreitmayr et al., 2019; Ring-Dimitriou et al., 2018).

Smartes Fitnesstraining für den Pensionsantritt im eigenen Zuhause

Das Projekt fit4AAL (01.01.2018 bis 31.12.2020) wurde in den Bundesländern Salzburg und Wien durchgeführt. Zielgruppe war die Generation der „Baby Boomer“, also Personen, die zum Testzeitpunkt bereits kurz in Pension waren (Trukeschitz et al., 2019).

Die eingesetzten Technologien erinnern zahlenmäßig an die Breite der in ZentrAAL eingesetzten, sind bei genauerer Betrachtung jedoch fokussierter auf den Bereich der Gesundheitsförderung ausgelegt:

  • Tablet inklusive vorinstallierter Applikation [„fit mit ILSE“]

  • Wearable [gekoppelt an die Tablet-Applikation „fit mit ILSE“]

  • 3D Kamera zum eigenständigen Koppeln mit TV-Gerät/Monitor

  • Webportal [für Coaches]

  • Smart-Home Komponenten [z. B.: smarte Lichtquelle mit wechselnden Farben, um unterschiedliche Raumszenarien wie „Training“ zu gestalten]

Die Tablet-Applikation „fit mit ILSE“ bot Inhalte in drei verschiedenen Bereichen:

  • Fit zu Hause

  • Fit unterwegs

  • Fit mit Wissen

Fit zuhause bestand aus einem täglich wechselnden Mehrkomponenten-Fitness-Programm. Es wurden Inhalte zur Mobilisation von Gelenken, Gleichgewicht, Kräftigung großer Muskelgruppen und Dehnungen geboten (Ring-Dimitriou et al., 2018).

Durch den Einsatz einer Tiefenbild-Kamera kann das Training als teilweise supervidiert bezeichnet werden. Die Teilnehmer*innen hatten die Möglichkeit sofort während dem Üben Feedback über die App zu erhalten (Nenning et al., 2018; Venek et al., 2020). Das täglich wechselnde Fitness-Programm wurde in unterschiedlich langen Einheiten angeboten. Die Proband*innen konnten jeden Tag zwischen 10, 20 und 30 min dauernden Trainingseinheiten auswählen (Jungreitmayr, 2020). Via Remote Coaching war es zudem möglich, Kontakt mit dem Coach zu erhalten.

Nebst dem Trainingsprogramm bot die Applikation via „Fit unterwegs“ auch Vorschläge für ein buntes Outdoorprogramm an und gab Tipps für allgemeine Bewegungsmöglichkeiten. Der Punkt „Fit mit Wissen“ bot spannende Weiterbildungsmöglichkeiten über e-Learning-Kurse zu den verschiedensten Themen.

Die Feldtestung war in zwei Phasen unterteilt, die jeweils 3,5 Monate dauerten. In der zweiten Feldtestphase wurde eine erweiterte Version der Applikation getestet. Die nun geschilderten Effekte beziehen sich auf die erste Testphase.

Alle Daten der ersten Phase wurden zu drei Testzeitpunkten erhoben. Die erste Erhebung fand vor der Intervention statt. Die zweite Testung fand bei Ausgabe der Gerätschaften statt und wurde als Ausgangslage verwendet. Nach Ablauf der 3,5 Monate wurde eine abschließende Testung durchgeführt (siehe Abb. 3). Diese Vorgangsweise minimierte Verzerrungen aufgrund von Lerneffekten.

Abb. 3
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Testzeitpunkte fit4AAL (Jungreitmayr, 2020)

Die Teilnehmer*innen (n = 242, aufgeteilt in Test- und Kontrollgruppe) waren durchschnittlich 66 Jahre alt.

Von 79 Teilnehmer*innen der Testgruppe der ersten Phase, benutzten 72 das System „fit mit ILSE“, und 52 konkret die Sektion „Fit zuhause“. Eine 66 %ige Nutzungsquote innerhalb der Testgruppe deutet auf gute Adhärenz im Bereich des Trainingsprogrammes hin.

Die Nutzung des Systems hatte positive Effekte auf die funktionale Fitness der Teilnehmenden, wobei angemerkt werden muss, dass eine mehrmalige Nutzung – insbesondere des Bereiches „Fit zuhause“, die guten Auswirkungen erhöhte. Detaillierte Analysen ergaben, dass nur 29 % der Testgruppe die Funktion „Fit zuhause“ zweimal pro Woche oder öfter nutzten. Diese hohe Nutzung führte jedoch zu signifikanten Verbesserungen der funktionalen Fitness, besonders in den Bereichen Kraft wie auch Beweglichkeit (Jungreitmayr, 2020).

Fazit

Die vorgestellten Studienergebnisse fügen sich in das Bild, das die aktuelle internationale Forschungslage zur Entwicklung des AAL-Ansatzes im Bezug auf die Förderung der funktionalen Fitness von Personen höheren Alters, zeichnet.

Es können positive Effekte im Bereich der Bewegungsförderung, die mit modernen Mitteln wie z. B.: internet-basierten Interventionen, realisiert wurden, erkannt werden (Irvine et al., 2013; Neri et al., 2017), wenngleich auch die Herausforderungen dieser neuen Möglichkeiten zu meistern sind (Lee & Coughlin, 2015).

Das ambitionierte Herangehen beim Projekt ZentrAAL, welches nebst den gesundheitsförderlichen Maßnahmen mit einem sehr breiten Angebot an Assistenzsystemen und umfangreichen Funktionen punkten wollte, wurde leider durch die mangelnde technische Entwicklung gebremst, da die Nutzung des Fitnessfunktionen in Folge eines Softwarefehlers dramatisch zurückging (Schneider et al., 2018). Dieser Ablauf von Ereignissen ist in Einklang mit aktuellen Erkenntnissen, dass die Absicht moderne Technologien zu nutzen, signifikant mit Erwartungen der Nutzer*innen verknüpft ist (Lee & Coughlin, 2015). Die Entscheidungen älterer Erwachsener bezüglich der Nutzung von IKT sind in hohem Maße von den wahrgenommenen Vorteilen, die mit der Nutzung im täglichen Leben verbunden sind, beeinflusst wobei auch Vertrautheit mit der Bedienung der Technologie und einfache Bedienbarkeit an sich weitere wichtige Punkte, die die Nutzungsabsicht beeinflussen, sind (Macedo, 2017). Die Studie hat dies untermauert, da das Durchdringen zur Kundschaft möglich war, die Nutzung und somit Effektivität der Intervention jedoch stark vom reibungslosen Ablauf und technischer Ausgereiftheit der eingesetzten Systeme abhing (Schneider et al., 2018). Dies unterstützt die Theorie, dass neue Technologien angenommen werden, wenn sie Vorteile versprechen, jedoch bei Fehleranfälligkeit und eingeschränkter Bedienbarkeit nicht eingesetzt werden (Macedo, 2017).

Care in movement hat diesen Erkenntnissen bereits Rechnung getragen. Das Augenmerk wurde auf das Gesundheitsförderungsprogramm und die Bedienungsfreundlichkeit der App gelegt (Jungreitmayr & Ring-Dimitriou, 2016; Trukeschitz & Blüher, 2018b). Das Gesamtpaket war einfacher aufgebaut, da es sich technisch lediglich um eine Tablet-App mit kombinierter Activity Tracker-Nutzung handelte. Eine derartige Kombination von Technologien konnte im Bereich der Sturzprävention bereits gute Ergebnisse erzielen (Vaziri et al., 2017) und scheint auch für gesundheitsfördernde Maßnahmen generell geeignet zu sein (Ring-Dimitriou et al., 2018).

Mit kurzen Einheiten und täglicher Abwechslung konnten die Nutzungsraten im Vergleich zu ZentrAAL und anderen e-Health Anwendungen hochgehalten werden (Kelders et al., 2012). Diese Nutzungsraten ermöglichten in weiterer Folge auch die gesundheitsförderlichen Effekte im Bereich allgemeiner, körperlicher Bewegung und Balance (Jungreitmayr et al., 2019; Ring-Dimitriou et al., 2018).

Im Projekt fit4AAL wurde der Fokus klar auf Gesundheitsförderung gelegt und die technische Ausstattung, verglichen mit CiM, um Smart Home Komponenten und eine Tiefenbildkamera erweitert. Die Nutzungsanalyse der einzelnen Komponenten zeigt, dass nahezu analog zum Projekt ZentrAAL die Hilfsmittel, die die höchste Herausforderung in Bezug auf Bedienbarkeit und die am wenigsten ausgereifte Entwicklung durchlaufen hatten, am wenigsten genutzt wurden (Neuwirth et al., 2019). Dieses Resultat steht im Einklang mit bereits erwähnten beeinflussenden Faktoren der Nutzungsabsicht (Macedo, 2017).

Während Tablet und der Activity-Tracker durchaus relevante Nutzungsraten verzeichnen konnten, ließ die Nutzung der Tiefenbildkamera zwar Potential erkennen, konnte dieses jedoch nicht realisieren (Neuwirth et al., 2019). Die Vermutung liegt nahe, dass die Erwartung an die Leistung des Gerätes nicht erfüllt werden konnten. (Macedo, 2017). Die Tablet-App an sich erwies sich als erfolgreich und konnte somit in Bereichen der funktionalen Fitness, insbesondere bei häufiger Nutzung des Systems beziehungsweise des Bereiches „Fit zuhause“ deutliche Verbesserungen in den Bereichen funktionaler Fitness, Bewegungsausmaß und selbst wahrgenommener Fitness erzielen (Jungreitmayr, 2020; Ring-Dimitriou et al., 2020; Trukeschitz et al., 2020).

Die gesammelten Ergebnisse dieser Feldstudien konnten bestehende Evidenzen bestätigen, dass AAL-Systeme die auf ausgereiften technologischen Assistenzsystemen aufbauen und sich klar definierten Bereichen wie zum Beispiel der Bewegungs- und Fitnessförderung widmen, positive Auswirkungen auf die funktionale Fitness von älteren Personen haben können (de Souto Barreto et al., 2021; Irvine et al., 2013; Neri et al., 2017).

Die persönliche Note durch die Betreuung der Coaches scheint weiteres eine gute Möglichkeit zu sein, um die Adhärenz hochzuhalten. Im Setting mit der meisten Supervision durch Coaches wurden auch die höchsten Nutzungsraten erzielt. Das deckt sich mit den Erkenntnissen, dass supervidierte Interventionen im Bezug auf die Adhärenz den reinen Heimfitnessprogrammen ohne Begleitung überlegen sind (Cox et al., 2003; Cyarto et al., 2006). Zu beachten ist dabei, dass bereits kleine technische Defekte trotz Kontakt zum Coach dazu führen können, dass die entwickelten Systeme beziehungsweise zumindest Teilbereiche des Systems von den Teilnehmer*innen abgelehnt werden. Ein erfolgreiches Assistenzsystem muss als einfache Unterstützung zum alltäglichen Leben erfahren werden können, ohne zusätzlichen Aufwand zu verursachen (Macedo, 2017). Erfolgreiche System kennzeichnen sich darüber hinaus, indem sie Zugangsschwellen minimieren, und sich als unterstützende Technik, die dem übergeordneten Ziel einer gesundheitsfördernden Lebensweise dienen, positionieren (Trukeschitz et al., 2018).

Wenn es gelingt, Fitnesstrainingsprogramme unter diesen Gesichtspunkten mittels AAL zu realisieren und eine für die Teilnehmenden spürbare Verbindung zur professionellen Trainingsbetreuung herzustellen, können Assistenzsysteme zum Erhalt der funktionalen Fitness Gruppe der Erwachsenen über 55 Jahren, dienen.