Die Inschrift auf einer Stele, die im 6. Jh. vor unserer Zeit von einer assyrischen Prinzessin errichtet wurde, versetzt uns noch heute in Staunen. In babylonischer Sprache, niedergeschrieben in der Keilschrift, dem ältesten Schriftsystem der Menschheitsgeschichte, berichtet dort eine assyrische PrinzessinFootnote 1 über ihr Leben:

„Aus Liebe zu mir, die ich seine Gottheit verehrte, (...) erhöhte Sin, der König der Götter, mein Haupt und verlieh mir einen guten Namen im Lande. Lange Tage, Jahre voll Herzensfreude gab er mir. Von der Zeit des Assurbanipal,Footnote 2 des Königs von Assyrien, bis zum 9. Jahr des Nabonid,Footnote 3 des Königs von Babylon, meines leiblichen Sohns, hielt mich Sin, der König der Götter, 104 gütige Jahre lang am Leben in der Ehrfurcht, die er mir ins Herz legte. Der Blick meiner Augen war hell, außergewöhnlich gut mein Gehör, Hände und Füße waren gesund, erlesen meine Worte. Essen und Trinken schmeckte mir, meine Gesundheit war gut und froh mein Herz. Meine Urenkel – gesund bis in die vierte Generation – erlebte ich, während ich (mein) Lebensalter genoß.“Footnote 4

Für den Historiker gibt es keinen ersichtlichen Grund, Zweifel daran zu hegen, daß die Mutter des letzten babylonischen Königs tatsächlich in körperlicher und geistiger Gesundheit ihren 100. Geburtstag noch um Jahre überlebte.

Denn auch vor zwei, drei und mehr Jahrtausenden verfügte der Mensch – nicht anders als wir – über seine grundlegende biologische Beschaffenheit, welche es ihm erlaubt, unter besonders glücklichen Bedingungen das elfte oder gar das zwölfte Lebensjahrzehnt zu erreichen. Das Wissen anderer, weit vor uns liegender Zeitalter um die Möglichkeit des Menschen, tatsächlich mehr als hundert Jahre alt zu werden, findet etwa in der Genesis, dem ersten Buch der hebräischen Bibel, seinen Ausdruck. Dort heißt es nämlich, Gott habe nach der Sinflut den zuvor sehr viel längeren Lebenshorizont des Menschen auf maximal 120 Jahre begrenzt.Footnote 5

Zwar sorgte im Alten Orient, von dem hier die Rede sein soll – ebenso wie in vielen anderen vormodernen Gesellschaften – eine enorm hohe Kindersterblichkeit für eine durchschnittliche Lebenserwartung,Footnote 6 die drastisch unter der heutigen lag. Gleichwohl gab es die Alten. Und entgegen den weitverbreiteten Vorstellungen von Verhältnissen in den frühen Perioden der menschlichen Zivilisation rechneten auch die antiken Kulturen mit einer beachtlich hohen Lebenserwartung, zumindest für jene, die das Erwachsenenalter bereits erreicht hatten. So gibt etwa der Psalmist in Psalm 90:10Footnote 7 folgende Einschätzung:

„Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin. “

Auch der griechische Historiker Herodot gelangte im 5. vorchristlichen Jahrhundert zu einem ähnlichen Schluß. „Auf siebzig Jahre setze ich die Dauer des Menschenlebens“, läßt er Solon in einem Dialog mit Kroisos sagen.Footnote 8 Einer babylonischen Lehre zufolge galt ebenfalls ein Alter von zumindest 60–70 Jahren als das, was ein Mensch gerechterweise erwarten darf. In einem Keilschrifttext aus dem 7. Jh. v. Chr. heißt es nämlich:

„(Das Alter von) vierzig (Jahren ist des Menschen) Blüte. Fünfzig (Jahre wären) kurze Tage. Sechzig (Jahre sind) das Mannesalter, siebzig (Jahre) lange Tage, achtzig (Jahre) sind die (Lebensjahre) der Weisen, neunzig (Jahre) sind ein gesegnetes Alter.“Footnote 9

Freilich sorgten die vergleichsweise begrenzten Möglichkeiten der Heilkunde, akut lebensbedrohliche Krankheitszustände erfolgreich zu bekämpfen, dafür, daß die Anzahl alter Leute und namentlich der gebrechlichen deutlich geringer war, als das heute der Fall ist.Footnote 10 So sind in der sehr umfangreichen Literatur der Keilschriftkulturen zwar bisweilen die Leiden des Alters beschrieben.Footnote 11 Unter den sehr zahlreichen heilkundlichen Traktaten, die der Alte Orient in mehr als zwei Jahrtausenden hervorgebracht hat, finden sich bezeichnenderweise zahlreiche Anweisungen zur Heilung von Säuglingen, Kleinkindern und Frauen. Aber wir kennen nicht einen einzigen Text therapeutischen oder pharmakologischen Inhalts, der explizit den Leiden des Alters gewidmet wäre. Wer im höheren Alter schwer krank wurde, dürfte in der Regel rasch gestorben sein.

In der schriftlichen Überlieferung fehlen Klagen über den Tod eines reiferen oder alten Menschen. Das Sterben zur Unzeit, d. h. der Tod derjenigen, die noch im jugendlichen Alter dahinschieden und weder einen Ehegatten noch Kindern gehabt hatten, galt als beklagenswert. Auf den gleichwohl vorhandenen Wunsch, in Gesundheit ein hohes Alter zu erreichen, treffen wir immer wieder. Ein schönes Beispiel sei hier vorgestellt. Es stammt aus einem Brief, den ein gelehrter Heiler im 7. Jh. v. Chr. an den König Assyriens richtete:

„Mögen (...) (alle) großen Götter des Himmels und der Erde (...) dem König, meinem Herrn, Frohsinn und eine gute Konstitution, das Aufleuchten seines Gemütes, Altwerden bis in ferne Tage sowie eine sehr lange Amtszeit schenken.“Footnote 12

In einem Bericht, den er an den assyrischen König sandte, wünschte ein Astrologe sogar, der König möge das Alter des sagenhaften ersten vorsintflutlichen Königs Alulim erreichen,Footnote 13 von dem es hieß, er sei 36.000 Jahre alt geworden.Footnote 14

Mit der Bedürftigkeit alter Menschen sahen sich auch vor Jahrtausenden die Gesellschaften des Alten Orients konfrontiert. Wenn die Alten nicht mehr oder nur noch bedingt erwerbsfähig waren, galt es – nicht anders als heute – ihnen Einkommen, Ernährung, Kleidung und Unterkunft zu sichern; ihnen ein Feld sozialer Ansprache zu erhalten und im Krankheitsfall Pflege zukommen zu lassen und nicht zuletzt auch sicherzustellen, daß der Besitz einer alten kranken oder dementen Person sachgerecht verwaltet würde. Einer weiteren Sorge kam im alten Zweistromland ein weit größerer Stellenwert zu, als dies in den modernen westlichen Industriegesellschaften der Gegenwart der Fall ist: Es mußte sichergestellt werden, daß eine Person ordnungsgemäß bestattet und deren als unsterblich gedachte jenseitige Existenz auch weiterhin durch bestimmte Riten erhalten wurde.

In unserer Gegenwartsgesellschaft sind diese Aufgaben mehr und mehr dem Staat zugefallen. Im Alten Zweistromland oblag hingegen die Sorge um die Alten ausschließlich der Familie. Familiengründung war daher – zumindest für die frei Geborenen – eine soziale und ökonomische Notwendigkeit.Footnote 15 Dies läßt sich auf die einfache Formel bringen: Wer Frau und Kind hat, dessen Altersversorgung ist gesichert.

Prosopographische StudienFootnote 16 haben gezeigt, daß in Babylonien und Assyrien über die Jahrhunderte hinweg – zumindest in wohlhabenden Familien – ein Mann üblicherweise mit Mitte bis Ende Zwanzig ein etwa 10–15 Jahre jüngeres Mädchen heiratete, welches nicht nur zumindest einen Sohn gebären, sondern auch im Alter den Mann pflegen können sollte. Gleichzeitig standen der Frau Kapitalrücklagen zur Verfügung, die beim Vorversterben des Ehemannes nicht zu dessen Nachlaß gehörten, sondern im Besitz der Frau verblieben.Footnote 17 Die Sorge um die alte Mutter oblag dann dem Sohn.

Söhne zu haben, war daher schlicht eine Lebensnotwendigkeit. Dem medizinischen Problem der Kindersterblichkeit kam in der Heilkunde deshalb besonders große Aufmerksamkeit zu. Die fundamentale Existenzbedrohung, die in dem damals allzu häufigen Tod der kleinen Kinder lag, findet einen beredten Ausdruck in der Löwefratze der blutgierigen Dämonin Lamaschtu, in der die Kindersterblichkeit für die Mesopotamier eine darstellbare Gestalt gewann.Footnote 18

Auch wenn wir aus dem Alten Orient keinerlei gesetzliche Regelungen zur Altenversorgung kennen, zeugt doch folgende Regelung aus dem im 18. Jh. v. Chr. niedergeschriebenen Rechtsbuch des Hammurapi davon, daß man auch im frühen Babylonien eine moralische Pflicht darin sah, Kranke und Hilflose in ihrer Familie adäquat zu versorgen. In dem hier zitierten Paragraphen des Kodex Hammurapi geht es um eine Ehefrau, die sich eine schlimme, ansteckende und unheilbare, la’bum genannte Krankheit zugezogen hatte:

„Wenn ein Mann eine Ehefrau nimmt und die la’bum-Krankheit sie befällt – wenn er dann plant, eine andere zu heiraten, so darf er das tun; seine (erste) Ehefrau, welche die la’bum-Krankheit befallen hat, darf er (jedoch) nicht verstoßen, im Haushalt, den er aufgebaut hat, soll sie wohnen bleiben, und solange sie lebt, soll er sie unterhalten.“Footnote 19

Die Verantwortung der Kinder ihren alten und nicht mehr erwerbsfähigen Eltern gegenüber dürfte ebenso beurteilt worden sein wie in diesem im Kodex Hammurapi zitierten Fall. In dem Prolog eines Rechtsbuches aus dem 20. Jh. v. Chr. rühmt sich Lipit-Ischtar, der König der südmesopotamischen Stadt Isin, er habe dafür gesorgt, daß „den Vater seine Kinder unterstützen, die Kinder ihren Vater unterstützen“,Footnote 20 und man mag daraus schließen, daß die Wirklichkeit von Altenpflege und Verantwortlichkeit der Generationen für einander doch nicht immer den oben herausgearbeiteten moralischen Anforderungen entsprach.

Eine Urkunde aus dem späten 6. vorchristlichen Jahrhundert gibt uns Einblick in die diesbezüglichen Nöte einer babylonischen Familie. Folgendermaßen ist ihr Wortlaut:

A sagte zu seiner Tochter B: „Als ich krank war, hat mich mein Bruder C verlassen und mein Sohn D ist mir davongelaufen. Nimm mich bei dir auf und sorge für mich und gib mir Zuwendung an Nahrung, Öl und Kleidung solange, wie ich lebe. Und ich werde dir meinen Besitz .... überschreiben.“ B ging auf das Angebot ihres Vater A ein und nahm ihn in ihrem Haus auf und versorgte ihn mit Nahrung, Öl und Kleidung. A überschrieb aus freiem Willen seinen Besitz ... mit gesiegelter Urkunde seiner Tochter B auf ewig. So lange, wie A lebt, soll B ihrem Vater A Zuwendung an Nahrung, Öl und Kleidung geben. So lange A lebt, soll er über das Einkommen aus seinem Besitz verfügen können. Aber A darf seinen Besitz weder verkaufen, noch verschenken noch verpfänden, noch davon etwas abziehen. Von dem Augenblick an, da A tot ist, soll er seiner Tochter B überschrieben sein.Footnote 21

In dem hier vorgestellten Fall war die Familiensituation offenbar so problematisch, daß die Lösung des sich abzeichnenden Problems, nämlich die Altersversorgung des alleingelassenen Vaters, einer vertraglichen Regelung bedurfte, die – um deren Durchsetzung sicher zu gewährleisten – Autoritäten bemühen mußte, welche außerhalb des Familienverbandes stehen. Und dies, obgleich doch der Vater A mit seinem Besitz über ein regelmäßiges Einkommen verfügte, das körperliche Arbeit nicht notwendig machte. Der Bruder als nächster Verwandter aus der eigenen Generation war der Erwartung, sich um den erkrankten Mann zu kümmern, nicht nachgekommen, der Sohn davongelaufen. Unserem babylonischen Vater blieb nur noch die Tochter. Doch was veranlaßte ihn, seine in die Hände der Tochter gegebene Altersversorgung auch vertraglich abzusichern? Mit dieser Frage ist auch die Frage verbunden, ob es im Alten Orient eine Art Unterhaltspflicht der Kinder gegeben hat, und wenn ja, wie diese geregelt war.

Schon anhand der hier besprochenen Urkunde ist deutlich zu erkennen, daß das Problem der Altersversorgung eng mit erbrechtlichen Regelungen verbunden war. Dies ist natürlich und auch naheliegend. Denn nur so kann Geben und Nehmen zwischen den Generationen in Einklang gebracht werden. Schauen wir also kurz auf die Grundregeln babylonischen Erbrechtes.Footnote 22 Dort war es so, daß nur Söhne – und zwar ausschließlich die aus einer rechtmäßigen Ehe – erbberechtigt waren. Aus dem Erbrecht aber erwuchs den Söhnen eine Versorgungspflicht gegenüber den alten Eltern. Dieser Regelfall, der einen Vertragsschluß zwischen Vater und Sohn bezüglich der Altersversorgung unnötig machen würde, galt in der oben behandelten Situation aber nicht, da der Sohn davongelaufen war. Zum Zweck der Absicherung des nicht regulären Erbrechtes der Tochter galt es also eine rechtskräftige und einklagbare Regelung zu finden.

Die zahlreichen uns erhalten gebliebenen keilschriftlichen Urkunden aus drei Jahrtausenden, in denen dokumentiert ist, daß man mit Rechtsmitteln Altersversorgung zu regeln versuchte, erweisen sich dementsprechend als Regelungen, die vonnöten waren, da der Normalfall der Altersversorgung nicht verwirklicht werden konnte – sei es, weil ein Ehepaar ohne Sohn geblieben war; sei es, weil die Söhne verstorben, vermißt, verschleppt oder davongelaufen waren oder sei es, weil die Söhne nicht willig oder fähig waren, ihre Eltern im Alter zu versorgen.

Drei Grundstrategien lassen sich ausmachen, den Mangel an Söhnen durch den Einsatz von Besitz auszugleichen.

Die erste und wohl auch wichtigste ist die schon seit dem dritten vorchristlichen Jahrtausend belegte Adoption, also die rechtlich abgesicherte Begründung eines Vater-Sohn-Verhältnisses ohne Rücksicht auf die biologische Abstammung. Nicht selten ist der Fall, daß ein kinderloses Ehepaar bereits in jüngeren Jahren ein Kind an Sohnes Statt annahm, welchem es eine Ausbildung zukommen ließ, und so dafür sorgte, daß rechtzeitig ein adäquater Erbe mit allen seinen Rechten und Pflichten heranwuchs. Wir kennen daneben aber auch Adoptionen, die zu späterer Zeit eigens zur Absicherung des Alters durchgeführt wurden. In diesen, in drei Jahrtausenden belegten Fällen, wird vor Zeugen und Gericht einer erwachsenen Person zugesichert, das Erbe des Adoptierenden so wie ein leiblicher Sohn anzutreten zu können, unter der Maßgabe, daß der Adoptierte die Altenpflege des Adoptierenden übernimmt.Footnote 23 Ausführlichere Adoptionsurkunden dieser Art regeln neben der Pflicht zur Grundversorgung des Alten auch Einzelheiten wie z. B. den Anspruch des zu Versorgenden auf Fleisch an hohen Feiertagen.Footnote 24 Nicht wenige Dokumente beziehen in die Pflichten des Versorgenden auch die Forderung ein, dem zu Betreuenden mit dem gebotenen Respekt zu begegnen und ihn in jeder Hinsicht zu ehren.Footnote 25 Das hier verwendete Wort ist identisch mit dem hebräischen Verb, das für das ‚Ehren‘ von Vater und Mutter in dem vierten der zehn Gebote steht.Footnote 26 Manche keilschriftlichen Verträge fügen zu den oben genannten Bestimmungen noch hinzu, daß Respekt und Zuwendung so zu erbringen seien, daß der Betreute dabei „frohen Herzens“Footnote 27 sei.

Die zweite Strategie, auf die wir in den altorientalischen vertraglichen Regelungen zur Altersversorge immer wieder stoßen, greift anders als die erste nicht dauerhaft in eine Familienstruktur ein. Sie besteht in der Absicherung der Versorgung im Alter, indem man einem Sklaven vertraglich zusichert, ihn mit dem Tod seines Herrn in die Freiheit zu entlassen, sofern er die gewissenhafte Pflege seines Besitzers übernimmt.Footnote 28 Die Aussicht, vielleicht schon in wenigen Jahren gänzlich über die eigene Person verfügen zu können, wird namentlich den jüngeren Unfreien attraktiv erschienen sein. Wohlhabende alte Leute konnten sich auf diese Weise – so wie etwa die aus reicher Familie stammende babylonische Nonne Innabatum im 19. Jh. v. Chr. – ein ganzes Pflegeteam zusammenstellen. Die alte, in einem Kloster lebende Dame hatte sich nämlich – wie wir aus entsprechenden Urkunden wissen – zur Pflege und Unterhaltung gleich drei Mädchen aus dem Besitz ihrer Familie verpflichtet, welche nach dem Hinscheiden der Nonne mit weit besseren Lebensbedingungen rechnen durften.Footnote 29

Die dritte Strategie zur Absicherung des Alters, ohne hierfür auf eigene Söhne zurückgreifen zu müssen, bestand schließlich darin, Altenpflege durch Schuldtilgung einzukaufen. Eine Urkunde aus dem syrischen Emar, die im letzten Drittel des zweiten vorchristlichen Jahrtausends geschrieben wurde, führt uns einen solchen Fall vor Augen:

„A sagte folgendermaßen: ‚B schuldete mir 41 Schekel Silber. Jetzt habe ich 20 Schekel von diesem Betrag gestrichen und ihm (außerdem) C zur Frau gegeben.‘ Solange A und seine Frau D leben, soll B sie ehren. Wenn er sie ehrt, kann er, wenn sie verstorben sind, seine Frau und seine Kinder nehmen und gehen, wohin er will. Er wird die (noch ausstehenden) 21 Schekel unseren Kindern zurückzahlen.“Footnote 30

In diesem Fall sind, aus welchen Gründen auch immer, die Kinder des alten Ehepaares von der Last der Altenpflege befreit. Nach dem Tode der Alten, so sieht es die Regelung vor, soll B seine Restschuld bezahlen, oder aber den Kindern der Verblichenen weiterdienen. Darüber hinaus werden beide Parteien im Fall des vorzeitigen Abbruchs der Vereinbarung mit Vertragsstrafen belegt. Der Gläubiger soll seines Geldes verlustig gehen, der Schuldner, der seiner Pflegeverpflichtung nicht nachkommen sollte, soll hingegen die ursprüngliche Gesamtschuld zuzüglich eines Zinsbetrages von 50 % an den Gläubiger zahlen. Auf diese Weise sind beide Vertragspartner fest an ihr Abkommen gebunden.

Die Möglichkeit, auf die eine oder die andere Weise, die eigene Altersversorgung mit Kapitalbesitz abzusichern, wenn eigene Kinder bzw. Söhne nicht vorhanden waren, stand freilich nur jenen offen, die entsprechendes Vermögen ihr eigen nannten. In allen Epochen der altorientalischen Geschichte dürfte diese reichere Gesellschaftsschicht nur eine Minderheit gewesen sein. Die vielen anderen Menschen, die weder über nennenswerten Besitz noch über eigene Söhne verfügten, welche ihr Leben im Alter absichern konnten, blieben hingegen sich selbst und dem Wohlwollen Dritter überlassen. Mangels Kapitals erübrigte es sich, ihre Altersversorgung vertraglich zu regeln. So ist ihr Schicksal meist nicht aktenkundig geworden und uns in der Regel verborgen geblieben.

Dennoch haben sich Dokumente erhalten, die uns auch Einblick in das Leben jener altgewordenen einfachen Leute geben können. Hierzu zählen Personalverzeichnisse die in staatlichen Webereien geführt und im 21. vorchristlichen Jahrhundert, in der Zeit des Reiches der III. Dynastie von Ur, niedergeschrieben wurden. In diesen Listen sind die Arbeitskräfte, zumeist Frauen, namentlich aufgeführt. Manche der Namen, es sind etwa 6 % des gesamten Personalbestandes, sind mit dem Zusatz ‚Greis(in)‘, versehen. Diesen alten Arbeiterinnen wurden monatliche Essensrationen zugewiesen.Footnote 31 In anderen Personallisten dieser Zeit sind auch alte Männer erwähnt. Diese ebenso mit schmalen Rationen bedachten Alten verdingten sich als Fischer, Vogelfänger und Hilfsarbeiter.Footnote 32 Darüber hinaus ist bezeugt, daß Arbeiter von ihrer Aufgabe freigestellt wurden, um ihr alten bettlägerigen Eltern zu versorgen.Footnote 33 Standen keine Kinder zur Verfügung, galt es jedoch mit dem Wenigen auszukommen, das die jeweilige Institution gewährte.