Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie alle ganz herzlich, die Alten, die Älteren und die demnächst Alten – sind alle dabei. Und diese Begrifflichkeit macht vielmehr deutlich, wir haben da noch was zu klären untereinander. Die 17-jährigen Jungs, die wollen unbedingt bei den Senioren Fußball spielen, weil Senioren sind die Vollwertigen. Mit 32 wollen sie alle in die Alte Herren und da spielen. Mit 50 wollen sie alle wieder jung sein und möglichst auch bleiben. Nach der deutschen Sprache wären ja eigentlich die Älteren älter als die Alten, sind sie aber nicht, sondern die Alten sind älter als die Älteren, aber die Alten werden noch älter. Also das ist eine ganz bunte Sache, wo man sich da einordnen will. Ich kompliziere das anhand dieser Worte, um gleich deutlich zu machen, ich gebe nicht so ganz viel da drauf, wie das mit dem Alter dann ist, sondern man muss gucken, wie man klarkommt mit den Jahren, die man hat und was man daraus machen kann.

Ich bin Vorsitzender der BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenorganisationen. Und ich will Ihnen kurz sagen, was wir machen, weil alle wissen, die gibt es, aber was machen die denn jetzt eigentlich. Das weiß man nicht so ganz genau. Wir sind 120 (ungefähr) Mitglieder, keine Einzelmitglieder, sondern alles Organisationen, die Senioren der Kirchen, der Gewerkschaften, der Parteien. Sozialverbände sind dabei, Selbsthilfegruppen sehr unterschiedlicher Art. In diesen Mitgliedern unserer Mitglieder, stecken etwa sieben bis acht Millionen – keiner weiß es so ganz genau – ältere Menschen. Und mir geht es auch deshalb verhältnismäßig gut, weil ich noch nie in meinem Leben Vorsitzender von so einem großen Verein war, der ohne Werbung jedes Jahr größer wird in den nächsten 20 Jahren. Das können wir alle schon erkennen. Es wird immer mehr werden, was da oben ist. Und deshalb ist das eine spannende Aufgabe.

Was ist sozusagen das Hauptmotto der BAGSO, wonach richten wir uns? Wir stellen uns die Frage, wie wollen wir leben heute und morgen und übermorgen und was können wir dafür tun. Wir sind nicht Wissenschaftler. Wir sind dankbar, wenn Wissenschaft uns zeigt, wie die Zusammenhänge sind und wir darauf aufbauen können. Aber richtig bleibt natürlich und wichtig ist, nicht nur zu wissen, sondern es muss gehandelt werden, was muss man eigentlich machen, wie kann das eigentlich gehen? Und das ist die Aufgabe, der wir uns versuchen, zu stellen.

Ich habe gewünscht, dass ich sprechen kann über das Älterwerden in dieser Zeit, weil ich damit zum Ausdruck bringen will, dass man alles Statische beiseiteschieben muss – das wurde ja eben in den Beiträgen und im Vortrag von Frau Staudinger vor allen Dingen auch deutlich – wir haben einen großen Wandel, den gab es schon immer, aber so groß und so heftig wie im Moment war der nicht.

In vergangenen Zeiten sind viele Veränderungen aufgezählt. Ich will eine Veränderung dazuzählen, die ich nicht weiter kommentieren werde wegen des Älterwerdens. Wir haben seit 74 Jahren an dieser Stelle in Europa Frieden. Das gab es über Jahrhunderte nicht. Und man darf vor dem Hinweis auf den 26. Mai vielleicht daran erinnern, was für eine großartige Wahrheit das ist, die ich da so kurz erwähnte, die natürlich eine große Rolle spielt in vergangenen Zeiten, in vergangenen Generationen. Es waren nicht nur die Seuchen, sondern auch die Seuchen der Konflikte und des Krieges, die eine große Rolle gespielt haben. Also was hat sich verändert? Die individuelle Lebenserwartung! wir leben länger bei relativ guter Gesundheit. Die Altersstrukturen aufgrund der unterschiedlichen Geburtenzahlen, die wir gehabt haben, um das noch mal ein bisschen zu verdeutlichen, 1964 war das Jahr mit der größten Geburtenzahl in Deutschland – Ost und West etwa gleichzeitig, gleich hoch. 1,4 Mio. insgesamt. Zwischen 1950 und 1964 gab es relativ viele Geburten in Deutschland. Das war Nachholzeit des Kriegs oder wie auch immer, was hier der Grund war. Jedenfalls, es gab ganz viele Kinder. Dann ging das runter: 1970, auf 800 000. 700 000. Und wenn die Fertilitätsrate nicht steigt, die wir heute haben, dann werden wir irgendwann bei 600 000 bis 630 000 sein. Und diese Baby-Boomer-Jahre, wie wir die nennen, zwischen 1950 und 1964, die wachsen jetzt alle ins Rentenalter. Im Jahre 2030/2032 sind die alle zwischen 65, 67 und 82. Sind in dem Alter, leben aber noch fröhlich weiter. Ist ja auch gut. Das verändert aber natürlich die Strukturen und das Sozialsystem erheblich. Hat große Auswirkungen nicht nur bei der Rente, sondern auch bei den Krankenversicherungen und bei der Pflegeversicherung in ganz besonderer Weise, aber auch auf die Gesellschaftskonstellation insgesamt, denn die Geschichte ist damit ja nicht zu Ende. Die Familien haben im Schnitt nicht mehr vier oder fünf Kinder, sondern eins oder zwei. Und die Kinder machen zur Hälfte Abitur – das ist noch anders als bei mir, ich bin ja nur Volksschüler und acht Jahre in die Schule gegangen, weil meine Eltern sagten, der muss nicht studieren, der kann auch so ein guter Katholik werden.

Jedenfalls hat sich da Erhebliches verändert. Die studieren alle und die machen Abitur und die meisten mit Eins. Das will ich aber nicht weiter kommentieren, ich glaube das. Ich glaube das alles. Die Mädchen besser als die Jungs und dann gehen die an die Universität und studieren, weil die ja zielstrebiger sind. Die Jungs sind noch ein Jahr bei Mama, warten mal ab, was so kommt, dann ziehen die auch los, dann treffen die die an den Universitäten wieder und viele kommen nicht nach Hause zurück. Das ist nicht neu in der Geschichte der Menschheit, aber das verändert die Strukturen im Land erheblich. Die Generationen wohnen eben nicht mehr zusammen unter einem Dach.

In diesem berühmten Sauerland, in dem ich großgeworden bin, da waren es immer zwei/drei Generationen, die zusammen in einem Haus waren – es waren mal eine kurze Zeit vier. Und ich sage mal ganz vorsichtig, nur schön war das auch nicht. Es gibt natürlich auch Probleme dann dabei, aber jetzt sind die heute nicht mehr zusammen, die halten noch zusammen, die Familien, bei allem, was wir wissen, was wir erleben, Familien halten zusammen, die telefonieren, die unterstützen sich, die sprechen miteinander und versuchen, sich zu helfen. Nur wenn es hart auf hart kommt, sind sie nicht im selben Haus und auch nicht in derselben Stadt. Was heißt das eigentlich, was bedeutet das eigentlich? Wer hilft eigentlich wem? Und Erwachsenenpaare, Eltern, sind irgendwann alleine, die beiden. Und dann ist einer ganz allein von den beiden. Und das ist eine Veränderung, die es so gesellschaftlich überhaupt nicht gegeben hat vorher. Und dann ist die Frage, was haben die eigentlich noch für soziale Kontakte.

Und natürlich unsere Hochleistungsmedizin, die uns hilft, alt und älter zu werden. Wenn wir in Sachen Prävention genauso gut werden wie bei der Hochleistungsmedizin, wäre das noch schöner alles Wir geben viel Geld aus für großartige Leistungen, Herz transplantieren, Leber, Lunge, alles, Hüfte und Knie – das wird so nebenher gemacht, da reden wir gar nicht mehr lange drüber. Ja, das geht alles, das ist alles neu und darauf sind wir auch stolz, dass wir das alles können. Aber vorbeugen und überlegen, was kann man eigentlich tun, damit Probleme verhindert oder hinausgeschoben werden, das kann man nicht so gut beweisen, wie viel Geld man da verdienen kann an der Stelle. Und deshalb kann man das auch nicht kalkulieren.

Beweisen sie mal, dass einer sich so verhalten hat in seinem Leben, dass er nicht früh einen Herzinfarkt bekommen hat. Wie wollen sie das machen? Oder dass er nicht so früh Rentner wird oder dass er nicht so früh pflegebedürftig wird oder was man auch immer da nimmt. Sehr schwer zu beweisen und der große Impuls da an der Stelle, der fehlt noch ein Stück. Im Übrigen in Sachen Demenz hat uns die Medizin auch noch nicht viel weitergebracht, zumindest nicht die Pharmaindustrie, um es auf den Punkt zu bringen. Da komme ich aber gleich noch mal drauf.

Ich will aber noch eine Veränderung anführen, die ganz besonders wichtig ist. Ich habe es ja eben schon mal anklingen lassen bei den Familien. Das sind die Wanderungen. Die Wanderungen im eigenen Land, aber auch die Wanderungen in Europa und in der Welt. Verändert die Gesellschaft in großer Weise. Die Wanderungen, die innerdeutschen Wanderungen, sind übrigens größer und wirkungsmächtiger als alles, was von außen kommt.

Es sind jedes Jahr etwa eine Million, die die Wohnung wechseln, von einem Stadtteil in einen anderen oder in eine andere Stadt. Wir haben auch keine Statistiken und ich kenne zumindest keine darüber, was die Motive sind. Man kann vermuten, Bildungsarbeit ja und die Liebe, die wird die Leute schon treiben. Aber auch, dass sie irgendwo wohnen wollen, wo es interessant ist und was in ist. Ich weiß es nicht. Daraus entwickelt sich im Augenblick in Deutschland eine Diskussion über mangelnde Wohnungsangebote und über Konsequenzen, die sich für die Menschen ergeben, die auf dem Land bleiben und die da weniger werden und die dann Probleme haben, ihr Leben vernünftig zu organisieren. Daraus entsteht inzwischen eine Kommission gleichwertiger Lebensbedingungen aller Landesteilen. Herr Seehofer, Frau Giffey und Frau Klöckner sind da dran und Mitte des Jahres werden wir erste Vorschläge bekommen, was man denn eigentlich vielleicht tun kann gegen diese Entwicklung. Das ist eine unglaubliche Veränderung, die da stattfindet, auch, was die Werthaltigkeit von Immobilien angeht. Wenn man an einer falschen Stelle wohnt, wirste arm, wenn man an der richtigen Stelle wohnt, wirste reich, ohne dass du irgendwas machst. Meine Eltern haben das Haus im Sauerland, von meinem Vater gebaut, 800 Quadratmeter, schöne Lage, kann man noch viel mit machen. Wenn man das verkauft, kriegst du da 50 bis 60.000 für. Wenn es in Bonn stünde, 500.000, wenn es in Berlin stünde, zwei Millionen. So. Und das ist alles, was so nebenher geschieht, das will ich nur andeuten für die Veränderungen, die in der Gesellschaft insgesamt stattfinden, wenn man sich fragt, was wollen wir eigentlich demnächst und wo zu. Einen Punkt will ich aber ganz besonders unterstreichen, der uns große Sorge macht, und ich will versuchen, so ein paar Arbeitsfelder der BAGSO zu beschreiben, ohne da eine große Systematik daraus zu machen, aber Dinge, die uns doch sehr wichtig sind. Es gibt in diesen ganzen Vorgängen nun eine zunehmende Zahl von Einpersonenhaushalten – ich habe das eben beschrieben. Und die Frage ist, sind die eigentlich allein oder sind die einsam? Wir haben als BAGSO einen Wettbewerb gemacht mit dem Familienministerium Ende letzten Jahres, hoher November, in wenigen Wochen 600, 700 Teilnehmer, Aktivitäten, die sie gemeldet haben und sagen, was man machen kann, was man machen muss. Und in der letzten Woche, vor zehn Tagen etwa haben wir die ausgezeichnet in Berlin und haben uns bedankt dabei denen, aber haben auch natürlich die Überzeugung als BAGSO, wir müssen da noch mehr machen, das wird es noch nicht sein. Es gibt Städte mit 40 % Einpersonenhaushalten, Berlin mit 50 %, 70 % sind Studenten – die kannst du vergessen, die kommen alleine klar, hoffen wir –, die anderen sind Ältere. Und bei den Älteren sind die ganz Alten und die Frage ist, was ist mit denen, die da ganz alleine sind? Ist das eigentlich eine Sache, wo man zugehende Sozialarbeit machen muss und klären, wie kommen die eigentlich klar? Melodie ist, die können ja für sich selbst sorgen. Die müssen ja nicht alleine sein, die müssen nicht einsam sein, aber der Fakt ist, das ist so. Und im Alter einsam sein, ist tödlich. Ist eine Katastrophe. Alleine sein, ab und zu, ist man ganz gerne, das haben wir ja alle, aber es muss da die Tür sein, die du aufmachst und da muss jemand hinter sein, mit dem du reden kannst, nötigenfalls auch streiten. Es muss lebendig sein. Wenn du ganz alleine bist und du morgens wach wirst und weißt, da kommt heute keiner, es besucht dich niemand, du musst auch nirgendwo hingehen, das Essen kommt mittags, Essen auf Rädern steht auf der Treppe, die Kartoffeln sind püriert, kauen musst du auch nicht mehr, ist das Leben nicht so schön an der Stelle. Die Menschen implodieren, die Menschen verzweifeln, da entstehen Depressionen und all die Dinge. Und deshalb sage ich noch mal: Gesellschaft kann nicht einfach Zuschauer sein, das ist so, die sollen mal gucken, wie sie klarkommen, sondern wir müssen überlegen, was kann man eigentlich tun an der Stelle. Und ich glaube, dass man letztlich um diese Idee einer zugehenden Sozialarbeit nicht rumkommt. Wenn das Kinder wären, würden wir auch nicht sagen, da sollen die mal gucken, wie sie klarkommen, sondern wir würden hingehen und würden sagen, ja, muss man mal sehen, wie man da Kontakt kriegt in der nötigen Vorsicht, nicht betüdelnd, aber doch so, dass man sagt, lass uns mal darüber sprechen, was können wir denn jetzt eigentlich tun. Man kann aber auch – und das ist die andere Frage, die wir als BAGSO immer ansetzen – sagen, da ist der Staat zuständig, aber die Gesellschaft auch. Du bist auch zuständig. Du bist auch zuständig. Und das müssen wir den Menschen auch sagen. Das Grundgesetz geht nicht bis 65, sondern solange du deinen Kopf klar hast, bist du zuständig für die Rechte und Pflichten, die da drinstehen. Und du musst auch versuchen, dem gerecht zu werden und musst mithelfen, dass das auch wirklich gelingen kann. Und das fängt früher an als in der Situation, wo du ganz alleine bist. Was macht man eigentlich bis dahin? Wie geht man eigentlich damit um? Und da komme ich noch mal auf das Beispiel von Frau Staudinger mit diesen Bewegungssportgruppen. Ich war viel unterwegs im Landessportbund Nordrhein-Westfalen als Botschafter – so nennt man das ja heute immer –, aber immer ehrenamtlicher Botschafter – ist auch klar. Bewegt älter werden. Was tun wir eigentlich dafür? Wir haben in Nordrhein-Westfalen zwei Millionen Sportvereinsmitglieder über 40, etwa 600 000 davon sind über 60. Ich habe gesagt, was machen die denn eigentlich, außer, dass sie Sportschau gucken und Toto spielen? Und ich sage, dann schreibt die mal an und klärt das mal untereinander. Die müssen ja nicht passiv Mitglied sein. Macht im Sportverein eine Bewegungssportgruppe für Ältere, 40 plus, 50 plus, 60 plus, 70 plus. So und die über 40, über 50, die sind irgendwie auch ansprechbar, aber man hat lange nichts gemacht und hat dann Angst, entweder wackelt der Speck oder man hat Angst vor Zerrungen am Fuß oder vor irgendwelchen Unglücken. Also lässt man das mal lieber liegen. Ist aber ein schwerer Fehler. Macht eine Bewegungssportgruppe. Sagen die im Sportverein, ja, das würden wir gerne machen, das ist auch nötig, aber da haben wir keine Zeit, wir sind im Job, wir haben keine Zeit. Ich sage, da werden doch 65- oder 70-jährige Frauen oder Männer sein, die das organisieren können. Ihr macht die Bewegungssportgruppe und die werden ordentlich versichert, wie das geht bei Ehrenamt, und dann laden die ein, zweimal die Woche zwei Kilometer Walken oder Schwimmen oder Radfahren. Zweimal oder dreimal die Woche, da sagen die ja, da gehe ich nicht hin, die sehen alle so alt aus. Da guckt man in den Spiegel und dann sagen die ja, okay, gehe ich doch hin. Dann kommen die mit der Ausrede, aber die sind alle so komisch. Da sage ich ja, am besten zugeben, am besten zugeben. Früher gab es wenig Alte, da waren die alle weise, das haben wir alle geglaubt. Heute wissen wir, weil das so viele Alte sind, das stimmt überhaupt nicht mit dem weise, wir sind nicht sonderlich weise, sondern eher sonderlich. Das ist aber nicht schlimm. Und man muss den Leuten sagen, da kann was dran sein, aber ich sage euch eins, besser mit komischen Leuten spazieren gehen, als alleine in der Bude sitzen und einsam sein. Das ist auf jeden Fall besser, ganz gleich, wer diese Leute eigentlich sind. Also macht da was. Das tun auch welche und daraus entsteht natürlich – und das ist vielleicht noch wichtiger als die ganze Bewegung – der soziale Kontakt. Trotzdem sage ich noch mal zur Bewegung, ich will noch mal bestätigen, was Frau Staudinger eben gesagt hat, Bewegen, Bewegen, Bewegen. Die, die sich als Grundlagenforscher um Demenz kümmern und ab und zu frage ich mal einen, wenn ich sie treffe, ich sage, was könnt ihr uns denn jetzt eigentlich mal sagen, da sagen die, Bewegen, Bewegen, Bewegen. Das Beste ist Tanzen. Das ist immer die Stelle, wo die Frauen die Männer anstoßen, habe ich doch schon immer gesagt. Die Männer verweisen auf Meniskus, man kann nicht mehr so und dann sind sie auch wieder da raus. Bewegen ist wichtig, Bewegung der Beine ernährt das Gehirn. Bewegung der Beine ernährt das Gehirn. So, das ist Sauerländer Sprache, aber die Leute verstehen alle, da gibt es einen Zusammenhang. Auch eben noch mal mit den Zahlen verdeutlicht. Ja, da gibt es bestimmte Zusammenhänge. Wer sich bewegt, wer schneller geht, denkt auch schneller und wird auch älter. Sich in den Liegestuhl legen, Gesundheitspillen essen und Kreuzworträtsel lösen, ist nicht die Lösung des Problems. Das ist ganz klar. Ich kannte aus Bielefeld eine kleine Genossenschaft. Vor zehn Jahren haben die mir schon erzählt, sie machen jetzt Folgendes: Das sind alles Menschen im Rentenalter und die sind auch allein oder zu zweit und soviel- Wohnungsbeständen. Sie treffen sich in der Woche so drei-/viermal und wer nicht kommen kann in dieser Gruppe – vier, fünf, sechs Personen –, der wird angerufen oder besucht. Als ich das das erste Mal gehört habe, habe ich gesagt, völlig verrückt, sich so was an den Hals zu holen, da kann man sich ja vorstellen, was da los ist. Aber das funktioniert. Die sehen sich, treffen sich, wer nicht kommen kann, das Bier nicht mittrinken oder den Kaffee mittrinken, der wird besucht oder angerufen. Und so entstehen keine Familien, aber es entstehen soziale Cluster, die irgendwo zusammenhängen und -halten und die das aufnehmen, was es früher in der Gesellschaft sozusagen vertikal gegeben hat. Das sind Leute, die sich kennen und die sich aufeinander verlassen. Wenn man sagt, das sind Freundschaften, da sagen die, das ist ein bisschen hochgewertet, aber dieses Ganze auf Praxis angelegt, man kann sich aufeinander verlassen. Wenn du da nicht hinkommst, dann weißt du, die rufen dich an und einer kommt auch und wenn du Hilfe brauchst, dann meldet man sich bei denen und dann funktioniert das alles und dann unterstützt man sich. Finde ich eine ganz tolle Idee. Wir haben als BAGSO eines angefangen – das hat auch diesen Zweck und diesen Hintergrund –, nämlich auf Rädern zum Essen, nicht Essen auf Rädern, sondern auf Rädern zum Essen. Ich war bei der ersten Veranstaltung in Berlin dabei. Die Leute kamen. Es waren so 40 Leute in einem bestimmten Kiez da. Die kannten sich nicht alle, manche kamen auf Fahrrädern, manche mit der Bahn, einige, zwei/drei wurden geholt mit dem Auto, Sanitätsauto, weil die nicht kommen konnten, manche kommen zu Fuß. Und dann haben wir miteinander gegessen. So nach einer halben Stunde meldeten sich zwei Frauen und sagten, treffen wir uns noch mal wieder? Habe ich gesagt ja, sicher. Wenn ihr wollt. Wir waren mitten im Leben, das ging richtig schön, der Koch wurde dazugeholt und man hat sich richtig gut unterhalten über alles das, worum es geht. Und dann: Wann sehen wir uns wieder? Da habe ich gesagt, vier Wochen. Da haben sie gesagt, das dauert zu lange, wir müssen das schneller machen. Da sage ich, dann müsst ihr das machen, das können wir nicht. Und dann hat sich so eine Truppe von sechs, sieben, acht gefunden und haben gesagt, nächste Woche treffen wir uns wieder weil das Miteinander Essen und Sprechen ist eine Kultur, ist eigentlich eine Leitkultur, um das Wort mal zu gebrauchen. Und wir sollten darauf achten, auch wir Älteren, auch bei den Jüngeren, auch bei unseren jungen Familien, lasst das nicht völlig verkommen. Miteinander am Tisch sitzen, sich angucken. Weil man wirklich miteinander reden kann. Und weil das miteinander Sprechen keine Kleinigkeit ist, die man irgendwo beiseiteschieben kann. Da war in einer Familie der fünfjährige Enkelsohn dabei, der kriegte zum Essen so einen kleinen Bildschirm auf den Tisch gestellt. Da habe ich gesagt, was ist das denn? Ja, sagte sie, der isst nur, wenn er das sehen kann dabei. Ja, Sie lachen. Ich habe auch gelacht, was sollte man machen, man kann ja keinen Aufstand machen, wenn man auf Besuch ist. Aber das ist doch Wahnsinn! Es ist doch wirklich Wahnsinn! Was da stattfindet und wie wir leichtfertig mit sozialen Kontakten umgehen. Die Menschen und wir bei der BAGSO sagen, wir wollen selbstbestimmt älter werden und alt werden. Das ist ein großes Wort, selbstbestimmt. Selbstbestimmt heißt selbst bestimmen. Und zu sagen, ich will selbstbestimmt alt werden, Staat mach mal, ist sozusagen die falsche Adresse. Man muss schon sehen, da gibt es Selbstbestimmung und da gibt es auch noch Mitverantwortung. Aber die Gesellschaft und der Staat sind auch nicht außen vor und deshalb muss man zu den beiden auch was sagen und nicht alles nur den Menschen dahinblättern, sondern es geht auch um die beiden anderen. Die Gesellschaft, das ist in erheblicher Weise die Kommune und die spielt eine sehr, sehr große Rolle, leider bisher im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik eine zu geringe Rolle. Unsere Kommunen müssen gestärkt werden für diese Herausforderung, um die es da geht. Im Alter wird der Lebensraum, in dem wir uns bewegen, deutlich kleiner im Vergleich zu vorher. Bei Kita ist es so, bei Schule ist es so, im Beruf ist es so. Ich bin eben auf der Strecke von Köln nach Frankfurt gekommen, also du fährst in zwei Stunden von Dortmund über Köln nach Frankfurt. Eine Stunde fahren viele jeden Tag, wenn der Job gut ist und gut bezahlt ist und sicher. Wenn die aber 65 und drüber sind, wird das ein Radius von 2,5, drei Kilometer. Die allermeisten sind dann reduziert auf einen Kiez, auf einen Stadtteil, auf einen Ort, auf eine kleine Stadt, auf ein Dorf, wo alles sein muss, was man braucht fürs Leben. Da muss der Arzt sein, da muss eine Apotheke sein, da muss eine Bank sein, da muss eine Post sein, da muss öffentlicher Personennahverkehr sein. Wenn man das alles aufzählt, merkt man schon, das haut nicht alles so hin. Wie geht das eigentlich da an der Stelle weiter, was können wir eigentlich tun und wie können wir uns dazu verhalten? Dazu gab es einen siebten Altenbericht, an dem Professor Kruse ja federführend gearbeitet hat in der vergangenen Legislaturperiode. Und der sagte im Grunde, dieses ganze Problem werdet ihr nur hinbekommen, das ist nur leistbar, wenn wir die Kommune in ihrer Rolle erkennen und sie stärken, damit sie dieser Aufgabe auch gerecht werden kann. Dieser schöne Bericht steht irgendwo im Schrank und wird vorgestellt als ein ganz toller Bericht, den wir haben. Aber was machen wir denn jetzt eigentlich damit? Und ich hoffe, dass die bald wieder anfangen, in Berlin sich noch mal Gedanken dazu zu machen. Woran hakt das da eigentlich? Wir sind Interessenvertreter der BAGSO, der Älteren. Das sagen wir auch so ganz klar, denn Interessen vertreten gehört zur Demokratie. Zur Demokratie gehört nicht das Verschweigen sondern zur Demokratie gehört das zu sagen, aber auch zu wissen, ich kann mich nicht mit allem durchsetzen und das kann auch sein, dass es ganz anderes kommt, dass ich nicht recht behalte oder nur partiell recht behalte. Jedenfalls die Interessen vertreten und das tun wir. Und diese Interessenvertretung bei der Kommune zeigt, jede Kommune in Deutschland hat einen Kinder- und Jugendhilfeausschuss. Weil es durch Einzelgesetze Aufgaben an die Kommunen gibt, die muss sie machen. Sie muss gucken, dass genug Kita-Plätze da sind, genug Schulplätze, dass das mit den Kindern gut läuft, dass, wenn es in Familien nicht läuft, man sich einschaltet und hilft usw. Das gibt es für Alte nicht. Weil es so viele Alte nicht gab. Die Kommunen sind für alle Menschen zuständig, die in ihren Grenzen leben, aber es gibt keine Spezialgesetze dafür. Die Frage, die wir als BAGSO aufwerfen, die ich jetzt nicht beantworten will hier, aber ich will sie Ihnen mitgeben, weil wir wirklich darüber nachdenken müssen: Müssen wir eigentlich sagen, es muss so etwas wie Altenhilfegesetzgebung geben, umfassend oder punktuell, dann haben die Kommunen diese Aufgabe, das zu machen. Die müssen allerdings auch das Geld kriegen, das zu machen. Denn in dieser Problematik versteckt sich noch eine Sache, die wir nicht unterschätzen dürfen, es gibt reiche Kommunen, es gibt arme Kommunen. Das heißt, je nachdem, wo du wohnst, hast du Vorteile oder Nachteile, je nach Finanzlage der Stadt. Und das ist eine tiefgreifende Problematik, die wir haben insgesamt, die sich über das ganze Land verteilt und diese Kommission zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse Seehofer, Giffey und Klöckner, die muß an der Stelle dringend arbeiten. Einer der Punkte, die ich persönlich für ganz wichtig halte, ist, dass wir überall im Land SAPV haben, spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Das ist eine große Entwicklung, ein großer Schatz, den wir da haben, den wir in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben. Die Hospiz- und Palliativbewegung ist die größte und schönste Bewegung, die wir in Deutschland haben. Da sind ganz viele Frauen, auch Männer einige dabei, die helfen den Menschen, die schwer krank sind, die Palliativhilfe brauchen, die im Sterben sind, um gut menschlich behandelt zu werden. Und da hat jeder Mensch einen Anspruch drauf. Das steht im Gesetz. Das Problem ist nur, wenn du keinen Palliativarzt da hast und keine Palliativdienste, dann hat der Kaiser sein Recht verloren, dann hast du zwar theoretisch das Recht, aber das ist alles ganz weit weg. Anders ausgesprochen: In den vielen großen Städten funktioniert das, zumindest in den besseren Stadtteilen – sage ich nur mal ein bisschen einschränkend –, aber an vielen anderen Stellen im Lande klappt das nicht. Und damit kann man nicht einverstanden sein. Dass Menschen da Qualen erleiden müssen oder auch keine Hilfe bekommen, auf die sie eigentlich Anspruch haben, wenn man es denn überall hätte. Wenn man mit den Kommunen spricht und sagt, was ist das, sagen die, wir dürfen da leider nicht einschreiten, wir sind nicht zuständig dafür, wir können das nur anregen, aber, so. Dafür braucht man eine Aufgabe und Geld. Könnte man eigentlich sagen, die Kommunen müssen dafür sorgen, dass es dies da gibt und bitteschön, das sind die Instrumente und das ist auch das Geld, um das anzuschieben und es auch wirklich zu machen. Das sind Dinge, die uns im Kopf sind dabei. Wir haben in Deutschland Hospize, stationäre Hospize, da sind im letzten Jahr so etwa 30 000 Menschen gestorben, in den stationären Hospizen. Sterben ist ein großes Thema für die älter werdenden Menschen, weil das so oft verdrängt wird, aber wir sprechen darüber und das ist auch nötig, dass man das tut und dass man rechtzeitig darüber spricht, damit man weiß, wo man dran ist an der Stelle. Ungefähr 30 000 Menschen sind da gestorben von etwa 930 000, die im Jahr sterben. Das werden aber auch mehr werden, die da sterben. Das kommt durch diese Veränderungen, die wir da oben im Seniorenrentenalter haben, ich sage Ihnen aber beruhigend, wir sterben nicht zweimal, ihr müsst da keine Angst haben. Sind eben mehr Menschen alt und irgendwann wird das Alter erreicht und dann ist man doch so dabei. Also 30 000 sterben in stationären Hospizen. Die Wissenshaft sagt uns aber, 12 bis 15 % der Menschen bräuchten wohl eigentlich eine solche Begleitung. Und das würde heißen, dass das etwa 120 bis 140 000 sind. Ich habe da keine genauen Zahlen. Aber alleine die Vorstellung, dass da vielleicht 70, 80 000 Menschen sind, die nicht die wirkliche Hilfe bekommen, in Pflegeheimen sind oder zu Hause, ist schon ein bisschen beunruhigend. Nun gibt es auch Palliativdienste, die gehen in die Heime, die müssen auch da reingehen. Und es gibt auch welche, die helfen zu Hause. Ich weiß aber nicht genau, wie viele davon erreicht werden. Jedenfalls, wir möchten, dass das überall erreicht wird, das ist ein Anspruch, den die haben, die Menschen, und deshalb muss man sich dafür einsetzen, dass dies auch möglich wird. Und das könnte man am ehesten erreichen, wenn man die Kommunen mit einschaltet und wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, auf solche Dinge miteinander zu achten. Aber das gilt auch für andere Dinge. In den Kommunen zum Beispiel eine größere Aktion für barrierefreie Wohnungen und für barrierefreies Wohnumfeld. Das ist keine Kleinigkeit, das ist kein Pippifax irgendwo, sondern ältere Menschen wollen gehen, auch draußen, und die Frage ist, gibt es da Stolperkanten und wie kann man eigentlich helfen, wie ist das eigentlich in den Kommunen eingerichtet in den Fußgängerzonen, einschließlich der nötigen Zahl benutzbarer öffentlichen Toiletten? Darüber wird auch nicht gesprochen, ist aber ein großes Problem. Zurück zu den Wohnungen. Wir hatten im Jahr 2017 8 800 schwere Stürze in Wohnungen. Davon so etwa 6 800 tödlich, davon etwa 80 % Menschen über 80. Weil im Alter die Geschwindigkeit weniger wird und die Kraft und die Ausdauer. Das kann man alles ertragen. Aber die Koordination ist das entscheidende Problem. Wenn du die Treppe rauf- und runtergehst, doch lieber, wo das Geländer ist? Umdrehen, nicht mehr so einfach. Man fängt ein bisschen an zu taumeln. Wenn du im Zug bist und der Zug fährt in einen Bahnhof, hält man sich fest, die Jungen stehen alle da und wischen da ihr Tablet sauber und so. Und man hat seine Not, dass man stehen bleibt auf den Beinen – das ist so. Und deshalb auch wichtig, dass man Sturzprophylaxe macht, aber dass man vor allen Dingen auch die – ja –, die Hindernisse, die man rausmachen kann, auch raus macht. Und wenn man da straßenweise mit den Genossenschaften und städtischen Wohnungsgesellschaften in die Häuser geht und den Leuten sagt: Leute, macht das rechtzeitig, wartet nicht, bis was passiert ist, könnte das vielleicht eine große Hilfe sein. Wenn doppelt so viel Menschen in der Wohnung umkommen als auf der Straße im Straßenverkehr – so war das nämlich in dem Jahr –, dann ist da irgendwas nicht in Ordnung. Darüber wird geschwiegen, aber muss ja nicht sein. Woran liegt das? Die Tür zum Bad ist zu schmal, der Rollator passt nicht rein, also geht man so, fällt auf die Nase, die Tür geht aber nur nach innen auf und man liegt noch dahinter, Komplikation. Die Badewanne, statt da eine Sitzdusche zu machen, in der man sitzen kann und wo man sich auch vernünftig duschen kann. Oder elektronische Hebeanlage, damit man nicht auf einen Stuhl klettern muss, um die Lampe zu erreichen. Das ist alles nicht so teuer. 7.000, 8.000 €. Das geht gar nicht um den großen Fahrstuhl, den man ab und zu im Fernsehen sieht, der da die Treppe rauffährt, sondern das sind alles recht praktische Dinge. Es gibt auch Förderung dafür, von KfW und von der Pflegeversicherung, da muss man allerdings erst pflegebedürftig sein. Und wenn man die Menschen überzeugt hat, das zu machen, dann sagen welche: Der Teppich, unser Teppich, der bleibt. Der bleibt. Da haben wir so lange für gespart, der ist so dick und das kann egal sein, was da passiert, der Teppich bleibt. Da habe ich gesagt, okay, behaltet den Teppich, aber nagelt den an die Wand. Hört auf, immer darauf rumzurennen und euch da die Nase zu brechen. Also das ist für den Teppich auch gut, das ist überhaupt kein Schaden, ihr könnt den jeden Tag streicheln, denkt mal da drüber nach. Ich erläutere das so, weil das einfach lebenspraktisch ist, wenn man den Menschen bewusst macht, dass sie eine Chance haben, sich selbst auf ihr Alter einzustellen, mitzuhelfen dabei, sich vernünftig zu ernähren, sich zu bewegen und gut durchs Leben zu kommen. Ich fasse das drei L zusammen L L L. Das erste L heißt Laufen – das habe ich eben schon erläutert. Das kann eben auch Schwimmen oder Radfahren sein. Das zweite L heißt Lernen, das kann auch Lehren heißen. Die älter Werdenden sind ein großer Fundus von Wissen und Erfahrung. Dass eine Gesellschaft sehenden Auges sagt, ihr dürft das alles nicht mehr gebrauchen, ist völlig verrückt. Wenn das alles Maschinen wären, die 65 sind, würden alle sagen, die müssen noch ein paar Jahre laufen, die sind noch so gut geölt, putzen wir mal drüber, alles klar, weiter. Aber weil wir nur Menschen sind, nein, ist Schluss an der Stelle. Es gibt auch welche, die können nur bis 60. Ich will das nicht bagatellisieren hier an der Stelle. Aber das ist so. Viele Ältere können aber länger. Ich war bei den Müllmännern in Berlin – sieben/acht Jahre her –, habe gefragt, wie lange könnt ihr? Könnt ihr bis 67? Haben sie gesagt nein, wir können auch nicht bis 63. Wie lange könnt ihr denn? Ah, 52, 55. Habe ich gesagt, Leute, das geht nicht, 30 Jahre arbeiten, 40 Jahre Rentner. Da haben sie gesagt nein, das wollen wir auch nicht. Was wollt ihr denn? Wir brauchen leichtere Arbeitsplätze im Alter. Die, die angemessen sind. Wir wollen nicht, dass wir uns kaputtarbeiten und dann mit 57, 58 am Ende sind. Da habe ich gesagt, dann macht das doch. Da sagen die ja, dann gucken sie sich mal um, das gibt es alles nicht mehr. Und das ist ein wirklich großes Problem, was ich hier nicht mal eben schnell erläutern und klären kann, aber es ist so. Diese Gesellschaft ist dabei, rigoros die einfachen Arbeitsplätze wegzurationalisieren. Als ich Minister war in Berlin, da mussten wir 0,5 oder wie viel Prozent einsparen an Löhnen, an Gehältern, an Personalkosten. So, dann macht mal einen Vorschlag. Und die kamen nun mit Folgendem: Es gab da Leute – fünf oder sechs –, die kamen morgens zwischen 04:00 und 05:00. (Ich hatte die nie gesehen) in das Ministerium, sammelten die Post, sortierten die, legten die auf so Teewagen, fuhren die dann auf den Etagen und verteilten die in die Büros. Der Vorschlag war, die Stellen zu streichen. Also die simpelsten und die am schlechtbezahltesten. Aber wie kommt die Post in die Büros? Ja, die gehen aus den Büros dahin und holen die. Aber, eins und eins ist zwei, das stimmt nicht. Ich sage euch, wenn die mit den höheren Gehältern losgehen aus allen Büros und die Post holen, dann wird das teurer als bisher. Ja, ist doch ganz klar. Aber wenn man sich nicht wehrt dagegen, läuft das alles nach demselben Schema. Und man muss auch wissen, dass diese einfachen Arbeiten so bezahlt werden müssen, dass das ordentlich ist für die Menschen. Also: Anständige Mindestlöhne. Denn wir kommen ohne diese Leute eben nicht aus – das ist so! Wir wissen, wir haben in Deutschland – ganz zweifellos –, wir haben sittenwidrig niedrige und sittenwidrig hohe Löhne. Wenn ich höre, dass Leute von irgendwelchen Unternehmen oder auch bei großen Banken das 600-Fache verdienen wie eine Krankenschwester, das kann nicht wahr sein! Es kann sein, dass einer zehnmal so gut ist wie die, aber nicht 600-mal und das macht mich wirklich wütend. Da muss man doch mal anders rangehen. Und da muss man auch dafür sorgen, dass man Arbeitsplätze für die Menschen nicht kaputtmacht, wo man weiß, wenn man das kaputtmacht, schickt man die in die Arbeitslosigkeit und die haben keine Chance, da rauszukommen. Und dann fangen wir an, nachzudenken, wie wir soziale Arbeitsplätze schaffen, damit wir sie wieder reinkriegen. Aber es wäre schon vernünftig, wenn wir an der Stelle ein bisschen aufmerksamer werden und dafür sorgen, dass das auf jeden Fall auch funktionieren kann. Also das zweite L war Lernen, das kann auch Lehren sein. Wir machen das als BAGSO auch mit Seniorexperten. Das sind zum Teil Frauen/Männern pädagogisch vorbelastet, die in die Schulen gehen und mit den Kindern sprechen und mit den Lehrern sprechen und die da helfen. Ich war in Berlin in einer Schule vor zwei Jahren schon, drei Jahren, da erklärte mir der Rektor, diese Dame da vorne, das ist der Engel der Schule. Und da sage ich, kommen sie mal her und da haben wir uns freundlich begrüßt und ich fragte, wieso ist sie der Engel der Schule? Ja, die ist die Einzige, die die kyrillische Schrift kann und wir haben ganz viele junge Leute, die aus Russland gekommen sind, Spätaussiedler, und wir brauchen die als Kontakt zwischen der Schule und den Eltern und den Kindern und so. Und das ist ein Problem, das nicht nur die mit kyrillischer Schrift haben, sondern andere auch in Deutschland, an vielen Stellen im Augenblick. Wie sollen die Kinder eigentlich klarkommen, wenn sie zu Hause eine Sprache haben, die sie nicht in der Schule haben? Befähigungsgerechtigkeit für diese Kinder ist wichtig. So und da habe ich sie beglückwünscht, habe gesagt, das ist ja toll, dass sie an der Schule angestellt sind. Da sagt sie, ich bin nicht an der Schule angestellt. Ich sage, wer sind sie denn? Ich bin eine dritte Person. Was ist eine dritte Person? Und dann stellte sich heraus, die haben da gesammelt und da war so eine Stiftung noch und die haben mit dieser Stiftung und der Sammlung diesen Arbeitsplatz für die Frau bezahlt, die in der Schule war. Ich finde das eher peinlich für unser Land! Dass man das auf diese Art und Weise machen muss und dass man nicht kapiert, dass man an der Stelle anders ran muss, weil alle Gerechtigkeit beginnt mit den Kindern und mit der Befähigungsgerechtigkeit für die Kinder. Kinder, die keine Erziehung und die keine Ausbildung und die keine Schule haben mit einer Qualität, die sie auch ins Leben hineinführt, die kommen aus der Schule mit zu wenig. 50 000 jedes Jahr ohne Abschluss. Das ist alles Nachwuchs für Arbeitslosengeld II, was denn eigentlich sonst? Und wenn du in dieser Lage bist, hast du eine Chance vielleicht eins zu eins, nicht viel mehr, dass du jemals in deinem Leben eine Arbeit bekommst, die bezahlt wird so, dass du davon auch leben kannst. Und da beginnt die große Ungerechtigkeit. Die beginnt nicht erst da hinten und da oben, sondern die beginnt da. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir Alten, wir Älteren auch das im Blick haben. Wenn wir gut nach vorne kommen wollen, dann muss dieses auch stimmen und da können ältere Menschen helfen. Viele können helfen. Es gibt Patenschaften und alle möglichen Organisationsformen, wo wir auch gerne Rat geben dazu, wenn jemand was sucht. Das dritte L heißt Lachen. Gut, ich will Ihnen dazu ein Beispiel erzählen, weil das ja immer am besten ist. Ich weiß schon, dass man unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten skeptisch zuhört. Ich will es Ihnen aber trotzdem erzählen, was ich von einem Landrat erfuhr. Die Menschen wurden immer geehrt mit 85 in seinem Kreis, dann kriegten die einen Blumenstrauß, er fuhr da hin, Journalist mit, da wurde ein Bild gemacht, alles toll. Und dann kam aber sein Büro und sagte, das geht so nicht weiter, es werden so viel 85, sie haben nicht so viel Zeit und das wird auch zu teuer. Wir müssen irgendwas machen. Aber sagt er, dann ein Glücksfall, eine Dame, die älteste Dame des Kreises wurde 106 Jahre alt und da fahre ich hin und dann kommt das in die Zeitung und dann sehen die Leute alle wieder, ich kümmere mich um die Alten da. Er dahin, er hatte eine halbe Stunde Zeit, aber, na ja, also 106 Jahre, das wird ja schon gehen. Er kommt mit Blumenstrauß und und mit Journalisten und die Dame – war sehr gut drauf –, die kannte auch noch alle 106 Jahre und die fing an, zu erzählen, und zwar vorne. Nach einer halben Stunde musste er weg. Und sagte gnädige Frau, also das ist alles sehr interessant, aber entschuldigen Sie, ich komme nächste Woche wieder, ich mache sofort einen Termin, aber ehe ich gehe, sagen sie mir noch eins, wie kommt das, dass sie so gut drauf sind? Sie: „weil ich wirklich keine Sorgen mehr habe. Ich habe jetzt beide Kinder im Altersheim, mir kann nichts mehr passieren“. Und ich empfehle sehr, dass wir uns diese drei Dinge nicht kaputtmachen lassen. L L L-Also das Laufen, das sich Bewegen, das Lernen und auch das Lachen. Gut ins Alter zu kommen und da durchzukommen, das hilft dem Staat – da habe ich jetzt wenig drüber gesagt, der darf nicht entlassen werden von den großen sozialen Herausforderungen, in denen wir ja sicher auch stecken –, aber auch von der Gesellschaft. Der Staat muss für Gerechtigkeit sorgen. Die Solidarität, der andere große Wert, der geht nur über die Gesellschaft. Der Staat kann sagen, seid solidarisch, vertragt euch, geht anständig miteinander um – kann er alles machen. Aber, ob das funktioniert, das liegt an uns, an Menschen und wie wir miteinander umgehen und ob man aufeinander achtet oder ob einem das völlig egal ist. Und da sind Kommunen und Vereine und Verbände und Organisationen und Kirchen und Parteien und alles, was es da gibt, ganz wichtig. Und dieser Zusammenhalt, der ist entscheidend dafür, dass man auch in einer Gesellschaft, wo das mit den Familien so ist, wie ich das beschrieben habe, gut leben kann. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, freue mich, dass Sie mir freundlich zugehört haben und Sie können sicher sein, wir machen in der BAGSO, was möglich ist, um den Menschen zu sagen, wir können aus dieser Sache was Gutes machen. Wir können aus der Sache was Gutes machen. Aus jedem Alter kann man was Gutes machen, daran wollen wir weiter mitarbeiten. Vielen Dank für Ihr Zuhören!