Äußerlich ist das Altern durch Hautfalten und graue Haare gekennzeichnet. Unter der Haut ist es ein tiefgreifender Prozess aller Organe und Zellen des Körpers. Dabei spielt die Regenerationsfähigkeit der somatischen Stammzellen in dem Alterungsprozess eine entscheidende Rolle.

Die Abnahme der Immunabwehrlage und die Neigung zur Krebserkrankungen sind zum Beispiel gekoppelt mit dem Alterungsprozess des Menschen. Hierfür spielt wiederum die sich verändernde Funktionstüchtigkeit der weißen Blutkörperchen im Laufe des Lebens die Schlüsselrolle. Die Blutkörperchen leiten sich von den hämatopoetischen Stammzellen (hematopoietic stem cells, HSC) ab. Zeitlebens tragen die HSC Sorge dafür, dass geschädigte weiße Blutkörperchen wie z. B. die Granulozyten, die eine Lebensdauer von nur ca. 7 bis 8 h aufweisen, ständig ersetzt werden. Eine fundamentale Ursache der mit dem Altern einhergehenden Immunschwäche ist also auf die Abnahme der Funktionstüchtigkeit der HSC zurückzuführen. Aus Untersuchungen in Tiermodellen haben in den letzten Jahren weltweit Wissenschaftler Kenntnisse über die Verbindung zwischen der Regenerationsfähigkeit der HSC und der Immunschwäche im Altern erlangt (Geiger et al., 2013; Liang et al., 2005; Morrison et al., 1996; Pang et al., 2011; Ho et al., 2005; Rossi et al., 2005; Wagner et al., 2008a, b, 2009). In wie weit solche Erkenntnisse aus Tiermodellen auf die Situation im Menschen übertragbar sind, bleibt allerdings offen (Pang et al., 2011).

An menschlichen HSC als Modell für das Altern somatischer Stammzellen haben Wissenschaftler aus unserer Arbeitsgruppe im Klinikum der Universität Heidelberg und aus dem European Molecular Biology Laboratory (EMBL) die molekularen Grundlagen des Alterungs-Prozesses untersucht. Wir haben zeigen können, dass HSC älterer Menschen verstärkt Zucker verbrauchen – wobei sich eine verblüffende Parallele zu Krebszellen zeigt, die ebenfalls einen erhöhten Zucker-Stoffwechsel aufweisen (Hennrich et al., 2018).

Untersuchung des gesamten Proteoms menschlicher Blutstammzellen

Wir haben die aus dem Knochenmark gewonnenen HSC von 59 gesunden Probanden im Alter zwischen 20 und 60 Jahren dahingehend untersucht, wie sich die Zellproteine in den Blutstammzellen im Laufe des Lebens verändern. Die Gesamtheit der Proteine, das Proteom, der HSC wurde mithilfe moderner Massen-Spektrometrie untersucht. Unter den zahlreichen qualitativen und quantitativen Veränderungen der Protein-Zusammensetzung bei den HSC (CD34 + Zellen), die sich mit zunehmendem Alter erkennen lassen, hebt sich insbesondere eine Steigerung des Zucker-Stoffwechsels mit dem Altern hervor (siehe Abb. 1). Diese Veränderung im zellulären Stoffwechsel alternder HSC ist bisher weder im Mausmodell noch beim Menschen beschrieben.

Abb. 1
figure 1

Veränderungen der Proteine und Enzyme in den Stoffwechselwegen der Knochenmarkzellen im Laufe des Lebens. Nur signifikante Veränderungen werden hier dargestellt. Es hebt sich insbesondere eine Steigerung des Zuckerstoffwechsels mit dem Altern hervor (aus Ref. Hennrich et al. 2018)

Verschiebung der Lymphozyten-Bildung zu Gunsten von Granulozyten im Alter

Eng gekoppelt mit der Veränderung im Zucker-Stoffwechsel ist außerdem eine Verschiebung der Ausreifung bei alternden Blutstammzellen zu Gunsten der Granulozyten und auf Kosten der Lymphozyten festzustellen (siehe Abb. 2) (Pang et al., 2011; Hennrich et al., 2018; Doulatov et al., 2010). Unter den weißen Blutzellen gelten die so genannten Granulozyten als „Fußsoldaten“, wohingegen die Lymphozyten die „Kommandanten“ darstellen. Die Lymphozyten koordinieren die Aktionen des Immunsystems, um Eindringlinge bei Infektionen zu bekämpfen sowie entartete Körperzellen, d. h. Zellen mit Mutationen (Krebszellen), zu beseitigen. Mit zunehmendem Alter eines Menschen verschiebt sich also die Balance in der Zellbildung und es werden mehr Granulozyten und weniger Lymphozyten aus den HSC abgeleitet (Hennrich et al., 2018; Doulatov et al., 2010). Damit verläuft die Abwehr im Alter weniger kontrolliert, was der Körper mit einer verstärkten Bildung von Granulozyten auszugleichen versucht. Hierfür benötigt er verstärkt DNA-Bausteine und Energie, weshalb eine Subpopulation der HSC mehr Zucker verbraucht.

Abb. 2
figure 2

Veränderungen der für die Lymphopoese verantwortlichen Proteine und Enzyme im Vergleich zu den für Granulopoese und Thrombopoese verantwortlichen Proteinen und Enzymen mit dem Alterungsprozeß des Menschen. a „Scatter plot“ der Korrelation zwischen Spearman’s rank correlation coefficient (x-axis) und Signifikanz (p value) der spezifisch in HSC exprimierten Proteine (y-axis). b „Scatter plot“ in Analogie zu a aber mit Lymphopoese-assoziierten Proteine im Vergleich zu Myelopoese (Blutplättchen, Erythozyten und Granulozyten. c Signifikante Veränderungen der entsprechenden Proteine und Enzyme mit dem Altern. Die quantifizierte Menge bei jedem Probanden wird durch die Ringe dargestellt. Das Alter des entsprechenden Probanden wird unten aufgelistet. Die Farbe gibt die entsprechenden Erhöhung beziehungsweise die Abnahme mit dem Lebensalter wieder. Die relative Intensität wird gegen einen internen Standard gemessen, (TMT protein ratio). Rot = Zunahme, Bau = Abnahme (Aus Ref. Henrich et al. 2018)

Alterierte Blutstammzellen sind mit erhöhtem Zuckerstoffwechsel verbunden

Durch die Einzelzell-Analyse der gesamten, exprimierten Ribonukleinsäure (des Transkriptoms) haben wir außerdem zeigen können, dass die Veränderungen sich nur auf einen Bruchteil und nicht auf die Gesamtheit der HSC beziehen (Poisa-Beiro et al., 2020). Die Verschiebung spezifischer Blutstammzellen zur myeloischen Differenzierung ist also eng gekoppelt mit einem erhöhten Zucker-Stoffwechsel (Hennrich et al., 2018). Daraus leitet sich die Hypothese ab, dass sich altersbedingt veränderte HSC durch den Zuckerstoffwechsel von den restlichen, normalen HSC trennen lassen.

Mit einer speziellen Methode konnten wir den Glykogengehalt, was den Zuckerstoffwechsel wiederspiegelt, in den einzelnen HSC sichtbar machen und quantifizieren. Damit haben wir gezeigt, dass sich der erhöhte Zuckerstoffwechsel nur bei einem Bruchteil der HSC nachweisen lässt. Damit haben wir außerdem demonstrieren können, dass der Glykogen-Gehalt in den einzelnen HSC von jungen Probanden (<30 Jahre) verhältnismäßig homogen verteilt ist. Im Kontrast ist der Glykogen-Gehalt bei ca. 10–30 % der HSC bei älteren Probanden erhöht und somit in den Subpopulationen der HSC mehr heterogen verteilt (Poisa-Beiro et al. 2020).

Mit unserer Methode haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit geschaffen, die für den Alterungsprozess verantwortlichen Subpopulationen in den HSC in ausreichender Menge für eine Multi-Omics-Analyse zu isolieren. Die moderne Technologie der Genom-, Transkriptom-, und Metabolom-Untersuchungen auf Einzelzell-Ebene wird dann in einem weiteren Schritt dazu beitragen, die Unterschiede in den Zucker-Stoffwechselwegen zwischen alterierten HSC und normalen HSC als Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen ausfindig zu machen.

Stoffwechsel alternder Blutstammzellen zeigt Parallelen zu Krebszellen

Einen erhöhten Glukose-Verbrauch hatte Otto Warburg (siehe Abb. 3) bei Krebszellen in den 1920er Jahren beschrieben und dieser ist seither als Warburg-Effekt bekannt (Warburg, 1925). Dieser besagt, dass gesunde Körperzellen Energie gewinnen, indem sie Zucker verbrennen und dabei Sauerstoff verbrauchen. Krebszellen dagegen produzieren Energie durch Vergärung. Unter damaligem Kenntnisstand glaubte Warburg, dass ein Leben ohne Sauerstoff die Ursache für Krebs sei. Daher sei der Ansatzpunkt für eine Krebstherapie in der Wiederherstellung der Zellatmung mit Sauerstoff zu finden.

Im heutigen „post-genomischen“ Zeitalter hat die Hypothese von Warburg an Bedeutung verloren und ist fast in Vergessenheit geraten. Moderne Untersuchungen haben molekulare Veränderungen im Genmaterial als Ursache für die Krebsentstehung identifiziert. Aber gerade haben Genom- und Transkriptom-Untersuchungen bei Krebszellen verdeutlicht, dass zwar Mutationen an DNA zu Krebserkrankungen führen, jedoch bedarf es eines Zusammenwirkens von vielen Mutationen, um eine Krebserkrankung auszulösen. Diese Mutationen alle zu korrigieren oder zu bekämpfen hat sich inzwischen als illusorisch erwiesen (Heiden et al., 2009).

Eingriff in den Zuckerstoffwechsel als Angriffspunkt

Dagegen sind es nur wenige Stoffwechselwege, mit denen sowohl normale als auch entartete Zellen Energie generieren und Rohstoffe für die Zellvermehrung produzieren. Der Verdienst von Warburg ist, dass er eine grundsätzlich andere Art der Energiegewinnung als den Unterschied zwischen gesunden Zellen und Krebszellen identifiziert hat. Die Manipulation der in Krebszellen überaktiven Signalwege bietet sich zum Beispiel als therapeutischer Ansatz an. Ein Enzym des Energiestoffwechsels bzw. der Glykolyse, Phosphoinositol-3-kinase (PI3K) stellt ein gutes Beispiel dar. Diese ist typischerweise bei vielen Tumorzellen, z. B. Brustkrebs, malignen Lymphomen, durch Tumor-Wachstumsfaktoren aktiviert. Die aktive PI3K kann dann Membranlipide phosphorylieren, die wiederum die AKT Signalwege aktivieren, die proapoptotischen Proteine der BCL-Proteine inhibieren, und dementsprechend zu vermehrter Proliferation sowie verminderter Apoptose der betroffenen Zellen führen (deBerardinis et al., 2008). Inzwischen haben sich zwei Inhibitoren der PI3K, Idelalisib und Copanlisib als klinisch wirksam bei vorbehandelten, niedrig-malignen Lymphomen erwiesen und diese wurde schon vor 8 bzw. vor 2 Jahren von den Gesundheitsbehörden zugelassen (Dreyling et al., 2017; Gopal et al., 2014). Weitere PI3K-Inhibitoren wie z. B. Duvelisib befinden sich zurzeit in der klinischen Erprobung (Dreyling et al., 2017). Ein anderes Beispiel ist ein Inhibitor für das Enzym Isozitrat Dehydrogenase 2 (IDH2), der bereits im Jahr 2018 für vorbehandelte Akute Myeloische Leukämie von der „European Medicines Evaluation Agency“ (EMEA) zugelassen wurde (Stein et al., 2017).

Dass ein erhöhter Glukose-Metabolismus auch bei alternden HSC zu finden ist, war für uns eine Überraschung (Hennrich et al., 2018). Basierend auf demselben Prinzip wie bei Krebszellen könnte es vorstellbar sein, dass wir die selektive Proliferation alterierter HSC durch Hemmung des Zuckerstoffwechsels beeinflussen können, und somit die Entfaltung normaler HSC wieder im Gang setzen können.

Abb. 3
figure 3

Otto Warburg (1883-1970). (Quelle : Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem)

Klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial im Alter

Klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial (clonal hematopoiesis of indeterminate potential, CHIP) ist eine neue Entität in der Medizin, die nur durch die Genomuntersuchung ermöglicht, herauskristallisiert und definiert wird (Beerman et al., 2010; Jaiswal et al., 2014, 2017; Young et al., 2016; Zink et al., 2017). Es handelt sich um den Nachweis von somatischen Mutationen in Blut- oder Knochenmarkzellen ohne Symptome oder ohne Erfüllung anderer Kriterien für eine Bluterkrankung. Die Prävalenz von CHIP nimmt mit dem Alter exponentiell zu. Laut Literaturangaben liegt die Häufigkeit bei Siebzigjährigen, je nach Sensitivität der Sequenzierungsmethoden, bei 10 % bis 60 % in (Jaiswal et al., 2014, 2017; Beerman et al., 2010; Young et al., 2016; Zink et al., 2017).

Bei gesunden Individuen geht man davon aus, dass die HSC gleichmäßig zur Blutbildung beitragen. Bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML-Patienten) übernimmt eine Blutstammzelle fast die gesamte, krankhafte Blutbildung, also eine vollständige, klonale Hämatopoese. Diese ist mit schweren Ausreifungsstörungen und der Verdrängung normaler Blutbildung verbunden. Bei CHIP ist die klonale Hämatopoese klinisch gar nicht bemerkbar und die Mutationen nur bei einem Bruchteil der HSC nach zu weisen. Die am häufigsten mutierten Gene sind solche, die auch bei AML- und Myelodysplasie (MDS)-Patienten am häufigsten mutiert sind: DNMT3A, TET2, ASXL1 (Beerman et al., 2010; Jaiswal et al., 2014, 2017). Das Risiko, eine maligne hämatologische Erkrankung zu entwickeln, ist mit einer Rate von 0,5 bis 1 % pro Jahr jedoch gering. Dennoch ist die Gesamtmortalität für Patienten mit CHIP signifikant erhöht. Es zeigte sich ein erhöhtes Risiko sowohl für kardiovaskuläre Todesfälle (Jaiswal et al., 2017) als auch für die Entwicklung einer hämatologischen, insbesondere einer myeloischen Neoplasie. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass CHIP ein Indikator für den Alterungsprozess darstellt.

Schlussfolgerung

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die altersbedingten Veränderungen sowohl die Verschiebung des Ausreifungspotenzials als auch des gesteigerten Metabolismus, auf einem Bruchteil und nicht auf die Gesamtheit der alternden HSC zurückzuführen sind (Poisa-Beiro et al. 2020). Darüber hinaus hat die Analyse des Transkriptoms auf Einzelzellebene der HSC bestätigt, dass die Verschiebung des Ausreifungspotenzials zur myeloischen Vorstufen mit einem erhöhten Zucker-Stoffwechsel eng verbunden ist (Hennrich et al., 2018). Es liegt sehr nahe, dass diese Subpopulation eventuell mit der klonalen Hämatopoese assoziiert ist (Jaiswal et al., 2014, 2017; Young et al., 2016; Zink et al., 2017).

Daraus leitet sich unsere Hypothese ab, dass sich die alterierten HSC Subpopulation durch Veränderungen im Zuckerstoffwechsel von den übrigen, normalen HSC unterscheiden lassen. Mit einer weiteren, von uns entwickelten Methode haben wir nun zeigen können, dass der Anteil solcher alterierter HSC mit dem Alter zunimmt (Poisa-Beiro et al. 2020). Damit haben wir die Möglichkeit geschaffen, die für den Alterungsprozess verantwortlichen Subpopulationen von HSC durch den Unterschied im Zuckerstoffwechsel in ausreichender Menge für Multi-Omics-Analyse zu isolieren. Die moderne Technologie der Genom-, Transkriptom-, und Metabolom-Untersuchungen auf Einzelzell-Ebene wird dann in einem weiteren Schritt dazu beitragen, die Unterschiede in den Stoffwechselwegen zwischen alterierten HSC und normalen HSC als Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen zu identifizieren.

In den letzten Jahren haben wir gelernt, wie wir den Unterschied im Zuckerstoffwechsel zwischen normalen Zellen und Krebszellen nutzen können, um durch Blockierung der krebsspezifischen Zucker-Stoffwechselwege die Tumorzellen auszuhungern (Dreyling et al., 2017; Gopal et al., 2014; Stein et al., 2017). Durch die Isolierung von einer Subpopulation von HSC, die für die altersbedingten Veränderungen verantwortlich ist und die sich im Zuckerstoffwechsel von den restlichen normalen Zellen der Hämatopoese unterscheiden lässt, könnten wir wahrscheinlich, in Analogie zur Krebsbehandlung, das Gleichgewicht der Hämatopoese durch Eingriffe in den Zuckerstoffwechsel wieder herstellen. Durch kontrollierte Hemmung des Zuckerstoffwechsels, z.B durch Ernährung, Verhaltensregeln, oder durch Medikamente, können wir dieses Ziel erreichen.