Zusammenfassung
Folgend werden die Rekonstruktionen des medienkritischen Lernens Jugendlicher im Kontext hasserfüllter Artikulationen und Gegenbotschaften dargestellt. Dies gliedert sich wie folgt: Zunächst werden die Lernarrangements erläutert, in denen sich die untersuchten Lernhandlungen zugetragen haben. Herausgestellt werden in diesem Zusammenhang neben dem interaktiven Setting und den eingesetzten medialen Artikulationen auch die Lerngegenstände, die in den Unterrichtseinheiten potenziell relevant sein könnten bzw.
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Notes
- 1.
Der Verzehr von Datteln zur Eröffnung des allabendlichen Fastenbrechens – des „Iftar“ – ist eine gängige Praxis bei fastenden (sunnitischen) Muslim*innen.
- 2.
Entgegen meinem Vorgehen bei anderen hasserfüllten Artikulationen (s. Abschnitt 3.1.3) habe ich mich im Falle des NPD-Plakats für eine ausführlichere Thematisierung und auch Abbildung entschieden. Grund hierfür ist, dass das Gesamtgeschehen und der satirische Ansatz des Gegenbotschaftsvideos ohne Betrachtung der hasserfüllten Artikulation, auf die sich das Video bezieht, kaum nachvollziehbar wäre und Leser*innen auch entsprechende Verweise im medienkritischen Lernen Jugendlicher sonst verschlossen blieben. Im Grunde ist in dieser Entscheidung erneut das Dilemma von Gegenbotschaften bzw. Gegenrede beschrieben: die unumgängliche Reiteration der Abwertung, deren Ausgangspunkt die Gegenrede markiert (s. Kapitel 4).
- 3.
Die Untersuchung des medienkritischen Lernens speziell zu algorithmischen Empfehlungsstrukturen stellt freilich einen relevanten Untersuchungsgegenstand dar, den es in weiteren Studien in den Blick zu nehmen gilt.
- 4.
Die beiden Videos werden an dieser Stelle bewusst nicht tiefergehender beschrieben, da die detailgetreue Kenntnis der Propagandavideos – anders als im Falle der Hasskommentare – keine Notwendigkeit zum Nachvollzug der Rekonstruktionen medienkritischen Lernens ab Abschnitt 7.2 darstellt.
- 5.
Eine vorstellbare Ergänzung wäre etwa die Spekulation über die etwaige Einnahme bewusstseinserweiternder Substanzen o.ä. alá: „hat der [etwas geraucht]“. Jedenfalls scheint sich das hier ausgesparte Themengebiet wohl nicht im Spektrum des in der Schule sanktionsfrei Sagbaren zu befinden, hätte u. U. mit Irritationen (oder eben sogar Sanktionen) der Lehrerin rechnen lassen und wurde daher nicht ausgesprochen.
- 6.
Diese Interpretation der Verwendung des Vornamens „Werner“ ist im Rahmen mehrerer Interpretationssitzungen intensiv diskutiert worden. Die vorgelegte Deutung ist die mit den stärksten Übereinstimmungen aller beteiligter Forscher*innen.
- 7.
Hätte Pascal alternativ vom „Hass im Kopf“ gesprochen, entstünde eines anderes Bild, nämlich das eines rationalen, überspitzt formuliert: emotionslosen „Hasses“.
- 8.
Das spanische cojón lässt sich mit „Ei“ übersetzen.
- 9.
Die Thematisierung von diskriminierenden Gruppenzuschreibungen wird in Abschnitt 7.4.2 noch stärker behandelt.
- 10.
Hierin kann das Negativ des von Silas angelegten Maskulinitätskonzept erkannt werden. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 7.2.2 bearbeitet.
- 11.
Dieser Beitrag von Mesut wird an dieser Stelle nur oberflächlich erwähnt, da auf diesen, speziell hinsichtlich der Interpretation des Begriffs „Kanake“, in Abschnitt 7.4.2 noch detailliert eingegangen wird.
- 12.
Im konkreten Beispiel wird nicht wie überwiegenden von „dem“ Autor gesprochen.
- 13.
Zu Beginn der Plenumsdiskussion hat Silas bereits eingeworfen, der Autor sei „wahrscheinlich zwölf“ (vgl. Interneteier Gruppe a, Z.5).
- 14.
Patrick äußert sich während Silas‘ Beitrag mit einem nur schwierig zu deutendem Beitrag, auf den hier nicht weiter eingegangen werden soll, da Silas diesen weder im Zuge der konkreten Äußerung von Patrick noch im weiteren Verlauf der Sequenz wiederaufnimmt.
- 15.
Es konnte nicht genau festgestellt werden, wer sich hier äußert.
- 16.
Über diese Lesart des Begriffs bestand Einigkeit in verschiedenen Konstellationen von Interpretationsgruppen.
- 17.
Aus der Proform „er“ spricht hier klar die Referenz auf den unhinterfragt als männlich imaginierten Autor (s. Abschnitt 7.2.2).
- 18.
Die Verwendung des Begriffs „behindert“ zur Bezeichnung von als dümmlich o.ä. wahrgenommenen Handeln ist auf mehrere Ebenen problematisch und könnte einen pädagogischen Ausgangspunkt „zu einer gemeinsamen Reflexion über Sprache und Ihre sozialen Effekte“ darstellen (vgl. Auernheimer 2012, S. 24). U.a. hallen in seiner jugendkulturellen Verwendung die psychiatrischen Diskurse um „Idioten“ und „Schwachsinnige“ nach, die bis Mitte des 20. Jahrhundert geführt wurden (s. z. B. Mürner & Sierck 2012). Diese kritische Problematisierung des Begriffs als jugendkultureller Kode muss jedoch an einer anderen Stelle betrieben werden. Sie würde das hier forcierte empirische Anliegen sprengen.
- 19.
Dem sich hier andeutenden Verständnis im Kontext einer postnationalsozialistischen Gesellschaft (s. z. B. Messerschmidt 2009, S. 144 f.) weiter nachzugehen, wäre ein spannendes Unterfangen, übersteigt jedoch an dieser Stelle die empirische Zielsetzung der vorliegenden Studie.
- 20.
Der Begriff fällt im zweiten der projizierten Kommentare.
- 21.
Man könnte hier natürliche einen „verdeckten“ Gruppenbezug vermuten: die Absprache von Maskulinität als implizite Differenzierung von „Männern“ und „Nicht-Männern“ innerhalb einer von den Jugendlichen als „Männer“ imaginierten Großgruppe. Eine solche Identifikation eines Gruppenbezugs erfordert jedoch einige hermeneutische Anstrengung und scheint hierdurch bezogen auf den Äußerungskontext wenig „sinnadäquat“ (vgl. Schütz 2016, S. 330 f.).
- 22.
Diese Lesart der Kombination der beiden Begriffe geht zurück auf mehrere Diskussionen in Interpretationsgruppen. Gerade im Begriff „Bitch[es]“ wurden dabei Parallelen zu Songtexten im Gangstarap erkannt.
- 23.
Das englische bait bzw. to bait lässt sich ins Deutsch mit Köder bzw. ködern übersetzen.
- 24.
Eine Untersuchung dieser Diskussion mit Fokus auf das didaktische Handeln der Lehrerin haben Ernst et al. (2020b) vorgenommen.
- 25.
Es bleibt unklar, ob Mustafa sich hier auf die beiden präsentierten Hasskommentare bezieht oder auf einen der beiden.
- 26.
Abkürzung für „Video-Blogger“, sprich für eine Person, die einen Blog mittels Videoaufnahmen führt und gestaltet.
- 27.
In der Referenz auf die Bilder Anderer kommt auch das Bild vom Anderen des sich äußernden Subjekts zum Ausdruck. Die eigene subjektive Wahrnehmung gelangt jedoch nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit, wird nicht zum intentionalen Gegenstand gemacht.
- 28.
Diese Gleichsetzung von „Muslimen“ mit „Islamisten“ ist natürlich inhaltlich falsch – dieser Umstand spielt jedoch an diesem Punkt der Rekonstruktion keine Rolle, sondern wird in der pädagogischen Kritik der Lernhandlungen aufgegriffen (s. Abschnitt 7.4.3).
- 29.
Margarete Jäger rekonstruiert für die massenmediale Berichterstattung der 1990er Jahre eine starke diskursive Verknüpfung des Themenkomplexes „Migration“ mit „Kriminalität“ (Jäger 2017; s. Abschnitt 3.1.2). Aber auch im Zuge der Fluchtmigrationen u. a. nach Deutschland ab 2015 lassen sich Assoziationen von „Migration“ und „Kriminalität“ konstatieren – nicht ausschließlich, aber insbesondere auch in der Propaganda von Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen ist dieses Narrativ präsent (vgl. z. B. Schneider et al. 2019; Heitmeyer 2018, S. 347).
- 30.
Wie sich aus einer gleich auf Pascals folgenden Rückfrage Mesuts ergibt, vertauscht Pascal hier „Easy Rider“ – eigentlich der Titel eines Films aus den 1960er Jahren – mit „Knight Rider“, einer US-amerikanischen Serie der 1980er Jahre mit charakteristischem Soundtrack (Diskussion der Gegenbotschaft im Plenum Gruppe b, Z.97–99).
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Ernst, J. (2021). Rekonstruktion des medienkritischen Lernens Jugendlicher im Kontext hasserfüllter Artikulationen und Gegenbotschaften. In: Medienkritik zwischen Hass- und Gegenrede. Digitale Kultur und Kommunikation, vol 9. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34770-3_7
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