Zusammenfassung
Der Beitrag stellt „Qualitative Comparative Analysis“ (QCA) vor. Dabei handelt es sich um eine Systematisierung der Logik der vergleichenden Fallstudien, die mengentheoretische Verfahren auf die Sozialwissenschaften anwendet. Nach einem Überblick zur Logik des Vorgehens wird QCA als systematisch vergleichendes Forschungsdesign beschrieben. Anschließend werden die Kalibrierung und die einzelnen Schritte der Analyse notwendiger bzw. hinreichender Bedingungen besprochen. Anschließend werden drei Beispielstudien mit Bezug zur Policy-Analyse vorgestellt, in denen QCA angewendet wird. Zum Abschluss des Beitrags wird aufgezeigt, welche Entwicklungen QCA in den letzten Jahren genommen hat und welche positiven und negativen Effekte die zunehmende Verwendung leistungsstarker Software-Optionen auf die Anwendung von QCA hat.
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Notes
- 1.
Der männliche Autor dieses Beitrags verwendet hier ausschließlich die grammatikalisch weibliche Form, es sei denn, eine andere Zuordnung ist eindeutig gegeben. Damit sollen weder Männer noch Menschen mit nicht-binärem Geschlechtsverständnis diskriminiert werden.
- 2.
Die originale altgriechische Wortbedeutung von Analyse, die sich vor allem auch in den Naturwissenschaften erhalten hat, ist eben auch ‚Zerlegung‘.
- 3.
Es wird darauf verzichtet, das Verb ‚führen‘ zu verwenden, weil die Aussage, wonach eine Bedingung zu einem Outcome ‚führt‘ die Existenz eines Kausalmechanismus suggeriert. Dieser mag zwar vorliegen, müsste aber in einer eigenen Analyse (z. B. einer Prozessanalyse, siehe Starke i. d. B.) noch herausgearbeitet werden. Insofern kann bei einer hinreichenden Bedingung in einem ersten Schritt vor allem eine logische Implikation festgestellt werden: Wenn die Bedingung vorliegt, dann liegt auch das Outcome vor.
- 4.
Schneider und Wagemann (2012, S. 81 ff.) erweitern die beiden hier genannten Punkte noch um den Asymmetrie-Begriff, der, vereinfacht gesagt, festhält, dass das Gegenteil des Explanandum unter Umständen nicht durch die Abwesenheit der Erklärungsfaktoren erklärt werden kann, sondern seine eigene Kausalerklärung braucht.
- 5.
- 6.
So wurden in der öffentlichen Diskussion munter die spezifischen Lösungen von Ländern wie Schweden, Israel, Neuseeland oder Großbritannien angeführt und gegeneinander ausgespielt, ohne dabei genügend zu berücksichtigen, dass ja alle diese Strategien Erfolg haben könnten.
- 7.
Die Tilde ~ bezeichnet die Abwesenheit einer Bedingung bzw. des Outcomes.
- 8.
Diese Reihenfolge ist mehr als eine Konvention. Vielmehr soll so vermieden werden, bei der Analyse hinreichender Bedingungen scheinbar richtige Schlussfolgerungen hinsichtlich notwendiger Bedingungen zu ziehen, was als Risiko sogenannter „falscher notwendiger Bedingungen“ bzw. „versteckter notwendiger Bedingungen“ bezeichnet worden ist (Schneider und Wagemann 2012, S. 221 ff.). In der Tat ist es nicht immer und nicht automatisch möglich, Bedingungen, die in allen hinreichenden Konfigurationen vorkommen, auch als notwendig zu deklarieren, ohne dass eine eigene Analyse auf Notwendigkeit durchgeführt wird.
- 9.
Es gibt hingegen keinen Grund, warum bei niedrigen Konsistenzwerten Abdeckungswerte noch eine Rolle spielen sollten; niedrige Konsistenzwerte weisen ja gerade auf das Fehlen der Teilmengeneigenschaft hin. In diesem Fall macht es wenig Sinn, für eine Menge, die nicht als Teilmenge definiert wird, ein Verhältnis zu einer Übermenge zu berechnen.
- 10.
In der Booleschen (und Fuzzy-)Algebra steht das Pluszeichen für das logische ODER.
- 11.
Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass ~A + A~B~C auch als ~A + ~B~C ausgedrückt werden kann. Es sei ebenfalls darauf hingewiesen, dass das bei dieser Minimierung angewandte Quine-McClusky-Verfahren (Schneider und Wagemann 2012, S. 332) dazu führen kann, dass alternative Erklärungsmodelle nicht ausgewiesen werden, worauf Baumgartner und Thiem (2017) hingewiesen haben, und was in den jüngsten R-Packages auch entsprechend berücksichtigt wird (Duşa 2019, S. 161, 175).
- 12.
Interessierte Leserinnen seien aus Platzgründen hinsichtlich der technischen Details der Verfahren auf Schneider und Wagemann (2012, S. 160 ff.) verwiesen. Hinsichtlich der Frage, welches der Verfahren denn nun genutzt werden solle, hat sich vor allem vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kausalitätsverständnisse eine sehr lebhafte, mitunter auch sehr zugespitzt geführte Debatte im Nachgang von Baumgartner (2015) entwickelt, die zwar nicht zu einer einhelligen Meinung geführt hat, aber dann doch zu der Einsicht, dass von den methodischen Idealistinnen die Realistinnen (so die Terminologie in Schneider 2018) unterschieden werden müssen. Im Gegensatz zu Ersteren bezögen Letztere auch die Wahrnehmung der Noisiness der sozialen Welt in ihre Überlegungen mit ein (Schneider 2018, S. 253).
- 13.
Keine der vorgestellten Analysen werden im Sinne einer Rezension behandelt oder auf ihre Analysequalität hin untersucht, sondern sie dienen lediglich der thematischen Illustration mithilfe von im Jahre 2020 veröffentlichten Studien aus dem Policy-Bereich. Weitere – allerdings mittlerweile doch recht alte – Beispiele vorwiegend policy-analytischer Anwendungen finden sich bei Rihoux und Grimm (2006).
- 14.
Die Studie von Marques und Hörisch (2020) weist nur einen Erklärungspfad auf, sodass streng genommen keine Äquifinalität vorliegt. Dies ist aber ein empirisches Ergebnis und wurde nicht durch ein entsprechendes Design ausgeschlossen.
- 15.
Während einer gewissen Phase der QCA-Entwicklung wurde der Aspekt der mittleren Fallzahlen stark propagiert (Ragin 2000, S. 25). Obwohl mittlerweile der Aspekt der Mengenorientierung stärker im Vordergrund steht, gilt für viele Anwenderinnen vor allem das Argument der mittleren Fallzahlen als wichtige Motivation, eine QCA zu nutzen.
- 16.
Ragins und Strands (2008) Antwort zielt darauf ab, dass auch die durch tQCA erzielten Ergebnisse in einer herkömmlichen QCA-Analyse mit entsprechend kreativer Formulierung von Bedingungen erreicht werden können.
- 17.
Dieser Trend wurde auch durch die zunehmende Verwendung von QCA im Bereich von Business- und Managementstudien befördert, wo ja große Fallzahlen ohnehin eine wichtige Bedeutung haben (Wagemann et al. 2016).
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Wagemann, C. (2023). Qualitative Comparative Analysis. In: Wenzelburger, G., Zohlnhöfer, R. (eds) Handbuch Policy-Forschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34560-0_16
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