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1 Einleitung

Die Klimakrise spielte im Jahr 2019 und in den ersten Monaten des Jahres 2020 eine zentrale Rolle in der öffentlichen Diskussion. So wurde Greta Thunberg mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, von Time Magazine zur „Person of the Year“ gewählt und zum Aushängeschild einer weltweiten Protestbewegung für den Klimaschutz. Auch in Österreich gab es dazu wiederkehrende Demonstrationen der Fridays for Future Protestbewegung sowie laufende Medienberichte zur Klimakrise und den Konsequenzen der österreichischen Verfehlung der Ziele des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2017 (vgl. Laufer 2019).

Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie brachte der öffentlichen Wahrnehmung der Klimakrise ein abruptes Ende. Spätestens mit März 2020 dominierten nun die Pandemie und der weltweite Kampf gegen das Virus das mediale Interesse (vgl. Ecker et al. 2020). Die Reaktionen und Vorgehensweisen gegen das Virus fielen zwischen den Nationen unterschiedlich aus. Während einige Staaten energisch gegen das Virus vorgingen, versuchten andere zunächst die Gefahr herunterzuspielen. Trotz dieser unterschiedlichen Zugänge zur Covid-19-Pandemie, hatten die veranlassten Ausgangsbeschränkungen und das Herunterfahren der Wirtschaft zur Eindämmung des Virus in vielen Nationen positive Auswirkungen für die Umwelt (vgl. Mast 2020). Dies führte zu einer Reihe von Forschungen, die sich mit den ökologischen Auswirkungen der Corona-Krise beschäftigen (Helm 2020; Newman 2020; Steinkamp 2020). Der Emissions Gap Report des UNEP (2020) zeigt dazu summarisch, dass die Emissionen besonders in den Bereichen Transport und Mobilität stark zurückgegangen sind. Die Bevölkerung wurde daher durch die verschiedenen Maßnahmen zu umweltfreundlicheren Verhaltensweisen „bewegt“.

Unser Beitrag befasst sich vor diesen Hintergründen mit der Frage nach den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Einstellungen der Österreicher*innen zu Klima- und Umweltschutz und ihrer Bereitschaft, etwas für die Umwelt zu tun. Im Besonderen betrachten wir die folgenden Forschungsfragen: Wie wird Klimawandel wahrgenommen und welche Ursachen werden genannt? Wie sieht es um die Besorgnis um die Umwelt und die Bereitschaft, etwas für die Umwelt zu tun, aus? Welche Unterschiede gibt es innerhalb der österreichischen Bevölkerung hinsichtlich dieser Einstellungen und Verhaltensweisen? Und schlussendlich die übergeordnete Fragestellung: Wie haben sich diese Einstellungen und Verhaltensweisen in der Corona-Krise geändert?

Im folgenden Abschnitt bieten wird zuerst einen Überblick zu einigen Merkmalen der Klimakrise und welche Elemente der Corona-Krise für das Klima, die Umwelt und damit zusammenhängende Einstellungen und Verhaltensweisen einflussreich sein können. Danach diskutieren wir, welche Faktoren Umwelteinstellungen und umweltbewusstes Verhalten prägen. Im Anschluss daran werden unsere Hypothesen präsentiert. Im Methodenteil werden die drei verwendeten Datensätze vorgestellt, von denen der erste vor der Corona-Krise im März 2019, der zweite während der ersten Welle im Mai 2020 und der dritte nach der ersten Welle im Juli/August 2020 erhoben wurde. Der Ergebnisteil beginnt mit einer beschreibenden Analyse der Einstellungen und Verhaltensweisen, bevor wir abschließend die Determinanten des Umweltverhaltens betrachten. In der Diskussion nehmen wird nochmals auf den Unterschied zwischen der Klima- und Corona-Krise Bezug und fragen, warum auf Krisen so unterschiedlich reagiert wird.

2 Umweltkrise und Corona-Krise

Die Vereinten Nationen (UN) definieren Klimawandel als das Resultat eines kontinuierlichen Anstiegs der Erderwärmung durch den zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen, die sich in der Atmosphäre festsetzen. Die Erderwärmung führt zu wahrnehmbaren klimatischen Veränderungen, welche globale Katastrophen hervorrufen und das Leben auf dem gesamten Planeten negativ beeinflussen (vgl. United Nations 2020). Unter der Annahme, dass die Folgen des Klimawandels in den Regionen der Welt unterschiedlich spürbar sind und diese nun auch in Österreich bzw. Europa zunehmend sichtbarer werden, eröffnet dies die Frage, ob der Klimawandel von der Bevölkerung als Bedrohung wahrgenommen wird. Dazu führte das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Integral (2019) eine für die österreichische Bevölkerung repräsentative Befragung durch. Diese Studie ergab, dass der Klimawandel insbesondere bei Jüngeren als großes Problem wahrgenommen wird und Frauen diesbezüglich besorgter sind als Männer (vgl. Integral 2019). Koos und Naumann (2019) untersuchten die wahrgenommene Bedrohung durch den Klimawandel in Deutschland. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Klimawandel innerhalb Deutschlands als eine globale Bedrohung wahrgenommen wird, die individuelle Bedrohung durch den Klimawandel ist von den Befragten jedoch weniger spürbar. Zudem zeigt sich in diesen Daten wiederum ein sogenannter „Global Warming Age Gap“ in dem Sinne, dass sich Jüngere vom Klimawandel stärker betroffen fühlen. Zudem zeigte sich in vergangenen Studien (vgl. Dijkstra und Goedhart 2012) häufiger, dass Frauen der Entwicklung des Klimas und dessen Folgen besorgter gegenüberstehen als Männer, wobei dieser Geschlechterunterschied bei einer aktuellen Studie von Rotermich et al. (2020) nicht nachgewiesen werden konnte. Neben diesen soziodemografischen Unterschieden hat sich auch der Wissensstand über den Klimawandel (Environmental Knowledge) als signifikanter Prädiktor erwiesen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass erweitertes Wissen über den Klimawandel und Umweltprobleme zur verstärkten Wahrnehmung des Klimawandels als Bedrohung führt (vgl. Dijkstra und Goedhart 2012). In Summe wird deshalb nunmehr von einer Klimakrise und nicht mehr von einem Klimawandel gesprochen.

Im Unterschied zur Klimakrise wird die Corona-Krise strukturell als ein ganz anderes Problem wahrgenommen (siehe unter anderem die Beiträge „Arbeit und Familie im Covid-19-Alltag“ von Scaria-Braunstein et al., „Ein pessimistischer Blick nach vorn? Die Erwartungen der Österreicher*innen an die Entwicklung der Lebensumstände nach Corona“ von Moosbrugger & Prandner oder „Soziale Kontakte und Wohlbefinden zu Beginn der Corona-Krise“ von Glatz & Bodi in diesem Sammelband). Die Covid-19-Pandemie verdeutlicht, wie schnell eine globale Krise entstehen kann und wie stark das gesellschaftliche Leben und individuelle Verhalten in Zeiten der Unsicherheit beeinflusst wird. Warum hat die Klimakrise keine solchen Auswirkungen? Wie von Koos und Naumann (2019) sowie Ostheimer (2020) verdeutlicht, wird der Klimawandel auch überwiegend als ein globales Phänomen wahrgenommen, aber weniger als etwas, von dem Personen das Gefühl haben, direkt betroffen zu sein. Genau darin liegt der Unterschied zwischen den beiden Krisen, deren Wahrnehmung und Auswirkungen. Die Covid-19-Pandemie kann als eine Krise verstanden werden, deren Auswirkungen sich dramatisch und schnell auf den Alltag auswirken. Es handelt sich dabei um ein neuartiges Problem, jedoch mit einem absehbaren Ende, das unter anderem durch Immunisierungseffekte und der Entwicklung von Impfstoffen erreicht wird. Anders verhält es sich mit der Wahrnehmung des Klimawandels als Krise, denn dieser zeichnet sich durch seine Unsichtbarkeit aus. Die Auswirkungen der Klimakrise zeigen sich oft nur schleppend und es ist auch kein Ende dieser in Aussicht. Obwohl das Bewusstsein über die Klimakrise durch das mediale Interesse gefördert wurde, verschwindet es genauso schnell wieder, da deren Auswirkungen in Europa (noch) marginal sind. Auch Symbole wie Greta Thunberg helfen aufgrund ihrer fehlenden Integration in den Alltag nur bedingt, dieses öffentliche Bewusstsein dauerhaft zu erhöhen (vgl. ebd., S. 180 ff.).

Wie in der Einleitung dargestellt, gehen wir davon aus, dass das Auftreten der Corona-Krise auch einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Klimakrise und umweltrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen in der österreichischen Bevölkerung hat. Das ergibt sich zum einen aus der geringeren öffentlichen Präsenz des Klimathemas, zum anderen aber auch aus den zuvor genannten ökonomischen und gesundheitlichen Sorgen, die mit dieser neuen Krise zusammenhängen. Bevor wir aber unsere Hypothesen und Forschungsfragen im vierten Abschnitt präsentieren, betrachten wir im folgenden Teil relevante Literatur zu Umwelteinstellungen und -verhalten.

3 Umweltbesorgnis und Umweltverhalten

In der Literatur zur Umweltforschung kann die Besorgnis um das Klima sowie um die Umwelt im Allgemeinen sowohl zu „Umweltbesorgnis“ (environmental concern – „the affect associated with environmental problems“) (Schultz et al. 2005, S. 458) als auch zu „allgemeinen Umwelteinstellungen“ („collection of beliefs, affect, and behavioural intentions […] regarding environmentally related activities or issues“) (ebd.) gezählt werden. Aus dieser Definition ergibt sich somit, dass die Umweltbesorgnis als Teil von Umwelteinstellungen verstanden werden kann. Beim Umweltverhalten (pro-environmental behavior/environmental significant behavior) wird nach Stern (2000) zwischen intentionsorientiertem und wirkungsorientiertem Verhalten unterschieden. Bei intentionsorientiertem Umweltverhalten steht die Bereitschaft des Individuums, umweltrelevantes Verhalten auszuführen, im Vordergrund, während bei wirkungsorientiertem Verhalten das tatsächlich ausgeübte Verhalten und dessen direkte Auswirkung auf die Umwelt im Fokus stehen (vgl. ebd., S. 408). Einstellungen und Verhalten werden in der Literatur also klar unterschieden und definiert. Unser Beitrag betrifft weniger das tatsächliche Umweltverhalten der befragten Personen, sondern vielmehr das intentionsorientierte Verhalten, weswegen hier die beiden Begriffe Verhaltensintention und Bereitschaft in Bezug auf Umweltverhalten verwendet werden.

Umweltsoziologische Forschungen beschäftigen sich zu einem großen Teil mit der Diskrepanz zwischen Einstellungen und Verhalten, denn nur weil jemand umweltbewusst eingestellt ist, geht das nicht automatisch mit umweltbewusstem Handeln einher. Die Literatur bietet für diese Diskrepanzen verschiedene Erklärungen, die unter anderem auf der „Theory of Reasoned Action“ und „Theory of Planned Behavior“ von Ajzen und Fishbein (1980) aufbauen (vgl. Kollmuss und Agyeman 2002, S. 241 f.).

Für diesen Beitrag und zur Erklärung unserer Forschungsfragen wollen wir uns aber weniger auf die Ursachen dieser Diskrepanz fokussieren, sondern Erklärungsansätze für umweltbewusstes Verhalten liefern. Bekannte Einflüsse auf das Umweltverhalten sind unter anderem Werte und Einstellungen eines Individuums hinsichtlich der Umwelt, was unter anderem durch Schwartz in seiner„Theory of Basic Values“ (1992,2012) verdeutlicht wird. Schwartz (2012) argumentiert in diesem Zusammenhang, dass Personen mit einer hohen Selbsttranszendenz eine höhere Tendenz zu Umweltbesorgnis und umweltbezogenen Einstellungen haben. Einen ähnlichen Erklärungsansatz liefert auch Stern (2000) in seiner „Value-Belief-Norm Theory“ (VBN), wo er den Einfluss bestimmter Werte auf das Umweltverhalten beschreibt. Neben dem Einfluss von Werten und Einstellungen gibt es auch eine Reihe kultureller, institutioneller oder sozialstruktureller Faktoren, die einen Einfluss auf das Umweltverhalten ausüben können. Als besonders einflussreiche soziodemografische Faktoren haben sich Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Einkommen und politische Orientierung (links-rechts) erwiesen (vgl. Lehmann 1999; Stern 2000; Kollmuss und Agyeman 2002; Neugebauer 2004; Barr 2004, 2006; Hadler und Wohlkönig 2012; Hadler und Haller 2013; Hadler 2016). In Studien, die sich mit dem wirkungsorientierten Umweltverhalten beschäftigen, ist auch das Wohngebiet (ländlich, vorstädtisch oder städtisch) ein signifikanter Prädiktor (vgl. Huddart Kennedy et al. 2015). Diese soziodemografischen Variablen gehen der Werteorientierung eines Individuums voraus, die wiederum Umwelteinstellungen und Umweltverhalten beeinflusst (vgl. Stern 2000; Kollmuss und Agyeman 2002).

4 Forschungsfragen und Hypothesen

Anhand dieser Ausgangslage und Literaturübersicht ergeben sich drei thematische Hypothesen, die in der aktuellen Krisensituation an Bedeutung gewinnen. Zum ersten liegt die Vermutung nahe, dass sich die individuelle Umweltbesorgnis im Verlauf der Pandemie verringert hat, da die Themen Umweltschutz und Klimawandel durch die Corona-Krise und ihre Auswirkungen aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt wurden.

(1a) Die Wahrnehmung des Klimawandels als Klimakrise hat nach der ersten Covid-19-Welle abgenommen.

(1b) Die Umweltbesorgnis hat sich im Verlauf der Corona-Krise verringert.

Die zweite Hypothese betrifft das intentionsorientierte Umweltverhalten, also die Bereitschaft, zum Schutz der Umwelt gewisse Maßnahmen zu ergreifen. Dieses wird mithilfe der Zahlungsbereitschaft von höheren Preisen und Steuern sowie der Bereitschaft, Abstriche vom eigenen Lebensstil zu machen, untersucht. Hier geht wieder die Annahme voraus, dass das intentionsorientierte Verhalten, insbesondere die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung, im Verlauf der Krise abnimmt, da viele Personen von finanziellen Einschränkungen betroffen sind.

(2) Die Bereitschaft, umweltschützende Maßnahmen zu akzeptieren, hat sich im Verlauf der Corona-Krise verringert.

Abschließend ergibt sich die Frage, ob sich der Einfluss der Umweltbesorgnis auf die Intention in Krisenzeiten verringert. Die eben vorgestellte Literatur weist auf den Erklärungswert der Einstellungsebene für das Umweltverhalten hin. Da wir bereits zuvor von einer sinkenden Besorgnis hinsichtlich der Umwelt ausgehen, ist auch zu erwarten, dass der Erklärungswert der Besorgnis auf die Intention geringer wird. Somit ergibt sich folgende abschließende Hypothese:

(3) Der Einfluss der Umweltbesorgnis auf die Umweltintention nimmt in der Corona-Krise ab.

5 Daten

Ausgehend von diesen Überlegungen werden drei Datensätze herangezogen, um die Relevanz von Umweltthemen in der österreichischen Bevölkerung im Verlauf der Corona-Krise darzustellen. Der erste Datensatz stammt aus der Untersuchung „Die Messung CO2 relevanter Umweltverhalten und anderer Umwelteinstellungen mittels Umfragen“, ein von der Österreichischen Nationalbank gefördertes Projekt,Footnote 1 im nachfolgenden OeNB-Datensatz genannt. Dieser wurde im Frühjahr 2019 in den drei österreichischen Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark face-to-face erhoben. Der zweite Datensatz stammt aus dem „Werte in der Krise – Values in Crisis“-Projekt, eine Online-Erhebung, die im Frühjahr 2020 durchgeführt wurde und sich mit Einstellungen und Werten in Zeiten der Corona-Krise befasst, im Folgenden als VIC-Datensatz bezeichnet. Zuletzt werden Daten einer Online-Erhebung aus dem Sommer 2020 verwendet, die im Rahmen des Projekts „Polarization in Public Opinion: Combining Social Surveys and Big Data Analyses of Twitter“ erhoben wurden. Dieser Datensatz wird im Folgenden als PPO-Datensatz bezeichnet.

Eine Begründung in der Auswahl der Datensätze liegt im Erhebungszeitraum. Die Erhebung für den OeNB-Datensatz fand im Februar und März 2019 statt, der VIC-Datensatz wurde im Mai 2020 erhoben und der PPO-Datensatz im Juli und August 2020. Somit ist es möglich, die Daten zeitlich in, vor, während und nach der ersten Covid-19-Welle in Österreich einzuteilen. Alle drei Datensätze wurden voneinander unabhängig erhoben. Es wurden aber idente bzw. ähnliche Fragestellungen zu den Themen Umweltbesorgnis, Einstellung zum Klimawandel und Bereitschaft zu umweltbewusstem Verhalten in allen drei Erhebungen verwendet, welche einen Vergleich ermöglichen. Die verwendeten Fragen lauten wie folgt:

  • Wie besorgt sind Sie um die Umwelt?Footnote 2 (OeNB, VIC, PPO)

  • In letzter Zeit wurde viel über das Weltklima diskutiert und die Auffassung, dass es sich in den letzten Jahrzehnten verändert habe. Welche der folgenden Aussagen kommt Ihrer Meinung nach am nächsten?Footnote 3 (VIC, PPO)

    1. 1.

      Das Weltklima hat sich nicht verändert.

    2. 2.

      Das Weltklima hat sich vor allem durch natürliche Vorgänge verändert.

    3. 3.

      Das Weltklima hat sich in etwa zu gleichen Teilen durch natürliche Vorgänge und durch menschliches Handeln verändert.

    4. 4.

      Das Weltklima hat sich vor allem durch menschliches Handeln verändert.

  • Auf einer Skala von 0 bis 10, wie schlecht oder gut werden, Ihrer Meinung nach, die Folgen des Klimawandels für Österreich sein?Footnote 4 (VIC, PPO)

  • Inwieweit fänden Sie es persönlich akzeptabel, viel höhere Preise zu bezahlen/viel höhere Steuern zu bezahlen/Abstriche von Ihrem Lebensstandard zu machen, um die Umwelt zu schützen?Footnote 5 (drei einzelne Items; OeNB, VIC, PPO)

Die beiden Datensätze VIC und PPO sind repräsentativ für die österreichische Bevölkerung (VIC) bzw. für Internetnutzer*innen im gesamten deutschsprachigen Raum (PPO), während der OeNB-Datensatz nur in Wien, Niederösterreich und der Steiermark erhoben wurde. Für die Berechnungen zur Überprüfung der Hypothesen dieses Beitrags wurden daher alle drei Datensätze auf diese drei Bundesländer reduziertFootnote 6. Hinsichtlich der Lesbarkeit werden diese Regionen im folgenden Beitrag als Ballungszentren Österreichs betitelt, da sie (neben Oberösterreich) die drei bevölkerungsreichsten Bundesländer in Österreich sind und sich die beiden größten Städte (Wien und Graz) dort befinden. Da sich im OeNB-Datensatz außerdem keine unter 20-jährigen Befragten befinden, wurden diese auch in den beiden anderen Datensätzen aus den Berechnungen ausgeschlossen. Vergleiche zwischen diesen Datensätzen müssen des Weiteren berücksichtigen, dass die Stichproben unterschiedlich gezogen wurden und zusammengesetzt sind. Wir präsentieren bei den Vergleichen daher immer RegressionswerteFootnote 7, die nach den wichtigsten soziodemografischen Unterschieden kontrolliert sind. Diese Regressionskonstanten entsprechen den geschätzten Werten für eine männliche, 20–30-jährige, im städtischen Gebiet lebende Person mit Universitätsabschluss. An dieser Stelle soll allerdings betont werden, dass es sich dabei nur um eine Annäherung an einen Vergleich handelt, da aufgrund der unterschiedlichen Stichproben kein direkter Vergleich gezogen werden kann. Zusätzlich werden einzelne Ergebnisse mit Berechnungen für ganz Österreich kontrastiert. Eine Gewichtung der Daten wurde in unseren Analysen nicht vorgenommen.

5.1 OeNB-Datensatz

Der OeNB-Datensatz beinhaltet insgesamt 209 Fälle, die in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark erhoben wurden. Davon sind 52,2 % männlich und 47,8 % weiblich. Das Durchschnittsalter liegt bei 55 JahrenFootnote 8, besonders die über 60-Jährigen sind in diesem Datensatz überrepräsentiert (42,6 %). Etwas über ein Drittel der Stichprobe lebt im städtischen Gebiet (36 %), 41,6 % leben in der Vorstadt und 22,4 % in ländlichen Gebieten. Die Bildungsgruppe der Akademiker*innen ist mit 38,5 % im Vergleich zum österreichischen Schnitt überrepräsentiert, die Gruppe der Lehrabsolvent*innen mit 17,3 % unterrepräsentiertFootnote 9. Das Durchschnittseinkommen der Stichprobe liegt mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2097 € pro Person etwas unter dem Durchschnitt ÖsterreichsFootnote 10.

5.2 VIC-Datensatz

Der gesamte VIC-Datensatz beinhaltet insgesamt 2018 Fälle und kann als repräsentativ für Österreich angenommen werden. Im reduzierten „Values in Crisis“-Datensatz befinden sich wie bereits beschrieben lediglich Befragte aus den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark. Insgesamt umfasst dieser reduzierte Datensatz 1019 Fälle, davon sind 46,8 % männlich und 53,2 % weiblich. Das Durchschnittsalter liegt bei 49 Jahren. 37,6 % leben in städtischen, 32,7 % in vorstädtischen und 29,7 % in ländlichen Gebieten. Die Verteilung der Bildungsgruppen entsprechen eher dem österreichischen Schnitt mit 35,7 % Lehrabschluss und 20,8 % AHS/BHS-Abschluss. Mit 12,3 % sind Akademiker*innen etwas unterrepräsentiert.

5.3 PPO-Datensatz

An der Umfrage „Polarization in Public Opinion“ nahmen 565 Personen aus Österreich teil. Es handelt sich dabei um eine repräsentative Quotenstichprobe für österreichische Internetnutzer*innen. Im reduzierten Datensatz für die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Steiermark befinden sich 318 Personen, wovon 51,3 % der Befragten Männer und 48,7 % Frauen sind und das durchschnittliche Alter bei 44 Jahren liegt. Aufgrund des Fragebogendesigns kann hinsichtlich des Wohnorts lediglich zwischen Stadt und Land unterschieden werden, wobei Personen, die in der Stadt leben, in dieser Umfrage (71,4 %) überrepräsentiert sind. 28,6 % der Befragten leben auf dem Land. Auch diese Stichprobe weist im österreichischen Vergleich einen überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad auf. Personen mit BMS-Abschluss (29,3 %), Matura (33,1 %) und Hochschulabschlüssen (23,3 %) sind überrepräsentiert, während Personen mit maximal Pflichtschulabschluss (5,4 %) und Lehre (8,8 %) unterrepräsentiert sind. Das durchschnittliche monatliche Netto-Einkommen liegt bei 1900 € und somit unterhalb des österreichischen Durchschnitts.

6 Einstellungen zum Klimawandel

Die Einstellungsitems zum Klimawandel wurden nur im VIC- und PPO-Datensatz erhoben, dementsprechend liegen hier nur Daten zum Zeitpunkt der ersten Covid-19-Welle und danach vor. Zudem beziehen sich diese Ergebnisse auf ganz Österreich. Eine Frage behandelt die Gründe für die Veränderungen des Weltklimas in den letzten Jahrzehnten, deren Antwortverteilung in Abb. 9.1 zu sehen ist. Zum Zeitpunkt der ersten Covid-19-Welle sind 51,3 % der Befragten der Meinung, dass sich das Weltklima vor allem durch menschliches Handeln verändert hat. 33 % glauben, dass sich das Klima zu gleichen Teilen durch natürliche Vorgänge und durch menschliches Handeln verändert hat, 11,3 % führen die Veränderungen auf rein natürliche Vorgänge zurück und 3,3 % sind der Meinung, dass sich das Klima in den letzten Jahrzehnten nicht verändert hat. Nach der ersten Welle findet sich eine ähnliche Verteilung: 56,4 % der Befragten verorten den Grund für die Veränderungen des Weltklimas vor allem in menschlichem Handeln, weitere 31,3 % glauben, dass die Veränderungen sowohl auf menschliches Verhalten als auch auf natürliche Vorgänge zurückzuführen sind. Lediglich 9,7 % betrachten vor allem natürliche Vorgänge als Ursache für Klimaveränderungen, während nur mehr 2,6 % davon ausgehen, dass sich das Klima in den letzten Jahrzehnten nicht verändert hat.

Abb. 9.1
figure 1

(Quellen: VIC (NGesamt = 1913), PPO (NGesamt = 544))

Wahrnehmung des Klimawandels und seiner Ursachen für Gesamtösterreich.

Zudem wurde in beiden Datensätzen erfragt, ob die Folgen des Klimawandels für Österreich als positiv oder negativ empfunden werden. Dies mussten die Befragten auf einer 11-stufigen Skala einschätzen, wobei ein niedriger Wert bedeutet, dass die Folgen für Österreich schlecht sein werden. Während der ersten Covid-19-Welle liegt der Durchschnittswert für Gesamtösterreich bei 5,9 mit einem Median von 5. Zusammen mit einem positiven Schiefe-Wert (0,89) bedeutet dies, dass die Verteilung der Daten darauf schließen lässt, dass die Befragten die Folgen des Klimawandels für Österreich eher negativ einschätzen. Nach der ersten Covid-19-Welle sinkt der Durchschnittswert der Befragten noch weiter. Hier lässt sich ein Mittelwert von 3,5 mit einem Median von 3 und eine Schiefe von 0,14 festhalten. Nachdem die Umfragen unterschiedlich erhoben wurden und die Stichprobenzusammensetzung ebenfalls variiert, haben wir als Kontrolle mittels einer linearen Regression überprüft, wie sich die Durchschnittswerte verändern, wenn man nach den relevanten soziodemografischen Variablen Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnort und Einkommen kontrolliert. Abb. 9.2 zeigt, dass die Einschätzung der Folgen des Klimawandels nach der ersten Covid-19-Welle, sowohl in den Ballungszentren als auch in Gesamtösterreich, negativer ausfällt als während der ersten Welle. Somit zeigt sich nach der ersten Covid-19-Welle in Österreich, dass die Klimakrise als eine zunehmende Bedrohung wahrgenommen wird. Anhand dieser Ergebnisse kommen wir zu dem Schluss, dass trotz der Pandemie die Wahrnehmung des Klimawandels als Klimakrise in Österreich gestärkt wurde. Unsere Forschungshypothese 1a, in der wir davon ausgehen, dass die Wahrnehmung der Klimakrise während der Covid-19-Pandemie abnimmt, können wir somit nicht bestätigen.

Abb. 9.2
figure 2

Einschätzung der Folgen des Klimawandels während und nach der ersten Covid-19-Welle aufgeteilt nach Ballungsräumen und Gesamtösterreich*. Quellen: VIC (NRed = 873, NGesamt = 1642), PPO (NRed = 295, NGesamt = 517). *Regressionskonstanten, wobei 0 = sehr schlecht und 10 = sehr gut

Zusätzliche Zusammenhangsanalysen zeigen für beide Zeitpunkte, dass Personen, welche die Klimaveränderungen auf das menschliche Handeln zurückführen, die Folgen des Klimawandels negativer einschätzen als Personen, welche an andere Gründe für Klimaveränderungen glaubenFootnote 11. Somit kann von einem Zusammenhang zwischen dem Wissen über die Gründe für Klimaveränderungen und den abgeschätzten Folgen aufgrund des Klimawandels ausgegangen werden.

7 Umweltbesorgnis

Die Frage „Wie besorgt sind Sie um die Umwelt?“ war in allen drei Erhebungen inkludiert und erlaubt uns somit einen Blick auf die Veränderung der Umweltbesorgnis im Verlauf der Krise. Die nachfolgenden Ergebnisse zu zeitlichen Veränderungen beziehen sich auf die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Steiermark. Für die Zeitpunkte während und nach der ersten Welle werden die Ergebnisse auch mit Gesamtösterreich in Verbindung gebracht. Vor dem Ausbruch der Pandemie antworteten 95,7 % der Befragten der drei Bundesländer, dass sie „eher besorgt“ oder „sehr besorgt“ um die Umwelt sind. Der Durchschnittswert liegt bei 4,4 auf einer 5-stufigen Skala, was bedeutet, dass die befragten Personen vor der Pandemie sehr besorgt um die Umwelt eingestellt waren. Vergleicht man dies mit den Daten während der ersten Welle, sind es dort nur mehr 56,1 % der Befragten die sich Sorgen um die Umwelt machen. Der Durchschnittswert liegt zu diesem Zeitpunkt bei 3,6. Nach der ersten Welle deuten die Durchschnittswerte eine ähnlich geringe Besorgnis um die Umwelt an, mit einem Wert von 3,7. Die Mittelwerte der Umweltbesorgnis in den drei Erhebungswellen deuten somit an, dass die Durchschnittsbesorgnis um die Umwelt zur Zeit der Corona-Krise gesunken ist.

Aufgrund der Unterschiede in den drei Datensätzen wurden auch hier wieder Konstantenvergleiche aus linearen Modellen zu den drei Zeitpunkten herangezogen und nach den bereits beschriebenen Kontrollvariablen überprüft. Abb. 9.3 zeigt die zugehörigen Ergebnisse. Wie bereits die deskriptiven Befunde andeuten, konnte nachgewiesen werden, dass die Umweltbesorgnis der österreichischen Bevölkerung in den Ballungszentren während der Corona-Krise abgenommen hat. Vor allem zwischen der Erhebung vor Beginn der Krise und der Datensammlung während der ersten Welle, zeigt sich ein deutlicher Rückgang, der nach dem Ende der ersten Welle fast konstant bleibt. Das bedeutet, dass die Umweltbesorgnis nach Ausbruch der Pandemie abnahm. In Bezug auf unsere Forschungshypothese 1b, in der wir von einer sinkenden Umweltbesorgnis in der Krisenzeit ausgehen, kann dies zumindest für die österreichischen Ballungszentren Wien, Steiermark und Niederösterreich bestätigt werden. Da uns keine österreichweiten Daten zur Umweltbesorgnis zum Zeitpunkt vor der Krise vorliegen, können wir nicht überprüfen, ob es auch zu einem österreichweiten Rückgang der Umweltbesorgnis kam. Es zeigen sich gleichbleibende Konstantenwerte (3,6 und 3,7) für Österreich während und nach der ersten Covid-19-Welle.

Abb. 9.3
figure 3

Umweltbesorgnis vor, während und nach der ersten Covid-19-Welle aufgeteilt nach Ballungsräumen und Gesamtösterreich*. Quellen: OeNB (N = 193), VIC (NRed = 834, NGesamt = 1825), PPO (NRed = 315, NGesamt = 554). *Regressionskonstanten

Des Weiteren ermöglichen die linearen Regressionsmodelle festzustellen, welche Personen besonders besorgt sind. Das Modell dazu befindet sich im Anhang (Tab. 9.1) dieses Beitrags. Der Erklärungswert der Umweltbesorgnis durch diese soziodemografischen Variablen ist gering, mit einem R2-Wert von maximal 4,2 %. Frauen sind tendenziell besorgter als Männer, Personen mit niedrigerem Bildungsabschluss haben eine geringere Besorgnis im Vergleich zu Personen mit einem Hochschulabschluss. Diese Effekte sind über den Zeitverlauf nicht konstant. Nimmt man die Klimafragen als Wissensebene in die Analysen auf, erhöht sich der Erklärungswert der Umweltbesorgnis in allen drei Datensätzen auf fast 25 %. Diese Erhöhung des R2-Werts deckt sich mit Erklärungen von Umweltbesorgnis im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Klimawandels als Bedrohung (siehe unter anderem Dijkstra und Goedhart 2012).

8 Intention zu umweltbewusstem Verhalten

Die Ergebnisse dieses Abschnittes beziehen sich im zeitlichen Verlauf der Krise wieder auf die bereits oben erwähnten Bundesländer. Auch hier werden Vergleiche mit Gesamtösterreich zum Zeitpunkt während und nach der ersten Welle gezogen. Um die Bereitschaft zu umweltbewusstem Verhalten zu messen, wurden die Befragten aller drei Datensätze auf einer 5-stufigen Skala dazu aufgefordert anzugeben, wie sehr sie eine Preis- und Steuererhöhung sowie eine Einschränkung ihres persönlichen Lebensstandards zum Schutz der Umwelt akzeptieren würden.

Vor der Corona-Krise geben etwas über 70 % der Befragten aus den drei Bundesländern an, dass sie bereit wären, höhere Preise zu bezahlen, 72,3 % würden Einschränkungen in ihrem Leben akzeptieren, um die Umwelt zu schützen. Nur bei einer Erhöhung der Steuern ist die Mehrheit der Befragten ablehnend eingestellt. Aus den drei Items wurde schließlich ein MittelwertindexFootnote 12 gebildet. Der Durchschnittswert von 3,43 und die Verteilung des Antwortverhaltens der Befragten deuten darauf hin, dass sie vor der Krise eine hohe Bereitschaft aufwiesen, diese Maßnahmen zu akzeptieren.

Zur Zeit der ersten Covid-19-Welle zeigen sich deutliche Unterschiede zu davor. Nur 31,3 % der Befragten sind bereit, höhere Preise zu bezahlen und nur 18,9 % finden eine Erhöhung der Steuern zum Schutz der Umwelt akzeptabel. 46,3 % sind aber bereit, Änderungen oder Einschränkungen an ihrem Lebensstandard vorzunehmen, um die Umwelt zu schützen. Anhand des gebildeten Mittelwertindex zeigt sich, dass die Stichprobe während der ersten Welle diesen Maßnahmen etwas ablehnender gegenübersteht als die Stichprobe vor dem Beginn der Pandemie. Hier liegt der Durchschnittswert bei 2,79.

Nach Abklingen der ersten Welle bleibt die Bereitschaft hinsichtlich der genannten umweltschützenden Maßnahmen ähnlich gering. Lediglich 29 % sprechen sich für eine Erhöhung der Preise aus, und nur 18,2 % finden höhere Steuern zum Schutz der Umwelt akzeptabel. Knapp die Hälfte der Befragten (46,6 %) würde Abstriche von ihrem Lebensstandard machen, um die Umwelt zu schützen. Der Index weist zu diesem Zeitpunkt einen Mittelwert von 2,75 auf, was darauf schließen lässt, dass die Stichprobe nach der ersten Welle die geringste durchschnittliche Bereitschaft zu umweltbewusstem Verhalten hat. Im Krisenverlauf betrachtet deuten die Mittelwerte an, dass die durchschnittliche Verhaltensintention während der ersten Welle abnimmt und auch nach dem Abklingen der ersten Welle konstant auf diesem verringerten Wert bleibt. Diese Annahme wird wieder mittels Konstantenvergleichen von linearen Modellen überprüft.

Die Konstanten der Ballungszentren zeigen, dass es mit dem Ausbruch der Pandemie zunächst zu keinem Rückgang des intentionsorientierten Verhaltens kam, sondern erst nach der ersten Welle (siehe Abb. 9.4 sowie das Regressionsmodell in Tab. 9.2 im Anhang). Somit kann für die Ballungszentren Wien, Niederösterreich und Steiermark gesagt werden, dass die Verhaltensintention nach der ersten Welle geringer ist als vor der Krise und während der ersten Welle. Somit können wir unsere Hypothese 2, welche von einer gesunkenen Intention ausgeht, für diese drei Bundesländer bestätigen. Die Konstanten für die Intention liegen für Gesamtösterreich, während der ersten Welle, bei 3,1. Dieser Wert bleibt auch nach dem Abklingen der ersten Welle konstant. Die Werte zeigen somit einen konstant bleibenden Intentionswert für Österreich während und nach der ersten Covid-19-Welle. Jedoch liegen wiederum keine Daten für Gesamtösterreich vor der ersten Covid-19-Welle vor, weshalb hier nicht gesagt werden kann, ob die Intention österreichweit ebenfalls gesunken ist, wie es die Ballungsgebiete andeuten.

Abb. 9.4
figure 4

Intentionsorientiertes Umweltverhalten vor, während und nach der ersten Covid-19-Welle aufgeteilt nach Ballungsräumen und Gesamtösterreich*. Quellen: OeNB (N = 196), VIC (NRed = 998, NGesamt = 1860), PPO (NRed = 317, NGesamt = 557). *Regressionskonstanten

Schlussendlich betrachten wir nun noch den Einfluss von verschiedenen soziodemografischen Merkmalen sowie der Umweltbesorgnis auf die Verhaltensintention, da wir in unserer finalen Hypothese 3 annehmen, dass sich durch die gesunkene Umweltbesorgnis auch der Erklärungswert der Umweltbesorgnis auf die Verhaltensintention verringert. Das Modell dazu befindet sich im Anhang (Tab. 9.3). Abb. 9.5 zeigt die dazugehörigen Beta-Werte, wobei ein Wert kleiner 0 bedeutet, dass diese Variable einen negativen Einfluss auf die Bereitschaft hat – das Verhalten also seltener auftritt – und ein Wert größer 0, dass das Verhalten häufiger gezeigt wird. Die absolute Größe (zwischen 0 und 1) gibt zusätzlich an, wie stark der Einfluss einer Variablen ist.

Abb. 9.5
figure 5

Einflussfaktoren auf intentionsorientiertes Umweltverhalten in österreichischen Ballungsräumen. Quellen: OeNB (N = 192), VIC (NRed = 998), PPO (NRed = 315), *p < 0,05 **p < 0,01 ***p < 0,00. Beta-Koeffizienten aus linearer Regression (s. Tab. 9.3 im Anhang). Nicht dargestellt: Dummy-Variable für fehlendes Einkommen im OeNB- und PPO-Datensatz

Abb. 9.5 zeigt, dass die Umweltbesorgnis in allen drei Erhebungen einen stark positiven Zusammenhang mit der Verhaltensintention aufweist, wobei sich der Effekt im Verlauf der Krise sogar verstärkt. Je umweltbesorgter eine Person somit eingestellt ist, desto mehr Bereitschaft zeigt diese auch hinsichtlich der umweltbewussten Verhaltensmaßnahmen. Dieser Zusammenhang hat sich auch im Verlauf der Pandemie nicht verändert. Hinsichtlich der soziodemografischen Faktoren zeigen sich starke erwartbare Effekte zu allen drei Zeitpunkten, wie ein positiver Effekt des Einkommens und des Geschlechts sowie ein erwartbarer negativer Bildungs- und Alterseffekt. Demnach weisen Frauen und Besserverdienendeeine höhere Bereitschaft für umweltbewusstes Verhalten auf. Im Vergleich zu Hochschulabsolvent*innen haben alle anderen Bildungsgruppen eine niedrigere Bereitschaft, ebenso wie ältere Altersgruppen im Vergleich zu den 20–30-jährigen Befragten. Hier ist allerdings anzumerken, dass die Signifikanzen der einzelnen Effekte in den Datensätzen unterschiedlich sind. Lediglich die beiden positiven Effekte des Einkommens und der Umweltbesorgnis auf die Verhaltensintention bleiben über den zeitlichen Verlauf signifikant. Trotz einer gesunkenen Umweltbesorgnis in Krisenzeiten in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark bleibt der Einfluss der Umweltbesorgnis auf die Verhaltensintention stark und wird in den vorliegenden Daten im Zeitverlauf sogar noch stärker. Auch der Erklärungswert der Modelle erhöht sich im Krisenverlauf, was an dem Anstieg des R2 von 15,9 % vor der Krise auf 26,1 % nach der ersten Welle zu erkennen ist.

9 Diskussion und Schlussfolgerungen

In den letzten Jahren haben es unzählige Aktivist*innen wie Greta Thunberg und soziale Bewegungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion geschafft, den Klimawandel und die damit einhergehenden Herausforderungen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Die Klimakrise wird nach langem Diskurs als globales Problem wahrgenommen und auf internationaler sowie nationaler (politischer) Ebene diskutiert und bekämpft. Jedoch wandte sich vor allem der mediale Fokus innerhalb weniger Wochen nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie von der Klimakrise ab. Die Corona-Krise rückte ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und nahm nun den Platz der großen globalen Bedrohung ein, von welcher alle betroffen sind Dieser Beitrag behandelt daher die Frage, wie sich die Bedeutung der Klimaproblematik durch den Ausbruch der Pandemie in der österreichischen Bevölkerung verändert hat. Dabei werden insbesondere die allgemeine Umweltbesorgnis und die Intention zu umweltbewussten Verhaltensweisen untersucht. Um die Entwicklung dieser beiden Faktoren im Zeitverlauf nachverfolgen zu können, werden Daten zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten, nämlich ein Jahr vor der Corona-Krise, kurz nach dem Ausbruch der Pandemie sowie nach dem Abflauen der ersten großen Welle, herangezogen. Im Folgenden werden die Ergebnisse für die Beantwortung der Forschungsfragen noch einmal zusammengefasst. Am Ende folgt ein abschließender Ausblick.

Hypothese 1a beschreibt die Annahme, dass sich die Wahrnehmung des Klimawandels als Klimakrise aufgrund der Covid-19-Pandemie verringert hat. Dies können wir im Zuge unserer Analysen nicht bestätigen. Sowohl in den Ballungsräumen als auch in Gesamtösterreich schätzen Personen die Folgen des Klimawandels nach der ersten Welle weitaus negativer ein als während der ersten Welle. Hinsichtlich der Umweltbesorgnis wird zudem untersucht, ob sich diese im Verlauf der Corona-Krise verändert hat. Die Verschiebung der medialen Aufmerksamkeit und die krisenbedingten Einschränkungen und Veränderungen im gesellschaftlichen Zusammenleben lassen die Vermutung aufkommen, dass die Besorgnis um die Umwelt geringer wurde. Die Erhebungen zu den drei Zeitpunkten verdeutlichen, dass die Umweltbesorgnis in den Ballungsräumen Wien, Niederösterreich und Steiermark tatsächlich unter der Pandemie litt und besonders zu Beginn der ersten Covid-19-Welle stark gesunken ist. Somit scheint sich Hypothese 1b zumindest für diese drei österreichischen Bundesländer zu bewahrheiten. Für Gesamtösterreich kann ein Sinken der Umweltbesorgnis nicht nachgewiesen werden, da für den Zeitpunkt vor der Corona-Krise keine Daten für Gesamtösterreich vorliegen. Zusammengefasst lässt sich schlussfolgern, dass die Umweltbesorgnis in den drei untersuchten Ballungsräumen gesunken ist, obwohl die Folgen der Klimakrise zunehmend negativer eingeschätzt werden.

Der zweite Fokus dieses Beitrags richtet sich auf die Intention zu umweltbewusstem Verhalten in Krisenzeiten. Auch hier wird wieder angenommen, dass die Intention der Befragten in Krisenzeiten sinkt (Hypothese 2), da einerseits die finanzielle Situation dafür ausschlaggebend ist, ob man sich Umweltschutz „leisten kann“. Andererseits sorgt auch die Aufmerksamkeitsverschiebung durch die Medien und die Einführung krisenbedingter Maßnahmen dafür, dass die Themen Klimawandel und Umweltschutz in den Hintergrund gedrängt werden. In den Berechnungen zeigt sich, dass die Intention für umweltbewusste Handlungen erst nach der ersten Covid-19-Welle deutlich zurückgeht. Dieser Rückgang kann wiederum nur für die Ballungsräume nachgewiesen werden, für Gesamtösterreich zeigt sich keine Veränderung der Intention während und nach der ersten Welle. Aufgrund der Differenz in der Intention zwischen Gesamtösterreich und den Ballungsräumen nach der ersten Welle kommen wir zu dem Schluss, dass die Bereitschaft für umweltbewusstes Handeln in den Ballungsräumen niedriger ist als in Gesamtösterreich. Somit können wir Hypothese 2 zumindest für die Ballungsräume Österreichs annehmen.

Abschließend wird überprüft, ob der Erklärungswert der Umweltbesorgnis auf die Verhaltensintention im Verlauf der Krise abnimmt, da aus der Literatur hervorgeht, dass Umweltbesorgnis ein starker Prädiktor für die Bereitschaft zu umweltbewusstem Handeln ist. Unsere Berechnungen zeigen, dass der Einfluss der Umweltbesorgnis auf die Intention über den zeitlichen Verlauf der Krise zunimmt (Anstieg des R2 von 16 % auf 26 %). Somit können wir Hypothese 3 nicht bestätigen.

Betrachtet man des Weiteren die Effekte der einzelnen soziodemografischen Variablen, erkennt man unterschiedliche Effekte über den zeitlichen Verlauf. Zum einen zeigt sich ein starker Bildungs- und Einkommenseffekt, letzterer bleibt auch über den Krisenverlauf bestehen. Auch der von Koos und Naumann (2019) angesprochene „Global Warming Age Gap“ findet sich zum Teil in den Daten wieder. Besonders Jüngere tendieren dazu, eine höhere Bereitschaft für umweltbezogene Maßnahmen aufzuweisen. Es zeigen sich somit klassische Zusammenhänge, die bereits in vorangegangenen Forschungen nachgewiesen wurden. Interessant ist, dass nur mehr das Einkommen als signifikanter Prädiktor bleibt. Daraus ist zu schließen, dass in anhaltenden Krisenzeiten schlussendlich die Umweltbesorgnis und die finanzielle Lage ausschlaggebend dafür sind, ob die Bereitschaft für Umweltschutzmaßnahmen im Vergleich zu anderen Prädiktoren bestehen bleibt.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Auswirkungen der Klimakrise auf Österreich immer gravierender eingeschätzt werden, aber zugleich die Umweltbesorgnis und Bereitschaft für umweltschützende Maßnahmen im Verlauf der bisherigen Corona-Krise sinken. Eine mögliche Erklärung könnte in der Überlagerung dieser zwei unterschiedlichen Krisen liegen. Denn obwohl sich viele Personen dessen bewusst sind, dass der Klimawandel auch für Österreich verheerende Auswirkungen mit sich bringt, sind sie aktuell viel zu sehr mit den greifbareren Auswirkungen durch die Corona-Krise beschäftigt, welche die bisher noch marginalen Auswirkungen der Klimakrise überschatten. Dementsprechend erschweren die strukturellen Unterschiede dieser beiden Krisen die erfolgreiche Bekämpfung des Klimawandels, da von diesem in Österreich bisher kaum jemand direkt betroffen ist und sich der Einfluss der Klimaveränderungen auf unser tägliches Leben noch in Grenzen hält. Im Vergleich dazu stellt die Corona-Krise eine gefährliche und neuartige Bedrohung dar, welche auf das Leben aller Personen direkten Einfluss nimmt und deren Abwendung von hoher Priorität ist, worunter andere wichtige gesellschaftliche Probleme, wie der Klimaschutz, in den Hintergrund treten (vgl. Koos und Naumann 2019; Ostheimer 2020). Zudem zeigt sich in den Analysen, dass der Erklärungswert der Besorgnis für die Intention im Krisenverlauf stärker wird. Die Daten weisen darauf hin, dass trotz der allgemein gesunkenen Besorgnis und Intention in den Ballungsräumen Österreichs die Umweltbesorgnis trotzdem immer noch ein starker Prädiktor für umweltrelevante Verhaltensintention bleibt, auch wenn Einstellungen und Verhalten hinsichtlich der Umwelt abnehmen. Im Krisenkontext zeigt sich somit, dass gerade bei jenen Personen mit hoher Intention zu umweltschützenden Maßnahmen die Umweltbesorgnis ein starker Einflussfaktor für dieses Verhalten bleibt. Hinsichtlich soziodemografischer Effekte bleibt besonders das Einkommen relevant und es zeigt sich auch in Krisenzeiten, dass die Bereitschaft umweltbewusst zu handeln in Abhängigkeit zu den eigenen finanziellen Mitteln steht. Abschließend möchten wir an alle Leser*innen appellieren, die globale Klimakrise auch in dieser unsicheren Zeit der Covid-19-Pandemie nicht aus den Augen zu verlieren. Denn diese wird auch nach der erfolgreichen Überwindung der akuten Pandemiephase weiterbestehen und verheerende Konsequenzen mit sich bringen, wenn wir unser gewohntes Verhalten wiederaufnehmen und kein Umdenken hin zu einem umweltbewussteren Lebensstil stattfindet.