FormalPara Hintergrund

Der demographische Wandel stellt die wohl nachhaltigsten Anforderungen an die Gesellschaft und deren Sozialsysteme, respektive auch an das Gesundheitssystem. Nicht zuletzt deshalb werden demographische Entwicklungen initial zu allen gesundheitspolitischen Herausforderungen referenziert. Das Damoklesschwert der immer älter werdenden Gesellschaft und damit einhergehender, offener Fragen zur Gesundheitsversorgung schweben mahnend über allen strategischen Planungen. Im Kontext technischer Assistenzsysteme geht es jedoch um mehr als um die älter werdende Gesellschaft per se. Es gilt vielmehr zu differenzieren, welche Personen(-gruppen) in den entsprechenden Lebenslagen welche Form der technischen Assistenz situativ benötigen und diese eben auch wünschen. In diesem Zusammenhang sei auf den achten Bericht zur Lage der älteren Generation der Bundesregierung verwiesen, welcher explizit die Auswirkungen der Digitalisierung für ältere Menschen fokussiert (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2020). Neben der solitären Betrachtung der steigenden Lebenserwartung nehmen familiäre und soziale Lebensformen, Ressourcen der Lebensumgebung und der Wunsch nach Teilhabe an der Gesellschaft gerade bei älteren Menschen einen großen Einfluss. Hier greifen also die Megatrends Digitalisierung und demographischer Wandel ineinander. Die digitale Unterstützung wird es für ältere Menschen leichter machen, möglichst lange am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben (Weiß et al., 2017). Um individuell passgenaue Lösungen zu entwickeln, liefert die demographisch-differenzierte Analyse und Bewertung der aktuellen Bevölkerungsentwicklung relevante Daten. Für die Entwicklungsbedarfe der kommenden Jahre sind die entsprechenden Vorausberechnungen von hohem, strategischen Wert. Dazu führt das Statistische Bundesamt regelmäßig sogenannte koordinierte Bevölkerungsvorausberechnungen durch, welche neben der demographischen Entwicklung der älteren Bevölkerung auch die Entwicklung der Pflegequoten, also dem Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung, erhebt.

Ungeachtet des enormen Bedarfes älterer und hochbetagter Menschen dürfen die Bedarfe von Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen nicht vernachlässigt werden. Quer durch alle Altersgruppen können sich spezifische Hilfebedarfe entwickeln oder bestehen. So kann das Monitoring der Atemfunktion den gesamten Lebenszyklus von Früh-/ und Neugeborenen über Erkrankungen im Jugendalter bis zu chronischen Atemwegserkrankungen im Alter erfassen. Es geht also sowohl um Inzidenzen und Prävalenzen im Kontext der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung, aber auch um die Entwicklung seltener Erkrankungen einhergehend mit sehr hohen persönlichen Belastungssituationen. Aktuelle Diskussionen aus der Versorgung von Menschen in der Heimbeatmung verdeutlichen die Tragweite in ambulanten Versorgungsszenarien nicht nur – aber auch im Kontext technologischer Unterstützungen.

Abschließend müssen die demographischen Entwicklungen auch bei den professionellen Helfer*innen selbst betrachtet werden. Wie in vielen europäischen Ländern ist auch in Deutschland eine Überalterung von Ärzt*innen und Pfleger*innen zu beobachten. Dies verschärft die Herausforderung zur Sicherstellung der Gesundheits- und Pflegeleistungen in doppelter, demographischer Hinsicht und stellt umfangreiche Anforderungen an politisches Handeln zur Schaffung der Rahmenbedingungen wie den Einsatz von vernetzten Assistenz- und Monitoringsystemen, der Telepräsenz und Sensorik, der (Pflege-)Robotik sowie digitaler Anwendungspotenziale (Glock et al., 2018, S. 5).

FormalPara Entwicklung der Lebenserwartung

Die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung hat sich in den vergangenen 150 Jahren nahezu verdoppelt (Statista, 2020). Noch vor ca. 100 Jahren hatten Frauen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 48 Jahren, Männer lediglich von 45 Jahren (Brachat-Schwarz, 2019, S. 13), während sie heute eine Lebenserwartung von 83,2 Jahren (Frauen) bzw. 78,4 Jahren (Männer) haben (Statista, 2020). Maßgeblich ist dies auf die stark gesunkene Säuglings- und Kindersterblichkeit zurückzuführen. Ferner spielen neben der Veränderung von Arbeits- und Lebenswelt der Menschen der medizinische Fortschritt sowie die Prävention und Therapie von klassischen Altersleiden eine wesentliche Rolle (ebd. 2020). International liegt die Lebenserwartung in Deutschland exakt im Durchschnitt der Europäischen Union, und wird international von den Ländern Japan, Südkorea, Frankreich, Italien, Australien und Kanada übertroffen (ebd. 2020). Zunächst ist dies als sehr erfreuliche Entwicklung festzuhalten, verdeutlicht sie doch den guten Lebensstandard inklusive Bildungs- und Einkommensstruktur, Sozialsystem und Infrastruktur, expressis verbis auch der guten Qualität in der Gesundheitsversorgung. Interessanterweise finden sich auch national Unterschiede in der Lebenserwartung. So stehen Baden-Württemberg und Bayern an der bundesdeutschen Spitze der Lebenserwartung, was wiederum die größten Anforderungen an die Landessozial- und -gesundheitspolitik nach sich zieht. Nicht zuletzt deshalb wurden in den vergangenen Jahren regionale Entwicklungen besonders umfangreich aufgearbeitet. Dabei berechnen die statistischen Landesämter detaillierte Daten zur regionalen Entwicklung der Altersstruktur und Szenarien zur Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung. Diese liefern Landkreisen und Städten vor Ort wichtige Informationen zur Beurteilung der stationären Gesundheitsversorgung (z. B. Planung und Entwicklung stationärer Kapazitäten wie Kurzzeitpflegeplätze), der ambulanten Versorgung (z. B. der hausärztlichen und ambulant-pflegerischen Versorgung) ebenso wie der intersektoralen Vernetzung beider Systeme. So berechnete das Statistische Landesamt Baden-Württemberg regionale Entwicklungen, die auf wachsende und schrumpfende Bevölkerungen in den Landkreisen hinweisen. Kenngrößen zur Entwicklung der Gemeinden, zur Alterung in den Kreisen und der Entwicklung der Lebenserwartung verdeutlichen große Unterschiede gerade zwischen urbanen und ländlichen Regionen (Mantinger, 2019), und damit auch die Anforderungen an die technologisch unterstützte Betreuung in kommunalen Strukturen (vgl. hierzu auch Abschn. 7.6).

Zukünftig zeichnet sich in Deutschland wie in allen Industrienationen ein deutlicher Alterungsprozess der Gesellschaft ab. Besonders deutlich lässt sich dieser an der Entwicklung der Hochbetagtenzahl erkennen. Waren es 1952 lediglich knapp 18.000 Personen (vornehmlich weiblich), die 85 Jahre oder älter waren; zählen derzeit ca. 294.000 zu dieser Altersgruppe – ein Anstieg auf das Sechzehnfache in rund 65 Jahren (Brachat-Schwarz, 2019, S. 13). Neben der nominellen Zahl der Hochbetagten ist insbesondere der Anteil der Älteren und Hochbetagten im Verhältnis zur jüngeren Bevölkerung interessant, welcher in einem Gesamtquotient erhoben wird. Für Baden-Württemberg beispielsweise wurde berechnet, dass 2035 auf 100 potenziell erwerbstätige Personen 83,1 „abhängige“ Personen kommen, die finanziert werden müssen, während es 2017 noch 64,4 Personen waren (Brachat-Schwarz, 2019, S. 16). Drei wesentliche Parameter beeinflussen dabei den Quotienten maßgeblich: Das Geburtenniveau, das Sterblichkeitsniveau und das Wanderungsgeschehen (ebd. 2019, S. 13). Aus diesem Grund werden in den strukturierten Bevölkerungsvorausberechnungen verschiedene Modellrechnungen und Varianten erhoben, um mögliche Szenarien zu antizipieren (Statistisches Bundesamt, 2019). Zusammenfassend wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 20 und 66 Jahren bis 2035 um vier bis sechs Millionen abnehmen wird, jeder zehnte Einwohner wird in dreißig Jahren mindestens 80 Jahre alt sein (ebd. 2019).

FormalPara Entwicklung der Pflegebedürftigkeit

Die Pflegebedürftigkeit entwickelte sich seit der Jahrtausendwende deutlich steigend, Ende 2019 waren in Deutschland rund vier Millionen Menschen pflegebedürftig (Statista, 2020). Im Jahr 2017 veränderte sich die Zuordnung zur Pflegebedürftigkeit nach dem Pflegestärkungsgesetz (Leistungen des SGB XI), was mit einem deutlichen Sprung in der Statistik ersichtlich wurde. Die Umsetzung des neuen Begriffes zur Pflegebedürftigkeit sowie die Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade trug zu einer deutlichen Verbesserung der Abbildung des Pflegebedarfes respektive deren Finanzierung bei, die Vergleichbarkeit der Zahlen der Pflegebedürftigkeit in der Zeitreihe ist jedoch nur noch eingeschränkt gegeben (Sonnenburg und Schröder, 2019, S. 1). Die Zunahme der Pflegebedürftigkeit lässt sich sehr transparent mithilfe der gesamtgesellschaftlichen Pflegequote darstellen. Wie in Abb. 2.1 ersichtlich, lag diese im Jahr 1999 insgesamt (Frauen und Männer) noch bei 2,5 %, 2017 bereits bei 4,1 % (Statista, 2020). Bedeutend ist hier auch der starke Anstieg der Pflegebedürftigkeit ab dem 80. Lebensjahr, welcher auf einen deutlichen Zusammenhang des betagten und hochbetagten Alters mit einhergehender Pflegebedürftigkeit hinweist.

Abb. 2.1
figure 1

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista,)

Pflegequote in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht im Jahr 2017 in Prozent.2020a

Aufschlussreich im Kontext der Pflegebedürftigkeit stellt sich die Art der Versorgung dar. Landläufig wird die Pflegebedürftigkeit mit einer Versorgung in der stationären Langzeitpflege (Senioren-/ Pflegeheim) verbunden. Tatsächlich wird die weit überwiegende Anzahl jedoch in der häuslichen Umgebung versorgt. Entweder von den Lebenspartnern, von Angehörigen oder/und durch einen professionellen, ambulanten Dienst. Zusätzlich kann von einer Dunkelziffer aufgrund fehlender Inanspruchnahme von Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung ausgegangen werden.

Der steigende Anteil von pflegebedürftigen Menschen in der häuslichen Umgebung (siehe Abb. 2.2), unterstreicht damit gerade Innovationsbedarfe in der häuslichen Umgebung, welche sich im Setting wesentlich von stationären Umgebungen unterscheiden. Unterstützt werden die Entwicklungen in der Häuslichkeit von verschiedenen Einflussgrößen. Die Wichtigste ist auf den Wunsch der Angehörigen zurückzuführen, zu Hause – auch mit Einschränkungen – zu leben und das Pflegeheim nur als Ultima Ratio in Anspruch zu nehmen.

Abb. 2.2
figure 2

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista,)

Entwicklung der Anzahl Pflegebedürftiger in Deutschland nach Art der Versorgung in den Jahren von 2009 bis 2017 in Prozent.2020b

FormalPara Prognose zur Entwicklung der Pflegequote

Im Zuge der demographischen Veränderung der Bevölkerungsstruktur respektive der Überalterung wird die Pflegequote auch in Zukunft weiter zunehmen (siehe Abb. 2.3). Der Pflegebedarf wird dabei prognostisch in den nächsten 20 Jahren um 12,4 % im stationären Bereich, und um 48,1 % in der Langzeitpflege steigen (Zander-Jentsch et al., 2019).

Abb. 2.3
figure 3

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Statista, 2020c)

Anzahl der Pflegebedürftigen und über 80-Jährigen in Deutschland in den Jahren von 2017 bis 2060 in Millionen.

Dabei entwickelt sich die Pflegebedürftigkeit geschlechterspezifisch unterschiedlich. Im hohen Alter sind die Pflegequoten bei Frauen ausgeprägter als bei Männern, während sie im jüngeren Alter teilweise sogar geringer sind (Sonnenburg & Schröder, 2019, S. 11). Inwiefern der medizinische Fortschritt einen schlechteren Gesundheitszustand im hohen Alter verhindert oder gar eine Pflegebedürftigkeit provoziert, dazu liegen im Kontext der sogenannten Medikalisierungs-, Kompressions- oder Bi-Modalität-/Status-Quo-These verschiedene Erklärungsmuster vor, und die Wissenschaft streitet trefflich darüber (Geyer, 2015). Besonders erwähnenswert bleibt aber, dass verschiedene Studien explizit auf eine Steigerung der Aktivität, Selbstbestimmung, Lebenszufriedenheit und -qualität bei Senioren in den vergangenen Jahren hinweisen (Mahne et al., 2017; Potter et al., 2020; Wagner et al., 2018). Einschränkungen der Lebenszufriedenheit und/oder leicht depressive Symptome sind dabei altersunabhängig-differenziert zu betrachten und werden häufiger bei Frauen oder bei niedriggebildeten Menschen beobachtet (Wolff & Tesch-Römer, 2017). In jedem Fall ist jedoch im Verlauf der vergangenen 20 Jahre eine langjährige Stabilität der Pflegequoten zu beobachten. Diese verdeutlicht eine erhebliche Steigerung der Pflegequote ab dem 80. Lebensjahr (Sonnenburg & Schröder, 2019, S. 13).

FormalPara Veränderungen der Lebensformen

Wie in Abb. 2.2 dargestellt, leben die meisten Menschen mit einem Pflegebedarf zu Hause. Die pflegenden Angehörigen sind meistens die Ehepartner, Lebenspartner oder Kinder, können jedoch auch Verwandte, Freunde oder Nachbarn sein. In einem weit überwiegenden Anteil (<70 %) sind das Frauen, obgleich Männer, insbesondere Söhne und Ehemänner zunehmend die Versorgung übernehmen (DEGAM S3-Leitlinie, 2018). Nun ist das Zusammenleben von Menschen von einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensformen geprägt. Die Ehe nimmt dabei eine besondere Stellung ein, unterliegt jedoch seit Jahren der deutlichen Veränderung hin zu einer Verschiebung in das höhere Lebensalter. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung kann ein genereller Trend zur Abkehr von festen, verbindlichen partnerschaftlichen Beziehungen nicht festgestellt werden. Die Bindungen finden jedoch später statt. Während der Anteil im jüngeren Alter, die mit einem Partner/einer Partnerin in einem Haushalt wohnt, stark absank, so stieg er bei Älteren – vor allen Dingen bei Frauen – deutlich an (Grünheid, 2017, S. 14). Demnach finden sich auch weiterhin feste Partnerbeziehungen mit gemeinsamem Wohnsitz, auch wenn die Lebensform der Ehe weiter rückläufig erscheint. Gleichzeitig steigt der Anteil an Singlehaushalten, gerade in großen und mittelgroßen Städten, Alleinlebende bilden den überwiegenden, zunehmenden Anteil der Haushalte. Eine weitere Veränderung zeigt sich in einer Abkehr der Groß- oder auch Kernfamilie, die gemeinsam unter einem Dach lebt. Die durchschnittliche Zahl der Kinder in Deutschland sank in Deutschland auf 1,54 Kinder im Jahr 2019, bei Ehepaaren liegt sie mit 1,72 noch etwas höher (Statistisches Bundesamt, 2019). Auch der Verlauf von beruflichen Karrieren der Kinder beeinflusst die Versorgung der Eltern maßgeblich. So führen die berufliche Mobilität und Biographie neben der familiären Biographie vermehrt dazu, dass Kinder sich örtlich vom Wohnort der Eltern entfernen. Dies führt zu einer belastenden Herausforderung in der Begleitung und Versorgung über eine räumliche Distanz. Sowohl für die pflegenden Angehörigen, als auch für die Pflegebedürftigen selbst. Auch hier spielen technologische Hilfen zur Kommunikation und Gewährleistung einer Sicherheit eine bedeutende, zunehmende Rolle (Franke et al., 2019).

FormalPara Demographische Entwicklung der professionellen Helfer*innen

Gemeinsam mit der Gesellschaft altern auch die professionellen Helfer*innen, also Ärzt*innen, Pfleger*innen, Hebammen, technische Assistent*innen und viele weitere, relevante Angehörige der Gesundheits- und Therapieberufe. So sind heute bereits 62 % des Personals aller Gesundheitsberufe älter als 40 Jahre (siehe Abb. 2.4).

Abb. 2.4
figure 4

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistisches Bundesamt, 2020)

Gesundheitspersonal nach Altersgruppen 2018 in Prozent von insgesamt 5,7 Mio.

Bei Ärzt*innen wird die Überalterung im vertragsärztlichen Bereich sehr deutlich. Hier stieg das Durchschnittsalter in den letzten zehn Jahren von 51,9 auf 54,3 Jahre (Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2019). Bei den Hausärzt*innen liegt der Anteil der über 60-jährigen bereits bei 35,1 %, was einen hohen Nachbesetzungsbedarf der kommenden Jahre verdeutlicht (ebd. 2019). Bei Pflegekräften ist national wie international eine deutliche Überalterung festzustellen, welches den lange bestehenden, generellen Mangel an Pflegekräften  (Haddad et al. 2020; International Council of Nurses, 2006) erheblich verschärft. Dies erscheint insbesondere auch vor dem Hintergrund der internationalen Rekrutierung von Personal von besonderer Bedeutung (International Council of Nurses, 2019). Zwar können migrierende Pflegekräfte und deren Familien persönlich, beruflich und finanziell profitieren. Jedoch entstehen unter Umständen eine ganze Reihe an Nachteile. Für die Pflegenden selbst, aber auch für die entsendenden Länder. Verluste an Expertisen, Arbeitsüberlastungen durch die Abwanderung oder gar Schließungen von Gesundheitseinrichtungen können die Folge sein. Um dies zu verhindern, weist der International Council of Nurses (ICN) seit vielen Jahren auf ethische Implikationen in der internationalen Abwerbung von Pflegefachkräften hin (ebd. 2019). Auch in Deutschland zeichnet sich eine Überalterung bei den Pflegenden ab; der Anteil der über 50-jährigen Pflegekräfte hat sich seit dem Jahr 2000 nahezu verdreifacht (Zander-Jentsch et al., 2019). Die Pflegeberufekammer in Schleswig–Holstein beispielsweise veröffentlichte Berechnungen, dass weniger als ein Viertel der Pflegenden im Bundesland jünger als 35 Jahre ist, und in den kommenden zehn bis zwölf Jahren knapp 40 % aller Pflegefachpersonen in den Ruhestand gehen (Pflegeberufekammer SH, 2020). In den vergangenen Jahren waren neben den größten Berufsgruppen der Pfleger*innen und Ärzt*innen wiederholt auch Engpässe bei kleineren Berufsgruppen (z. B. technische Assistent*innen im Operationsbereich oder in der Radiologie) zu verzeichnen, welche sofort elementare Versorgungslücken nach sich ziehen können.

Zusammenfassend zeigt sich also eine Zunahme der Pflegebedürftigkeit bei gleichzeitiger Abnahme vorhandener Fachkräfte. Diese Entwicklungen stehen nun dem bereits skizzierten, steigenden Bedarf gegenüber. Dabei bedarf es nachhaltiger Konzepte und Reformbemühungen, das Angebot der Versorgungssysteme zu verbessern. Dazu gehört die Mobilisierung und Finanzierung der Fachkräfte, die weitere Reformierung der Sozialgesetzgebung inklusive der Akademisierung von Gesundheitsberufen sowie eine bessere Vernetzung der Versorgungssysteme für einen effizienteren Ressourceneinsatz. Technologische Hilfen können die menschliche Fürsorge, Versorgung und Pflege nicht per se ersetzen, sie können jedoch die Strukturen und Prozesse maßgeblich unterstützen.