Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie organisationales Lernen in Situationen möglich ist, in denen Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe bei der Bearbeitung von Fällen an ihre aktuellen Grenzen geraten. Wir diskutieren, ob und wie sie eine solche Situation als Lernmöglichkeit nutzen könnten, um organisationale Grenzen zu verschieben und Routinen zu verändern, wenn dies aus Gründen des Kindeswohls sinnvoll und notwendig erscheint. An empirischen Beispielen aus dem Interreg-Projekt Eur&Qua (2016–2020: Fördernummer: 034-3-07-023), das sich auf die Großregion Rheinland-Pfalz, Saar-Lor-Lux-Wallonie-Ostbelgien bezieht, werden Konstellationen rekonstruiert und untersucht, die dazu führen, dass grenzüberschreitende Fälle entstehen, d. h., Lösungen jenseits der Grenzen der Organisation und jenseits nationalstaatlicher Grenzen gesucht und in Betracht gezogen werden.
„Helft mir […] setzt mir doch endlich Grenzen, sonst renne ich noch sonst wo hin.“ a
aAuszug aus einem Interview mit einer Fachkraft, die von der Arbeit mit einem Jugendlichen berichtet (Interview mit einer professionellen Fachkraft aus Land B, ZN: 317).
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Diese Fallvignette ist aus der Perspektive der interviewten Professionellen entstanden, bisher gab es keine Möglichkeit zum Interview mit Jason.
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Schröder, C., Peters, U. (2021). Kinderschutz über Grenzen organisieren. In: Schröer, A., Köngeter, S., Manhart, S., Schröder, C., Wendt, T. (eds) Organisation über Grenzen . Organisation und Pädagogik, vol 29. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33379-9_17
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