Zusammenfassung
Die Lebensphase Alter ist stärker als andere mit körperlichen Veränderungen, dem Auftreten von Krankheiten und Einbußen in der funktionalen Gesundheit verbunden. Alter(n) und alte Menschen aber nur aus medizinischer und pflegerischer Perspektive zu betrachten, birgt die Gefahr, defizitorientierte Altersbilder zu betonen und gleichzeitig die Ressourcen und die Vielfalt des Alters zu negieren. Der Beitrag diskutiert die sog. „absent-body-These“, wonach – um eine defizitorientierte Perspektive zu vermeiden – der Körper in der sozialwissenschaftlich ausgerichteten Gerontologie kaum thematisiert wird. Dagegen wird argumentiert, dass sich vielmehr verschiedene, voneinander getrennte und eher implizite als explizite Thematisierungen von Körper und Gesundheit in Verbindung mit Altersprozessen finden. Dies sind neben dem sozialkonstruktivistischen auch ein leibphilosophischer Diskurs sowie die theoretische Modellierung und empirische Untersuchung von interventionsgerontologischen Strategien sowie sozial wirksamen Altersbildern in Bezug auf Geschlecht und Gesundheit. Als Forschungsdefizite erweisen sich die Frage nach der existenziellen Leiberfahrung angesichts des näher rückenden Ende des Lebens und die biografische Dimension von kumulierenden Gesundheitschancen und -risiken.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Auf die psychische Gesundheit wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen. Zur subjektiven Gesundheit s. Abschn. 3.2
Literatur
Backes, G. M., & Wolfinger, M. (2008). Körper und Alter(n). Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 41(3), 153–155.
Baltes, P. B., & Baltes, M. (1989). Optimierung durch Selektion und Kompensation. Ein psychologisches Modell für erfolgreiches Altern. Zeitschrift für Pädagogik, 34, 85–105.
Baltes, P. B., & Baltes, M. (1994). Gerontologie: Begriff, Herausforderungen und gesellschaftliche Entwicklung. In P. B., Baltes, J., Mittelstraß, & U. Staudinger,(Hrsg.), Alter und Altern: ein interdisziplinärer Studientext zur Gerontologie (S. 1–34). De Gruyter: Berlin.
Blum-Lehmann, S. (2015). Körper- und leiborientierte Gerontologie, Altern erfahren, erleben und verstehen. Ein Praxishandbuch. Bern: Hogrefe
Blum-Lehmann, S. (2008). Hinfälligkeit und Begrenztheit als Entwicklungschance im Alter, Die Bedeutung der leiblichen Erfahrung des hinfälligen Körpers für Entwicklung und Identität von hochaltrigen Menschen. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 41(3), 201–207.
BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) (Hrsg.) (2010). Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, Altersbilder in der Gesellschaft. Berlin. https://www.bmfsfj.de/blob/77898/a96affa352d60790033ff9bbeb5b0e24/bt-drucksache-sechster-altenbericht-data.pdf. Zugegriffen: 22. Sept. 2020.
Clarke, L. H., & Korotchenko, A. (2011). Aging and the Body: A Review. Canadian journal on aging = La revue canadienne du vieillissement, 30(3), 495–510. https://doi.org/10.1017/S0714980811000274.
Denninger, T. (2018). Blicke auf Schönheit und Alter. Körperbilder alternder Menschen. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Friesacher, H. (2011). Anerkennung und Leiblichkeit. In M. Dederich & M.W. Schnell (Hrsg.), Anerkennung und Gerechtigkeit in Heilpädagogik, Pflegewissenschaft und Medizin. Auf dem Weg zu einer nichtexklusiven Ethik (S. 77–105.) Bielefeld: Transcript.
Gaertner, B., Busch, M. A., Scheidt-Nave, C., & Fuchs, J. (2019). Einschränkungen in Aktivitäten des täglichen Lebens im Alter in Deutschland und der EU – Ergebnisse des European Health Interview Survey (EHIS) 2. Journal of Health Monitoring, 4(4), 52–61.
Generali Deutschland, A. G. (Hrsg.). (2017). Generali Altersstudie 2017 Wie ältere Menschen in Deutschland leben und denken. Heidelberg: Springer VS.
Gugutzer, R. (2008). Alter(n) und die Identitätsrelevanz von Leib und Körper. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 41(3), 182–187.
Havighurst, R. (1972). Developmental Tasks and Education. New York: Mac Kay.
Henne, M. (2019). Technik, die begeistert!? Dissertation. Nomos: Baden-Baden
Höppner, G. (2011). Alt und schön: Geschlecht und Körperbilder im Kontext neoliberaler Gesellschaften.. Wiesbaden: VS Research.
Jopp, D. S., Rott, C., Boemer, K., Boch, K., & Kruse, A. (2013). Zweite Heidelberger Hundertjährigen Studie: Herausforderungen und Stärken des Lebens mit 100 Jahren. Stuttgar: Robert-Bosch-Stiftungt.
Karl, F. (Hrsg.). (2003). Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie. Alter und Altern als gesellschaftliches Problem und individuelles Thema. Beltz: Weinheim.
Keller, R., & Meuser, M. (2017). Alter(n) und vergängliche Körper. In R. Keller & M. Meuser (Hrsg.), Alter(n) und vergängliche Körper (S. 1–12). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Kliegel, M., Zink, K., & Hering, A. (2012). Plastizität. In H. W. Wahl, C. Tesch-Römer, & J. P. Ziegelmann (Hrsg.), Angewandte Gerontologie, Intervention für ein gutes Altern in 100 Schlüsselbegriffen (S. 72–74). Stuttgart: Kohlhammer.
Kruse, A., & Schmitt, E. (2016). Soziale Ungleichheit, Gesundheit und Pflege im höheren Lebensalter. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 59(2), 252–258.
Lampert, T., & Kroll, L. E. (2014). Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung. (Hrsg.). v. Robert Koch-Institut, Berlin. (GBE kompakt, 5/2). www.rki.de/gbe-kompakt. Zugegriffen: 16. Sept. 2020.
Lawton, M. D. (1982). Competence, Environmental press und the adaptation of older people. In M. P. Lawton, G. Windley, & T. O. Byerts (Hrsg.), Aging and the environment (S. 33–59). New York: Springer.
Lehr, U. (Hrsg.). (1979). Interventionsgerontologie. Darmstadt: Steinkopff.
Lindenberger, U., Smith, J., Mayer, K. U., & Baltes, P. B. (Hrsg.). (2010). Die Berliner Altersstudie. Berlin: Akademie.
Neise, M., Jahnsen, A., Geithner, L., Schmitz, W., & Kapar, R. (2019). Lebensqualität in der Hochaltrigkeit. In K. Hank, F. Schulz-Nieswandt, M. Wagner, & S. Zank (Hrsg.), Altersforschung – Handbuch für Wissenschaft und Praxis (S. 581–601). Nomos: Baden Baden.
Neumann, E. M. (1988). Erhaltung und Rehabilitation selbstständiger Eigenpflege bei alten Menschen im Heim: Intervention im sozialen Umfeld. Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 1, 127–134.
Oswald, W. D., Rupprecht, R., & Gunzelmann, T. (2003). Erhalt von Lebensqualität im höheren Lebensalter: Langjährige Trainingseffekte der SIMA Längsschnittstudie. In F. Karl (Hrsg.), Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie, Alter und Altern als gesellschaftliches Problem und individuelles Thema (S. 261–270). Weinheim: Juventa.
Pfaller, L., & Adloff, F. (2017). „Mein Leben ist ein Fortfahren von Eigenreparatur“. Der Körper im Zeichen des Anti-Aging. In R. Keller & M. Meuser (Hrsg.), Alter(n) und vergängliche Körper (S. 91–107). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Polidori, C. M., & Häusermann, P. (2019). Körperliche Gesundheit und Altersmedizin. In K. Hank, F. Schulz-Nieswandt, M. Wagner, & S. Zank (Hrsg.), Alternsforschung, Handbuch für Wissenschaft und Praxis (S. 249–283). Nomos: Baden-Baden.
Riedel, M. (2017). Alter(n). In R. Gugutzer, G. Klein, & M. Meuser (Hrsg.), Handbuch Körpersoziologie (Bd. 2, S. 3–16). Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Robert-Koch-Institut, (Hrsg.). (2015). Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis.. Berlin: Robert-Koch-Institut.
Saß, A., Wurm, S., & Ziese, T. (2009). Alter = Krankheit? Gesundheitszustand und Gesundheitsentwicklung. In K. Böhm, C. Tesch-Römer, & T. Ziese (Hrsg.), Gesundheit und Krankheit im Alter, Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes (S. 31–61). Berlin: Robert Koch-Institut.
Schäfers, M. (2008). Lebensqualität aus Nutzersicht. Wie Menschen mit geistiger Behinderung ihre Lebenssituation bewerten. Wiesbaden: VS Verlag.
Schroeter, K. R. (2012). Altersbilder als Körperbilder. Doing Age by Bodyfication. In F. Berner, J. Rossow & K.-P. Schwitzer (Hrsg.), Expertisen zum sechsten Altenbericht der Bundesregierung. (S. 153–229). Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss.
Sontag, S. (1979). The doub1e standard of aging. In V. Carver & P. Liddiard (Hrsg.), An ageing population: A reader and sourcebook (S. 72–80). New York: Holmes & Meier (Erstveröffentlichung 1972).
Spindler, M. E. (2017). Vom Jungbrunnen zum individuellen Management gesundheitlicher Alterungsrisiken. Neues Wissen über Altern im Umfeld der deutschen Anti-Aging-Medizin. In R. Keller & M. Meuser (Hrsg.), Alter(n) und vergängliche Körper (S. 67–90). Wiesbaden: Springer.
Spuling, S. M., Ziegelmann, J., & Wünsche, J. (2017a). Heißt krank zu sein sich auch krank zu fühlen? Subjektive Gesundheit und ihr Zusammenhang mit anderen Gesundheitsdimensionen. In K. Mahne, J. K. Wolff, J. Simonson, & C. Tesch-Römer (Hrsg.), Altern im Wandel, Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS) (S. 157–170). Wiesbaden: Springer VS.
Spuling, S. M., Ziegelmann, J., & Wünsche, J. (2017b). Was tun wir für unsere Gesundheit? Gesundheitsverhalten in der zweiten Lebenshälfte. In K. Mahne, J. K. Wolff, J. Simonson, & C. Tesch-Römer,(Hrsg.), Altern im Wandel, Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS) (S. 139–156). Wiesbaden: Springer VS.
Tesch-Römer, C., & Wurm, S. (2009). Gesundheit im Alter bedingt durch Schicksal, Schichtzugehörigkeit oder Verhalten? Gesundheitsrelevante Lebenslagen und Lebensstile. In K. Böhm, C. Tesch-Römer, & T. Ziese (Hrsg.), Gesundheit und Krankheit im Alter, Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes (S. 113–120). Berlin: Robert Koch-Institut.
van Dyk, S. (2015). Soziologie des Alters. Bielefeld: Transcript.
Viehöfer, W. (2008). Auf dem Wege zu einer protestantischen Ethik des Alterns? Anti-Aging als eine Form der methodischen Selbstdisziplinierung des Leibes. In Rehberg, K.-S. (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006 (S. 2756–2767). Frankfurt/Main: Campus.
Wahl, H. W. (2000). Zur Veränderung des Alterns heute und morgen. Beiträge der Interventionsgerontologie. In Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 33, 1. Suppl., 1, I85–I89.
Wahl, H. W., & Tesch-Römer, C. (1998). Interventionsgerontologie im deutschsprachigen Raum: Eine sozial- und verhaltenswissenschaftliche Bestandsaufnahme. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 31(2), 76–85.
Wahl, H. W., Tesch-Römer, C., & Ziegelmann, J. P. (Hrsg.). (2012). Angewandte Gerontologie Intervention für ein gutes Altern in 100 Schlüsselbegriffen. Stuttgart: Kohlhammer.
Wahl, H., Tesch-Römer, C., Zank, S., Weyerer, S., & Heyl, V. (2015). Gerontologie – Einführung und Geschichte. Stuttgart: Kohlhammer.
Wiegel, C., & Bergmann, A. (2020). Alter und Gesundheit. In S. Stadelbacher & W. Schneider (Hrsg.), Lebenswirklichkeiten des Alter(n)s. Vielfalt, Heterogenität, Ungleichheit (S. 27–54). Wiesbaden: Springer Fachmedien
Wolff, J. K., Nowossadeck, S., & Spuling, S. M. (2017). Altern nachfolgende Kohorten gesünder? Selbstberichtete Erkrankungen und funktionale Gesundheit im Kohortenvergleich. In Mahne, K., Wolff, J. K., Simonson, J., & Tesch-Römer, C. (Hrsg.), Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS) (S. 125–138). Wiesbaden: Springer VS.
Wurm, S. (2012). Gesundheit und Krankheit. In H.-W. Wahl, C. Tesch-Römer, & J. P. Ziegelmann (Hrsg.), Angewandte Gerontologie. Interventionen für ein gutes Altern in 100 Schlüsselbegriffen (2., vollst. überarb. und erw. Aufl., S. 78–83). Stuttgart: Kohlhammer.
Wurm, S., Lampert, T., & Menning, S. (2009). Subjektive Gesundheit. In Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes (S. 79–104). Berlin: Robert Koch Institut.
Zukunftsfonds, G. (2015). Generali Hochaltrigenstudie: Teilhabe im Alter. Köln: Generali Zukunftsfonds.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2021 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Kühnert, S., Schuhmacher, B. (2021). Körper und Gesundheit im gerontologischen Diskurs. In: Wendler, M., Schache, S., Fischer, K. (eds) Multidisziplinäre Perspektiven auf Körper und Gesundheit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32999-0_13
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32999-0_13
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-32998-3
Online ISBN: 978-3-658-32999-0
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)