Recycling und CE sollen eine nachhaltige Entwicklung unterstützen – darüber ist man sich in der Literatur bereits einig. Wie dieses Ziel genau erreicht werden soll, unterliegt allerdings noch keinem Konsens. Dennoch sind Recycling und das Konzept der CE mittlerweile zentraler Bestandteil zahlreicher politischer Aktionspläne und die Vision der vollständig geschlossenen Materialkreisläufe ist dabei sich zu etablieren. Gleichzeitig sind jedoch die sekundären Quellen, die für ein Recycling zur Verfügung stehen, heute so komplex wie nie zuvor. Metalle, die in der Technosphäre in Produkten zum Einsatz kommen, sind oft geringer konzentriert als in ihren primären Quellen. Diese Metalle zu recyceln, also deren Konzentrationen zu erhöhen, benötigt den Einsatz von Energie der wiederum THGE bedingt. Es ist damit durchaus möglich, dass Recycling in manchen Fällen mehr Energie benötigt und mehr THGE verursacht als die primäre Gewinnung. In diesen Fällen muss der Beitrag von Recycling für eine nachhaltige Entwicklung kritisch hinterfragt werden.

Stünde eine drohende Verknappung wirtschaftsstrategischer Rohstoffe bevor, so wäre die Situation eine andere und es müsste alles getan werden, die Metalle und Materialien im Kreislauf zu halten. Doch das Narrativ der drohenden Verknappung der mineralischen Rohstoffe ist zu großen Teilen auf fehlinterpretierte Informationen und den Irrglauben gestützt, dass alle Vorkommen an mineralischen Ressourcen der Erde bereits genauestens kartographiert sind. Es ist jedoch keineswegs bekannt, wie groß die Ressourcenvorkommen tatsächlich sind, die aktuell und zukünftig abbauwürdig sein werden. Um ungefähre Abschätzungen vornehmen zu können, welche Massen an mineralischen Ressourcen auch in Zukunft noch aus primären Quellen gewonnen werden können, ist umfassendes geologisches Wissen notwendig. Am Beispiel von Kupfer ist in Abschnitt 3.1.1 gezeigt, dass noch enorme Massen in der Erdkruste zur Verfügung stehen, die voraussichtlich zukünftig auch abbauwürdig sein werden. Es existiert – zumindest in absehbaren Zeithorizonten – kein Mengen- bzw. Verfügbarkeitsproblem der mineralischen Ressourcen. Der entscheidende Faktor ist auch hier der Energieaufwand, der für die Metallgewinnung aus primären Quellen betrieben werden muss. Denn auch in primären Quellen bzw. den derzeitig betriebenen Minen sind die Metallkonzentrationen teils sehr niedrig und nehmen tendenziell weiter ab.

Die primäre und sekundäre Metallgewinnung sind gleichermaßen auf ein Konzentrationsproblem und damit auf den Energieaufwand, der unmittelbar in THGE resultiert, zurückzuführen. Um den Beitrag des Recyclings für eine nachhaltige Entwicklung sicher zu stellen, muss gewährleistet sein, dass der Energieaufwand bzw. der KEA des Recyclings nicht höher ausfällt als der KEA der alternativen primären Gewinnung. In der Literatur wird zunehmend darauf verwiesen, dass die vollständige Kreislaufschließung zu unverhältnismäßig hohen Energiebedarfen und damit auch THGE führen wird – bisher sind diese Aussagen allerdings ohne empirische Grundlage.

Die derzeitige Weltwirtschaft ist noch weit von einer vollständigen Kreislaufführung entfernt. Selbst Metalle, die grundsätzlich prädestiniert für ein Recycling sind, weisen teils nur sehr geringe EoL-RQ auf. Insbesondere Technologiemetalle werden derzeit nur zu geringen Prozentsätzen recycelt bzw. in manchen Fällen gar nicht rückgewonnen. Die Auswertung von 48 Metallen in Abschnitt 3.1.2 liefert hierzu wichtige Erkenntnisse. Sie zeigt, dass Metalle tendenziell nicht oder nur zu geringen Prozentsätzen aus ihren sekundären Quellen recycelt werden, wenn sie dort geringer konzentriert sind als in ihren primären Quellen. Sind Metalle in ihren sekundären Quellen höher konzentriert als in ihren primären Quellen, so findet tendenziell Recycling zu hohen Prozentsätzen statt. Damit ist eine empirische Erklärung der von UNEP (2011b) publizierten und vielfach zitierten EoL-RQ der Metalle gegeben.

Die aktuellen EoL-RQ der Metalle zeigen, dass grundsätzlich noch große Optimierungspotenziale für Recycling existieren. Dass das Heben dieser Potenziale unmittelbar zu Einsparungen an Energie und THGE führt – wie es u. a. von Ciacci et al. (2016) angenommen ist – ist rein spekulativ und daher mit hohen Unsicherheiten verbunden. Das belegen die in Kapitel 5 vorgenommenen Auswertungen der erstellten Recyclingmodelle der beispielhaften Metalle Kupfer, Tantal und Kobalt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der sekundären Quellen – insbesondere deren Metallkonzentrationen – entscheidend die KEA des Recyclings bestimmen. So schwanken z. B. die KEA des Kupferrecyclings je nach sekundärer Quelle zwischen 14 und 45 MJ/kg Kupfer. Die sekundäre Quelle der Bau- und Abbruchabfälle weist die geringste Kupferkonzentration auf, die sogar unter der durchschnittlichen Konzentration der primären Quellen liegen. Daher befinden sich die KEA des Kupferrecyclings aus dieser sekundären Quelle auch in der Größenordnung des KEA der primären Kupfergewinnung. Die derzeitige EoL-RQ von Kupfer in Deutschland liegt bei ca. 50 % und erzielt damit nach den existierenden Sammelquoten und Recyclingeffizienzen die derzeit maximal mögliche Ersparnis an KEA und THGE. Pro Jahr werden allein in Deutschland 400 Mt CO2eq durch das Recycling von Kupfer eingespart. Die EoL-RQ von Kupfer weiter zu verbessern – z. B. durch Erhöhungen der Sammelquoten – kann zu zusätzlichen Ersparnissen führen. Hier sind allerdings Grenzen gesetzt, wie die Szenarien-Analyse in Abschnitt 5.2.5.2.2 zeigt.

Tantal ist in den meisten sekundären Quellen weitaus niedriger konzentriert als Kupfer. Die Aufwände des Tantalrecyclings liegen mit einer Bandbreite von 50 bis 3.700 MJ/kg bzw. 3 bis 200 kg CO2eq/kg Tantal daher teils um mehrere Größenordnungen über denen des Kupferrecyclings. Aufgrund des enormen KEA der primären Tantalgewinnung ist es dennoch aus energetischer Sicht sinnvoll, die EoL-RQ von Tantal von derzeitigen 11 % auf 25 % zu erhöhen. Die energetisch optimale EoL-RQ wird sich auch zukünftig, wenn der KEA der Primärgewinnung durch eine verstärkte Kuppelproduktion von Tantal und Lithium absinkt, nur geringfügig auf ca. 24 % verschieben. Um eine Erhöhung der EoL-RQ wirtschaftlich umsetzen zu können, sind eine intelligente und grenzübergreifende Sammellogistik sowie eine zentralisierte Aufbereitung notwendig. Denn die in Deutschland für ein Recycling verfügbaren Massen dieses Technologiemetalls belaufen sich auf nur wenige Tonnen pro Jahr.

Das Recycling von Kobalt wird derzeit aus allen verfügbaren sekundären Quellen, die nicht dissipativer Natur sind, zu hohen Recyclingeffizienzen praktiziert – auch das Recycling von LIB aus Altautos, das immer wieder Thema der öffentlichen Debatte ist. Dennoch ist die EoL-RQ mit 23 % verhältnismäßig niedrig, was insbesondere auf die geringen Sammelquoten der sekundären Quellen zurückzuführen ist. Ob das Kobaltrecycling zu Ersparnissen an Energie und THGE führt, kann derzeit nicht beantwortet werden, denn es sind keine validen Daten über die Energiebedarfe der Primärgewinnung von Kobalt vorhanden. Dieses Beispiel zeigt, dass ohne eine valide Datenbasis auch keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob und bis zu welchem Umfang Recycling eine nachhaltige Entwicklung unterstützt.

Die Untersuchungen der drei beispielhaften Metalle zeigen, dass Recycling bereits entscheidend zur Minderung des Klimawandels beiträgt, gleichzeitig jedoch noch deutliche Optimierungspotenziale bestehen. Insbesondere Erhöhungen der teils sehr niedrigen Sammelquoten können noch entscheidende Einsparungen an Energie und THGE erzielen. Dass diesen Optimierungspotenzialen Grenzen gesetzt sind und eine vollständige Kreislaufführung keineswegs das Ziel sein kann, geht ebenfalls eindeutig aus den Untersuchungen hervor. Das Beispiel Kupfer zeigt, dass ähnliche Werte der Metallkonzentrationen in primären und sekundären Quellen bereits dazu führen können, dass die energetische Vorteilhaftigkeit des Recyclings auf der Kippe steht. Metalle, die in der Technosphäre in signifikant geringerer Konzentration vorkommen als in den primären Quellen oder sogar dissipativ verteilt sind – wie es die Ergebnisse des Abschnitts 3.1.2 zeigen – können den Erkenntnissen dieser Arbeit zufolge keinesfalls mit einem positiven Beitrag zum Klimaschutz recycelt werden. Bei nur geringfügig geringeren Konzentrationen in sekundären als in primären Quellen kann Recycling allerdings durchaus energieeffizienter sein, ermöglicht durch Demontage- und Allokationseffekte.

Die größten noch verbleibenden theoretischen Einsparpotenziale an THGE durch Recycling sind auf die Massenmetalle zurückzuführen. Zwar werden Massenmetalle bereits zu hohen EoL-RQ rückgewonnen und weisen zudem nur verhältnismäßig geringe Einsparpotenziale pro Masseneinheit auf, sie sind jedoch in so großen Massen im anthropogenen Stofflager verfügbar, dass die Mengeneffekte überwiegen. Technologiemetalle, die tendenziell nur zu sehr geringen Quoten recycelt werden, sind trotz ihrer hohen Einsparpotenziale pro Masseneinheit Metall, im relativen Vergleich kaum nennenswert. Diese Erkenntnis gibt eine klare Richtung vor – um im Sinne des Klimaschutzes wirkungsvoll zu recyceln, sollten (weiterhin) Massenmetalle wie Eisen, Aluminium oder Kupfer in den Fokus genommen werden. Welche tatsächlichen Potenziale für die Minderung des Klimawandels durch Recycling existieren, ist grundsätzlich dynamischer Natur. So können die KEA der Prozesse der primären und der sekundären Metallgewinnung durch Innovationen und technische Entwicklungen minimiert werden. Auch die Qualität der Quellen – primär und sekundär – unterliegt Änderungen über die Zeit, die wiederum Einfluss auf die Aufwände in den Gewinnungsprozessen haben.

Die vorgenommenen Analysen der KEA-optimierten EoL-RQ einzelner Metalle können nur über Ein-Metall Betrachtungen erreicht werden. Das Metallproduktionssystem ist jedoch primär- wie sekundärseitig hochkomplex und über zahlreiche Wechselwirkungen der einzelnen Metalle untereinander stark verwoben. Metalle kommen in primären und sekundären Quellen meist im Verbund mit einer Vielzahl an weiteren Metallen vor und werden nur sehr selten isoliert – also ohne Kuppelprodukte – gewonnen. Am Beispiel von Kupfer ist in Abschnitt 7.3 herausgearbeitet, dass die Ein-Metall Betrachtung durch die Interkonnektivitäten des Metallproduktionssystems mit Unsicherheiten verbunden ist. Die grundsätzlichen Unsicherheiten, die durch die notwendigen Allokationen entstehen, werden durch die Wechselwirkungen der Metalle untereinander verstärkt. So können Metalle sich gegenseitig im Recycling begünstigen oder auch hemmen – es existieren gleichzeitig Zielkonflikte und symbiotische Effekte. Ob diese zusätzlichen Faktoren über Verbesserungen oder Erweiterungen der Allokationsverfahren vollumfänglich erfasst werden können, gilt es durch weitere Forschungen zu klären. Nach den Erkenntnissen dieser Arbeit ist jedoch ein systemisches Denken und Analysieren der Metallproduktion unumgänglich. Nur so kann ausreichend Transparenz über die Systeme und deren Wechselwirkungen geschaffen werden, die notwendig sind, um Ein-Metall Betrachtungen besser interpretieren zu können.

Ein hoher Bedarf an Transparenz existiert auch bei der makroskopischen bzw. globalen Betrachtung der primären Metallproduktionssysteme. Denn welche primären Quellen mit welchen KEA und in welcher Reihenfolge tatsächlich durch Recycling substituiert werden, kann nach aktuellem Wissensstand nicht beantwortet werden. Grundsätzlich kann angenommen werden, dass die Substitution nach ökonomischen Kriterien erfolgt. Allerdings werden nicht aktuell existierende Minen, sondern aufgrund des stetig wachsenden Metallbedarfs mögliche zukünftige Minen substituiert. Hier sind noch umfassende Forschungen notwendig, um ein tieferes Systemverständnis zu erlangen und auch für prospektive primäre Quellen entsprechende Datenbasen generieren zu können.

Die Erkenntnisse dieser Arbeit lassen noch weitere Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen zu. So kann Recycling von Metallen nur dann betrieben werden, wenn die notwendige metallurgische Infrastruktur gegeben ist. Dabei sind neben den zentralen metallurgischen Verfahren, wie z. B. die Eisen- oder Kupfermetallurgie, insbesondere auch begleitende metallurgische Verfahren notwendig, die die Reststoffe der zentralen Metallurgie effizient aufbereiten können. Diese metallurgische Infrastruktur gilt es in Deutschland und Europa ggf. auch durch finanzielle Maßnahmen zu unterstützen, weiter auszubauen und zu vernetzen. Andernfalls verlagert sich das Recycling der Metalle in andere Regionen der Welt. Das führt zum einen zu dem Verlust der teils wirtschaftsstrategisch wichtigen Metalle. Zum anderen besteht dadurch die Gefahr, dass deren Recycling weitaus weniger umweltfreundlich praktiziert wird, als es z. B. im westeuropäischen Raum getan werden kann. Die zentrale Bedeutung von hochentwickelten metallurgischen Systemen ist durch die Funktionsweise der Recyclingmodelle verdeutlicht, die in Abschnitt 4.2 beschrieben ist. Würden die Recyclingeffizienzen der Metallurgie – die meist weit über 90 % betragen – sinken, so hätte das überproportionale Auswirkungen auf den Gesamtaufwand des Recyclings. Dass ist darauf zurückzuführen, dass sich die Metallurgie am Ende der Recyclingkette befindet und deren Recyclingeffizienzen damit Auswirkungen auf alle vorgelagerten Prozesse haben.

Die Quintessenz der vorliegenden Arbeit ist der konzeptionelle Ansatz der zielorientierten Ausrichtung des Recyclings und der CE anhand der Energiebedarfe, untermauert durch empirische Auswertungen und Ergebnisse. Letztere sollten, wie oben gezeigt, durch weitere Forschungen verbessert bzw. deren Unsicherheiten minimiert werden. Recycling und CE sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck – sie leisten einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der THGE der Metallbereitstellung und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung. Um sicher zu stellen, dass alle Recyclingaktivitäten diesen Zweck erfüllen und nicht das Gegenteil forcieren, muss jeder Einzelfall untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit liefern den empirischen Beweis, dass vollständig geschlossene Kreisläufe keineswegs das Ziel sein können. Dennoch sollten Recycling und CE neben anderen Klimaschutzmaßnahmen weiterhin gefördert werden, um die noch verbleibenden Potenziale des Recyclings auszuschöpfen – allerdings stets mit der klaren Zielorientierung anhand der Energiebedarfe.